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Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Einstellung?, oder: „Mein Mandant wird derzeit schweigen…“

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Heute ist zwar Karfreitag, aber ich stelle trotz des Feiertages dann wie üblich Gebührenentscheidungen vor. Herausgesucht habe ich „richtige“ Entscheidungen, quasi „kleine Ostereier“ 🙂 .

Ich starte mit dem AG Strausberg, Urt. v. 24.03.2022 – 9 C 166/21, das mit der Kollege Nowak aus Strausberg geschickt hat. Der Kollege ist von der Rechtsschutzversicherung seines ehemaligen Mandanten auf Rückzahlung eines Teilbetrages in Höhe von 190,40 EUR (Nr. 5115 VV RVG zuzüglich anteiliger USt) aus einem von der Versicherung geleisteten Vorschlusses aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1. BGB. in Anspruch genommen worden. Die Klage hatte keinen Erfolg:

„1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Vorschlusses i.H. eines Teilbetrages von 190,40 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Ein hierauf gerichteter Anspruch scheitert bereits daran, dass der Beklagte nicht passivlegitimiert ist. Im Übrigen hat die Klägerin nicht ohne Rechtsgrund (an die Versicherungsnehmerin ) geleistet.

a) Bei der Vorschusszahlung der Klägerin handelt es sich um eine Leistung kraft Anweisung.

Die Versicherungsnehmerin hat, vertreten durch den Beklagten, die Klägerin angewiesen, die fällige Versicherungsleistung an den Beklagten zu zahlen. Mit dem Vollzug dieser Anweisung wollte die Klägerin ihre im sogenannten Deckungsverhältnis fällige Verbindlichkeit aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag gegenüber der Versicherungsnehmerin erfüllen.

Die Versicherungsnehmerin wollte durch den Vollzug der der Klägerin erteilten Weisung ihre im sogenannten Valutaverhältnis fällige Verbindlichkeit aus dem Rechtsbesorgungsvertrag gegenüber dem Beklagten tilgen. Die Parteien des Rechtsstreits stehen zueinander nur im sogenannten Vollzugsverhältnis und haben miteinander keine bereicherungsrechtlich relevante Leistungsbeziehung. In Anweisungsfällen muss der Bereicherungsausgleich aber nach ständiger Rechtsprechung (u.a. BGH. NJW 2003, 582; BGH. NJW 2004, 1315; BGH. NJW 2008, 2331) innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse erfolgen. Etwaige vertragliche Regelungen zwischen der Klägerin und der Versicherungsnehmerin, die eine unmittelbare Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs gegen den Beklagten zulassen, sind nicht ersichtlich.

b) Selbst wenn der Beklagte der richtige Anspruchsgegner wäre, stünde der Klägerin der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch nicht zu. Denn die im Streit stehende Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG ist, da das gegen die Versicherungsnehmerin vor der Verwaltungsbehörde eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren durch die Mitwirkung des Beklagten endgültig eingestellt worden ist, entstanden.

Der Beklagte hat sich mit Schreiben vom 29.09.2018 an die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg gewandt, die Vertretung der Frau angezeigt, um Akteneinsicht gebeten und darüber hinaus erklärt, dass seine Mandantschaft derzeit von ihrem Schweigerecht Gebrauch macht und eine Stellungnahme gegebenenfalls binnen drei Wochen nach Gewährung vollständiger Akteneinsicht erfolgt. Durch dieses Schreiben hat der Beklagte bei der endgültigen Einstellung des Verfahrens mitgewirkt. Denn der Inhalt des Schreibens war objektiv geeignet, die endgültige Verfahrenseinstellung zu fördern. Der Umstand, dass es in dem anwaltlichen Schreiben heißt, die Mandantschaft werde derzeit von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, ändert hieran nichts. Anhand der Äußerung war nämlich zu vermuten, dass sich die Betroffene nach der Akteneinsicht auch weiterhin und damit endgültig auf ihr Schweigerecht berufen würde, wenn sich nach der durch den Beklagten genommenen Akteneinsicht externe Beweismöglichkeiten nicht abzeichnen würden, die Bußgeldstelle also allein auf die Bestätigung durch die Betroffene angewiesen wäre. Der Bußgeldstelle war folglich schon nach dieser Äußerung eine umfassende Würdigung der Beweislage möglich, die offenkundig die Entscheidung über die endgültige Verfahrenseinstellung beeinflusste. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann daher auch der konkreten Äußerung des Beklagten im vorliegenden Fall die erforderliche objektive Eignung der Förderung einer endgültigen Verfahrenseinstellung nicht abgesprochen werden.“

Ähnlich AG Augsburg, Urt. v. 20.12.2021 – 21 C 2535/21– …..

