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Nichteheliche Lebensgemeinschaft, oder: Schutzpflicht für auf Bahnschienen abgestelltes Kfz des Partners?

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By Feuermond16 – Own work

Im „Kessel Buntes“ dann heute zwei landgerichtliche Entscheidungen. Zunächst ist das das LG Köln, Urt. v. 09.05.2019 – 8 O 307/18. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Die Parteien, die seit 2014 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebten, machten im April 2017 mit dem Fahrzeug des Klägers einen Ausflug. Der Kläger litt an einer Allergie, die ihn in unregelmäßigen und nicht vorhersehbaren Abständen zum Aufsuchen der Toilette veranlasste. Kurz vor Erreichen eines Ausflugslokals ereilte ihn ein solcher Anfall. Er hielt daher sein Fahrzeug auf der Fläche einer Bahngleisanlage an, um eine Toilette in einer in der Nähe befindlichen Gaststätte aufzusuchen. Dabei bemerkte er nicht, dass er sein Fahrzeug geringfügig linksseitig mit dem hinteren Teil der Karosserie auf den Bahnschienen abgestellt hatte.

Der Kläger bat daher die Beklagte beim Verlassen des Wagens darum, dass Fahrzeug sogleich wegzusetzen. Ein dann vorbei kommender Zeuge wies die Beklagte zudem darauf hin, die Gleise schnellstmöglich zu verlassen, da dort Züge verkehrten. Nachdem die Beklagte den Zeugen zunächst nur fragend ansah, wiederholte dieser die Warnung. Als die Beklagte dann das Fahrzeug auf der Beifahrerseite verlassen hatte, näherte sich ein Güterzug und erfasste das Fahrzeug. Der Kläger verlangt nun von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von rund 7.000 EUR. Er ist der Ansicht (gewesen), die Beklagte sei für den Schaden zumindest mitverantwortlich, sodass sie diesen zur Hälfte auszugleichen habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen:

„Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des ihm am 09.04.2017 entstandenen Schadens zu.

Zwischen den Parteien bestand kein Schuldverhältnis, aus dem sich die Pflicht der Beklagten, das Fahrzeug des Klägers aus dem Gleiskörper fortzusetzen, ergab. Durch den Zuruf des Klägers, die Beklagte solle seinen Pkw fortsetzen, wurde kein Auftragsvertrag im Sinne von § 662 BGB geschlossen. Die Beklagte hat kein auf den Abschluss eines Auftragsvertrages im Sinne von § 662 BGB gerichtetes Angebot des Klägers angenommen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die an seine Lebensgefährtin gerichtete Bitte des Klägers überhaupt auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet war und nicht nur ein Gefälligkeitsverhältnis ohne rechtliche Bindungen begründen sollte. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte ein auf den Vertragsschluss gerichtetes Angebot des Klägers im Sinne von § 145 BGB angenommen hat, § 147 BGB. Nach dem Vorbringen beider Parteien hat die Beklagte dem Kläger weder ausdrücklich noch konkludent zu erkennen gegeben, dass sie rechtsverbindlich die Verpflichtung eingehen will, das Fahrzeug aus dem Schienenbereich zu entfernen. Auf der Grundlage des klägerischen Vortrages hat die Beklagte auf sein Ansinnen hin überhaupt nicht reagiert. Auch nach dem Beklagtenvortrag ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kläger nicht ersichtlich. Danach ist sie erst nach dem Hinweis des Zeugen I ausgestiegen, um den Wagen zu versetzen.

Aus denselben Gründen kann auch der Abschluss eines Verwahrungsvertrages gemä? § 688 BGB nicht angenommen werden.

