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U-Haft I: Meldeauflage erfüllt, keine Fluchtgefahr mehr, oder: Wenn die Vertreterin keinen Bock hat

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Heute dann mal wieder ein Hafttag. Den beginne ich mit einer Entscheidung des LG Paderborn, den mir der Kollege Urbanek auf Bielefeld geschickt hat.

Der Angeklagten wird Raub in Tateinheit mit Körperverletzung vorgeworfen. Die Anklage wurde erhoben vor dem AG Lippstadt – Schöffengericht. Gegen die Angeklagte ist Haftbefehl erlassen worden, mit Beschluss vom 08.04.2022 den das LG unter Auflagen außer Vollzug gesetzt hat. U.a. wurde eine Meldeauflage gemacht.

Hauptverhandlungstermin war auf den 07.06.2022 bestimmt. Mit Schriftsatz vom 08.05.2022 beantragte der Verteidiger beim AG Lippstadt nach Rücklauf der Akten vom LG Paderborn Akteneinsicht. Gewährt wurde eine Akteneinsicht in der Folge nicht. Mit Schriftsatz vom 31.05.2022 beantragte der Verteidiger der daraufhin die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 228 Abs. 1 StPO. Mit Verfügung vom 02.00.2022 wurde daraufhin der Hauptverhandlungstermin durch das AG aufgehoben. In der Folge wurde den Verteidigern Akteneinsicht gewahrt. Ein erneuter Hauptverhandlungstermin wurde nicht bestimmt.

Mit Eingang beim AG am 06.06.2022 beantragte die Angeklagte eine Aufhebung des Haftbefehls vom 03.03.2022, da mittlerweile von keiner Fluchtgefahr mehr auszugehen und zudem die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls unverhältnismäßig sei. Eine Entscheidung über den Antrag erging sodann zunächst nicht. Mit Schriftsatz eingegangen am 22.06.2022 erinnerte der Verteidiger an den Antrag vom 06.06.2022. Hierzu wurde durch das AG mitgeteilt, dass die Akte derzeit versendet sei.

Am 27.06.2022 erkundigte sich der Verteidiger zudem telefonisch nach dem Stand der Sache. Auf die Mitteilung, dass sich der zuständige Dezernent in Urlaub befände, bat er um eine Entscheidung im Vertretungswege. Die Vertreterin sah die Sache nicht als eilbedürftig an und traf in der Folge keine Entscheidung. Nach Rückkehr des Dezernenten wurde der Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls mit Beschluss vom 08.07.2022 zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hatte beim LG Erfolg. Das hat im LG Paderborn, Beschl. v. 19.07.2022 – 08 Qs-43 Js 301/21-32/22 – den Haftbefehl aufgehoben.

Das LG verneint Fluchtgefahr und begründet das u.a. damit, dass die Angeklagte längere Zeit die gemachten Meldeauflagen erfüllt hat. Insoweit bitte selbst lesen.

Hier stelle ich die Ausführungen des LG zur Verhältnismäßigkeit vor:

„2. Darüber hinaus war der Haftbefehl auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufzuheben.

Aus rechtsstaatlichen Granden besteht auch bei außer Vollzug gesetzten Haftbefehlen die Pflicht zu einer möglichst zügigen Bearbeitung. Die mit den Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO verbundenen Beschränkungen sind auch in Ansehung der Belange einer funktionierenden Strafrechtspflege nur für einen angemessenen Zeitraum hinzunehmen (vgl. BVerfGE 53, 152 = NJW 1980, 1448).

Die an eine zügige Bearbeitung der Sache zu setzenden Maßstäbe sind durch das Amtsgericht Lippstadt – Schöffengericht – in einem solchen Umfang verletzt worden, dass eine Aufrechterhaltung des Haftbefehls nicht mehr verhältnismäßig erscheint.

