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„Vier-Augen-Prinzip“ bei der Lasermessung – wer hat Recht?

© Sven Grundmann – Fotolia.com

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Das „Vier-Augen-Prinzip“ bei der Lasermessung mit Riegl FG 21-P spielt in der Rechtsprechung der Obergerichte immer wieder mal eine Rolle. So vor kurzem auch im OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.01.2015 – 4 Ss 810/14. Das OLG meint/sagt: Ein „Vier-Augen-Prinzip“, nach dem eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P nur zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden kann, wenn der vom Messgerät angezeigte Messwert und die Überschreitung dieses Wertes in das Messprotokoll von einem zweiten Polizeibeamten kontrolliert worden sind, existiert nicht. Eine Verwaltungsvorschrift mit diesem Inhalt begründet auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren weder eine Beweisregel, die den Grundsatz der freien Beweiswürdigung einschränkt, noch folgt aus einem Verstoß gegen sie ein Beweisverwertungsverbot oder gar ein Verfahrenshindernis.

Mit der Entscheidung liegt das OLG auf der Linie entspricht der Rechtsprechung anderer OLG (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.07.2012 – III 3 RBs 66/12 – und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.09.2012 – IV 2 RBs 129/12 und dazu Auch beim OLG Düsseldorf gibt es kein “Vier-Augen-Prinzip”). A.A ist vor einiger das AG Sigmaringen gewesen (s. AG Sigmaringen, Urt. v. 12.02.2013, 5 OWi 15 Js 7112/12 und dazu: Und es gibt doch ein Vier-Augen-Prinzip bei der Lasermessung – zumindest in Baden-Württemberg), das auf die Dienstanweisung des Innenministeriums Baden-Württemberg für Geschwindigkeitsmessungen mit Laser-Geschwindigkeitshandmessgeräten verwiesen hatte. Das OLG Stuutgart hält dem entgegen, dass eine Dienstanweisung eines Innenministeriums eines Bundeslandes eben nicht das Recht der Beweis- und Überzeugungsgewinnung im bundeseinheitlichen und gesetzlich geregelten Ordnungswidrigkeitenverfahren, das – wie der Strafprozess – vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung geprägt ist, gestalten oder beeinflussen könne. Im Übrigen seien in der „Dienstanweisung für Laser-Geschwindigkeitshandmessgeräte“ in der aktuell gültigen Fassung vom 28.06.2013 keine Ausführungen zum „Vier-Augen-Prinzip“ mehr enthalten. Deren Wegfall sei gerade eine der wesentlichen Änderungen der Neufassung gewesen.

Tja, muss man mal prüfen, wer da Recht hat 🙂 .

Auch beim OLG Düsseldorf gibt es kein „Vier-Augen-Prinzip“

entnommen wikimedia.org Original uploader was VisualBeo at de.wikipedia

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Vor einiger Zeit hatte ich über den OLG Hamm, Beschl. v. 19.07.2012 – III 3 RBs 66/12 – berichtet, der ein „Vier-Augen-Prinzip“ bei der Lasermessung für nicht erforderlich ansieht (vgl. hier das Posting). Dem hat sich jetzt das OLG Düsseldorf im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.09.2012 – IV 2 RBs 129/12 – angeschlossen. Der Leitsatz:

„Ein „Vier-Augen-Prinzip“, nach dem eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P nur zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden kann, wenn der vom Gerät angezeigte Messwert und die Übertragung dieses Messwertes in das Messprotokoll von einem zweiten Polizeibeamten kontrolliert worden sind, existiert nicht.“

Die Begründung entspricht der des OLG Hamm: Freie Beweiswürdigung. Das AG Sigmaringen, das die Frage anders gesehen hat, betreibt nach Auffassung des OLG Düsseldorf “ freier Rechtsschöpfung“.

Nach der zweiten OLG-Entscheidung zu der Problematik dürfte es noch schwerer werden, mit der Frage für den Mandanten zu punkten.

Auf einen verfahrensrechtlichen Aspekt des Beschlusses komme ich gleich noch einmal gesondert.

Lasermessung: Es gibt kein „Vier-Augen-Prinzip“ (?)

