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StGB III: Abgrenzung Raub/räuberische Erpressung, oder: Gegeben oder genommen?

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Und zum Tagesschluss dann der – schon etwas ältere – BGH, Beschl. v. 22.02.2023 – 6 StR 44/23 – zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, also ein Klassiker.

Das LG hat die Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Dagegen die Revision, die zu einer Änderung der schuldsprüche führt:     .

„1. Die Schuldsprüche halten in den Fällen 1, 3 und 4 rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen entnahm der Angeklagte W.  Bargeld aus der Kasse einer Spielothek, die ein Mitarbeiter entriegelt hatte, nachdem ihn der Angeklagte S.    unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe zur Herausgabe von Geld aufgefordert hatte (Fall 1). Anlässlich eines weiteren Überfalls auf eine Tankstelle forderte der Angeklagte S. erneut unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe die Herausgabe von Geld, woraufhin eine Mitarbeiterin die Schublade mit Bargeld auf den Tresen stellte, die er leerte. Der Angeklagte W.  wartete im Fahrzeug (Fall 3). Nachdem beide Angeklagten einen Getränkemarkt betreten hatten, forderte der Angeklagte S. unter Vorhalt einer geladenen Schusswaffe Geld und Zigaretten, die ihm übergeben wurden. Zudem entnahm der Angeklagte aus einem Regal weitere Zigarettenschachteln (Fall 4).

b) Die Wertung des Landgerichts, in allen Fällen liege eine Vermögensverfügung vor, begegnet in den Fällen 1 und 3 durchgreifenden Bedenken.

aa) Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten. Wird dieser gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er dagegen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung, mithin einer Weggabe, genötigt, so ist – sofern eine Absicht rechtswidriger Bereicherung gegeben ist – eine räuberische Erpressung anzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09; vom 12. August 2021 – 3 StR 474/20).

bb) Davon ausgehend liegt weder im Fall 1 noch im Fall 3 eine Vermögensverfügung seitens des Verletzten vor. Das mit Waffeneinsatz erzwungene Verhalten der Mitarbeiter hat nur zu einer Gewahrsamslockerung, nicht aber zu einer Gewahrsamsübertragung geführt (vgl. zur Entriegelung einer Kasse BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013 – 4 StR 186/13). Es hat lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme eröffnet, aber noch keinen neuen Gewahrsam der Angeklagten begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10; NStZ-RR 2011, 80; vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17).

c) Zudem ist im Fall 4 im Hinblick auf die seitens des Angeklagten W.  entnommenen Zigaretten tateinheitlich der Tatbestand des schweren Raubes verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2021 – 6 StR 15/21; Beschluss vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10, aaO; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 43).

2. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird durch die Schuldspruchänderung nicht verletzt; dieses schließt das Risiko einer Verschärfung des Schuldspruchs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. September 2015 – 2 StR 71/15; vom 27. Juli 2010 – 4 StR 165/10; vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19). § 265 StPO steht dem ebenfalls nicht entgegen, weil die im Wesentlichen geständigen Angeklagten sich nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Auf den Strafausspruch hat die Schuldspruchänderung wegen des unveränderten Unrechtsgehalts und gleichbleibender Strafrahmen keinen Einfluss.“

Ich glaube, ich wäre bei den Feststellungen gelich zum „Raub“ gekommen 🙂 .

StGB I: Wenn die „Druckgaswaffe“ nicht funktioniert, oder: Das Opfer wehrt sich mit einem Wischmopp

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Heute stelle ich dann mal wieder StGB-Entscheidungen vor, und zwar einen BGH-Beschluss und dann zwei landgerichtliche Entscheidungen zu Tatbeständen, mit denen man nicht so häufig zu tun hat.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 09.12.2021 – 4 StR 366/21. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

„Der Angeklagte plante einen Überfall auf einen Imbiss. Hierbei wollte er seiner Forderung, die Tageseinnahmen ausgehändigt zu erhalten, mithilfe einer geladenen Druckgaswaffe – die einer scharfen Schusswaffe vom Typ „Glock 17“ täuschend echt nachempfunden war und die er für funktionsfähig hielt – Nachdruck verleihen.

