Schlagwort-Archive: Klageerzwingungsverfahren

BVerfG II: Erfolglose VB im Klageerzwingungsverfahren, oder: Hat sich das OLG mit der Sache befasst?

Mit der zweiten Entscheidung des BVerfG, die ich vorstelle, wird ein Klageerzwingungsverfahren abgeschlossen, das beim OLG Oldenburg anhängig war. Das OLG hatte den Klageerzwingungsantrag mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 24.02.2022 – 1 Ws 360/21 – zurückgewiesen. Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die das BVerfG mit dem BVerfG, Beschl. v. 20.12.2023 – 2 BvR 559/22 – nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Das BVerfG führt aus:

StPO III: Mal wieder zum Klageerzwingungsverfahren, oder: Notanwalt und erneuter Antrag

© Coloures-pic – Fotolia.com

Und zum Tagesschluss dann mal wieder ezwas zum Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO).

Das OLG Frankfurt am Main hat im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.10.2023 – 7 Ws 148/23 – zu zwei Fragen dazu Stellung genommen, und zwar zur Beiordnung eines Notanwalts und zum wiederholter Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 172 ff. StPO. Das OLG hat den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts zurückgewiesen:

„Die Beiordnung eines sogenannten Notanwalts ist im Klageerzwingungsverfahren grundsätzlich unzulässig (ständige Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, vgl. z.B. Beschluss vom 15. Februar 2023 – 7 Ws 23/23 = BeckRS 2023, 5527). Ein Antragsteller, der die Kosten für einen Rechtsanwalt nicht aufbringen kann, erhält Prozesskostenhilfe, wenn der Klagerzwingungsantrag hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 172 Abs. 2 S. 2 StPO, § 114 ZPO). Für die denkbaren, wenn auch seltenen Fälle, in denen das Klageerzwingungsverfahren aussichtsreich erscheint und sich gleichwohl ein vertretungsbereiter Anwalt nicht finden lässt, kann die Beiordnung eines Notanwalts in entsprechender Anwendung von § 78b ZPO in Betracht kommen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, welche erfolglosen Bemühungen er entfaltet hat, um die Übernahme des Mandats durch einen Rechtsanwalt zu erreichen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. Februar 2023 – 7 Ws 288/22 und Beschluss vom 15. Februar 2023 – 7 Ws 23/23, a.a.O.). Außerdem muss sich aus seinem Vortrag ohne Beiziehung der Akten ergeben, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 3 Ws 1036/18; OLG Bamberg, Beschluss vom 7. Mai 2007 – 3 Ws 113/06 = NJW 2007, 2274). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

1. In Bezug auf die von dem Antragsteller angestellten Bemühungen, einen zur Vertretung bereite Rechtsanwältin oder einen solchen Rechtsanwalt zu finden, fehlt es bereits an einer aus sich heraus nachvollziehbaren Darlegung in der Antragsschrift, bei welchen Rechtsanwälten und in welcher Art und Weise er Nachfrage gehalten hat. Insbesondere genügt es nicht, lediglich auf die dem Antrag beigefügte E-Mail-Korrespondenz zu verweisen und erst recht ist es nicht ausreichend, diese E-Mail-Korrespondenz beschränkt auf die Antwortschreiben der Rechtsanwälte beizufügen, bleibt auf diese Weise doch im Dunklen, ob sich die Anfrage des Antragstellers überhaupt auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt bezogen hat. Hinzu kommt vorliegend, dass der Antragsteller in der Antragsschrift sogar dargelegt hat, „weitere Strafrechtler“ gefunden zu haben, die sich mit der Übernahme der Angelegenheit bereit erklärt hätten. Insofern hätte der Antragsteller darlegen müssen, dass diese dem Grunde nach zu einer Mandatsübernahme bereiten Rechtsanwälte – sofern er finanziell nicht zur Zahlung des Honorars in der Lage ist – ein Tätigwerden auf der Basis der gesetzlichen Gebühren ausgeschlossen haben. Der pauschale Verweis in der Antragsschrift, dass sich ein Rechtsanwalt, „der die Sache zu den gesetzlichen Gebühren vertreten wollte, […] auch im Rahmen einer fortgesetzten Suche gar nicht gefunden [hat]“, genügt dem Darlegungserfordernis nicht.

