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RP Kassel locuta, causa finita – gilt nicht

Ein Kollege hat im Forum bei Jurion-Strafrecht über einen Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel in Sachen „Dauerbrenner Akteneinsicht im Bußgeldverfahren“ berichtet, der ihm vor einigen Tagen aus den Schreibtsich geflattert ist. Der Kollege meint, die Geschichte treibe immer „dollere Blüten“. Ganz Unrecht hat er m.e. nicht.

Zur Sache: Der Kollege beantragt Aktensicht in die Betriebsanleitung des bei einer Geschwindigkeitsmessung verwendeten Messgerätes Traffistar S330. . Er erhält vom Regierungspräsidium Kassel folgende Antwort/Nachricht:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihrem Antrag auf Einsicht in die Betriebsanleitung des verwendeten Messgerätes Treff Star 5330 gebe ich statt.
Sie können die Betriebsanleitung nach vorheriger Terminabsprache in den Räumlichkeiten des PP Nordhesswen, Dir. Verkehrssicherheit/Sonderdienste, Wachpolizei-Radarkommando., Grüner Weg 33 in 34117 Kassel einsehen_
Auch ist es möglich, die Betriebsanleitung vom Hersteller zu erhalten. Dazu wenden Sie sich bitte an den Hersteller unter der nachstehenden E-Mail-Anschrift oder rufen Sie seine Webseite auf:
Firma Jenoptik in Jena/Monheitra (Robot) Fax-Adresse: 0049 3641 424514
Webseite: www.jenoptik.com
Ein Anspruch auf Übersendung besteht dagegen nicht.
Bei der Regelung des § 48 OWiG iVm § 147 Absatz 3 StPO handelt es sich lediglich um eine Sollvorschrift (Meyer-Goßner, StPO, § 147 Rn. 28; Göhler, OWiG, § 60 Rn. 52). Die Mitgabe oder Übersendung liegt im Ermessen der Bußgeldbehörde und soll grundsätzlich gewährt werden, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen, Zur Anfertigung von Kopien ist die Behörde nicht verpflichtet.
Der Übersendung der Betriebsanleitung stehen wichtige Gründe entgegen. Die Unterlagen werden im täglichen Dienstbetrieb benötigt und sind deshalb nicht entbehrlich. So ist gemäß § 6 Absatz 3 der Eichordnung die Betriebsanleitung so beim Gerät aufzubewahren, dass sie jederzeit verfügbar ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. Göhler, OWiG, § 60 Rn. 54a).“

Jetzt lassen wir mal die Fragen zum Umfang und zur Art und Weise der Akteneinsicht außen vor. Lassen wir es auch auf sich beruhen, dass an der Stelle die Diskussion der letzten Monate am Regierungspräsidium wohl vorbei gegangen sein dürfte. Lassen wir auch außen vor, dass die m.E. wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur – zumindest nach dem Cierniak-Beitrag in zfs 2012, 664 – anderer Auffassung sein dürfte.

Aber, der letzte Satz:  „Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. Göhler, OWiG, § 60 Rn. 54a)“. Der stößt dann doch sauer auf und/oder irritiert. Zunächst mal ist er ein Beweis dafür, dass offenbar das, was im Göhler steht, Gesetz ist bzw. als solches angesehen wird. Darüber komm man ja noch hinweg. Aber der Inhalt dieser Rechtsmittelbelehrung: M.E. falsch, denn so steht es selbst bei Göhler nicht. Vielmehr wird von der auch insoweit wohl h.M. der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als zulässig angesehen.

Der Kollege hat das Schreiben kommentiert mit „Na wer sagts denn!“ Nun, die Verwaltungsbehörde selbst jedenfalls nicht. RP Kassel locuta, causa finita – gilt nicht.