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StGB III: Verstoß gegen das PflichtversicherungsG, oder: Vier Zeilen Feststellungen sind ein wenig knapp

Und dann zum Tagesschluss noch ein Klassiker: Der (berühmte) Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, zu dem das KG im KG, Beschl. v. 22.06.2021 – 3 Ss 30/21 – Stellung genommen hat:

„1. Es ist bereits zweifelhaft, ob die aus knapp vier Zeilen bestehenden Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz tragen. Denn die Mitteilung, dass „kein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag bestand“ (UA S. 3), ist Ergebnis einer rechtlichen Würdigung, deren tatsächliche Voraussetzungen sich gegebenenfalls in den Urteilsfeststellungen wiederfinden müssen.

2. Jedenfalls ist die Beweiswürdigung in sachlich-rechtlicher Hinsicht unzureichend. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen, und die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen dürfen nicht nur eine Vermutung darstellen (vgl. nur BGH NStZ-RR 2018, 89). Diese Anforderungen erfüllt die Beweiswürdigung hier nicht.

Es fehlt insbesondere an einer Darstellung der Umstände, aus denen das Tatgericht schließt, für das vom Angeklagten genutzte Kraftfahrzeug habe kein Versicherungsvertrag mehr bestanden. Das Amtsgericht stützt seine Überzeugung hiervon ausschließlich auf die Einlassung des Angeklagten, die allerdings über eine Kündigung nichts enthält. Vielmehr unterstellt das Amtsgericht zu dessen Nachteil den Zugang eines Kündigungsschreibens vom 8. April 2019.

Auch wenn der Tatrichter die Beweise frei würdigt, stellt die Annahme, das Schreiben sei bei der Versicherung sicher abgesandt worden und dem Angeklagten ebenso gewiss rechtswirksam zugegangen, im Letzten eine bloße Vermutung dar. Ob auch ohne förmliche Zustellung bei einem den Zugang des Kündigungsschreibens bestreitenden oder sich hierzu nicht erklärenden Angeklagten etwas anderes gelten kann, wenn das Tatgericht seine Überzeugung vom Zugang dezidiert begründet, muss hier offen bleiben (verneinend OLG Brandenburg, Beschluss vom 1. April 2020 – (1) 53 Ss 35/20 (24/20) –, juris; ebenso Senat VRS 102, 128 [2001] m.w.N.). Denn im angefochtenen Urteil fehlt es schon an der Mitteilung, dass das Schreiben zugegangen sei, erst recht aber an einer Begründung, warum der Tatrichter diese Überzeugung gewonnen hat. Vielmehr wird die rechtswirksame Beendigung des Versicherungsvertrags stillschweigend vorausgesetzt.

Der Senat teilt die Einschätzung des Strafrichters, der Angeklagte habe angesichts seines eigenen Vorverhaltens und insbesondere der zögerlichen und säumigen Prämienzahlungen jeden Grund dafür gehabt, mit einer Kündigung des Versicherungsvertrags zu rechnen (UA S. 4). Der Prämienrückstand führt aber nicht ipse iure zur Beendigung des Versicherungsvertrags. Hierzu bedarf es grundsätzlich der Kündigung und – im Regelfall – ihres Zugangs (§ 38 Abs. 3 VVG). Daher entband die Feststellung des Zahlungsverzugs das Amtsgericht nicht von der Feststellung, dass die Kündigung den Angeklagten auch tatsächlich erreicht hat (vgl. Senat ZfSch 2018, 474). Auch dass der Angeklagte in seiner Einlassung diesbezüglich „auffällig vage“ geblieben und wegen Betrugs vorbestraft sei (UA S. 4), ersetzt die Feststellung einer zivilrechtlich wirksamen Kündigung des Versicherungsvertrags nicht. „

Verstoß gegen das PflVG – Urteilsanforderungen, oder: So einfach ist das nicht

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Heute dann mal ein wenig Verkehrsrecht und was damit so zusammen hängt.

Zunächst zwei Entscheidungen, die sich mit Verurteilungen wegen eines Verstoßes gegen § 6 PflVG befassen und da mit den Anforderungen an das Urteil. Das sind:

„Bei einer Verurteilung wegen eines Vergehens gegen §§ 1, 6 PflVG müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, aufgrund welcher Umstände das Tatgericht von einer zivilrechtlich wirksamen Beendigung des Versicherungsvertrags ausgegangen ist. Es ist entweder darzutun, dass dem Versicherungsnehmer die Kündigung zugegangen ist oder aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 VVG zum Tragen gekommen ist.

