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Adventskalender Tür 1: Das Trüffelschwein

entnommen wikimedia.org Urheber SolLuna - Own work CC BY-SA 3.0

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In den vergangenen Jahr hatten einige Bloggerkollege die schöne Idee, in der Vorweihnachtszeit einen „Blog-Adventskalender“ aufzumachen (einfach mal mit „Adventskalender“ bei JuraBlogs suche. Ich fand die Idee gut/nett und greife sie auf (liest sich besser als: ich kupfere sie ab 🙂 und hänge heute dann zum ersten Mal meinen Adventskalender raus. Der bleibt jetzt bis zum 24.12.2014 hängen und wir öffnen jeden Tag ein Türchen – Sonntags ist darin dann der „Sonntagswitz“, damit man Sonntags nicht so viel lesen muss – hinter dem man dann ein (aktuelles) Urteil/ein (aktueller) Beschluss – vielleicht sogar zur Vorweihnachtszeit, etwas Besinnliches, etwas Kurioses, vielleicht auch etwas Gereimtes findet. Ich habe das Jahr über eifrig gesammelt und habe einiges im Ordner, was zum Teil schon mal gelaufen ist, was ich aber ganz nett fand, um es auch – natürlich mit Link 🙂 zum Erstling zu bringen. Also: Frohe Vorweihnachtszeit!

Starten will ich heute mit dem Gedicht „Das Trüffelschein“. Das stammt, wenn ich es richtig in Erinnerung habe vom leider viel zu früh verstorbenen Kollegen G.Widmaier und ist über den Kollegen Michael Rosentahl aus Karlsruhe über meinen Sozius bei mir angekommen. Es geht um den „O-U-Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO:

Das Trüffelschwein

Im Strafprozeß verlangt Geduld die Aufklärung von Tat und Schuld.
Dabei geht es nicht nach Belieben, vielmehr steht im Gesetz geschrieben
für jeden eine klare Rolle, auf dass die Wahrheit siegen solle.

Es stürzt sich auf die Fakten ganz der Strafprozeß in der Instanz.
Dort wird erhoben mit viel Fleiß der Personal- und Sachbeweis.
Da wird gewürdigt und belehrt, sich gegen Vorwürfe gewehrt.
Es wird bestritten und vereidigt und manchmal sogar auch verteidigt!

Am Ende stehen alle auf, der Richter schlägt die Akte auf.
Das Urteil er sodann verkündet und meistens nur sehr knapp begründet.
Fühlt nun sich einer reingelegt, wird Revision gleich eingelegt,
denn wer am Ende unterliegt, vielleicht sein Recht in Karlsruh‘ kriegt.

Plötzlich steht im hellen Scheine der Revisionsanwalt – alleine!
Letzte Hoffnung des Mandanten, bezahlt zumeist von Anverwandten,
sucht er wie ein Trüffelschwein jeden Fehler – noch so klein.

Nach meistens stundenlangem Pflügen skizziert er sorgsam seine Rügen;
aus der Akte wird kopiert, der Rest gestochen formuliert,
die Unterschrift noch angebracht und alles auf den Weg gebracht
zu den hohen Strafsenaten, die sollen jetzt mal schön beraten.

Blendend ist die Position am Horizont da zeigt sich schon:
Einen Sieg kann es nur geben – ach wie schön ist’s Anwaltsleben!
Nach Wochen kommt an einem Tag ein kleiner brauner Briefumschlag.

Er denkt: Das wird die Ladung sein, schaut gespannt sogleich hinein,
und hokuspokus fidibus: Wieder ein »o.u.«-Beschluß.

Nachtrag: Ein Kollege weist mich gerade freundlicher Weise darauf hin, dass das Gedicht ff. auch vom Kollegen Dr. Daniel Krause, Berlin, kommen könnte. Auch das ist möglich.

„Schonung der Ressourcen der Justiz“ – dem dienen OU-Beschlüsse (?)

entnommen wikimedia.org Genehmigung (Weiternutzung dieser Datei)  CC-BY-SA-3.0-DE.

