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Was die GroKo vor hat – die Praxis darf gespannt sein.

entnommen: open clipart.org

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Der Kollege Arnoldi, VorRiKG, hat für den StRR einen Beitrag vorbereitet, der sich mit einem Rückblick auf die 17. und einem Ausblick auf die 18. Legislaturperiode befasst. In ihm ist also u.a. zusammengestellt, was die „GroKo“ im Straf- und Strafverfahrensrecht im Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ (hier der Link,  ist zwar die CDU-Seite, darin steckt aber keine Aussage :-)) alles vereinbart hat und auf was wir uns ab 2014 einrichten müssen. Dazu gehört:

Materielles Recht

  • Besserer Schutz von Opfern rassistischer, fremdenfeindlicher oder sonstiger menschenverachtender Straftaten,
  • der Dauerbrenner: strafrechtliches Fahrverbot (§ 44 StGB) ) als Hauptstrafe,e
  • Änderungen bei der strafrechtlicheb Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,(
  • die Möglichkeit der nachträglichen Therapieunterbringung durch Änderung des ThUG geschaffen werden.
  • Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die längerfristige Observation von entlassenen Sicherungsverwahrten.
  • Vereinfachung des Rechts der Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB),
  • Überarbeitung der Vorschriften zur Kinderpornographie,
  • Verbesserung des Schutzes von Stalking-Opfern,
  • Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen soll unter Strafe gestellt werden,
  • Schließung von Schutzlücken im StGB betreffend „Cyberkriminalität“.

Verfahrensrecht

  • Zur Bestimmung der BAK soll zukünftig auf körperliche Eingriffe (§ 81a StPO) zugunsten moderner Messmethoden verzichtet werden.
  • Evaluierung (!!) der Regelungen zur Verständigung,
  • Erweiterte Saalöffentlichkeit – das NSU-Verfahren lässt grüßen -,geprüft werden (also Übertragung der Verhandlung in einen anderen Saal).
  • bei Massengentests sollen „Beinahetreffer“ verwertet werden dürfen,
  • Änderungen/Verbesserungen (?) beim Antiterrordateigesetz,
  • Änderungen/Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung,
  • Änderungen bei der Vorratsdatenspeicherung, wenn sich das nach dem Antrag des Generalanwalts beim EuGH noch lohnt.

Der Kollege Arnoldi schließt mit: „Jenseits dieser Einzelprojekte ist beabsichtigt, das allgemeine Strafverfahren und das Jugendstrafverfahren „effektiver und praxistauglicher“ zu gestalten. Bis zur Mitte der Wahlperiode soll eine Expertenkommission Vorschläge erarbeiten. Die Praxis darf gespannt sein.“ Letzterem schließe ich mich an.

Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens – teilweise zu leicht befunden, oder?

Der Rechtsausschuss des Bundesrates befasst sich heute mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens“, indem unter anderem eine Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei der Polizei vorgesehen ist (BR-Drucksache 120/10). Wir hatten über dieses Vorhaben der Schwarz-gelben Koalition schon in Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag berichtet. Hierbei handelt es sich um eine Forderung, die schon mehrfach aus dem Bundesrat erhoben wurde. So entspricht der vorliegende Entwurf wörtlich den Gesetzesanträgen des Bundesrates in der Bundestagsdrucksache 14/6079 vom 16.05.2001 und in der Bundestagsdrucksache 16/3659 vom 30.11.2006 – und dies sogar einschließlich der Begründung.

Man fragt sich: Wieso wird das Strafverfahren eigentlich effektiver, wenn Zeugen bei der Polizei erscheinen und aussagen müssen? Und: Wie will man eigentlich die schwierigen Fragen der Zeugnis- und Aussage- bzw. Auskunftsverweigerung regeln. Wenn man sich die Rechtsprechung anschaut, haben ja schon ausgewachsene Kammer Schwierigkeiten, die Fragen des § 55 StPO richtig zu beantworten. Und das macht dann demnächst der vernehmende Polizeibeamte? Und wenn der Zeuge sich mit dem nicht einigen kann, geht es dann gleich in die Beugehaft?

Fazit: Abzulehnen. So übrigens auch der DAV; vgl. auch hier.

Biene Maja/Schwarz/Gelb: Was ist denn nun an dem Vorhaben liberal? Aussagepflicht vor der Polizei?

Liest man den Koalitionsvertrag – Überschrift „Wachstum.Bildung.Zusammenhalt – dann ist man, wenn sich dem Bereich der Rechtspolitik nähert, schon erstaunt. Da hat man doch zwischen Änderungen im Wiederaufnahmerecht (zu Lasten des Angeklagten/Verurteilten) und Änderungen im Transsexuellenrecht eine m.E. weit reichende Änderung „versteckt“. Lapidar heißt es dort: „Wir werden eine gesetzliche Verpflichtung schaffen, wonach Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht nur vor dem Richter und dem Staatsanwalt, sondern auch vor der Polizei erscheinen und – unbeschadet gesetzlicher Zeugenrechte – zur Sache aussagen müssen.“ Da kann man Frau Leutheuser-Schnarrenberger ja gleich mal fragen, was das soll und wie man das regeln will? Mit einer vorherigen Ladung oder sollen die Zeugen auch ohne Ladung – „vor Ort/auf Zuruf“ zur Aussage verpflichtet sein. Und was ist, wenn sich der Zeuge weigert. Kann die Polizei dann Zwangsmittel festsetzen? Oder soll das so laufen wie bei der Beiordnung des Vernehmungsbeistandes, dass darüber dann die StA oder der Ermittlungsrichter entscheidet? Können die Polizeibeamten überhaupt die Frage eines Zeugnisverweigerungsrechts oder – noch besser – eines Auskunftsverweigerungsrechts abschätzen/beurteilen. Es werden sicherlich wunderbare Vernehmungen bei der Polizei werden, wenn man das wirklich umsetzt.

Das Ganze ist allerdings übrigens nicht so ganz neu. Denn ein entsprechender Vorschlag war schon im Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens“ (BR-Drucks. 660/06) als Ergänzung zu § 163a Abs. 6 StPO-E enthalten; übrigens ein wunderbarer Name für ein Gesetz, das ua. Rechte abbaut. Gegen dieses Gesetz hat sich das BMJ allerdings als nicht genügend „rechtsstaatlich“ ausgesprochen (vgl. BT-Drucks. 16/3659).

Jetzt sind wir aber „liberal“ .

zu allem auch: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/10/25/von-der-polizeiwache-in-die-ordnungshaft/