Hierfür dürfte bereits ausreichend sein, dass nach Aufhebung des für den 07.06.2022 bestimmten Hauptverhandlungstermins am 02.06.2022 bis zum Zeitpunkt dieser Kammerentscheidung kein erneuter Hauptverhandlungstermin bestimmt wurde und auch keine Bemühungen zur Bestimmung eines Hauptverhandlungstermins – wie etwa die Anfrage bezüglich einer Terminsabsprache mit den Verteidigern der Beschwerdeführerin und des Mitangeklagten – aus der Akte zu entnehmen sind. Außer der Gewährung von Akteneinsichten und der – ebenfalls nur verzögert erfolgten – Bearbeitung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Haftaufhebung vom 06.06.2022, finden sich insoweit keinerlei Hinweise auf verfahrensfördernde Bemühungen des Amtsgerichts.

Darüber hinaus beruht auch die Notwendigkeit der Aufhebung des Termins vom 07.06.2022 in vollem Umfang auf der fehlenden Verfahrensförderung durch das Amtsgericht Lippstadt – Schöffengericht -. Nachdem nämlich zuvor in berechtigter Weise beantragte Akteneinsichtsgesuche mehrerer Verteidiger nicht beschieden wurden, wurde eine Aufhebung des Termins notwendig, da eine Vorbereitung der Verteidiger in einer für die angemessene Vertretung der Beschwerdeführerin und des Mitangeklagten ohne vorherige Akteneinsicht nicht möglich war. Die hierdurch verursachte Notwendigkeit zur Aufhebung des Hauptverhandlungstermins wiegt umso schwerer, nachdem sich aus der Akte ergibt, dass mit Verfügung vom 02.05.2022 eine digitale Kopie der vollständigen Verfahrensakte durch die Staatsanwaltschaft P. gefertigt wurde, durch welche den Verteidigern zeitnah und parallel Akteneinsicht hätte gewährt werden können.

Schlussendlich konnte im Zusammenhang mit der zügigen Bearbeitung dieser Haftsache auch nicht außer Acht gelassen werden, dass auch der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des Haftbefehls vom 06.06.2022 zunächst ohne erkennbaren Grund durch den zuständigen Dezernenten am 08.06.2022 auf den Zeitpunkt seiner Rückkehr aus dem anstehenden Urlaub verfristet wurde und durch seine Vertreterin auf entsprechende Nachfrage des Verteidigers der Beschwerdeführerin gemäß Vermerk vom 29.06.2022 als nicht eil- bzw. entscheidungsbedürftig angesehen wurde und ebenfalls auf die Rückkehr des zuständigen Dezernenten verfristet wurde.

Angesichts der hierdurch insgesamt für die Beschwerdeführerin eingetretenen Belastungen – auch unter Berücksichtigung, dass ihr gegenüber zuvor in der Zeit vom 04.03.2022 bis zum 08.04.2022 Untersuchungshaft vollzogen wurde – ist, nachdem insbesondere ein Hauptverhandlungstermin weiterhin nicht in Aussicht ist, eine weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls selbst nach Außervollzugsetzung nicht mehr verhältnismäßig.“

Spätestens an der Stelle: „Die Vertreterin sah die Sache nicht als eilbedürftig an und traf in der Folge keine Entscheidung.“ schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen und ist schon erstaunt, wie man beim AG Lippstadt mit Haftsachen umgeht.

Corona I: Vorlage eines gefälschten Impfausweises, oder: Strafbarkeit nach altem Recht

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Vor einigen Wochen ist viel über den LG Osnabrück, Beschl. v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/215 – geschrieben worden. In der Entscheidung ging es um die Frage, ob das Vorlegen eines gefälschten Impfausweis bei der Apotheke, um das digitale Impfzertifikat erstellen zu lassen, strafbar ist. Wohlgemerkt: Nach altem Recht. Das LG Osnbarück hat das verneint, die Entscheidung ist bislang, wenn ich das sehe, nicht veröffentlicht.

Ich kann hier heute aber dann eine andere Entscheidung zu der Problematik vorstellene, die mit der Kollege Schulze aus Bielefeld geschickt hat, und zwar den LG Paderborhn, Beschl. v. 01.12.2021 – 5 Qs 33/21.

