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Abstandsunterschreitung – das riecht nach Freispruch

© Christian-P. Worring - Fotolia.com

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Abstandsverstöße haben in der letzten Zeit die Obergerichte häufiger beschäftigt (vgl. dazu auch bei uns: Abstandsunterschreitung – 3 Sekunden oder 140 m müssen es sein… zum OLG Hamm, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 RBs 78/13, oder  150 m Fahrstrecke reichen für Abstandsunterschreitung zum OLG Hamm, Beschl. v. 30.08.2012 – III-1 RBs 122/12). Jetzt hat sich auch das OLG Rostock zu Wort gemeldet und sich im OLG Rostsock, Beschl. v. 18.08.2014 –  21 Ss OWi 144/14 [B] -mit der Frage befasst, wann denn nun die von der obergerichtlichen Rechtsprechung geforderte „nicht nur vorübergehende“ Abstandsunterschreitung vorliegt. Beantwortet hat es sie allerdings nicht. Dafür waren die amtsgerichtlichen Feststellungen zu knapp:

„Bei der Frage, wann eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist, wird die zeitliche Komponente eine tragende Rolle spielen, da damit auch nur kurzfristige – und damit aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht ahndungswürdige – Fehler des Fahrzeugführers berücksichtigt werden können. Ob im vorliegenden Fall eine solch ahndungswürdige Abstandsunterschreitung vorliegt, kann schon mangels Mitteilung einer eindeutigen Geschwindigkeit (141 oder 146 km/h), mangels Angabe einer vom Tatrichter zu Grunde gelegten gemessenen Dau¬er der Unterschreitung und mangels eindeutiger Angaben zu vor oder hinter dem Fahrzeug des Betroffenen fahrender Fahrzeuge nicht beurteilt werden. Hinsichtlich der für eine Beurteilung notwendigen Feststellungen wird insb. auf OLG Hamm, DAR 2013, 656 verwiesen.“

Der Hinweis auf OLG Hamm DAR 2013, 656 ist allerdings deutlich; das ist der o.a. OLG Hamm, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 RBs 78/13. So will man es wohl machen/haben.

Den Betroffenen wird allerdings mehr interessieren/freuen, was das OLG noch ausgeführt hat:

„Auf der Grundlage der bisher mitgeteilten Tatsachen (Messstrecke 100 m, Abstand 20m, möglicherweise vor unter hinter dem Fahrzeug das Fahrverhalten beeinflussende Fahrzeuge, unklare Geschwindigkeit) bestehen allerdings aus Sicht des Senats erhebliche Zweifel am Vorliegen einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung. Das wird jedoch letztlich der erneut zur Entscheidung berufene Tatrichter zu beurteilen haben.“

Das riecht nach Freispruch.

Abstandsunterschreitung – 3 Sekunden oder 140 m müssen es sein…

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Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des BGH wie auch der OLG erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung (§ 4 StVO) nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situationen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte.

Bislang nicht einheitlich wird in der Rechtsprechung der OLG die Frage beantwortet, wann denn nun eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist. Damit hat sich jetzt das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 RBs 78/13 – befasst. Die Antwort: Dann, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140 m betragen hat. Abzustellen ist nach (zutreffender) Auffassung des OLG auf die  vorwerfbare Dauer bzw. Strecke, denn:

„Im Gesetz selbst ist keine Mindestdauer in zeitlicher oder örtlicher Hinsicht Voraussetzung der Ahndung einer Abstandsunterschreitung. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Voraussetzung, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend sein darf, bezieht sich nach Auffassung des Senats auf die Dauer oder Länge der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung, nicht auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung. Nach § 10 OWiG kann nur vorsätzliches oder – wenn das Gesetz dies (wie hier) ausdrücklich vorsieht – fahrlässiges Handeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung kann es daher letztlich nicht entscheidend ankommen. Maßgeblich ist also, dass der Anteil an der Gesamtstrecke der Abstandsunterschreitung, der von dem Betroffenen verschuldet wurde (und nicht etwa durch ein Verhalten Dritter oder durch andere Ereignisse, auf die der Betroffene noch nicht reagieren und den erforderlichen Abstand wieder herstellen konnte), nicht nur „vorübergehender“ Natur ist.“