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Wenn der Linienbusfahrer nach einem vermeintlichen Unfall nicht wartet, oder: Abmahnung

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Urheber Busbahnhof

Es ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“. In dem Kessel dreht sich heute zunächst mal etwas „Arbeitsrechtliches“. Nicht unbedigt meine Baustelle, aber das LAG Köln, Urt. v. 17.08.2017 – 7 Sa 176/17 –  hat einen gewissen Bezug zum Strafrecht, nämlich zu § 142 StGB (?).

Es geht um den Arbeitsrechtsstreit, den ein Linienbusfahrer mit seiner Arbeitgeberin hat. Die hat den Busfahrer abgemahnt, und zwar wegen folgenden Vorfalls: Der Busfahrer wurde bei einer Fahrt von einem Verkehrsteilnehmer an einer Haltestelle darauf hingewiesen, dass er den beim Vorbeifahren mit dem Bus seinen Pkw berührt und beschädigt habe. Der andere Kfz-Führer wollte die Polizei rufen. Der Busfahrer gin aber davon aus, dass kein Unfall passiert war, und ist weiter gefahren. Die Polizei stellte später weißen Lackabrieb am Pkw fest. Die Beklagte und der Kläger werden wegen dieses Vorfalls derzeit auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die beklagte Arbeitgeberin des Linienbusfahrers hat gegen den wegen des Vorfalls eine Abmahnung ausgesprochen. Das ArbG Köln hat die bestätigt, ebenso das LAG:

„1. Die Abmahnung der Beklagten vom 21.03.2016 ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Abmahnung rügt eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, die der Kläger tatsächlich begangen hat, wie schon nach dem unstreitigen Sachverhalt feststeht.

a) Der Kernsatz der Abmahnung lautet: „Auch wenn Sie keinen Schaden an den Fahrzeugen haben feststellen können, wären sie verpflichtet gewesen, das Eintreffen der Polizei abzuwarten.“ Mit diesem Satz erläutert die Beklagte zugleich auch, was sie in dem Satz davor mit dem Ausdruck „das unerlaubte Entfernen vom „Unfallort““ gemeint hat. Es geht bei dem von der Beklagten in der Abmahnung sog. „unerlaubten Entfernen vom „Unfallort““ erkennbar gerade nicht darum, dass der Kläger den Straftatbestand der Verkehrsunfallflucht nach § 142 StGB verwirklicht haben soll. Dies zeigt sich zum einen schon daran, dass die Beklagte das Wort „Unfallort“ bewusst in Anführungszeichen gesetzt hat. Vollends wird dies aber durch den oben zitierten Folgesatz in dem Abmahnungsschreiben deutlich.

b) Während der Straftatbestand des § 142 StGB voraussetzt, dass das Tatbestandsmerkmal Unfall tatsächlich verwirklicht worden ist, geht es im vorliegenden Fall abweichend davon gerade um die Frage, wie der Busfahrer als Arbeitnehmer sich korrekt zu verhalten hat, wenn eine andere Person einen Unfall unter Beteiligung des Arbeitnehmers behauptet und ankündigt, deswegen die Polizei zu holen.

c) Der Kläger hat arbeitsvertragliche Nebenpflichten verletzt, indem er in der Situation, die am 15.02.2016 entstanden war, seine Fahrt fortgesetzt hat, ohne das Eintreffen der vom angeblichen „Unfallgegner“, dem Zeugen G herbeigerufenen Polizei abzuwarten.

aa) Die Tätigkeit des Klägers als Busfahrer spielt sich unter den Augen der Öffentlichkeit ab. Wie sich der Kläger im öffentlichen Straßenverkehr als Busfahrer verhält, fällt in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nicht in erster Linie auf ihn persönlich als Einzelperson zurück, sondern auf die Beklagte, die den Bus betreibt. Zudem ist dem Kläger mit dem Bus ein wertvolles Wirtschaftsgut anvertraut, dass im öffentlichen Verkehr vielfältigen Gefahren ausgesetzt ist, die negative wirtschaftliche Folgen für die Beklagte nach sich ziehen können.

bb) Beide Aspekte hat der Kläger durch sein Verhalten am 15.02.2016, welches Gegenstand der Abmahnung war, verletzt.

aaa. Wer von einem anderen Verkehrsteilnehmer beschuldigt wird, einen Unfall verursacht zu haben, und sich dann der objektiven Klärung des Sachverhalts durch die Polizei entzieht, hinterlässt beim Publikum einen negativen Eindruck und erweckt den Verdacht, möglicherweise etwas zu verbergen zu haben. Dies gilt schon für Privatpersonen, erst recht aber für ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs wie die Beklagte, die hier durch den Kläger repräsentiert wurde.