In dem Verfahren wird dem Beschuldigte zur Last gelegt – ich zitiere aus dem Beschluss -,

Impfausweise gefälscht und verkauft zu haben, indem er gelbe Blankett-Impfausweise im Internet bestellte, sich Aufkleber von Covid-19-Impfstoffen beschaffte, diese an die vorgesehene Stelle in den Impfpässen einklebte, jeweils handschriftlich ein erdachtes Datum für eine Erst- und Zweitimpfung eintrug, in der Spalte „Unterschrift und Stempel des Arztes“ einen Stempel des Impfzentrums des Schwalm-Eder-Kreises anbrachte und darauf eine unleserliche Unterschrift anbrachte, um den Anschein einer ordnungsgemäßen. Erst- und Zweitimpfung gegen COVID-19 zu erwecken. Einen der auf diese Art und Weise hergestellten Impfausweise nutzte der Beschuldigte für sich. Nachdem er auf der Vorderseite seine Personaldaten eingetragen hatte, legte er den Impfausweis etwa gegen Ende August oder Anfang September des Jahres 2021 in einer Apotheke vor, um dem dort tätigen Personal wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass er eine Erst- und Zweitimpfung gegen COVID-19 erhalten hätte, und um das Personal täuschungsbedingt dazu zu veranlassen, die entsprechenden Informationen an das Robert-Koch-Institut weiterzugeben. Wie von dem Beschuldigten beabsichtigt, wurde ihm von dort aus ein digitales COVID-19-Impfzertifikat bereitgestellt, welches er ab etwa Anfang September 2021 regelmäßig vor dem Betreten des Richard-Weizsäcker-Berufskollegs vorzeigte, um den anderenfalls erforderlichen Schnelltest zu umgehen. Dem Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, weitere 40 bis 50 der auf diese Art und Weise hergestellten Impfausweise zu einem Stückpreis zwischen 100 Euro und 230 Euro an Dritte weiterverkauft zu haben, wobei die Eintragung der Personalien auf der Vorderseite jeweils durch die Käufer erfolgte.“

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG die Durchsuchung bei dem Beschuldigten mit dem Zweck angeorndet, Beweismittel in Form von gefälschten gelben Impfausweisen, Stempeln und Aufklebern, Impfzertifikaten, Mobiltelefonen und Computern sowie Datenträgern aufzufinden. Es ist dann durchsucht worden und man hat verschiedene dem Gegenstände, die dem Beschuldigten und/oder Angehörigen zugeordnet worden sind, beschlagnahmt.

Dagegen dann die Beschwerde, die beim LG Paderborn Erfolg hatte. Das LG hat die Beschlagnahme aufgehoben. Es hat einen Anfangvserdacht verneint und hat das umfassend begründet.

Da sich inzwischen ja die Rechtslage durch das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 22.11.2021 (BGBl. I S. 4906), in Kraft getreten am 24.11.2021, geändert hat, habe ich hier nur den Sachverhalt und (meinen) Leitsatz zu der Entscheidung eingestellt. Der lauet:

„Impfausweise sind zwar grundsätzlich als „Gesundheitszeugnisse“ im Sinne des § 277 StGB a.F. anzusehen, eine Strafbarkeit scheidet nach altem Recht aber aus, soweit diese lediglich zur Vorlage in Apotheken verkauft werden, um entsprechende digitale Impfzertifikate zu erlangen.“

Den Rest der umfangreichen Begründung bitte selbst lesen.

Pflichtverteidiger im Widerrufsverfahren, oder: Ein etwas außergewöhnlicher Beschluss

© fotomek - Fotolia.com

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Heute werde ich nach längerer Zeit mal wieder ein paar Entscheidungen aus dem Bereich der Strafvollstreckung/des Strafvollzugs vorstellen. Ein Bereich, der häufig stifemütterlich behandelt wird.

