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What´s new – im Strafverfahren? Reduzierte Besetzung der StK nicht mehr nur befristet… und noch mehr

Heute ist der 1. Arbeitstag des neuen Jahres. Ich begrüße alle, die gleich am ersten Tag wieder in das normale Geschirr gehen mit folgendem Post:

Der 01.01. eines Jahres ist ja häufig der Stichtag für das Inkrafttreten gesetzlicher Neuregelung. So auch in diesem Jahr. Für meinen strafverfahrensrechtlichen Bereich ist hinzuweisen auf das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des BundesdisziplinarG vom 06.12.2011 (BGBl I, S. 2554).

Dieses hat die einschlägigen §§ 76 GVG, 33b JGG grundlegend und unbefristet geändert. Die „reduzierte Besetzung der großen Strafkammer“ ist also nicht mehr nur eine Übergangsregelung.

Hinweisen will ich hier nur auf Folgendes, (mehr dazu im StRR-Heft 1/2012 vom Kollegen Deutscher, bei dem ich auch das nachfolgende Zitat geklaut habe):

Zwar bleiben die jeweiligen Absätze 1 der Vorschriften bestehen, wonach die großen Straf-/Jugendkammern mit drei Berufsrichtern einschließlich Vorsitzendem besetzt sind. Für die Besetzung in der Hauptverhandlung gelten jedoch jetzt die neuen §§ 76 Abs. 2 – 5 GVG, 33b Abs. 2 – 6 JGG. Über die Besetzung ist nunmehr stets und nicht nur im Fall der Zweier-Besetzung zu entscheiden, entweder bei Eröffnung des Hauptverfahrens (jew. Abs. 2 Satz 1) oder bei bereits eröffnetem Hauptverfahren bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung (jew. Abs. 2 Satz 2). Die Dreier-Besetzung ist dabei zwingend anzuordnen in drei enumerativ genannten Fällen (jew. Abs. 2 Satz 3, u. III 1). Hervorzuheben ist dabei die jeweils in Ziff. 3 benannte, schon in der früheren Rechtslage geltende Vorgabe, wonach die Dreier-Besetzung zwingend ist, wenn nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig erscheint, wobei in den jeweiligen Absätzen 3 zwei (GVG) bzw. drei (JGG) Fälle benannt werden, in denen hierbei „in der Regel“ die Dreier-Besetzung notwendig ist (u. III 2). „Im Übrigen“ und damit als Grundsatz gilt in der Hauptverhandlung die Zweier-Besetzung (jew. Abs. 2 Satz 4). §§ 76 Abs. 4 und 5 GVG, 33b Abs. 5 und 6 JGG enthalten Regelungen zur nachträglichen Abänderung bzw. Neuentscheidung nach Zurückverweisung vom Revisionsgericht oder nach Aussetzung der Hauptverhandlung (u. IV 3 b u. c).

Für das Übergangsrecht gilt:

Nach dem neu eingefügten § 41 Abs. 1 EGGVG ist die alte Fassung des § 76 GVG auf alle Verfahren im Erwachsenenbereich anzuwenden, die vor dem 01.01.2012 beim LG anhängig geworden sind. Gleiches gilt nach § 121 Abs. 2 JGG n.F. für die Anwendung von § 33b Abs. 2 JGG a.F. bei den Jugendkammern.

Und dann noch ein Link auf eine Änderung in Bayern. Dort gibt es jetzt auch ein Landesgesetz zur U-Haft, vgl. hier beim Kollegen Spiegel.

Zwickmühle für den Verteidiger, Oder: Soll ich auf die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung wirklich hinweisen?

Den Beschl. des BGH v. 13.09.2011 – 5 StR 189/11 hatte ich wegen der materiell-rechtlichen Frage ja gerade eben hier schon vorgestellt. Hier dann das verfahrensrechtliche Problem, das auch mit der Sicherungsverwahrung zu tun hat.

Die Kammer hatte bei der Eröffnung beschlossen, mit nur zwei Richtern zu verhandeln (§ 76 Abs. 2 GVG). In der Hauptverhandlung stellte sich dann heraus, dass Sicherungsverwahrung in Betracht kam. Die ist auch verhängt worden. Die dagegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH weist darauf hin, dass eine einmal beschlossene Reduktion der Besetzung nicht mehr abgeändert werden kann.

