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Wie viel darf ich auf dem Balkon meiner Mietwohnung rauchen?

entnommen wikidmedia.org Photograph by Tomasz Sienicki / Own work

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Darf ich auf dem Balkon meiner Mietwohnung unbegrenzt rauchen oder hat ggf. der Mieter einer Nachbarwohnung einen Unterlassungsanspruch? Ja, Mietrecht 🙂 , ist ja heute Samstag. Mit der Frage musste sich vor einiger Zeit das LG Potsdam befassen und hat sie im LG Potsdam, Urt. v. 14.03.2014 – 1 S 31/13 – beantwortet mit: Yes, you can.  Zum Sachverhalt führt das LG aus:

„Die Parteien sind Mieter von Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus Straße der Freundschaft 45, P.. Die Kläger wohnen im ersten Obergeschoss, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone beider Wohnungen liegen übereinander, sind jeweils überdacht und an den Seiten verkleidet.
Die Beklagten sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals täglich zum Rauchen. Die Kläger als Nichtraucher fühlen sich durch aufsteigenden Zigarettenrauch in der Nutzung ihrer Wohnung und des Balkons gestört.
Der Umfang des täglichen Rauchkonsums der Beklagten auf dem Balkon ist zwischen den Parteien streitig. Die Kläger behaupten einen Verbrauch von täglich ca. 20 Zigaretten, die Beklagten geben an, täglich maximal 12 Zigaretten auf dem Balkon zu rauchen.

Das AG hatte die Klage abgewiesen, das LG weist die Berufung der Kläger zurück, schließt sich also dem AG an. Geprüft werden folgende Punkte:

1. Anspruch auf Unterlassung des Rauchens auf dem Balkon zu bestimmten Tageszeiten:

  • a) Besitzschutzansprüche stehen den Klägern als Abwehransprüche wegen Besitzstörung aufgrund verbotener Eigenmacht (§§ 862 Abs. 1 Satz 2, 858 Abs. 1 BGB) nach Auffassung des LG nicht zu. „Nicht abwehrbar nach §§ 862, 1004 BGB sind dagegen sog. negative Einwirkungen, die darin bestehen, dass jemand durch ein Verhalten in den Grenzen seines eigenen Grundstücks einem anderen Grundstück Vorteile nimmt, zum Beispiel die Entziehung von Licht und Luft (BGH, Urteil vom 11.7.2003 – V ZR 199/02 -, NJW-RR 2003, 1313, Tz. 11; MüKo/Baldus, 6. Aufl., § 1004 BGB Rdnr. 124; Palandt/Bassenge, 73. Aufl., § 903 BGB Rdnr. 9).“
  • b) Ansprüche aus §§ 823, 1004 BGB wegen Gesundheitsverletzung sieht das LG ebenfalls nicht. „Drohende Gesundheitsverletzungen der Kläger durch aufsteigenden Zigarettenrauch von dem einem Stock tiefer liegenden Balkon können aber nicht festgestellt werden. Hierfür genügt nicht der Hinweis der Kläger auf die im letzten Jahrzehnt stark zugenommenen Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Passivrauchens durch die im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen (Kanzerogene) selbst bei nur geringen Mengen. Als Passivrauchen wird das Einatmen von Tabakrauch aus der Raumluft bezeichnet (Tabakatlas Deutschland 2009, S. 49, Hrsg. Deutsches Krebsforschungszentrum). Dementsprechend bezieht sich die Broschüre „Passivrauchen – Ein unterschätztes Gesundheitsrisiko“ des Deutschen Krebsforschungszentrums (Heidelberg, 2005) ausschließlich auf Tabakrauch als gefährlichen Innenraumschadstoff (vgl. Kernaussagen 1, 5 und 7). Das ist mit dem Rauchen außerhalb geschlossener Räume nicht vergleichbar. …..“
  • c) Auch einen Anspruch nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses verneint das LG. „Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob die Regeln des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses auf das Verhältnis zwischen Mietern, soweit es um die Bestimmung hinzunehmender Immissionen des Nachbarn geht, entsprechend angewendet werden können. Es fehlt jedenfalls an zwingenden Gründen, nach denen es geboten sein könnte, den Beklagten zeitabschnittsweise das Rauchen auf dem von ihnen gemieteten Balkon zu untersagen.“

2. Anspruch auf Unterlassung des Öffnens des Badezimmerfensters

Auch insoweit steht den Klägern ein Anspruch weder aus Besitzstörung noch nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten tatsächlich in ihrer Wohnung rauchen und ob die Kläger nächtliche Beeinträchtigungen beim Lüften durch Öffnen des Badezimmerfensters zu dulden hätten. Es fehlt bereits an einem geeigneten Beweisantritt dafür, dass die Beklagten abends/nachts in ihrem Badezimmer rauchen und der Rauch bei anschließender Lüftung über das geöffnete Fenster in das Schlafzimmer der Kläger zieht. Zudem erscheint es, soweit die Kläger von der Wahrnehmung nächtlichen Zigarettenqualms berichten, nicht ausgeschlossen, dass dieser von anderen, etwa hinter dem Haus rauchenden Personen stammt.

3. Leerung Aschenbecher

Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 3., den Aschenbecher zu festgelegten Zeiten leer zu halten, kann die Erledigung der Hauptsache nicht festgestellt werden, da die Klage auch insoweit von Anfang an unbegründet war.

Den Klägern stand weder aus Besitzstörung noch nach den Regeln des nachbarlichen Gemeinschaftsrechts ein Anspruch auf Entleeren des Aschenbechers zu. Die von den Klägern angeführte „Erfahrungstatsache“, dass auch von ausgedrückten Zigaretten Geruchsbelästigungen ausgehen, reicht zur schlüssigen Begründung des ursprünglichen Antrags nicht aus. Zwar mag in unmittelbarer Nähe des Aschenbechers auch von den Zigarettenresten eine Geruchsbelästigung ausgehen. Diese ist jedoch, anders als beim Rauchen selbst, nicht mit einer Rauchbildung verbunden. Dadurch ist die Intensität wesentlich geringer, und die Geruchsstoffe verflüchtigen sich außerhalb geschlossener Räume rasch. Zudem ist unbestritten, dass der Aschenbecher seitens der Beklagten regelmäßig geleert wurde. Für eine darüber hinausgehende Regelung nach Zeitabschnitten bestand kein Anspruch.

Das LG hat die Revision zugelassen, also wird im Zweifel der BGH entscheiden.

Ach so: Adresse: „Straße der Freundschaft“ ….. 🙂