Den „Opener“ macht der LG Paderborn, Beschl. v. 28.10.2016 – 1 Qs 125/16, der die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Widerrufsverfahren behandelt. Der Verurteilte steht wegen Steuerhinterziehung in 8 Fällen, Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 20 Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten unter Bewährung. Außerdem gib es eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu fünf Monaten Freiheitstrafe, die abermals zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Verurteilte wird dann wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt. Außerdem ist in einem Ermittlungsverfahren Anklage wegen Steuerhinterziehung sowie Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelten erhoben. Und es existieren darüber hinaus zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Strafaussetzung zur Bewährung aus der Eingangsverurteilung zu widerrufen, da die Verurteilung wegen Widerstandes pp. wie auch das weitere angeklagte und die zwei noch im Ermittlungsstadium befindliche Verfahren zeigten, dass sich die der Strafaussetzung zur Bewährung zu Grunde liegende Erwartung einer zukünftigen straffreien Führung des Verurteilten nicht erfüllt habe. Der Verteidiger beantragt Beiordnung als Pflichtverteidiger. Das AG lehnt ab. Auf die Beschwerde hat die Strafkammer dann beigeordnet:

„Dem Verurteilten ist analog § 140 Abs. 2 StPO Rechtsanwalt R. aus D. als Pflichtverteidiger für das Widerrufsverfahren beizuordnen, da dies die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und die Schwere der Tat gebieten.

Dabei beurteilt sich die Schwere der Tat vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 140 Rn. 23), und damit danach, ob eine längere Freiheitsstrafe, eine gravierende Maßregel der Besserung und Sicherung, oder sonst eine erhebliche Folge der Entscheidung droht, die nicht unmittelbar im Rechtsfolgenausspruch liegt. Die Rechtsprechung hat sich dahin verfestigt, dass dies bei einer Straferwartung um ein Jahr Freiheits- oder Jugendstrafe anzunehmen ist. Eine Straferwartung von mehr als einem Jahr gibt daher in aller Regel Anlass, die Mitwirkung eines Verteidigers als notwendig anzusehen (vgl. Meyer-Goßner, aaO).

Überdies liegt vorliegend auch eine schwierige Sach- und Rechtslage dadurch vor, dass der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Paderborn auf eine erhobene Anklage und zwei weitere laufende Ermittlungsverfahren, die näher nicht bezeichnet wurden, abhebt. Wegen der für den Verurteilten geltenden Unschuldsvermutung können aber nur solche Taten als Grundlage für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung herangezogen werden, die entweder bereits rechtskräftig abgeurteilt wurden oder für die ein glaubhaftes Geständnis vorliegt, weil nur dann die schuldhafte Begehung einer neuerlichen Straftat feststeht. (vgl. Fischer, StGB, § 56f Rn. 4 ff.).“

Insofern interessant der Beschluss, weil das LG die Rechtsprechung zur Beiordnung nach § 140 Abs. 2 StPO im Erkenntnisverfahren ohne Abstriche auf das Strafvollstreckungsverfahren übertragt. Das gilt vor allem wegen der „Schwere der Tat“. Das wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerding anders gesehen. Deshalb ein etwas außergewöhnlicher Beschluss.

Reichen BtM-Delikte für eine DNA-Analyse, und: Auftypisierung?

mineralsDer LG Paderborn, Beschl. v. 19.11.2014 – 1 Qs-22 Js 1365/13-56/14 – befasst sich mit der Frage der Entnahme von Körperzellen bei einem  Verurteilten gemäß den §§ 81g Abs. 3, Abs. 4, 81a Abs. 2, 81f StPO zwecks Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen zur Speicherung des DNA Musters für künftige Verfahren in der DNA-Analyse-Datei (DAD). Und er entscheidet zwei Fragen, nämlich:

  1. Reichen BtM-Delikte für die Anordnung einer Entnahme aus?
  2. Ist eine Entnahme von Körperzellen zu einer molekulargenetischen Untersuchung noch erforderlich, wenn bereits Daten des Verurteilten in der DAD gespeichert sind, wenn auch nach altem Standard?

