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OWi II: Gespeicherte Bilddateien/Filme als Abbildung?, oder: Ordnungsgemäße Bezugnahme?

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Und im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen, die sich mit Lichtbildern und der Frage, wie die im Urteil darzustellen sind, auseinandersetzten. Allerdings gibt es dazu nur die Leitsätze, das die Fragen nun doch schon ziemlich „abgearbeitet“ sind. Es überrascht dann gerade deswegen dann aber doch, dass von den AG an der Stelle aber immer wieder/noch Fehler gemacht werden.

Hier sind dann also:

Die Urteilsgründe müssen im Fall der Identifizierung des Betroffenen anhand eine Lichtbildes vom Verkehrsverstß so gefaßt sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

1. Auf elektronischen Medien gespeicherte Bilddateien und Filme sind keine sich bei den Akten befindliche „Abbildungen“ im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.
2. Wird in den Urteilsgründen lediglich erwähnt, dass sich „aus den Bild- und Tonaufzeichnungen“ ergibt, dass ein bestimmter Verkehrsvorgang vorliegt, reicht das für eine wirksame Verweisung gem. §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, 46 OWiG nicht aus.

Wie gesagt: Nichts Besonderes. Das hatte sich dann wohl auch das OLG Oldenburg gedacht, als es die Beschlussgründe im Grunde auf ein Zitat aus der BGHSt-Entscheidung beschränkt hat. Na ja.

 

OWi I: Verstoß gegen Wartepflicht am Bahnübergang, oder: Erforderliche Urteilsfeststellungen

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By Feuermond16 – Own work

Und heute dann ein paar OWi-Entscheidungen. Nichts Besonderes, denn an der „Front“ its es derzeit ziemlich ruhig.

Ich stelle hier zunächst den OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.03.2024 – 2 ORbs 32/24  – zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht vor.

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg:

„Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Betroffene den beschrankten (Änderung durch mich: Im Beschluss heißt es „beschränkten“ 🙂 ) Bahnübergang überquert habe, obwohl Rotlicht gegeben worden sei und die Schranken sich bereits senkten. Es ist insoweit den Angaben der vernommenen Polizeibeamten gefolgt. Beide Zeugen — die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Überganges befanden – haben nach den Ausführungen des Amtsgerichtes bekundet, dass das Fahrzeug des Betroffenen „über den Bahnübergang gefahren“ sei, als die Schranken sich bereits zu senken begannen. Ob mit diesen Angaben gemeint ist, dass der Betroffene erst begonnen hat den Bahnübergang – unklar, ob damit die eigentlichen Schienen oder der Bereich zwischen den Schranken gemeint ist- zu überqueren oder ob er sich noch im Bereich des Bahnübergangs befunden hat, als die Schranken sich senkten, ist nicht näher dargelegt.

Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass ein Senken der Schranken nur bei Aufleuchten des Rotlichts erfolgt. Ob und wie lange allerdings das Rotlicht vorher aufleuchtet, wie lange die offenbar vorgeschaltete Gelbphase angedauert hat und welche zulässige Höchstgeschwindigkeit vor dem Bahnübergang bestand, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, da „in Cloppenburg“ nicht zwingend auf Innerörtlichkeit hindeutet. Ohnehin stellt das Amtsgericht, wohl weil die Zeugen die Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Betroffenen nicht einsehen konnten, auf das Absenken der Schranken (und damit auch das Rotlicht) ab. Ob dem Betroffenen aber ein Anhalten vor dem Andreaskreuz bei einer mittleren Bremsung (vergleiche OLG Schleswig DAR 85, 291; BayObLG DAR 81,153) möglich gewesen wäre, als die Pflicht vor dem Andreaskreuz zu warten einsetzte -also entweder bei gelben (soweit auch für den Betroffenen feststellbar) oder roten Lichtzeichen und/oder dem Senken der Schranken- lässt sich dem Urteil mangels näherer Angaben unter anderem dazu, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen befand, als die Wartepflicht einsetzte, nicht entnehmen (zu einem Verstoß bei einem durch Lichtzeichen und Schranken gesichertem Übergang vgl. Thüringer OLG, VRS 120, 36). Sollten die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes nicht gesehen haben, wäre zudem festzustellen, dass nicht „nur“ ein Verstoß gegen § 19 Abs. 3 StVO vorgelegen hat.