Eine „Trunkenheitsfahrt“ ist nicht „sozialwidrig“, oder: Grundsicherung muss nicht zurückgezahlt werden

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Als zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ dann das LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 05.07.2018 – L 6 AS 80/17. Entschieden worden ist über einen vom sog. Grundsicherungsträger gegenüber dem Kläger, einem Kraftfahrer, geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung von Grundsicherungsleistungen. Die waren dem Kläger nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes aufgrund einer Trunkenheitsfahrt gewährt worden. Das LSG sagt: Nein, der Kläger muss nichts zurückzahlen: Denn mit der Trunkenheitsfahrt, die zum Verlust des Führerscheins und nachgehend zum Verlust des Arbeitsplatzes führte, hat der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht i.S.d. § 34 Abs 1 SGB II (in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung) herbeigeführt. Die Trunkenheitsfahrt war nicht sozialwidrig:

„Entgegen den Grundsätzen des SGB II und damit „sozialwidrig“ verhält sich der Betroffene, wenn es ihm aus eigener Kraft möglich (gewesen) wäre, die Hilfebedürftigkeit abzuwenden und sein Verhalten diesen Möglichkeiten zuwiderläuft. Das Tatbestandsmerkmal des „sozialwidrigen Verhaltens“ umfasst nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-4200 § 34 Nr 2 Rn 20 f) nur ein Verhalten, das (1) in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit oder (2) die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw der Leistungserbringung gerichtet war bzw hiermit in „innerem Zusammenhang“ stand oder (3) ein spezifischer Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen bestand.  Für die Annahme eines sozialwidrigen Verhaltens ist zudem erforderlich, dass die Existenzgrundlage durch das maßgebliche Verhalten selbst unmittelbar beeinträchtigt wird oder wegfällt.

Das BSG hat eine Sozialwidrigkeit verneint bei Straftaten (räuberischer Diebstahl in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung – B 4 AS 39/12 R, vorsätzliches Handeln mit Betäubungsmitteln – B 14 AS 55/12 R), die absehbar zu einer Inhaftierung und damit zum Wegfall von Erwerbsmöglichkeiten führen. Denn der Vorwurf der Sozialwidrigkeit sei nicht in der Strafbarkeit einer Handlung, sondern darin begründet, dass der Betreffende – im Hinblick auf die von der Solidargemeinschaft aufzubringenden Mittel der Grundsicherung für Arbeitsuchende – in zu missbilligender Weise sich selbst oder die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in die Lage gebracht hat, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu müssen. Dagegen sei in den entschiedenen Fällen die berufliche Existenzgrundlage durch das strafbare Verhalten nicht unmittelbar beeinträchtigt worden oder weggefallen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Verhalten des Klägers zwar als rechtlich in höchstem Maße zu missbilligende Tat zu werten, nicht jedoch als sozialwidrig iSd § 34 SGB II einzustufen:

Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Handlungstendenz des Klägers darauf gerichtet war, seine berufliche Existenzgrundlage zu vernichten und damit zu Lasten öffentlicher Kassen hilfebedürftig iSd SGB II zu werden. Für diese Annahme besteht kein Grund. Der Kläger war seit 2012 als Kraftfahrer beim selben Arbeitgeber beschäftigt und hatte dort zu Beginn des Jahres 2014 eine Festanstellung sowie eine Gehaltserhöhung erhalten, weil der Arbeitgeber mit seinen Leistungen zufrieden war.

Es bestand auch kein spezifischer Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen…..“

Und nochmals: Vorsicht beim Vorschuss bzw. bei der Pauschgebühr

Ich hatte ja vor einigen Tagen über eine Entscheidung des KG betreffend die Verjährung bei der Pauschgebühr (§§ 51, 42 RVG) berichtet (vgl. hier). Im Nachgang hier dann eine weitere Entscheidung des KG v. 03.08.2010 – 1 AR 44/09 – die zur Vorsicht anhalten sollte, wenn der Plichtverteidiger einen Vorschuß auf diePauschgebühr erhalten hat (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 4 51 Abs. 4 RVG). Dann bloß nicht den endgütligen Antrag auf Festsetzung der Pauschgebühr vergessen. denn sonst ist nicht nur die dahin, sondern es muss auch der Vorschuss zurückgeahlt werden. Und zwar ohen wenn und aber. Kann schmerzlich teuer werden.