„Für seine Annahme, ein Versicherungsvertrag habe für das von dem Angeklagten geführte Fahrzeug im Tatzeitpunkt nicht mehr bestanden, muss das tatrichterliche Urteil im Falle Verurteilung, die auf eine Vertragsauflösung des Versicherungsvertrages gestützt wird, die Tatsachen feststellen, aus denen sich die Wirksamkeit der hierzu erforderlichen Willenserklärungen ergibt“.

So einfach ist das mit den Verurteilungen nach § 6 PflVG also nicht…..

Die Fahrt mit dem „roten Kraftfahrzeugkennzeichen“ – nicht immer strafbar

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Die Verstöße gegen das PflVG sind auch eine Art „verkehrsrechtlicher Dauerbrenner“, der die Gerichte häufiger beschäftigt. So zuletzt im OLG Celle, Beschl. v. 08.08.2013 – 31 Ss 20/13. Das AG hatte – so das OLG – folgende Feststellungen getroffen:

a) Nach den getroffenen Feststellungen beantragte der Angeklagte am 4. März 2012 für das neue erworbene Fahrzeug seiner Ehefrau im Internet eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und erhielt am 5. März 2012 per E-Mail die entsprechende Versicherungsbestätigung unter Einschluss von Versicherungsschutz ab Bekanntgabe der Versicherungsbestätigungsnummer für „Zulassungsfahrten (nicht gültig für Kurzzeitkennzeichen), wenn die Zulassungsbehörde vorab ein ungestempeltes Kennzeichen zugeteilt hat“. In Kenntnis dieses Schreibens fuhr der Angeklagte mit dem Fahrzeug am 10. März 2012 gegen 22.42 Uhr auf der A. Straße in H. Dabei war er wegen des ungültig gestempelten Fahrzeugbriefs nicht in der Lage, das Fahrzeug zuzulassen. An dem Fahrzeug waren noch die gestempelten Kennzeichen des Voreigentümers angebracht. Da das Fahrzeug wegen fehlender Haftpflichtversicherung zur Entstempelung ausgeschrieben war, hielten ihn Polizeibeamte an. Diesen gegenüber berief der Angeklagte sich auf die Versicherungsbestätigung vom 5. März 2012. Die Beamten nahmen die Entstempelung vor.

Auf der Grundlage hatte es den Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz verurteilt.

Das OLG beanstandet dann zwar, dass der Zweck der Fahrt des Angeklagten nicht festgestellt worden ist, aber:

Der Zweck der Fahrt kann hier jedoch offen bleiben. Auch ohne seine Feststellung kann der Senat ausschließen, dass der objektive Tatbestand des § 6 Abs. 1 PflVG erfüllt ist. Denn Verstöße gegen die Vertragsbedingungen nach H.3.1 und H.3.2 AKB 2008 beeinträchtigen nicht den Bestand des Versicherungsvertrages, sondern sind reine Obliegenheitsverletzungen (Kreuter-Lange/Schwab in Halm/Kreuter/Schwab, AKB 2008, H.3.2, Rn. 2219; Henzlmeier, NZV 2006, 225, 227f.). Auch die Zuteilung eines ungestempelten Kennzeichens ist nicht Voraussetzung für den Versicherungsschutz; ihre Erwähnung in H.3.1. AKB 2008 dient nur der Zuordnung des Sachverhalts zu der Regelung nach § 10 Abs. 4 FZV (Jacobsen aaO Rn. 32). Als reine Obliegenheitsverletzungen beeinträchtigen etwaige Verstöße gegen H.3.1 AKB 2008 nicht den Bestand des Versicherungsvertrages, sondern führen lediglich zur Leistungsfreiheit nach D.3 AKB 2008 im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (vgl.Kreuter-Lange/Schwab aaO; Henzlmeier aaO). Die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses kann aber nicht die Strafbarkeit nach § 6 Abs. 1 PflVG begründen (OLG Hamm StraFo 2007, 172; BayObLGSt 1993, 75; Dauer aaO Vor § 23 FZV Rn. 16; Henzlmeier aaO).