Und dazu dann das LG:

Zu 1: BtM-Delikte:

In dem Streit, ob Betäubungsmitteldelikte überhaupt geeignete Delikte für eine Körperzellenentnahme zum molekulargenetische Untersuchung sind (Nachweise zum Streitstand bei: Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, § 81g, Rn. 8), ist die Kammer der Auffassung, dass dies zu bejahen ist. Aus den Erfahrungen der Kammer als große Strafkammer zeigt sich, dass auch in Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Beweisführung über DNA-Gutachten möglich und zielführend ist. Fallkonstellationen, bei denen der Täter mit den Drogen bzw. deren Verpackung in Berührung kommt und dabei auswertbare Körperspuren hinterlässt sind nicht nur vorstellbar (OLG Köln, NStZ-RR 2005, 56, sondern in der Praxis der Kammer auch vorgekommen.“

Zu 2: Auftypisierung, wo die Kammer ältere Rechtsprechung aufgibt

„Ob eine Entnahme von Körperzellen zu molekulargenetischen Untersuchung erforderlich ist, wenn bereits Daten des Verurteilten in der DAD gespeichert sind, wenn auch nach altem Standard, wird unterschiedlich beurteilt. Insbesondere wird eine Erforderlichkeit in diesen Fällen verneint (OLG Bremen, NStZ 2006, 653; LG Saarbrücken, StraFo 2012, 499).

Die Gegenauffassung hält eine Entnahme von Körperzellen zur Auftypisierung der bereits gespeicherten Daten für zulässig (LG Freiburg/Breisgau, Beschluss vom 30.07.2013, Az.: 2 Qs 12/12.). Dem schließt sich die Kammer an. Die bisherige, entgegenstehende Rechtsprechung der Kammer (LG Paderborn, StV 2013, 434) wird aufgegeben.

Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn zur Erreichung des angestrebten Zieles keine andere mildere aber gleich wirksame Maßnahme zur Verfügung steht. Daraus folgt, dass die Alternative zur Entnahme von Körperzellen gleichwertig sein muss. Als Alternative kommt hier ein Rückgriff auf den bereits gespeicherten Datenbestand in Betracht. Diese Alternative ist aber nicht gleichwertig, weil die gespeicherten Daten qualitativ hinter den neu zu gewinnenden zurückstehen. Dies ist vorliegend aus zwei Gründen gegeben.

a) Zum einen muss die Qualität der gespeicherten Daten den gestiegenen Anforderungen bei der Datenauswertung genügen. Der Datenbestand in der DAD umfasste Ende 2009 insgesamt 835.275 DNA-Identifizierungsmuster. Erfasst waren bis dahin 66.8721 Personen und 166.554 nicht zugeordnete Spuren. Dieser Bestand steigt ständig an, was allerdings auch zwangsläufig das Risiko eines zufälligen Datenbank-Treffers erhöht (Schneider/Schneider/Fimmers/Brinkmann, NStZ 2010, 433 (434)). Eine größere Anzahl an gespeicherten Merkmalen ist auch in größerem Maße geeignet, Zufallsverfahren entgegenzuwirken.

b) Darüber hinaus kann der momentan gespeicherten Datensatz nicht im europäischen Ausland verwendet werden. Gemäß Abs. 8 der Erwägungen im Rahmenbeschluss 2009/905/JI des Rates der Europäischen Union vom 30. November 2009, treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um die Integrität der den anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten oder zum Abgleich übermittelten DNA-Profile zu garantieren. Hierzu ist mindestens eine Speicherung der Daten nach derzeit gültigem EU-Standard notwendig, welcher in Artikel 7 Absatz 4 des Beschlusses 2008/616/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere der grenzüberschreitenden Kriminalität angegeben ist. Nach § 1 PrümVtrAG (BGBl. 2009 I, S. 2507) ist dieser Ratsbeschluss unmittelbar in Deutschland anwendbar.“