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Nun aber mal ein bisschen zügig mit der Neubescheidung

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Bei HRR-Strafrecht habe ich den BVerfG, Beschl. v. 25.09.2013 – 2 BvR 1582/13 – gefunden, der sich zum Beschleunigungsgrundsatz im Strafvollzug äußert, wenn es um Lockerungen im Hinblick auf die Resozialisierung geht und der JVA von der StVK eine Neubescheidung aufgegeben worden ist. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde zwar nicht zur Entscheidung angenommen, äußert sich aber zur Frage der Rechtzeitigkeit und Eilbedürftigkeit einer erforderlichen Neubescheidung:

„1. Die Vollzugsbehörden sind allerdings verpflichtet, Anträge von Strafgefangenen rechtzeitig zu bescheiden (vgl. BVerfGE 69, 161 <170>). Geht es um Entscheidungen, die unmittelbar oder mittelbar die Gewährung von Lockerungen betreffen, besteht mit Rücksicht auf die Bedeutung solcher Entscheidungen für die Resozialisierung oder Erhaltung der Lebenstüchtigkeit des Gefangenen besonderer Anlass zu zügiger Bearbeitung (vgl. BVerfG, a.a.O.; LG Hildesheim, Beschluss vom 25. Juni 2007 – 23 StVK 302/07 -, juris). Ist gerichtlich beanstandet worden, dass mehrere aufeinanderfolgende Vollzugsplanfortschreibungen sich in ihrem lockerungsbezogenen Teil zur Frage der Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht oder nicht ausreichend verhalten haben, und wurde die Justizvollzugsanstalt insoweit zur Neubescheidung verpflichtet, so ist die Justizvollzugsanstalt in erhöhtem Maß zur Beschleunigung verpflichtet (vgl. allgemein zu den die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen betreffenden Anforderungen in zeitlicher Hinsicht BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2010 – 2 BvR 1377/07 -, juris; s. außerdem für den Grundsatz, dass der Staat sich auf verzögernde Umstände, die in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen, nicht zulasten des Rechtsschutzsuchenden mit rechtfertigender Wirkung berufen kann, BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004, S. 334 <335>, und vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 – 1 BvR 1304/09 -, juris).“

Außerdem gibt es noch Hinweise zum richtigen Vorgehen: Das ist nicht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin, dass der Vollzugsplan in einem vom Antragsteller gewünschten Sinne fortgeschrieben wird. Sondern:

Gegen eine etwaige zögerliche Umsetzung der Gerichtsbeschlüsse, die die Justizvollzugsanstalt zur Neubescheidung verpflichten, stünde dem Beschwerdeführer der Weg des Antrags auf Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der bereits gerichtlich ausgesprochenen Verpflichtung zur Neubescheidung (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 172 VwGO; vgl. zum Antrag nach § 172 VwGO (vgl. OVG Saarl., Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 E 291/10 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – 11 C 13.32 -, juris) offen.

Urinprobe verweigert – Vollzugslockerungen weg?

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Der Verurteilte ist gem. § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Seit August 2011 erhält er dort Lockerungen in Form von täglichen Ausgängen. Am 06.01.2012 trat in der Maßregelvollzugsklinik eine neue „Dienstanweisung zur Durchführung von Drogenscreening“ in Kraft, die seit dem 09.01.2012 umgesetzt wird. Diese sieht vor, dass der Untergebrachte sich vor Abgabe der Urinprobe für das Screening teilweise entkleidet. Die Hose ist bis zu den Knien herunterzulassen und das T-Shirt ist bis zur Brust hochzuziehen. Die Abgabe der Probe soll unter Aufsicht zweier Mitarbeiter erfolgen, die dem gleichen Geschlecht angehören wie der Unter­gebrachte. Zumindest ein Mitarbeiter muss anwesend sein. Dieser muss den Patien­ten auch auf Mittel zur Manipulation, z.B. Beutel mit Fremdurin, Kunstpenisse oder Schläuche, untersuchen. Sofern ein Patient unter direkter Sichtkontrolle keinen Urin abgeben kann, muss er sich vollständig entkleiden und darf nach abgeschlossener Kontrolle ein abgeteiltes WC zur Urinabgabe nutzen.

In einem Gespräch wurde dem Verurteilten seitens der Maßregelvollzugsklinik angekündigt, dass ihm Lockerungsstufen entzogen würden, wenn er den Anforderungen gemäß der Dienstanweisung vom 06.01.2012 nicht nachkomme.

Dagegen wendet er sich mit dem Widerspruch. Er hat beim OLG Hamm keinen Erfolg. Der OLG Hamm, Beschl. v. 11.09.2012 – III-1 Vollz (Ws) 360/12 – segnet die Androhung ab:

Es ist aber auch nicht zu beanstanden, wenn die Vollzugsbehörde die Abgabe der Urinprobe in einer Weise verlangt, die eine Manipulation durch den Gefangenen möglichst ausschließt. Deshalb bestehen keine Bedenken, dass der Betroffene die Urinprobe in unbekleidetem Zustand im Beisein eines Voll­zugsbeamten abgeben sollte, der den Vorgang beobachtete (vgl. dazu OLG Zweibrücken, a.a.O.). Dabei handelt es sich um keinen Umstand, durch den in den vom Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde verbürgten Schutz vor solchen Verletzungen der Persönlichkeitssphäre, durch die zugleich der Mensch als solcher in seinem eigenen Wert, in seiner Eigenständigkeit berührt ist, eingegriffen wird. Zwar mag der Vorgang als solcher das Schamgefühl berühren und kann mit Unannehmlichkeiten verbunden sein. Durch die ein­geforderte Abgabe von Urin wird der Betroffene aber nicht zu einem bloßen „Schauobjekt“ erniedrigt. Die Maßnahme dient weder der Herabwürdigung noch sonstigen rechtlich zu missbilligenden Zwecken, sondern unmittelbar der Resozialisierung des Straftäters, an der die Allgemeinheit ein überragendes Interesse hat.“

 Zutreffend bewertet die Strafvollstreckungskammer das Vorgehen der Maßregelvollzugsanstalt nicht als ermessensfehlerhaft. Diese hat insoweit die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten. Sie hat die Grundrechte des Betroffenen in ihre Abwägung mit einbezogen, aber gerade auch die konkrete Art und Weise der Abgabe der Urinprobe zur Vermeidung von Manipulation für erforderlich gehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts zur Abgabe von Urinproben ist die Tatsache, dass bei der Ab­gabe von Urin ein Mindestmaß an ärztlicher Aufsicht unerlässlich ist, um Manipu­lationen auszuschließen, kein Umstand, durch den in den vom Gebot der Unverletz­lichkeit der Menschenwürde verbürgten Schutz vor solchen Verletzungen der Per­sönlichkeitssphäre eingegriffen wird. Zwar mag der Vorgang als solcher das Scham­gefühl berühren und kann mit Unannehmlichkeiten verbunden sein. Für die mit der erteilten Weisung eingeforderte Abgabe von Urin wird der Betroffene aber nicht zu einem bloßen „Schauobjekt“ erniedrigt. Die Maßnahme dient weder der Herabwürdi­gung noch sonstigen rechtlich zu missbilligenden Zwecken, sondern unmittelbar der Resozialisierung des Straftäters, an der die Allgemeinheit ein überragendes Interesse hat (BVerfG, Beschl. v. 17.02.2006 – 2 BvR 204/06 –, juris).

Na ja, man sich „bessere“ Situationen denken/vorstellen.