2. Darüber hinaus verspricht der von dem Antragsteller anvisierte Antrag auf gerichtliche Entscheidung von vornherein keinen Erfolg. Soweit man den Antrag des Antragstellers in seiner Antragsschrift vom 25. Juni 2023, der ausdrücklich als „Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts im Klageerzwingungsverfahren als Folgeverfahren zu 1 Ws 132/12“, bezeichnet ist, mit Blick auf die behauptete Fehlerhaftigkeit der vormaligen Entscheidung als Antrag auf erneute Bescheidung versteht, ist der Rechtsbehelf aufgrund der Entscheidung des 1. Strafsenats vom 16. Oktober 2013 unter dem vorgenannten Aktenzeichen grundsätzlich bereits verbraucht. Ein neuerlicher Klageerzwingungsantrag ist nur dann statthaft, wenn der Antragsteller unter Einhaltung der sich aus §§ 172 ff. StPO ergebenden Formerfordernisse neue Tatsachen und/oder Beweismittel vorbringt, die die tragenden Gründe der Vorentscheidung in einem Maße erschüttern, dass nunmehr ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Juli 2023 – 3 Ws 751/03 = BeckRS 2003, 268; OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2003 – 1 Zs 1656/02 = NStZ 2003, 682).

Die Antragsschrift vom 25. Juni 2023 wird diesen Formerfordernissen – auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 2. September 2023 – nicht gerecht. So werden nicht einmal der oder die Namen des bzw. der Antragsgegner genannt, es fehlt an einer in sich geschlossenen Darstellung zu dem behaupteten strafrechtlich relevanten Vorwurf, die dem Senat auch ohne Heranziehung der Akten eine Prüfung des Sachverhalts ermöglicht, und erst recht lässt sich den Schreiben des Antragstellers nicht entnehmen, dass sich seit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Jahre 2013 neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben hätten.

3. Soweit die Ausführungen des Antragstellers in der Antragsschrift vom 25. Juni 2023 dahin zu verstehen sind, dass sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen das die künftige Bescheidung von Anträgen versagende Schreiben der Staatsanwaltschaft Fulda vom 26. September 2022 richtet, hätte dieser schon deshalb keinen Erfolg, weil es sich hierbei nicht um einen Verwerfungsbescheid im Sinne von § 172 Abs. 2 StPO handelt. Gegen andere Entscheidungen der (General-)Staatsanwaltschaft, wie etwa auch dienstaufsichtsrechtlichen Entscheidungen ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO nicht statthaft (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. September 2023 – 7 Ws 19/23 m.w.N).“

BVerfG I: Kein Erfolg im Fall Jalloh beim BVerfG, oder: Alter Wein in neuen Schläuchen?

Und dann starte ich in die 10. KW des Jahres 2023. Ich beginne die Woche mit zwei Entscheidungen des BVerfG.

Zunächst stelle ich den BVerfG, Beschl. v. 21.12.2022 2 BvR 378/20. Der zieht einen „Schlusstrich“ – na ja, ich schreibe wohl besser: beendet das jahrelange Tauziehen um ddie strafrechtliche Verfolgung im „Fall Oury Jalloh“. Der ist 2005 in einer polizeilichen Gewahrsamszelle in Dessau-Roßlau verbrant. In der Folgezeit wurde 2012 ein Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Im April 2017 hat die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gegen zwei weitere Polizeibeamte ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet. Die mit den weiteren Ermittlungen beauftragte Staatsanwaltschaft Halle lehnte es ab in dem Verfahren ab, weitere Ermittlungen gegen Polizeibeamte oder andere Personen einzuleiten bzw. weitere Ermittlungen zur Todesursache anzustrengen. Daraufhin wurde die GStA Naumburg vom Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt angewiesen, eine eigenständige und ggf. durch weitere Ermittlungen gestützte Bewertung der Geschehnisse zu treffen. Deren Ergebnisse fasste die GSt in einem 218 Seiten umfassenden Prüfvermerk vom 17.10.2018 zusammen.

Gegen diesen den Bescheid der StA Halle erhobene Beschwerde des Brudes es getöteten wies die GStA Naumburg unter Bezugnahme auf diesen Prüfvermerk zurück. Den dagegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 StPO) hat das OLG Naumburg als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde vom 24.11.2019 (!!), mit der der geltend gemacht wird, das Recht auf effektive Strafverfolgung, willkürfreie Entscheidung, effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör sei verletzt.

Das BVerfG hat dann die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Ihc zitiere dazu aus der PM des BVerfG und verweise wegen der Einzelheiten, mit denen sich das BVerfG auseinander setzt auf den verlinkten Volltext:

„Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nicht erfüllt sind.

