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Das Fahren mit Dublettenkennzeichen, oder: Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung?

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In die zweite Arbeitswoche 2018 – die erste vollständige – starte ich mit dem BGH, Beschl. v. 23.08.2017 – 1 StR 173/17. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen mehrerer Straftaten u.a. in Zusammenhang mit Pkw-Fahrten mit „nicht zugelassenen“ Kfz-Schildern, und u.a. auch zwar Steuerhinterziehung,  und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts: Der Angeklagte hatte im April 2016 sog. „Dublettenkennzeichen“ herstellen lassen, die er sodann an seinem Fahrzeug angebracht hatte, um den Anschein amtlicher Zulassung zu erwecken. Anschließend fuhr er mit dem Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl das Fahrzeug auch weder zugelassen, versichert oder „versteuert“ war.

Das reichte für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung für den Tatzeitraum nicht aus:

„c) Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ist zu Unrecht erfolgt. Das festgestellte Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, da der Angeklagte gegen keine steuerliche Erklärungspflicht verstoßen hat.

aa) Das Landgericht beschränkt sich auf die Darstellung des Fahrens mit einem unversteuerten Fahrzeug und der rechtlichen Würdigung, dies erfülle den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Damit geht es ersichtlich – wenn auch weder in den Urteilsgründen noch in der Liste der angewendeten Vorschriften angegeben – von der Hinterziehung von Kraftfahrzeugsteuer aus. Gegen welche gegenüber den Finanzbehörden bestehende Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen der Angeklagte verstoßen haben soll, ist ebenfalls nicht dargelegt. Dies im Zusammenhang mit dem Abstellen allein auf die Nutzung des Fahrzeugs erweckt den Eindruck, das Landgericht könnte die bloße Nichtzahlung geschuldeter Steuern als tatbestandlich ange-sehen haben. Eine Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht indes nur derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann danach nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (BGH, Beschluss vom 10. August 2017 – 1 StR 573/16; Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227, 231 mwN).

bb) Eine solche Erklärungspflicht bestand für den Angeklagten im Tat-zeitraum nicht. Auf die Frage, ob der Verstoß gegen eine solche Pflicht überhaupt von der Anklage als Teil der einheitlichen prozessualen Tat erfasst wor-den wäre, kam es daher nicht mehr an.

Da der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung gefahren ist, liegt zwar eine widerrechtliche und damit steuerbare Benutzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 KraftStG vor. Gemäß § 7 Nr. 3 KraftStG ist der Ange-klagte als derjenige, der mit dem Fahrzeug gefahren ist, auch der Steuer-schuldner der mit Beginn der Steuerpflicht entstehenden Kraftfahrzeugsteuer, § 6 KraftStG.

Während die Kraftfahrzeugsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KraftStG für inländische Fahrzeuge eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Gegenstand hat und die Erklärungspflicht an diese Erlaubnis anknüpft (§ 3 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung [KraftStDV] in der bis zum 19. Juli 2017 gültigen Fassung), gilt das für den Ersatztatbestand der widerrechtlichen Benutzung nicht (vgl. BFH, Urteil vom 27. Juni 1973 – II R 179/71, BFHE 110, 213). Eine an den Realakt der Benutzung als die Steuerpflicht auslösendes Moment anknüpfende Erklärungspflicht lässt sich weder dem Gesetz noch der zum Tat-zeitpunkt gültigen Fassung der KraftStDV entnehmen. Die an der Einfuhr orientierte Steuererklärungspflicht nach § 11 KraftStDV a.F. betrifft nur ausländische Fahrzeuge, mithin den Steuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG, findet aber – auch über die sich nur auf die Festsetzung und Erhebung unter den Vo-raussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 beziehende Verweisung des § 16 Abs. 1 Satz 2 der KraftStDV – keine Anwendung für die widerrechtliche Benutzung. Insoweit bestand zum Tatzeitpunkt eine Steuer-, aber keine Erklärungspflicht (Bruschke, Grüne Reihe: Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrssteuern, 7. Aufl., 3.5.5.1, S. 315; Mayer in Heinz/Kopp/Mayer, Ver-kehrssteuern, 4. Aufl., S. 317; Mößlang, NWB Nr. 51 vom 15. Dezember 1986, Fach 8b, S. 290; Spatscheck/Fraedrich, Steueranwaltsmagazin 2007, 162, 166; Weyand, NZV 1988, 209, 211; a.A. Hellmann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung, § 370 AO Rn. 310, freilich ohne Begründung).