Allein der Umstand, dass die Parteien einen gemeinsamen Ausflug unternommen haben, begründet kein Schuldverhältnis im Sinne von § 311 BGB. Zwar ist denkbar, dass sich aus einer Fahrgemeinschaft wechselseitige Rechte und Pflichten für die Beteiligten ergeben können. Hierfür müssen jedoch Anzeichen für einen Rechtsbindungswillen vorliegen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft abwechselnd zur Arbeitsstelle und zurück fahren und darauf vertrauen, dass die Absprache verlässlich eingehalten wird (OLG Köln VersR 2004, 189). Hier liegt der Fall jedoch anders. Die Parteien haben sich im Rahmen ihrer damaligen Beziehung zu einem Freizeitausflug zusammengefunden. Wechselseitige Rechte und Pflichten sollten hierdurch bei lebensnaher Betrachtung nicht begründet werden.

Die Beklagte haftet auch nicht aus § 823 BGB. Die Beklagte hat das Eigentum des Klägers nicht beschädigt. Ein aktives Handeln der Beklagten, das zur Beschädigung des Pkw geführt hat, liegt nicht vor. Die Beklagte hat den Tatbestand des § 823 BGB auch nicht durch pflichtwidriges Unterlassen verwirklicht. Da keine allgemeine Rechtspflicht besteht, Dritte vor Gefahren zu schützen, bleibt eine Tatsbestandsverwirklichung durch Unterlassen die Ausnahme und ist nur dann anzunehmen, wenn den Schädiger eine spezifische Pflicht zum Handeln getroffen hat. Eine solche Pflicht kann sich aus einer Verkehrssicherungspflicht oder einer Garantenstellung ergeben (Förster in: BeckOK BGB § 823 Rn. 100 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers haftet die Beklagte nicht wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für sein Eigentum. Verkehrssicherungspflichten knüpfen an den Gedanken an, dass jeder, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu schaffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (Förster in: BeckOK BGB § 823 Rn. 102). Abgesehen davon, dass die Beklagte das Fahrzeug nicht im Schienenbereich abgestellt hat und damit keine Gefahrenlage geschaffen hat, umfasst der Schutzbereich dieses Haftungsgrundsatzes nicht die Gefahrenquelle selbst, sondern andere Rechtsgüter. Die Beklagte war auch nicht aufgrund einer Garantenstellung verpflichtet, Schaden von dem Pkw abzuwenden. Eine Pflicht zum Handeln besteht nur dann, wenn jemand für den Geschädigten in besonderer Weise (= rechtsgutbezogen) verantwortlich ist. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden, genügt hingegen nicht (Förster in: BeckOK BGB § 823 Rn. 103). Zwar kann aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine besondere Fürsorge- und Obhutspflicht folgen. Diese Pflichten beziehen sich regelmäßig auf persönliche Rechtsgüter wie Leben, Körper und Gesundheit (Förster in BeckOK BGB § 823 Rn. 103.1, 103.2). Eine allgemeine rechtliche Verpflichtung, von den Vermögenswerten des Partners Schaden abzuwenden, lässt sich hieraus nicht ableiten.“

Wer nicht verheiratet ist, zahlt mehr Steuern, oder: No Splittingtarif

NichtehelicheDer Samstag ist im BOB ja immer der Tag für ein „Kessel Buntes“. Und daher gibt es dann heute dazu/daraus eine FG-Entscheidung, nämlich das FG Münster, Urt. v. 18.05.2016 – 10 K 2790/14 E. Ja, ganz bunt, denn die im Urteil behandelte Problematik ist die Frage, ob Lebensgefährten einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft – wie Eheleute – unter den steuerlichen „Splittingtarif“ fallen. Ausgangspunkt der Diskussion ist § 2 Abs. 8 des EStG ist geregelt, der aber „Lebenspartner und Lebenspartnerschaften“ anführt, nicht aber „einfache“ nichteheliche Lebensgemeinschaften. Dazu hat dann das FG Münster ausgeführt:

Der Gesetzgeber beabsichtigte bei Einführung des § 2 Abs. 8 EStG durch das EStGBVerfG2013-05-07ÄndG vom 15.07.2013 (BGBl I 2013, 2397) nach Auffassung des Senats – den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechend – lediglich die einkommensteuerrechtliche Gleichstellung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Dafür, dass der Gesetzgeber eine über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hinausgehende Regelung auch für nichteheliche (verschiedengeschlechtliche) oder nichteingetragene (gleichgeschlechtliche) – also nicht rechtlich institutionalisierte – Lebensgemeinschaften schaffen wollte, bestehen keine Anhaltspunkte.

