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U-Haft, Strafhaft, sonstige Haft – was hat Vorrang?

Ziemlich unbekannt ist noch die verhältnismäßig neue Vorschrift des § 116b StPO, die das Verhältnis von U-Haft und anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen regelt. Geregelt ist dort, dass die Vollstreckung von U-Haft z.B. der Auslieferungshaft vorgeht, andererseits aber die Vollstreckung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe Vorrang vor der U-Haft hat.

Damit setzt sich der Beschl. des KG v. 01.11.2010 – 2 Ws 551/10 auseinander. Danach gilt:

1. Der Verurteilte hat keinen Anspruch darauf, vor Einleitung der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe angehört zu werden. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der neuen gesetzlichen Regelung des § 116b Satz 2 StPO. Diese schreibt vielmehr gesetzlich fest, daß nunmehr die Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von Gesetzes wegen der Vollstreckung von Untersuchungshaft vorgeht. Diese Folge tritt automatisch mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens in der Justizvollzugsanstalt ein.

2. Nur wenn der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert, was nur bei besonderen Gefahren, insbesondere der Verdunkelungsgefahr angenommen werden darf, kann das für die Untersuchungshaft zuständige Gericht eine abweichende Entscheidung – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – jederzeit treffen.

Immer wieder Blutentnahme und Beweisverwertungsverbot – zumindest können sich die „Mühen“ bei den Rechtsfolgen „lohnen“…

Das OLG Celle hat jetzt auch noch einmal zum Beweisverwertungverbot bei der Blutentnahme (§ 81a StPO) Stellung genommen. Der Beschl. v. 15.07.2010 – 322 SsBs 159/10 lässt sich in etwa folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Zwischen der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungsbehörden besteht im Hinblick auf die Eilzuständigkeit gem. § 81a Abs. 2 StPO kein Rangverhältnis.
  2. Zu den Voraussetzungen an die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge mit der der Rechtsmittelführer das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Eildienstes und ein darauf zurückzuführendes Beweisverwertungsverbot geltend macht.
  3. Das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Eildienstes zur Erfüllung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
  4. Bei einer Geldbuße von 275 € muss das tatrichterliche Urteil Ausführungen zur den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten, da das Rechtsbeschwerdegericht sonst nicht nachvollziehen kann, ob die Bemessung der Geldbuße in Einklang mit § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG steht.

Der Beschluss liegt weitgehend auf der Linie der Rechtsprechung anderer OLG, wozu schon manches/vieles geschrieben ist. Die im Ls. 1 angesprochene Frage scheint m.E. das BVerfG anders zu sehen (vgl. BVerfG VRR 2008, 389 = StRR 2008, 382 = NJW 2008, 3053; BVerfG, Beschl. v. 11.06.2010, 2 BvR 1046/08). Interessant auch die Ausführungen des OLG zu Ls. 3, in dem es die Anforderungen an die Verfahrensrüge in diesen Fällen noch einmal verschärft hat.

Aber: Die (erfolglosen) Mühen haben sich für den Verteidiger und seinen Mandanten zumindest teilweise „gelohnt“. Das OLG weist in der Segelanweisung auf den langenZeitablauf hin und darauf, dass im zweiten Anlauf nun wohl ggf. ein Fahrverbot nicht mehr verhängt werden dürfte.

OLG Celle: Kein Rangverhältnis zwischen StA und Polizei

Inzwischen arbeiten die OLG in Zusammenhang mit der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot bei Missachtung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO an Facetten der Problematik. Eine davon ist z.B. die Frage, ob sich ein Beweisverwertungsverbot damit begründen lässt, dass die die Blutentnahme bei Gefahr in Verzug anordnende Ermittlungsperson nicht zuvor versucht hat, den zuständigen Staatsanwalt zu erreichen. Das OLG Celle hat das – ebenso wie zuvor z.B. schon das OLG Brandenburg und das OLG Frankfurt – verneint. Der Umstand sei von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung des § 81a Abs. 2 StPO und ein Verwertungsverbot zu begründen. (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 25.01.2010 – 322 SsBs 315/09).

Gibt es ein Rangverhältnis Pflicht-/Wahlverteidiger? Antwort: Nein

Im Forum bei LexisNexisStrafrecht stand heute eine interessante Frage an. Der Kollege teilt folgendes mit:

 „nochmal Pommern: Der Pflichtverteidiger, den mein Mandant nicht mehr will, erhielt Akteneinsicht in der diesbezüglichen Angelegenheit. Ich wurde erst gar nicht informiert, ob mir eine AE gewährt wird oder nicht. Erst auf meine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Stralsund erhielt ich endlich ein Doppel und diese bemerken, dass da ein Pflichtverteidiger ist, dem das Akteneinsichtsrecht zustehe.“ Der Kollege fragt: „Habe ich als tätiger Wahlverteidiger nicht ein Vorrecht auf die Akteneinsicht? Immerhin macht der Pflichtverteidiger nichts, außer meine Bestellung zu verhindern.“

Also: Ein Vorrecht auf Akteneinsicht hat er nicht, aber der Pflichtverteidiger auch nicht, wovon offenbar die StA ausgeht. Ihr kann man nur die Lektüre der Entscheidung des OLG Köln v. 11.12.1009 – 4 Ws 496/09 – empfehlen (dem Verteidiger auch :-), über die wir schon berichtet hatten. Sie hat zwar eine andere Problematik zum Gegenstand, die Ausführungen zum Verhältnis Pflicht-/Wahlverteidiger und Akteneinsicht gelten aber auch hier/allgemein.

Im übrigen betont das BVerfG immer wieder, dass die Pflichtverteidigung keine Verteidigung zweiter Klasse ist. Das gilt dann aber sicher auch umgekehrt :-).