bbb. Zum anderen nimmt sich derjenige, der seine Fahrt vor Eintreffen der Polizei fortsetzt, selbst die Möglichkeit, seine Sicht der Ereignisse der Polizei gegenüber nachhaltig darzustellen und zur Aufklärung beizutragen, und überlässt die Deutungshoheit der Geschehnisse derjenigen Person, die ihn nach eigener Überzeugung zu Unrecht als Unfallverursacher beschuldigt. Gerade wenn der Kläger subjektiv davon überzeugt war, dass es gar keinen Unfall gegeben hatte, handelte er in schwer nachvollziehbarer Weise gegen seine eigenen Interessen, indem er sich selbst der Möglichkeit beraubte, der Polizei unmittelbar vor Ort den wahren Ablauf des Geschehens nahezubringen. Die eigenen Interessen des Klägers als Fahrer waren im vorliegenden Fall aber mit denjenigen der Beklagten identisch, wie dem Kläger ohne weiteres bewusst sein musste. Bezeichnenderweise versucht der Zeuge G nunmehr im Wege der Zivilgerichtsklage sowohl den Kläger selbst wie auch die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

2. Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass er die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, in einer Situation, wie sie am 15.02.2016 vorgelegen hat, vor Ort die polizeilichen Feststellungen abzuwarten, nicht gekannt habe.

a) Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass die Formulierung von Ziffer 2.8 der Unfallrichtlinie der Beklagten nicht exakt den vorliegenden Fall betrifft, weil dort nach dem reinen Wortlaut das Vorliegen eines Unfalls bereits vorausgesetzt wird.

b) Wenn Ziffer 2.8 der Unfallrichtlinie dann aber auch den nur möglichweise an einem Unfall Beteiligten in die Pflicht nimmt, wie unmissverständlich aus Ziffer 2.8, S. 2 der Unfallrichtlinie hervorgeht, hätte schon dies dem Kläger den Schluss nahelegen müssen, dass entsprechendes auch dann zu gelten hat, wenn das Vorliegen eines Unfalls selbst streitig ist.

c) Vor allem aber hätte der Kläger den Schluss auf seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten auch ohne die Unfallrichtlinie der Beklagten bereits aus einer Parallelwertung in der Laiensphäre ziehen müssen. Der Kläger hätte sich dafür nur vor Augen halten müssen, wie er sich zu verhalten hätte, wenn er als privater Verkehrsteilnehmer mit seinem eigenen Fahrzeug in eine vergleichbare Situation geraten würde. Es hätte ihm dann unmittelbar einleuchten müssen, dass es in einem solchen Fall in seinem eigenen Interesse dringend geboten sein würde, auf die herbeigerufene Polizei zu warten und dieser gegenüber in eigener Person zur Aufklärung beizutragen und die polizeiliche Sachverhaltsfeststellung zu unterstützen.

d) Gegebenenfalls hätte der Kläger auch den Versuch unternehmen können, unter genauer Schilderung der gegebenen Situation eine fernmündliche Weisung der Beklagten einzuholen.

e) Schließlich hilft auch der Einwand dem Kläger hier nicht weiter, das Zuwarten eines Busfahrers bei völlig ungerechtfertigten Tatvorwürfen könne umgekehrt auch einen Verstoß gegen die Richtlinie der Beklagten zur pünktlichen Durchführung der vorgegebenen Touren darstellen. Dieser Einwand betrifft nicht die Sachverhaltskonstellation des vorliegenden Falls. Zwar ist bisher nicht abschließend geklärt, ob es zu einer Berührung des vom Kläger geführten Busses mit dem Fahrzeug des Zeugen G gekommen ist und ob dessen Vorwürfe gegenüber dem Kläger berechtigt bzw. nachweisbar sind. Unstreitig war aber zwischen dem Fahrzeug des Zeugen G und dem Bus des Klägers eine problematische, konfliktträchtige Verkehrssituation gegeben, dadurch, dass das Fahrzeug des Zeugen G den Kläger dabei behinderte, mit seinem Bus die nächstgelegene Haltestelle anzufahren. Dies hatte bereits vor dem Versuch des Klägers, an dem Fahrzeug des Zeugen G vorbei die Haltestelle anzufahren, zu einem Disput zwischen den beiden Fahrern geführt. Zu erwähnen bleibt auch, dass die herbeigerufene Polizei eine möglicherweise einschlägige Beschädigung an dem Fahrzeug des Zeugen G festgestellt hat. Es kann also keine Rede davon sein, dass in der gegebenen Situation unter keinem objektiv denkbaren Gesichtspunkt Klärungsbedarf veranlasst war.“

Ist der Rosenmontag frei? Worüber man alles streiten kann….

© BeTa-Artworks - Fotolia.com

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Zu einer arbeitsrechtlichen Entscheidung habe ich – glaube ich – hier noch nie gebloggt. Daher muss ich mit dem, was ich schreibe ganz vorsichtig sein, denn Arbeitsrecht „kann ich gar nicht“. Der LAG Köln, Beschl. v. 25.04.2013 – 7 TaBV 77/12 – schon etwas älter, aber er ist vor einigen Tagen durch die Presse gegeistert, eben alle Jahr wieder 🙂 – passt aber gut zum heutigen hohen Feiertag (zumindest im Rheinland). Er behandelt nämlich die Frage, ob der Rosenmontag frei ist und ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat oder nicht. Hat er nicht, sagt das LAG Köln:

„Die Frage, ob der Arbeitgeber den Rosenmontag generell als normalen Arbeitstag oder als zusätzlichen bezahlten „Feiertag“ behandelt, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr.2 und/oder Nr.3 BetrVG.“

Und bevor ich Fehler mache, soll es damit gut sein. Natürlich nicht ohne ein „Alaaf“ oder „Helau“ an alle die, die heute Feiern.