Nur wenn die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes beobachtet hätten, der Verstoß innerörtlich gewesen wäre und auch das Aufleuchten des vorgeschalteten gelben Lichtzeichens in Fahrtrichtung des Betroffenen feststellbar wäre, bedürfte es näherer Darlegungen nicht, da dann ohne Weiteres davon auszugehen wäre, dass der Betroffene rechtzeitig hätte anhalten können.

Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft für durchgreifend erachtete Rüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches kommt es nicht mehr an. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass nicht ersichtlich ist, weshalb dem Betroffenen vom Amtsgericht die sogenannte 4 – Monatsfrist nicht zugebilligt worden ist, obwohl er über keine Voreintragung verfügt.“

Wie gesagt: Ich habe mit erlaubt, aus dem Original enthaltenen „beschränkten Bahnübergang“ den „beschrankten“ zu machen 🙂 .

StGB III: (Erst) Beisetzung einer leeren Schmuckurne, oder: Aschekapsel später ==> Störung der Totenruhe?

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Und als letzte Entscheidung dann der OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.01.2024 – 1 ORs 258/23. Die Entscheidung hätte auch in einer Rubrik „Kurioses“ veröffentlicht werden können. Denn es handelt sich um einen zumindest nicht alltäglichen Fall, nämlich um die Frage der Störung der Totenruhe, wenn der Bestatter (zunächst) nur eine leere Schmuckurne beisetzt,

Folgender Sachverhalt:

„1, Nach den bezüglich der Verurteilung des Angeklagten getroffenen Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im maßgeblichen Zeitraum als Mitgeschäftsführer in der Firma BB GmbH tätig. Die Zeugin CC, gegen die ebenfalls ein nach Zahlung einer Geldauflage eingestelltes Ermittlungsverfahren geführt worden ist, absolvierte dort eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft.

Am 18. März 2019 übernahm die Zeugin die Betreuung des Sterbefalles DD, der am TT. MM 2019 verstorben war, und führte das Trauergespräch mit den Hinterbliebenen. Diese wünschten eine Trauerandacht mit Sarg in der Friedhofskapelle, die Einäscherung des Verstorbenen und eine Urnenbeisetzung im Familienkreis auf dem EE Friedhof in Ort2. Als Termine wurden für die Trauerandacht der 27. März 2019 und für die Urnenbeisetzung der 15. April 2019, 11:00 Uhr vereinbart. Zudem wählten die Hinterbliebenen eine im Bestattungshaus vorrätige Schmuckurne aus, die von der Zeugin zunächst auf einem Bord im Sarglager abgestellt wurde. Nach Durchführung der Trauerfeier war die Kremierung des Leichnams durch die FF GmbH in Ort3 vorgesehen.

Etwa zwei Stunden vor dem geplanten Termin für die Urnenbeisetzung wurde der Zeugin durch einen Mitarbeiter des Krematoriums mitgeteilt, dass die Einäscherung noch nicht erfolgt sei, weil die dafür notwendige Sterbeurkunde – offenbar aufgrund einer technischen Störung beim Faxversand durch das Bestattungsunternehmen – noch nicht vorliege. Der Zeugin, der klar war, dass die Urnenbestattung an diesem Tag nicht würde stattfinden können und die deshalb beabsichtigte, die Angehörigen über die notwendige Verschiebung des Termins zu informieren, wandte sich deswegen an den Angeklagten. Dieser forderte die Zeugin auf, die Sache anders zu regeln. Die Urnenbeisetzung solle wie geplant stattfinden. Die Aschekapsel solle dann nachträglich in die Schmuckurne, die er zu diesem Zwecke nachts auf dem Friedhof ausgraben werde, eingesetzt werden. Auf die Frage der Zeugin, wie mit der leeren Schmuckurne zu verfahren sei, nahm der Angeklagte diese an sich. Kurze Zeit später kehrte er mit der verschlossenen, wie sich später herausstellte vorwiegend mit Sand gefüllten Schmuckurne zurück und übergab sie der Zeugin. Sodann begab sich die Zeugin zum EE Friedhof in Ort3 und führte dort mit den Angehörigen die Beisetzung der Schmuckurne durch.