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Über LTO bin ich gerade auf den BVerfG, Beschl. v. 30.06.2014 – 2 BvR 792/11 – aufmerksam geworden. (Volltext habe ich leider noch nicht gefunden; inzwischen – 16.07.2014 – ist/war er da, so dass ergänzt werden konnte). Danach ist § 349 Abs. 2 StPO, der die Verwerfung der Revision bei offensichtlicher Unbegründetheit der Revision durch einstimmigen Beschluss zulässt, verfassungsgemäß.

Man muss mal sehen, wie das BVerfG das (näher) begründet hat. Schön aus der LTO-Meldung aber schon mal diese Passage:

„Der Beschwerdeführer hatte dagegen eine Begründung des BGH für seine Entscheidung als wichtig erachtet, weil hierdurch die Erfolgsaussichten einer Anhörungsrüge oder auch einer Verfassungsbeschwerde eingeschätzt werden könnten.

„Schonung der Ressourcen der Justiz“

Diese Meinung hielten die Karlsruher Richter zwar nicht für abwegig. Allerdings sei davon auszugehen, dass sich der BGH der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft, die ihren Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO begründen muss, anschließe, wenn er die Verwerfung der Revision nicht begründe. Das diene der „Schonung der Ressourcen der Justiz“. Im Übrigen könne der Beschluss auch nur ergehen, wenn die Revision offensichtlich unbegründet sei.

Schließlich sei auch kein Verstoß gegen Art. 6 der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ersichtlich. Von dem dortigen Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung könne unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden, so das BVerfG. Bei der Revision gehe es ausschließlich um die Prüfung von Rechtsfragen, über die in der Regel schon nach Aktenlage entschieden werden könne.

Auf dem Altar „Schonung der Ressourcen der Justiz“ wird m.E. so manches, manches m.E. auch zu viel geopfert. Denn:

Die Abweisung einer Revision ohne mündliche Verhandlung kommt in der Justiz häufig vor: So scheiterten beim BGH 2013 von knapp 3.500 eingelegten Revisionen 73,8 Prozent auf diese Weise.“

Hinweis:   VT am 16.07.2014, 11.15 Uhr, ergänzt.

Der Sermon der Revisionsgerichte, oder: Was heißt „offensichtlich unbegründet“?

Ich habe gerade die Entscheidung des BGH vom 14.1007.2010 -1 StR 123/10 eingestellt und dazu berichtet. Angemerkt hatte ich dazu auch:

Die Ausführungen im Übrigen als Ergänzung zu einem OU-Beschluss. Wenn man dazu rund 5 Seiten schreibt, dann war/ist die Revision aber doch wohl nicht “offensichtlich unbegründet”.

Hintergrund dafür ist, dass der BGH die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen hat, dann aber noch etwas 5 Seiten „Ergänzung“ anfügt. Mit Recht merkt ein Kommentator zu dem Post an, dass das eine Unsitte von Revisionsgerichten sei, die es früher zu RG-Zeiten nicht gegeben hat. Das stimmt leider. Zudem ist die Verfahrensweise, wenn nicht falsch, dann aber zumindest bedenklich. Denn wenn die Revision „offensichtlich unbegründet“ ist, dann muss ich m.E. nicht noch fünf Seiten zur Ergänzung anfügen. Denn, wenn ich die brauche, ist die Revision nicht „offensichtlich“ unbegründet.

Daher wäre es m.E. besser, die Revisionsgerichte würden in den Fällen einen „begründeten Beschluss“ machen. Im vorliegenden Fall geht es ja noch, dass der BGH die Ausführungen nur zur „Ergänzung“ anfügt, unschöner sind in meinen Augen die Fälle, in denen in der „Ergänzung“ bzw. dem „Zusatz“ im Einzelnen zu Revisionsvorbringen Stellung genommen wird.

Da fragt man sich dann wirklich: Tatsächlich „offensichtlich“ = auf der Hand liegend unbegründet, oder ist das nur eine Floskel?