Wie geplant betrat der maskierte Angeklagte spät abends mit der Waffe, die mit Stahlkugelmunition vom Kaliber 4,5 mm bestückt war, das Ladenlokal, in dem er nur einen mit Reinigungsarbeiten beschäftigten Mitarbeiter ausmachen konnte. Diesen forderte der Angeklagte unter Vorhalt der Waffe mehrfach auf, ihm Geld herauszugeben, sonst werde er schießen. Der unbeeindruckte Mitarbeiter entgegnete ihm, er solle dies doch tun. Daraufhin betätigte der Angeklagte den Abzug der Waffe. Ob eine Kugel aus dem Lauf austrat und welche Geschwindigkeit sie erreichte, war nicht festzustellen. Möglicherweise enthielt die in der Waffe installierte Gaskartusche zu wenig Treibgas für eine (druckvolle) Schussabgabe.

Nachdem der Mitarbeiter keine Schusswirkung bei sich festgestellt hatte, schlug er den Angeklagten mit einem Wischmopp in das Gesicht. Sodann entriss er ihm die Waffe und schlug sie ihm wiederholt auf den Kopf. Nunmehr ging der Inhaber des Imbisses den Angeklagten ebenfalls an, nahm ihn von hinten in den „Schwitzkasten“ und zog ihm die Maske vom Gesicht. Der Angeklagte ergriff aus einem Getränkekasten eine Bierflasche und schlug hiermit den Inhaber, der ihn infolgedessen aus seinem Griff entweichen ließ. Der Angeklagte floh daraufhin ohne Beute.“

Das LG hat den im Übrigen freigesprochenen Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagtem, die der BGH verworfen hat:

„Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Insbesondere ist auch die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung ( §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 , § 22 StGB ) – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – rechtsfehlerfrei.

a) Die Qualifikation des Verwendens einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte zielt das Verwenden auf den Einsatz als Nötigungsmittel bei der Verwirklichung des Grundtatbestands des Raubes. Es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2018 – 2 StR 200/17 Rn. 14; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09 Rn. 8 und vom 8. Mai 2008 – 3 StR 102/08 Rn. 5). Bei einer räuberischen Erpressung muss der Täter ein solches Tatmittel in dieser Weise einsetzen, um die Herausgabe der angestrebten Beute zu erzwingen.

Nach diesen Maßgaben stand der im Zweifel unzureichende Gasdruck und die darin begründete Funktionsuntüchtigkeit der verwendeten Druckgaswaffe zwar einer vollendeten Tat nach §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB von vorneherein entgegen, nicht aber deren (untauglichem) Versuch. Der Angeklagte wollte nach seinem gemäß § 22 StGB maßgeblichen konkreten Tatplan (vgl. BGH, Urteile vom 6. Februar 2020 – 3 StR 305/19 Rn. 11 und vom 9. Juli 1954 – 1 StR 677/53 , BGHSt 6, 251, 256 ; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 22 Rn. 2a, 8 mwN) eine objektiv gefährliche Waffe als Nötigungsmittel einsetzen, um die Tageseinnahmen des Imbisses zu erhalten. Zu dieser Tat unter den vorgestellten Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzte er unmittelbar an, indem er das Ladenlokal betrat und die nach seinem Vorstellungsbild geladene Druckgaswaffe als Drohmittel benutzte.

b) Ein „Teilrücktritt“ von dem qualifizierenden Umstand (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 6. März 2019 – 5 StR 526/18 Rn. 12 und vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07 Rn. 9), d. h. dem Verwenden der Waffe bei der Tat, scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aus.“

Schon wieder: Anfragebeschluss des 2. Ss des BGH – Nötigung zur Herausgabe von BtM

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So, das ist mal wieder eine Frage, die möglicherweise demnächst den Großen Senat für Strafsachen beschäftigen wird. Es gibt einen neuen Anfragebeschlus – na, von welchem Senat mag er wohl kommen? Richtig. Es ist der 2. Strafsenat des BGH (der „Rebellensenat“ 🙂 ), der im BGH, Beschl. v. 01.06.2016 – 2 StR 335/15 – bei den anderen Strafsenaten angefragt hat, ob die ihm zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung der Senate festhalten. Die Frage lautet:

Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.
Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Nach den Gründen hat der LG die Angeklagten u.a. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Die drogensüchtigen Angeklagten D. und S. hatten nach den Feststellungen des Landgerichts am 10. Juni 2014 den Rest ihres Heroinvorrats konsumiert und befürchteten Entzugserscheinungen. Nachdem D. vergeblich versucht hatte, Heroin zu kaufen, erfuhr er, dass der Nebenkläger damit Handel treibt. Er beschloss, den Nebenkläger mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen und weihte die Angeklagte S. in seinen Plan ein; diese erklärte sich damit einverstanden. Ferner gewann der Angeklagte D. den Angeklagten B. dafür, bei dem Überfall mitzuwirken. Die Angeklagten traten die Wohnungstür des Nebenklägers ein. D. fragte den Nebenkläger sogleich nach „Dope“, worauf dieser erwiderte, dass er keines besitze. Deshalb packte D. den Nebenkläger am Kragen und versetzte ihm Schläge mit der Aufforderung: „gib uns das Zeug raus“. Auch die Angeklagte S. schlug den Nebenkläger und ver langte die Herausgabe von Heroin. Der Angeklagte B. forderte ebenfalls: „gib den Stoff raus“. Die Angeklagte S. hielt dem Nebenkläger auch einen spitzen Gegenstand, eine Schere oder ein Messer, vor das Gesicht und bedrohte ihn damit, was die anderen Angeklagten billigten. Bei dem Versuch des Nebenklägers zu fliehen, wurde er von dem Angeklagten B. festgehalten. Nach weiteren Schlägen gab er drei Plomben Heroin mit der Bemerkung heraus: „hier, könnt ihr haben, mehr habe ich nicht“. Nach Hilferufen des Nebenklägers flohen die Angeklagten unter Mitnahme des Heroins (Fall II.2. der Urteilsgründe).“

Der 2. Strafsenat hält die Revisionen der Angeklagten für begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Beteiligung an einer besonders schweren räuberischen Erpressung richten. Kurzbegründung: „Der Tatbestand der Erpressung setzt voraus, dass der Täter dem Vermögen eines Anderen einen Nachteil zufügt. Der Begriff des Vermögens entspricht hier demjenigen des Betrugstatbestands. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungs-mitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. Daran will der Senat nicht festhalten. Er beabsichtigt zu entscheiden, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft. Er fragt deshalb wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an der bisherigen Rechtsprechung festhalten.“

Na, ich bin gespannt. Allerdings habe ich inzwischen ein wenig den Überblick verloren, was alles schon beim Großen Senat ist bzs. sich auf dem Weg dorthin befindet.

Raub/Erpressung im Knast

© ogressie Fotolia.cm

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Dass das Leben im Knast kein Urlaub ist, wissen wir alle. Und wir hören auch immer wieder von der dort vorhandenen „Subkultur“ und/oder von Übergriffen von Gefangenen auf andere. Mit einem „Ableger“ aus diesem Bereich hatte jetzt vor kurzem das OLG Bamberg zu tun. In dem dem OLG Bambwerg, Beschl. v. 29.09. 2015 – 3 OLG 7 Ss 96/15 – zugrunde liegenden Verfahren war der Angeklagte wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt worden. Grundlage waren die Feststellungen des LG, wonach der Angeklagte von ihm verfasste Drohbriefe einem Mitgefangenen „in der Absicht zukommen [ließ], diesen zur Zahlung offener Kaufpreisforderungen in Höhe von insgesamt 320 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 80 € täglich für den Fall nicht fristgerechter Erfüllung der Hauptforderung bis zum 22.01.2014 zu veranlassen, die daher rührten, dass der Angeklagte an den Mitgefangenen zuvor „innerhalb der Justizvollzugsanstalt verbotenerweise Mobiltelefone verkaufte“, wobei er „seiner Zahlungsaufforderung durch die in den Briefen enthaltenen Drohungen massiv Nachdruck verleihen wollte“. Dem Angeklagten sei es „mit diesen Drohungen“ darauf angekommen, „dass der Geschädigte […] um Leib und Leben fürchtete und zur Abwendung der in Aussicht gestellten Übel die geforderte Geldsumme zzgl. der geforderten Zinsen zahlt“.