Nachdem am 18. April 2019 die Aschekapsel zusammen mit einer Einäscherungsbescheinigung vom 16. April 2019 eingetroffen war, legte die Zeugin diese entgegen der Übung, wonach Schmuckurnen und Aschekapseln bis zur Beisetzung im Sarglager aufbewahrt wurden, in einen Schrank in ihrem Büro. Die Hinterbliebenen, die die Asche des Verstorbenen in der Grabstelle wähnten, wurden hiervon nicht in Kenntnis gesetzt. In der Folgezeit trat die Zeugin wegen des nachträglichen Einsetzens der Aschekapsel mehrfach an den Angeklagten heran, der die Zeugin indes hinhielt und untätig blieb.

Die Aschekapsel wurde erst Ende September 2019 nach dem Ausscheiden der Zeugin aus dem Betrieb aufgefunden. Nachdem die Zeugin sich gegenüber dem Mitgeschäftsführer GG offenbart und dieser die Polizei informiert hatte, wurde die Schmuckurne auf dem Friedhof ausgegraben und untersucht, wobei sich deren Befüllung mit vorwiegend Sand, daneben auch einer geringen Beimengung von Rückständen aus einer Kremation, ergab. Die im Schrank der Zeugin vorgefundene Aschekapsel wurde sodann am 29. November 2019 auf Kosten des Bestattungsunternehmens nachträglich beigesetzt.“

Das AG hatte den Angeklagten deswegen wegen Anstiftung zur Störung der Totenruhe und wegen Beihilfe zur Störung der Totenruhe verurteilt. Auf die hiergegen eingelegten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das LG den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Anstiftung zur Störung der Totenruhe zu einer reduzierten Geldstrafe verurteilt:

„3. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten zutreffend als Anstiftung zur Störung der Totenruhe gemäß §§ 168 Abs. 1 Alt. 1, 26 StGB gewertet.

Die Zeugin CC hat durch ihr Handeln, zu dem sie durch den Angeklagten bestimmt worden ist, unbefugt die Asche eines verstorbenen Menschen aus dem Gewahrsam des Berechtigten weggenommen.

a) Gewahrsam des Berechtigten im Sinne von § 168 Abs. 1 Alt. 1 StGB setzt nicht ungehinderte tatsächliche Herrschaft voraus (vgl. KG, Beschluss v. 20.11.1989, 4 Ws 80/89, bei juris Rz. 8). Vielmehr ist der Begriff des Gewahrsams durch die Konnotation mit dem „Berechtigten“ normativ gebunden (Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen-Stübinger, StGB, 5. Aufl., § 168 Rz. 8). Die Definition des Gewahrsams im Sinne von § 168 Abs. 1 Alt. 1 StGB kann daher nicht völlig mit dem (Sach-)Gewahrsam der §§ 242, 246 StGB gleichgesetzt werden. Gemeint ist in § 168 StGB die Obhut über die Leiche im Sinne eines Aufsichts- oder Bewachungsverhältnisses. Auch im Anwendungsbereich des § 168 StGB setzt dieser aber ein tatsächliches Obhutsverhältnis voraus, das über die bloße Berechtigung zur Totensorge hinausgeht und jedenfalls die faktische Möglichkeit eröffnet, über den Leichnam bzw. die anderen Tatobjekte – etwa die Asche des Verstorbenen – zu disponieren (vgl. LK-Radtke, StGB, 13. Aufl., § 168 Rz. 26; MüKo-Hörnle, StGB § 168 Rz. 13).

Hiervon ausgehend liegt jedenfalls Mitgewahrsam im Sinne des § 168 Abs. 1 Alt. 1 StGB vor, wenn der Leichnam in der Leichenhalle aufgebahrt ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.11.1974, 2 Ws 239/74, NJW 1975, 271). Gleiches gilt in Bezug auf die Leiche und die Asche des Verstorbenen auch bei einer Überführung in ein Krematorium (vgl. OLG Bamberg, Urteil v. 29.01.2008, 2 Ss 125/07, bei juris Rz. 42).

Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht zutreffend von dem Bestehen eines Mitgewahrsams der totensorgeberechtigten Angehörigen des Verstorbenen DD ausgegangen.

b) Die Strafkammer hat auch zu Recht eine Wegnahme im Sinne des § 168 Abs. 1 Alt. 1 StGB bejaht.

Die Wegnahme ist mit dem Bruch des Gewahrsams des Berechtigten vollendet, also sobald dessen tatsächliches Aufsichts- oder Bewachungsverhältnis aufgehoben wird. Auf eine Begründung eines neuen Gewahrsams kommt es nicht an (vgl. LK-Radtke, StGB, 13. Aufl., § 168 Rz. 34). Dabei setzte die Aufhebung des Gewahrsams ebenso wie bei § 242 StGB begrifflich jedoch ein Handeln gegen oder ohne Willen des zum Gewahrsam Berechtigten, der tatsächlich auch den Gewahrsam ausübt, voraus (vgl. LK-Radtke, a.a.O. Rz. 23). Da auch der Bruch von (zumindest gleichrangigem) Mitgewahrsam ausreicht, machen sich auch Angestellte des vom Totensorgeberechtigten beauftragten Bestattungsunternehmens strafbar, wenn sie den Leichnam bzw. die Asche oder Teile davon entfernen (MüKo-Hörnle, StGB, 4. Aufl., § 168 Rz. 17).

Dabei ist im Hinblick auf den normativen, maßgeblich auf den aus dem Obhutsverhältnis abgeleiteten Gewahrsamswillen abstellenden Gewahrsamsbegriff des § 168 StGB nicht maßgeblich, ob und wann die Asche des Verstorbenen tatsächlich – vorliegend etwa durch Verbringen der Asche in den Schrank im Büro der Zeugin – der faktischen Zugriffsmöglichkeit der Totensorgeberechtigten entzogen worden ist. Vielmehr ist entscheidend, wann diese einen entsprechenden Gewahrsamswillen aufgegeben und ob sie dies aus freien Stücken getan haben. Dabei gilt Entsprechendes wie für die Abgrenzung des in Bezug auf den Gewahrsamsbegriff engeren Diebstahlstatbestand zum Betrug. Hier ist anerkannt, dass die Annahme einer Vermögensverfügung in Gestalt einer Duldung nur dann in Betracht kommt, wenn auch die Verschaffung von Alleingewahrsam durch den Täter noch von einem freien, der Handlung des Täters zustimmenden Willen des durch Täuschung zur Einräumung von Mitgewahrsam veranlassten Opfers getragen wird. Findet der Ausschluss des Berechtigten von der faktischen Sachherrschaft ohne oder gegen dessen Willen statt, liegt Wegnahme vor (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1986, 2 StR 537/86, bei juris Rz. 5).

Vorliegend hatten die Totensorgeberechtigten aber nach den Feststellungen überhaupt keine Kenntnis davon, dass mit der Beisetzung der von ihnen ausgewählten Schmuckurne nicht ihr bislang bestehender Mitgewahrsam am Körper des Verstorbenen – nunmehr zusammen mit der Friedhofsverwaltung (vgl. MüKo-Hörnle, StGB, 4. Aufl., § 168 Rz. 13; Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen-Stübinger, StGB, 5. Aufl., § 168 Rz. 9) – fortgesetzt werden sollte, sondern stattdessen der Leichnam des Verstorbenen sich noch im Krematorium befand und die Asche nach Durchführung der Kremierung zumindest vorübergehend in den Räumlichkeiten des Bestattungsinstituts verbleiben sollte. Ihr Gewahrsamswille bezog sich nunmehr allein auf den Inhalt der beigesetzten Schmuckurne. Eine freiwillige Aufgabe der den Gewahrsam im Sinne des § 168 Abs. 1 Alt. 1 StGB kennzeichnenden Dispositionsbefugnis in Bezug auf Leichnam und Asche des Verstorbenen und damit angesichts der gebotenen normativen Betrachtung des Mitgewahrsams im Sinne dieser Vorschrift (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.11.1974, 2 Ws 239/74, NJW 1975, 271) lag damit nicht vor.

c) Da die Zeugin CC als Auszubildende auf Anweisung des Angeklagten handelte, der als Geschäftsführer ihr gegenüber weisungsbefugt war, hat der Angeklagte sie auch im Sinne von § 26 StGB zu der Tat bestimmt.