Eine solche Erklärungspflicht ist erst mit Wirkung zum 20. Juli 2017 – mithin nach den Taten – durch § 15 Abs. 1 KraftStDV statuiert worden, wonach bei widerrechtlicher Benutzung unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben ist. Ob dies im Hinblick auf den Verordnungscharakter eine Pflicht im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen kann, war hier nicht zu entscheiden.

cc) Mangels Erklärungspflicht hat der Angeklagte nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht und sich nach dieser Vorschrift nicht strafbar gemacht.

An einer solchen Entscheidung der Rechtsfrage ist der Senat auch nicht durch die Entscheidungen des 4. Strafsenats vom 13. November 1959 – 4 StR 301/59; vom 1. August 1962 – 4 StR 209/62, BGHSt 17, 399; des 5. Straf-senats vom 22. Dezember 1959 – 5 StR 570/59; des 1. Strafsenats vom 6. Dezember 1960 – 1 StR 520/60 und vom 4. Februar 1968 – 1 StR 276/68 gehindert. Diese ergingen sämtlich noch zu §§ 396, 402, 404 Reichsabgabenordnung, wonach allein das Bewirken einer Steuerverkürzung schon tatbestandsmäßig war. Zudem musste der 1. Strafsenat bei den anderen Senaten schon deshalb nicht anfragen, weil er innerhalb des Bundesgerichtshofs für Steuerstrafsachen allein zuständig ist (vgl. § 132 Abs. 3 Satz 2 GVG).“

Hätten Sie es gewusst: (Keine) Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung in einem besonderen Fall?

© Margo Harrison - Fotolia.com

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Außergewöhnliche/besondere Fälle/Sachverhalte sind für ein Posting hier, immer geeignet, so dass ich gerne auf den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.01.2014 – III-3 RVs 4/14 – hinweise. Auszugehen ist von folgendem Sachverhalt, den man sich ein wenig aus der Beschluss herausfiltern muss: Der Angeklagte war Halter eines Motorrades, das ab 2007 von seiner Schwester gefahren wurde. Nachdem die Zulassungsbehörde durch eine Anzeige des Versicherers Kenntnis erlangt hatte, dass für das zunächst auf den Angeklagten zugelassene Motorrad keine dem PflVG entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht, setzte sie am 6. 5. 2008 von Amts wegen das Fahrzeug außer Betrieb. Das Kennzeichen des Motorrades wurde erst am 20. 11. 2012 entstempelt, die Eintragung der Abmeldung im Fahrzeugschein sogar noch später vorgenommen.

Der Angeklagte ist wegen Kraftfahrsteuerhinterziehung in Tateinheit mit Verstoß gegen das PflVG verurteilt worden. Das OLG hebt auf:

„1. Soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt worden ist, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen. Denn der Angeklagte hat die Finanzbehörden nicht pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt. Dass der Angeklagte seiner Pflicht zur Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer vor dem Jahre 2007 nicht nachgekommen ist, hat das Landgericht nicht festgestellt. Gegenüber den Finanzbehörden war er nicht zur Angabe verpflichtet gewesen, dass er keine Versicherung mehr für das Motorrad unterhalte. Denn dies ist kein steuerlich relevanter Sachverhalt. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen der Kraftfahrsteuer. Steuerschuldner ist die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, § 7 Nr. 1 KraftStG. Grundsätzlich dauert die Steuerpflicht bei einem Fahrzeug, solange dieses zum Verkehr zugelassen ist, § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG. Das Fahrzeug war zunächst auf den Angeklagten zugelassen. Nachdem die Zulassungsbehörde durch eine Anzeige des Versicherers Kenntnis erlangt hatte, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht, setzte sie am 6. Mai 2008 von Amts wegen das Fahrzeug außer Betrieb. Damit endete die Zulassung des Fahrzeuges. Das Kennzeichen des Motorrades wurde aber erst am 20. November 2012 entstempelt, die Eintragung der Abmeldung im Fahrzeugschein sogar noch später vorgenommen. Wie sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 KraftStG ergibt, endet die Steuerpflicht desjenigen, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, erst mit der Eintragung der Außerbetriebsetzung in den Fahrzeugschein und der Entstempelung des Kennzeichens. Dass der Angeklagte den Finanzbehörden keine Mitteilung über die Abmeldung des Fahrzeuges hat zukommen lassen, führte damit nicht zu einer Steuerverkürzung, vielmehr bestand die Steuerpflicht fort.“

Hätten Sie es gewusst? Ich nicht bzw. ich hätte erst nachschauen müssen.