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„Bestrafung“ des Pflichtverteidigers wegen Verschweigens von Mandantenzahlungen?

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Die regelmäßigen Leser dieses Blogs wird das Aktenzeichen des heute vorgestellten OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2016 – 6 WF 46/14 – erstaunen und sie werden sich ggf. fragen: Gibt es hier jetzt auch Familienrecht? Antwort: Nein, aber es handelt esich um eine Entscheidung, die einen im Familienrecht beigeordneten Rechtsanwalt betrifft, die Entscheidung kann aber auch für den Pflichtverteidiger von Bedeutung sein. Es geht nämlich um die Frage der Sanktion, wenn der beigeordnete/bestellte Rechtsanwalt seiner Anzeiegpflicht aus § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG nicht nachgekommen ist. Das war in einem familiengerichtlichen Verfahren der Fall gewesen. Nach der Vergütungsfestsetzung waren dann die Zahlungen der Mandatin „aktenkundig“ geworden und hatte dazu geführt, dass der Urkundsbeamte neu festgesetzt und angerechnet hatte. Dazu das OLG:

„2. Die Zahlungen der Mandantin an den Antragsteller sind im Ergebnis auf dessen Vergütung als beigeordneter Anwalt nicht anzurechnen.

Zwar hat der Antragsteller in eklatanter Weise und entgegen seiner eigenen schriftlichen Ankündigung gegen die in § 55 Abs. 5 Satz 2, 4 RVG statuierte Pflicht verstoßen, bei der Antragstellung schon erhaltene Mandantenzahlungen mitzuteilen und später erlangte Zahlungen unverzüglich mitzuteilen. Eine Regelung, dass verschwiegene Zahlungen später in jedem Fall anzurechnen wären, fehlt jedoch im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Eine Rückforderung bereits erfolgter Zahlungen durch die Staatskasse kann daher nicht allein wegen eines unlauteren Verhaltens des beigeordneten Anwalts erfolgen. Die Pflicht des Anwalts, empfangene Zahlungen bei der Antragstellung mitzuteilen oder unverzüglich nach Erhalt anzugeben, dient der Prüfung, ob diese Zahlungen auf die festzusetzende Vergütung anzurechnen sind. Mangels gesetzlich normierter Sanktion für Verletzungen dieser Pflicht verbleibt es bei nachträglich bekannt gewordenen, vom Anwalt verschwiegenen Zahlungen des Mandanten bei der Überprüfung, ob diese Zahlungen auf die (festgesetzte) Vergütung anzurechnen sind. Die unterlassene Anzeige erhaltener Mandantenzahlungen kann lediglich berufsrechtlich verfolgt werden oder auch strafrechtliche Relevanz entfalten….“

Wenn man es so liest, meint man (zunächst), sich entspannt zurücklehnen zu können. Aber, Vorsicht!! Der Satz im Beschluss: „Die unterlassene Anzeige erhaltener Mandantenzahlungen kann lediglich berufsrechtlich verfolgt werden oder auch strafrechtliche Relevanz entfalten….“ sollte dann doch vielleicht Anlass zum Nachdenken sein.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Staatskasse will Gebühren zurück haben, geht das?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Mein freitägliche Frage: Ich habe da mal eine Frage: Staatskasse will Gebühren zurück haben, geht das? ist in einer Gruppe bei Facebook, mit der ich meine Blogbeiträge teile, diskutiert worden. Hier im Blog hat sie allerdings keine Kommentare bekommen, was mich ein wenig wundert, da das Posting schon eine Problematik enthielt, die in der Praxis nicht so ganz selten sein dürfte. Nun, dann also die Antwort, ohne Kommentare. Die Antwort ist zweigeteilt:

Antwort: Ja, das kann er. Allerdings ist die obergerichtliche Rechtsprechung an der Stelle noch restriktiver als bei der Berufung; ich verweise nur mal exemplarisch auf den – m.E. falschen – KG, Beschl. v. 27.04.2010 – 1 Ws 61/10. Zu dem Ganzen gibt es auch einen Beitrag von mir aus dem RVGreport, und zwar RVGreport 2014, 410 – Die Erstattung/Festsetzung der Verfahrensgebühr für das strafverfahrensrechtliche Rechtsmittelverfahren im Fall der Rechtsmittelrücknahme der Staatsanwaltschaft.

  • Der zweite Teil der Frage des Kollegen ist aber mindestens ebenso interessant, nämlich die nach der „Rückforderungsbitte“ der Staatskasse. So etwa nach dem Motto: Sorry, haben uns vertan, schicken Sie doch bitte mal das Geld zurück.

Antwort: Nun, so einfach geht das nicht. Denn – davon gehe ich aus – es ist ja die Gebühr Nr. 4130 VV RVG, um die es geht, festgesetzt und gezahlt worden. Damit hat der Kollege zunächst mal einen Rechtsgrund, die Gebühr auch behalten zu dürfen. Wenn die Staatskasse meint, dass sie die Gebühr zu Unrecht festgesetzt hat, dann muss erst mal der Rechtsgrund für die Zahlung/das Behaltendürfen beseitigt werden. Dazu muss sie nicht, wie ein Kollege bei FB meinte, „klagen“. Aber: Der Urkundsbeamte darf seinen Festsetzungsbeschluss nicht einfach mal so ändern. Vielmehr muss die Staatskasse Erinnerung oder auch Beschwerde einlegen gem. § 56 RVG, um so eine niedrigere Festsetzung zu erreichen. Wird dann so festgesetzt, kann dann später nach der Justizbeitreibungsordnung die „Überzahlung“ eingezogen werden. In dem Verfahren der „Rückfestsetzung“ (ist keine Rückfestsetzung im klassischen Sinn) kann und wird dann um die Berechtigung des Ansatzes der Nr. 4130 VV RVG gestritten – mit allen nach den §§ 56, 33 RVG vorgesehenen Rechtsmitteln. Als Rat an den Kollegen: Zunächst mal entspannt zurücklehnen und warten, was die Staatskasse macht. Meine Vermutung: Sie wird sich, wenn um Rückzahlung schon gebeten worden ist, mit Sicherheit „melden“.

Ach so: Wer sich jetzt fragt, wo man das alles ggf. nachlesen kann: Steht u.a. bei Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, Teil A: Festsetzung gegen die Staatskasse (§ 55), Rn. 923. Werbemodus aus 🙂 .