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Der Betroffene ist vom AG wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Grundlage einer Lasermessung verurteilt worden. Er macht mit seiner Rechtsbeschwerde/seinem Zulassungsantrag geltend, die Verwertbarkeit einer Lasermessung verlange grundsätzlich die Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“.  Das OLG lässt die Rechtsbeschwerde nicht zu und führt im OLG Hamm, Beschl. v. 19.07.2012 –  III 3 RBs 66/12 – aus:

…ist diese Frage obergerichtlich geklärt und rechtfertigt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Insoweit wird verwiesen auf die Ausführungen des Senats in einer insoweit gleichgelagerten Bußgeldsache im Beschluss vom 21. Juni 2012, Az.: 111-3 RBs 35/12. Soweit hier von Relevanz, hat der Senat im vorgenannten Beschluss folgendes ausgeführt:

„Ein derartiges „Vier-Augen-Prinzip“ gibt es nicht. Existiert — wie bei dem in der vorliegenden Sache eingesetzten Lasermessgerät — RiegIFG 21-P keine von dem technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses, sind die Fragen nach dem vom Gerät angezeigten Messwert und nach der Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug unter Heranziehung der hierfür im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Beweismittel (z. B. Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten, Messprotokoll) nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO) zu klären (vgl. Senat, VRS 92, 275; OLG Köln, Beschluss vom 05. Januar 2012 — Az.: III-1 RBs 365/11 [zitiert nach www.burhoff.de]; vgl. allgemein auch BGHSt 23, 213). Ihre Grenze findet die freie Beweiswürdigung nur in der Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung und in den Beweisverboten des Verfahrensrechts (vgl. BGH, a.a.O.).

a) Eine verfahrensrechtliche Vorschrift (Beweisverbot), die die Verwertung eines allein von einem Polizeibeamten — ohne Kontrolle durch einen weiteren Beamten — vom Anzeigenfeld des Messgerätes abgelesenen und in das Messprotokoll eingetragenen Messwertes untersagt, existiert nicht. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat daraufhin, dass nicht einmal die in Nordrhein-Westfalen polizeiintern geltende Verwaltungsvorschrift „Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen“ (Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Oktober 2009 [MBI. NRW 2009, 502]) entsprechende Vorgaben enthält.

b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht existiert keine Regelung, die ein „Vier-Augen-Prinzip“ in dem von der Verteidigung geforderten Sinne beinhaltet. Eine entsprechende materiell-rechtliche Regelung käme einer Vorgabe gleich, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter eine Tatsache (hier die Höhe des von dem Messgerät angezeigten Messwertes) für bewiesen halten darf, und enthielte damit eine Beweisregel. Dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind Beweisregeln indessen fremd (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. [2011], § 261 Rdnr. 11 m. w. N.). Die Frage, welchen Messwert das Messgerät angezeigt hat, betrifft vielmehr allein die tatrichterliche Beweiswürdigung im Einzelfall (vgl. OLG Köln, a.a.O.). ….“

Das „Vier-Augen-Prinzio“ hilft also nicht weiter. Es müssen also andere Angriffspunkte gegen die Verwertbarkeit der Messung gesucht und vorgetragen werden.

OLG Düsseldorf dann noch mal zur Videomessung… Verteidiger geht „an der Problematik vorbei“

Es war ja zu erwarten, dass die OLGs nach der Entscheidung des BVerfG zur Videomessung v. 11.08.2009 die Messverfahren würden abarbeiten und jeweils zur Frage der Verwertbarkeit würden Stellung nehmen müssen. Das hat jetzt das OLG Düsseldorf im Beschl. v. 06.05.2010 – IV-3 RBs 36/10 für das Lasermessgerät Riegl FG-21P getan und ausgeführt:

Soweit sich der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (vgl. BVerfG NJW 2009, 3293 f) auf ein Beweisverwertungsverbot berufen hat, geht seine Argumentation angesichts der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen an der Problematik vorbei.

Das angefochtene Urteil enthält weder die Feststellung, dass eine Videoaufzeichnung vom Betroffenen angefertigt wurde, noch dass alle Fahrzeuge, die im Messzeitraum die Bergische Allee befuhren, kontinuierlich aufgenommen und die entsprechenden Aufnahmen durch Speicherung festgehalten wurden. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein Beweiserhebungsverbot indessen nur dann in Betracht, wenn eine verdachtsunabhängige Aufzeichnung erfolgt (vgl. Senat, Beschluss vom 9.2.2010 [III-3 RBs 8/10]).

Darüberhinaus ist dem Senat aus eigener Anschauung bei einer Demonstration dieses standardisierten Messverfahrens bekannt, dass mit dem vorliegend verwendeten Gerät Riegl FG-21P keine dauerhafte Bildspeicherung durchgeführt wird. Vielmehr wird aufgrund eines konkreten Verdachts nach Anvisierung eines Fahrzeugs durch Auslösen einer Taste eine kurzzeitige Speicherung der ermittelten Geschwindigkeit und der konkreten Zeit ohne Bildaufzeichnung des gemessenen Fahrzeugs vorgenommen. Diese Daten werden bei einem weiteren Betätigen der Auslösetaste gelöscht. Insofern ist bei Verwendung dieses Geräts eine Verwertung der ermittelten Daten uneingeschränkt zulässig.“

Na ja: „… an der Problematik vorbei…“ ist eine „unschöne Formulierung.