Das LG hatte darin eine versuchte räubersiche Erpressung gesehen. Soweit es um die Geltendmachung der Kaufpreisforderung geht, rechtfertigen nach seiner Auffassung diese Feststellungen nicht ein für die Annahme eines für einen entsprechenden Tatentschluss unverzichtbares vorsätzliches Handeln des Angeklagten im Hinblick auf das objektive Merkmal der Nachteilszufügung (vgl. § 253 Abs. 1 StGB). Es fehle insoweit an einem Vermögensschaden, weil durch die Erfüllung eines bestehenden Anspruchs die entsprechende Verpflichtung des Käufers aus § 433 Abs. 2 BGB in gleicher Höhe gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt.

a) Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn ein Anspruch nicht bestanden hätte. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn der vom Landgericht zugrunde gelegte Kaufvertrag über die Mobiltelefone nichtig gewesen wäre. Hierfür gibt es indes nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt. Insbesondere scheidet eine Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB – anders als bei den noch vom Amtsgericht angenommenen Betäubungsmittelgeschäften, deren Unwirksamkeit ohne weiteres aus § 134 BGB in Verbindung mit dem Betäubungsmittelgesetz resultiert – von vornherein aus. Eine gesetzliche Vorschrift, welche Kaufverträge zwischen Strafgefangenen generell verbieten würde, existiert gerade nicht. Sie kann insbesondere auch nicht aus dem Bayerischen Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz – BayStVollzG) abgeleitet werden.

b) Zwar dürfen Gefangene gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG „nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihnen von der Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden“. Ferner ist es ihnen nach Art. 90 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG untersagt, Sachen abzugeben oder anzunehmen, „außer solche von geringem Wert“.

c) Schon der Wortlaut der Bestimmung macht allerdings deutlich, dass es dem Gesetzgeber allein darum ging, den mit dem Sachbesitz an der persönlichen Habe verbundenen vielfältigen Missbrauchsmöglichkeiten im Interesse der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt effektiv dadurch zu begegnen, dass während des Vollzugs der Haft jeglicher unkontrollierter unmittelbaren Gewahrsams- bzw. Besitzübertragung auch und gerade unter den Gefangenen entgegen gewirkt werden soll.

d) Indessen kann Art. 90 Abs. 1 BayStVollzG ein dem Abschluss eines Kaufvertrages zwischen Gefangenen entgegen stehendes gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB und damit die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts gerade nicht entnommen werden. Art. 90 BayStVollzG normiert nach seinem klaren Wortlaut kein allgemeines Handels- und Geschäftsverbot unter Gefangenen, mag auch die auf Vermeidung subkulturellen Tauschhandels und vergleichbarer Tätigkeiten und hieraus entstehender Abhängigkeiten gerichtete Intention des Gesetzgebers bei Etablierung des Gesetzes hiervon mitbestimmt gewesen sein. Wie vor allem Art. 90 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 90 Abs. 1 Satz 3 BayStVollzG verdeutlicht, verpflichtet das Gesetz zwar den Gefangenen in den dort genannten Fällen dazu, die (vorherige) Zustimmung der Vollzugsbehörde einzuholen. Nachdem aber Gegenstand des Erlaubnisvorbehalts allein die tatsächliche Sachherrschaft des Gefangenen bleibt (vgl. Beck-OK/Arloth BayStVollzG [Stand: 15.02.2015] Art. 90 Rn. 2: „Der Zustimmungsvorbehalt begründet ein Besitzverbot bezüglicher aller Gegenstände, die dem Gefangenen nicht durch die Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen wurden, soweit nicht die Ausnahme des Satzes 2 eingreift“ und derselbe StVollzG 3. Aufl. [2011] § 83 Rn. 2), beschränkt es ihn nicht darin, rechtsgeschäftlich erhebliche und damit bindende (Willens-) Erklärungen abzugeben, gleichgültig, ob sich ihr (gering- oder hochwertiges) Bezugsobjekt innerhalb oder außerhalb der Anstalt befindet (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.08.1990 – 1 Vollz (WS) 7/90 = NStZ 1991, 208; siehe auch schon OLG Koblenz, Beschluss vom 25.08.1988 – 2 Vollz [Ws] 43/88 [bei juris] = ZfStrVo 1989, 313 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.02.1982 – 3 Ws 3/82 = NStZ 1982, 351; vgl. im gleichen Sinne Ver- rel in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel StVollzG 12. Aufl. [2015] § 82 [Bund] M Rn. 18 ff., insbesondere Rn. 25 a.E.; AK-StVollzG/Feest/Köhne Aufl. [2012] § 83 Rn. 2 a.E. und Ullenbruch in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal StVollzG 6. Aufl. [2013] § 83 Rn. 2 und 4).“