Immer wieder Mittwochs… verhandel ich mit dir, oder: Der BGH und die „Mittwochsterminierung“

Der BGH und die Mittwochsterminierung, könnte man den Beschluss des 1. Strafsenats vom 14.07.2010 – 1 StrR 123/10 – überschreiben. Dort hatte eine Strafkammer in einem Umfangsverfahren immer wieder Mittwochs terminiert, wodurch einer der Verteidiger, der auch als Professor an der Uni tätig war, in vielen Fällen an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen konnte. Das war gerügt worden. Der BGH hat der Strafkammer zu dieser Terminierungspraxis in Stammbuch geschrieben:

Die Terminplanung in diesem Fall gibt Anlass zu folgenden Hinweisen:

Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts bestimmt (§ 213 StPO). Gleichwohl ist es gerade in Großverfahren regelmäßig angezeigt, mit den Verfahrensbeteiligten (insbesondere mit den Wahlverteidigern des Vertrauens, aber etwa auch mit dem Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft) die Hauptverhandlungstermine abzustimmen, dies jedenfalls zu versuchen (vgl. BGH, Beschl. vom 18. Dezember 1997 – 1 StR 483/97 – [BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene]; Beschl. vom 29. August 2006 – 1 StR 285/06 [BGHR StPO § 213 Ermessen 1]; Beschl. vom 9. November 2006 – 1 StR 474/06 – Rdn.16; vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07 – Rdn. 36 [BGHR StPO § 213 Terminierung 1]). Findet der Versuch einer Terminsabsprache nicht statt, muss sich der Vorsitzende bei substantiierten Verlegungsanträgen eines Verteidigers, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, jedenfalls ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten der Strafkammer – und anderer Verfahrensbeteiligter Rechnung zu tragen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn der Verteidiger – wie hier – durch der Justiz zuzurechnende Versehen mehrfach übergangen worden war.

Vor diesem Hintergrund vermag die Argumentation der Strafkammer bzw. des Vorsitzenden für die „Mittwochsterminierung“ für sich betrachtet nur wenig zu überzeugen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass es kaum nachvollziehbar ist, warum nicht Beratungen zuweilen mittwochs stattfinden können und am Montag eine Verhandlung. Bei einer Wirtschaftsstrafkammer beginnen auch wohl kaum in jeder Woche neue Hauptverhandlungen, für die ordentliche Sitzungstage benötigt werden. Im Übrigen kann ein ordentlicher Sitzungstag, wenn dieser Tag zufällig bereits durch einen Fortsetzungstermin belegt ist, verlegt werden oder es kann u.U. auch ein außerordentlicher Sitzungstag (mit Ersatzschöffen) anberaumt werden.“

Gebracht hat es in der Sache allerdings nicht. Der Professor hatte nämlich so viel zu tun,

dass sich die Terminierung letztlich nahezu ausschließlich an seinen – begrenzten – zeitlichen Möglichkeiten hätte orientieren müssen. Dem musste das Landgericht in so einem umfangreichen Verfahren wie hier mit einigen Verfahrensbeteiligten (zunächst wurde gegen drei Angeklagte verhandelt) nicht entsprechen. Da Prof. Dr. A. – verständlicherweise – seiner umfangreichen wissenschaftlichen (Haupt-)tätigkeit den Vorrang einräumte, war er letztlich an einer umfassenden Verteidigung des Angeklagten in dieser Hauptverhandlung, aus Gründen, die in der Person des Verteidigers selbst liegen, von vorneherein gehindert.“

Die Ausführungen im Übrigen als Ergänzung zu einem OU-Beschluss. Wenn man dazu rund 5 Seiten schreibt, dann war/ist die Revision aber doch wohl nicht „offensichtlich unbegründet“.

Was will der BGH uns damit sagen? oder: Warum sind OU-Beschlüsse so interessant?

Wenn man bloggt und im Blog auf aktuelle Rechtsprechung verweisen will (kann ja leider nicht so viel Geschichten erzählen), dann ist man u.a. auf die Homepage des BGH angewiesen, auf der die BGH-Entscheidungen eingestellt werden. Verhältnismäßig aktuell. Man ist dann immer wieder sehr erfreut, dort Entscheidungen zu finden. So auch heute. Eingestellt sind/waren 5 Entscheidungen des 2. Strafsenats. Wenn man die anklickt, ist man aber bei zwei Entscheidungen schon sehr entäuscht, und zwar bei 2 StR 230/10 und bei 2 StR 245/10. Es sind reine „OU-Beschlüsse“, ergänzt durch einen „Maßgabe-Halbsatz“. Da fragt man sich dann doch: Was ist denn daran so interessant, dass diese Beschlüsse den Weg auf die Homepage gefunden haben und einer staunenden juristischen Öffentlichkeit zum Nachlesen dort zu Verfügung stehen?