Entgegen der Auffassung der Kläger enthält § 1 Abs. 1 LPartG eine Legaldefinition der Begriffe „Lebenspartnerinnen“ und „Lebenspartner“. Dies sind zwei Personen gleichen Geschlechts, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Durch diese Erklärung gegenüber dem Standesbeamten begründen sie eine „Lebenspartnerschaft“ im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Eines Rückgriffs auf das Sozialrecht bedarf es zur Definition des Begriffes „Lebenspartner“ daher nicht.

Nach dem Sinn und Zweck umfasst § 2 Abs.8 EStG nur die eingetragenen Lebenspartner und eingetragenen Lebenspartnerschaften. Denn Anknüpfungspunkt für die einkommensteuerliche Privilegierung durch die Anwendung des Splittingtarifs ist die rechtlich gebundene, institutionalisierte Form des Zusammenlebens, die Ehegatten und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz für sich gewählt haben. Zwischen verheirateten Paaren und verpartnerten Paaren einerseits und eheähnlichen Lebensgemeinschaften andererseits besteht der Unterschied, dass es sich bei Letzteren – zu denen auch die Kläger zählen – nicht um rechtliche Gemeinschaften handelt. Wie Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner können auch Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft sozial und finanziell füreinander einstehen und einen gemeinsamen Haushalt führen. Sie sind hierzu aber rechtlich nicht verpflichtet. Es gibt derzeit keinen Zugewinnausgleichsanspruch, keinen Unterhaltsanspruch und auch keine Versorgungsausgleichsansprüche für sie. Hierdurch wird die Ungleichbehandlung gegenüber Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften gerechtfertigt.“

Steht einem langjährigen Lebensgefährten ein Zeugnisverweigerungsrecht zu?

FragezeichenInteressante Entscheidung, das EGMR, Urt. v. 03.04.2012, Nr. 42857/05. Ist schon etwas älter (und leider nicht auf Deutsch :-(. Räume ich ein. Und: Ich hatte es bislang übersehen. Ich bin darauf erst durch die Anmerkung von  Meyer-Ladewig und Petzold aufmerksam geworden zum Urteil des EGMR vom 03.04.2012. Die ist zwar bei der „Konkurrenz“, nämlich in NJW 2014, 39, veröffentlicht, aber einen Hinweis wert. Es geht um das Zeugnisverweigerungsrecht einer langjährigen Lebensgefährtin, das vom EGMR verneint worden ist; wie übrigens hier die Rechtsprechung in Deutschland. Dabei spielte eine niederländische Regelung, die nur Ehegatten und Partnern einer eingetragenen Partnerschaft, nicht aber Lebensgefährten ein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt, eine Rolle und die Frage, ob die mit der EMRK vereinbar ist.

Der EGMR hat die Regelung als EMRK-konform angesehen. Dabei hat er aber vornehmlich die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK geprüft. Zwar könne auch zwischen nicht miteinander verheirateten Paaren ein Familienleben i.S. der Norm bestehen. Jedoch hätten die Konventionsstaaten bei der Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts ein weites Ermessen. Es sei zulässig, wenn ein Staat zwar dem Schutz des Familienlebens vor der Strafverfolgung den Vorrang einräume, dies aber auf die Partner einer Ehe und einer eingetragenen Partnerschaft beschränke. Die Prüfung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot, Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 8 EMRK, war aus Sicht des EGMR nicht erforderlich, weil die Rüge der Diskriminierung im Kern bereits im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK geprüft worden sei.

Das sehen Meyer-Ladewig und Petzold anders. Sollte man mal nachlesen, wenn man mit der Problematik zu tun hat. Und das ist ja bei den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen gar nicht so selten.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…