Und: Die Verfahrensrüge war auch schon deshalb erfolglos, weil kein Besetzungseinwand erhoben worden war (§ 222b StPO). Da steckt der Verteidiger aber in einem Dilemma. Der Besetzungseinwand ist erforderlich für die Zulässigkeit einer ggf. später zu erhebenden Verfahrensrüge. Nur bedeutet das, dass er ggf. das Gericht auf die Fragen der Sicherungsverwahrung aufmerksam machen/hinweisen muss. Davon wird der Mandant nun gar nicht begeistert sein. Zwickmühle nennt man das wohl auch.

Oft übersehen – es gibt keine „reduzierte Eröffnungsentscheidung“

In der Praxis wird es häufig übersehen, dass es keine „reduzierte Eröffnungsentscheidung“, d.h., dass bei der Strafkammer immer drei Berufsrichter über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden müssen. Und zwar auch dann, wenn die Strafkammer in der Hauptverhandlung nach § 76 Abs. 2 GVG nur mit zwei Berufsrichtern besetzt ist. Soll dann in der Hauptverhandlung eine Eröffnungsentscheidung nachgeholt oder bei einer hinzuverbundenen Sache getroffenen werden, muss der dritte Berufsrichter mitentscheiden. Dazu jetzt noch einmal der BGH, Beschl. v.07.09.2011 – 1 StR 388/11, in dem es kurz und knapp heißt:

Die Strafkammer hat über die Eröffnung nicht in der dafür gesetzlich vor-gesehenen Besetzung entschieden. Entsprechend dem Eröffnungs- und Besetzungsbeschluss vom 22. Juli 2010 und 23. Dezember 2010 in den anhängigen und verbundenen Verfahren war die Strafkammer in der Hauptverhandlung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit zwei Berufsrichtern besetzt. Wird eine zunächst  unterbliebene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung nachgeholt, so entscheidet darüber aber beim Landgericht auch dann die Große Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der Schöffen, wenn die Kammer die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung durchführt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2005 – 4 StR 418/05 -; Beschluss vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09 -; Beschluss vom 22. Juni 2010 – 4 StR 216/10 -). Damit besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, welches insoweit zur Verfahrenseinstellung führt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 203 Rdnr. 4).“

Wie man sieht, ist das Rechtsprechung des BGH schon seit 2005. Sollte inzwischen bei den Landgerichten angekommen sein. Ist es aber wohl – wie man ebenfalls sieht – nicht.

Wochenspiegel für die 48. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand…

Wir berichten:

  1. Zum Inbegriff der Hauptverhandlung, hier.
  2. Zum abirrenden Fussball hier.
  3. Zur Beiziehung von Akten aus anderen aus vom Verteidiger vorgetragenen Gründen, hier, Lächerlich?
  4. Zum Jugendstrafverfahren hier.
  5. Und immer wieder Kachelmann, hier und hier.
  6. Manchmal ist es besser, wenn man nichts sagt, könnte man auch zu dem Bericht der Kollegin Rueber schreiben: Wir überprüfen Stichwörter. Heute: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
  7. Interessant: Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, vgl. hier.
  8. Nintendo hinter Gittern?, vgl. hier.
  9. Zum Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung, hier.
  10. Die reduzierte Besetzung der großen StK, vgl. hier.

Verurteilung eines Richters und eines Oberstaatsanwaltes wegen Rechtsbeugung

…ist vom 5. Strafsenat des BGH, wie der gerade mit einer PM meldet, aufgehoben worden (Beschl. v. 07.07.2010 – 5 StR 555/09).

Aufgehoben hat der BGH allerdings wegen eines Verfahrensfehlers, nicht wegen eines materiellen Fehlers. Die Strafkammer hatte nämlich in der sog. Zweier-Besetzung entschieden, nach Auffassung des BGH war jedoch wegen der Komplexität des Verfahrens die Mitwirkung von drei Berufsrichtern erforderlich. Eine Frage, die in der Rechtsprechung des BGH immer wieder eine Rolle spielt.

In der Sache war festgestellt worden, dass der Richter als Vorsitzender eines Schöffengerichts im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Untreue „absichtlich ein Reihe von schweren Verfahrensverstößen“, begangen hatte, um dem dortigen Angeklagten und weiteren Personen Nachteile zuzufügen. Insbesondere erließ er auf Antrag des mitangeklagten Staatsanwalts gegen Zeugen, unter anderem den Verteidiger des dortigen Angeklagten, Haftbefehle, ohne dafür zuständig zu sein. :-(.

Der BGH hat dann zur Sache „Segelanweisungen“ gegeben bzw. der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer schon mal mitgeteilt, wie er die Zuständigkeitsfrage im Haftbereich sieht. Im Ergebnis hält er die Verurteilung m.E. wohl für zutreffend.