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Adhäsionsverfahren, oder: Rückwirkende PKH-Bewilligung, es gibt sie doch

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Der BGH, Beschl. v. 25.07.2017 – 3 StR 132/17 – ist für die Nebenklägerin im wahrsten Sinne: Gold/Geld wert. Denn der BGH hat ihr in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung rückwirkend im Adhäsionsverfahren für die Revisionsinstanz Prozesskostenhilfe bewilligt und eine Rechtsanwältin beigeordnet:

Die durch die Tat des Angeklagten geschädigte H. wurde in erster Instanz als Nebenklägerin zugelassen. In der Hauptverhandlung hat sie einen Adhäsionsantrag gestellt, mit dem sie Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht und die Feststellung beantragt hat, dass der Angeklagte ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihr in Zukunft aus den verfahrensgegenständlichen Taten entstehen werden, zu ersetzen hat. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2017 hat die Nebenklägerin beantragt, ihr auch für die Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Im Adhäsionsverfahren ist über den Prozesskostenhilfeantrag des Nebenklägers für die jeweilige Instanz gesondert zu entscheiden (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. März 2001 – 3 StR 25/01, NJW 2001, 2486 ff.; vom 27. Mai 2009 – 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 253).

Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht dabei nicht entgegen, dass das Revisionsverfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen ist. Freilich ist eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zumal nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss, grundsätzlich nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 1991 – 3 StR 142/91). Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende Entscheidung kommt jedoch in Betracht, wenn der Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – 5 StR 179/10, BGHR StPO § 404 Abs. 5 Prozesskostenhilfe 1). Damit ist der Adhäsionsklägerin vorliegend rückwirkend Prozesskostenhilfe zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2017 hat sie beantragt, ihr auch im Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren unter Beiordnung ihrer bisherigen Rechtsanwältin zu gewähren; auf die gegenüber dem Landgericht abgegebene Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, an denen sich seither nichts geändert habe, hat sie verwiesen. Der Antrag ist im Revisionsverfahren jedoch übersehen worden.“

Wäre schön, wenn das bei der rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung auch so einfach wäre. Da wird ja auch nicht selten ein Antrag des Angeklagten „übersehen“. Und dann kennen wir die Argumentation der OLg – viele LG machen das anders: Nein, rückwirkend geht, denn die Pflichtverteidigung dient nicht dem Kosteninteresse des Verteidigers usw. usw. Hier bügelt der BGH seinen „Fehler“: „Der Antrag ist im Revisionsverfahren jedoch übersehen worden.“ ohne großes Hin und Her aus. Voraussetzung ist natürlich, dass man als Rechtsanwalt erkannt hat, dass über die PKH in jeder Instanz neu zu entscheiden ist und einen Antrag gestellt hatte.