„Most wanted“…

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Mit „most wanted“, wenn er ihn bei der Polizei anzeige, hat sich eine Angeklagter von einem Geschädigten verabschiedet, dem er zuvor – ich will es mal vorsichtig ausdrücken – zuvor eine Geldkette „abgenommen“ hatte. Da war aber schon alles gelaufen. Der Angeklagte hatte beobachtet, „wie der Zeuge E. erfolglos versuchte, eine Kette mit einem Anhänger in einem Juweliergeschäft in B. zu verkaufen. Er trat anschließend an ihn und den ihn begleitenden Zeugen S. heran und forderte den Zeugen E. in aggressivem, keinen Widerspruch duldendem Ton auf, ihm in eine kleine Seitenstraße zu folgen. E. kam der Aufforderung des Angeklagten – nach Kenntnis der Zeugen hatte er den Ruf, gewaltbereit zu sein und andere Jugendliche „abzuziehen“ – nach. Dort verlangte er von dem Zeugen in demselben aggressiven Ton, ihm die Goldkette zu geben, die er um den Hals trug. Der Zeuge E. hatte aufgrund der aggressiven Ansprache des Angeklagten Angst, dieser könne seine Forderung gewaltsam durchsetzen und ihn körperlich angehen, und übergab ihm die Kette. Dem Angeklagten war klar, dass der Zeuge ihn kannte und ihm die Kette nur deshalb überreichte, weil dieser sich fürchtete, sich der Forderung zu widersetzen.“

Das LG hat den Angeklagten insoweit wegen räuberischer Erpressung verurteilt. Der BGH hatte im BGH, Beschl. v. 11.05.2015 – 2 StR 323/14 – keine Bedenken :

Eine ausdrücklich ausgesprochene Drohung des Angeklagten mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gegenüber dem Zeugen hat die Strafkammer zwar nicht festgestellt. Grundsätzlich kann eine Drohung aber auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Erforderlich ist insoweit, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es genügt dagegen nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines Opfers vor einer Gewaltanwendung  enthält für sich genommen noch keine Drohung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1987 – 4 StR 324/87, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 1; BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648).

Gemessen daran ist die Annahme einer konkludent erklärten Drohung durch den Angeklagten nicht zu beanstanden.

Der „aggressive, keinen Widerspruch duldende Ton“ des Angeklagten, mit dem er das Tatopfer zunächst aufforderte, ihm in eine Seitenstraße zu folgen, und sodann dort von ihm die Herausgabe der Kette verlangte, machte diesem hinreichend deutlich, dass der Angeklagte, von dem es wusste, dass er den Ruf hatte, gewaltbereit zu sein und andere Jugendliche abzuziehen, den Einsatz von Gewalt für den Fall in Aussicht stellte, dass es nicht auch ohne solche Mittel zur Übergabe der Kette kommen würde. Soweit dem Angeklagten – wie es das Landgericht feststellt – klar war, dass der Zeuge die Kette nur her-ausgab, weil er sich aus Furcht vor ihm nicht widersetzte, handelte er auch – ohne dass dies näherer Erörterung bedurft hätte – vorsätzlich.“