d) Dass eine Vollendung der Tat bereits mit der Beisetzung der vermeintlich die Asche des Verstorbenen enthaltenden Schmuckurne und nicht – wie vom Landgericht angenommen – erst mit der nachfolgenden Aufbewahrung der Asche im Bestattungsunternehmen eingetreten ist, steht einer Aufrechterhaltung des Schuldspruchs nicht entgegen. Die prozessuale Tatidentität wird dadurch nicht berührt; dass der Angeklagte sich anders als geschehen verteidigt hätte, ist nicht erkennbar.“

OWi I: Nichtherausgabe der Messreihe des Tattages: oder: Nicht schlimm, die anderen machen es auch so

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Urheber Jepessen

Juchhu, ich habe drei OWi-Entscheidungen, die ich vorstellen kann 🙂 . Zwei Beschlüsse kommen vom OLG Oldenburg, einer kommt vom BayObLG.

Ich eröffne den Reigen mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.11.203 – 2 ORbs 188/23 – zur Frage der Verletzung des fairen Verfahrens durch die Nichtherausgabe der Messreihe des Tattages. Das OLG sieht darin keine Verletzung des Rechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren. Begründet wird dies mit einer Aneinanderreihung von Zitaten aus OLG-Entscheidungem die das ebenso gesehen haben, was keine besondere Begründungskunst ist. Und natürlich mit dem Hinweis auf den BGH und den BGH, Beschl. v. 30.03.2022 – 4 StR 181/21, der auf die Vorlage des OLG Zweibrücken ergangen war. Ich habe bisher selten einen Beschluss gesehen, in dem so viel zitiert und verwiesen wird. Für mich wenig überzeugend und ich frage mich, warum das OLG nicht gleich – nur schreibt: Die anderen machen es auch so.

Allerdings hat das OLG dann den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, weil das AG insoweit mal wieder einen klassischen Fehler gemacht hat:

Demgegenüber hält der Rechtsfolgenausspruch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, wie der Betroffene sich insoweit eingelassen hat.

Die fehlende Mitteilung der Einlassung stellt dann einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Februar 2008,1 Ss 313/07 juris).

So ist es hier. Bereits aus den Protokollanlagen ergibt sich, dass die Frage der Auswirkung eines Fahrverbotes auf ein Beschäftigungsverhältnis des Betroffenen problematisiert worden ist. Gleichwohl findet sich in den Entscheidungsgründen zu einer entsprechenden Einlassung des Betroffenen nichts.

Damit vermag der Senat nicht zu prüfen, ob die Anordnung des Fahrverbotes bzw. das Nichtabsehen von dessen Verhängung ausreichend begründet worden ist.

Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Höhe der Geldbuße und Fahrverbot war der gesamte Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.“

Na ja. Das mindert aber den im Übrigen „schlechten Eindruck“ nicht. 🙂

Corona III: „Ungeimpft“ auf dem „gelben Judenstern, oder: Vollsverhetzung? Es kommt darauf an.

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Und zum Tagesschluss dann noch zwei Entscheidungen zur Frage der Volksverhetzung (§ 130 StGB) durch Verwendung des sog. (gelben)  Judensterns mit der Aufschrift „ungeimpft“. Ich stelle hier aber, da es zu der Problematik ja schon einiges an Rechtsprechung gibt, nur die Leitsätze vor, und zwar:

Es ist im Wege der Auslegung durch den Tatrichter festzustellen, ob sich die Verwendung eines sog. Judensterns mit der Aufschrift „Ungeimpft“ in sozialen Medien über die Gleichstellung der für Ungeimpfte mit den Maß-nahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen mit den durch die nationalsozialistische „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. September 1941 verbundenen Beschränkungen hinaus auch als Verharmlosung des unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermordes i.S.d. § 6 VStGB darstellt.

Zur Frage der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB, wenn im sozialen Netzwerk Facebook Profilbild eine Abbildung eines gelben Davidsterns, in dessen Mitte der Schriftzug „UNGEIMPFT“ steht sowie am oberen und unteren Bildrand der Zusatz: „Wieder soweit?“, verwendet wird.