Der Beschwerdeführer ist in seinem grundrechtlichen Anspruch auf effektive Strafverfolgung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht verletzt. Zwar steht ihm als Bruder des Verstorbenen ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung zu. Diesem trägt der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Oktober 2019 jedoch hinreichend Rechnung.

Das Oberlandesgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts nicht überspannt. Es hat insbesondere nicht darauf abgestellt, dass eine Brandlegung durch den Verstorbenen nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, sondern dargelegt, dass es – auch wenn nach wie vor vieles für eine Selbstentzündung spreche – für eine Brandlegung von anderer Seite jedenfalls an einem hinreichenden Tatverdacht gegen einen konkreten Beschuldigten fehle.

Das Oberlandesgericht hat dabei auch die Bedeutung des Grundrechts auf Leben und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen nicht verkannt.

Die Strafermittlungsbehörden haben umfassend ermittelt. Insbesondere hat die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg in ihrem Prüfvermerk vom 17. Oktober 2018 sämtliche bisher geführten Ermittlungen eingehend auf etwaige Widersprüche oder Lücken untersucht und geprüft, ob sich über den bisherigen Ermittlungsstand hinaus weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze ergeben könnten. Sie hat sich mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gegenargumenten im Einzelnen auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, warum weitere Ermittlungen nicht aussichtsreich sind. Auch das Oberlandesgericht Naumburg hat sich mit den Ermittlungsergebnissen sowie den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen detailliert auseinandergesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen eine dritte Person nicht begründet werden könne. Eine hiervon abweichende Beurteilung ist auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht veranlasst.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Oktober 2019 verletzt auch nicht das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das Oberlandesgericht hat sich in der angegriffenen Entscheidung mit der Beweislage hinsichtlich einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beschuldigten eingehend und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt; seine Auffassung, wonach die Generalstaatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht zu Recht verneint habe, beruht auf einem sachlichen Grund.

III. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG darin erblickt, dass das Oberlandesgericht die Darlegungsanforderungen im Verfahren nach § 172 Abs. 3 StPO überspannt habe, muss der Verfassungsbeschwerde der Erfolg ebenfalls versagt bleiben. Die Annahme des Oberlandesgerichts Naumburg, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entspricht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Beschwerdeführer hatte sich dazu entschieden, umfangreich auf Inhalte der Ermittlungsakten zurückzugreifen. Um die vom Gesetzgeber vorgesehene und verfassungsrechtlich unbedenkliche Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags nicht zu unterlaufen, war er daher gehalten, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, um eine nur selektive und dadurch gegebenenfalls sinnentstellende Darstellung der Ermittlungsergebnisse zu verhindern.

Mit Blick auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachts weist das Oberlandesgericht zutreffend darauf hin, dass eine Darstellung, welche Polizeibeamten den Brand gelegt haben sollen und aufgrund welcher Beweismittel ein diesbezüglicher Nachweis möglich sein soll, fehlt.

2. Das Oberlandesgericht hat schließlich auch nicht gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Es ist nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht Vortrag des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen hätte. Die Ausführungen des Beschwerdeführers beschränken sich im Ergebnis vielmehr auf die Darlegung, das Oberlandesgericht habe seinem Vortrag materiell-rechtlich nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht jedoch nicht, der Rechtsansicht des Beschwerdeführers zu folgen.“

Nun ja, nichts Neues. das hat hat man alles schon mal gelesen. Warum man dafür drei Jahre braucht, erschließt sich mir nicht.

StPO III: Klageerzwingungsantrag des Hochschullehrers, oder: Unzulässig

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung des Tages stelle ich den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.03.2022 – 1 Ws 36/22 – vor., der sich zur Zulässigkeit eines sog. Klageerzwingungsantrages (§ 172 StPO) äußert. Das OLG hat – wen wundert es? – den Antrag als unzulässig zurückgewiesen, und zwar:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erweist sich als unzulässig, weil er den Anforderungen des Gesetzes nicht genügt.

1. Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 StPO muss der Antrag von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Im vorliegenden Fall stammt der Antrag von einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit der Befähigung zum Richteramt. Der Rechtslehrer steht nicht generell einem Rechtsanwalt gleich. § 138 Abs. 1 StPO bestimmt lediglich, dass Rechtslehrer zu Verteidigern gewählt werden können. Der Verfahrensvertreter des Antragstellers im Klageerzwingungsverfahren ist kein Verteidiger. Der Auffassung, dass der genannten Vorschrift der Rechtsgedanke zu entnehmen sei, der Rechtslehrer stehe in der Strafprozessordnung generell dem Rechtsanwalt gleich, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Dem Verfahrensvertreter ist zwar zuzustimmen, dass eine teleologische Auslegung von § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 StPO für die Zulassung von Rechtslehrern als Vertreter des Antragstellers spricht; schließlich verfügen sie über eine dem Rechtsanwalt entsprechende Qualifikation, und ihre Stellung ist leicht verifizierbar (Kudlich, JA 2021, 779, 781). § 138 Abs. 1 StPO bezieht sich aber, wie sowohl ihr Wortlaut als auch der Regelungszusammenhang im Elften Abschnitt des Ersten Buches der StPO zeigt, ausschließlich auf den Verteidiger. § 366 Abs. 2 StPO zeigt überdies, dass die Strafprozessordnung, soweit sie den Kreis der Verfahrensvertreter über Rechtsanwälte hinaus ausdehnen will, dies durch Verwendung des Begriffs des Verteidigers, mithin durch eine in eine Umschreibung gekleidete Verweisung auf § 138 Abs. 1 StPO tut. Auch § 138 Abs. 3 StPO kann nicht auf das Klageerzwingungsverfahren angewendet werden (so Ladiges JR 2022, 87 ff.; auch Jahn, Löwe-Rosenberg, StPO § 138, Rn. 65); diese Vorschrift geht zwar über den Bereich der Verteidigung hinaus, benennt aber ausdrücklich andere Fälle, die sich alle dadurch auszeichnen, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Dazu passt auch die Begründung für die Einführung der Vorschrift: Die Befugnisse der Opfer von Straftaten und der Zeugen sollten bei der Wahl eines Beistands an die der Beschuldigten bei der Wahl eines Verteidigers angeglichen werden und ihre Wahlmöglichkeiten in sachgerechter Weise erweitert werden (BT-Drucks. 16/12098, S. 20). § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 StPO postuliert einen Anwaltszwang für ein Verfahren, in dem der Antragsteller gerade nicht mit dem Beschuldigten, sondern den Ermittlungsbehörden konfrontiert ist. Dieser Gesichtspunkt verbietet nach Auffassung des Senats die entsprechende Anwendung von § 138 Abs. 3 StPO auf das Klageerzwingungsverfahren. Zur Stellung eines Klageerzwingungsantrags ist mithin auch nach Einführung der genannten Vorschrift nach dem eindeutigen Wortlaut des § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 StPO ausschließlich der Rechtsanwalt befugt (OLG Bamberg, Beschluss vom 08.06.2021, 1 Ws 290/21, juris; Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO <6. Aufl.> § 172 Rn. 19; SK/Wohlers StPO 5. Aufl. § 172 Rn. 57; Kudlich a. a. O.).

2. Auch inhaltlich erfüllt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht die gesetzlichen Anforderungen…..“

Zulässigkeit des PKH-Antrags für Klageerzwingung, oder: Bestellung eines Notanwaltes

© santi_ Fotolia.com

Und zum Wochenbeginn dann auch in dieser Woche keine „Corona-Entscheidungen“, man merkt, dass es weniger wird. Obwohl „durch“ sind wir sicher noch nicht.

Nein, in dieser Woche beginne ich mit zwei OLG-Entscheidungen zu Themen, mit denen man nicht so häufig zu tun, zumindest in der Regel.

Zunächst hier der OLG Brandenburg, Beschluss v. 06.01.2022 – 1 Ws 150/21 –, der in einem – sich anbahnenden _ sog. Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) ergangen ist. Der Beschluss nimmt zu den Anforderungen an einen PKH-Antrag und an die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts Stellung:

„Die Anträge des Anzeigeerstatters bleiben sämtlich ohne Erfolg.

1. Der Antrag des Anzeigeerstatters auf Gewährung von Prozesskostenhilfe erweist sich als unzulässig, weil er nicht den Anforderungen des § 172 Abs. 3 S. 2 2. Hlbs. StPO in Verbindung mit § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO genügt. Danach ist ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unzulässig, wenn er keine hinreichende Schilderung des Streitverhältnisses enthält und daher die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 172 Abs. 3 S. 2 StPO, § 114 ZPO). So liegt der Fall hier.

An ein Gesuch um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO (Klageerzwingungsverfahren) werden zwar nicht dieselben strengen Anforderungen gestellt wie an den Antrag selbst. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller, der oftmals – wie hier – anwaltlich nicht vertreten sein wird, den Sachverhalt und den Ablauf des bisherigen Ermittlungsverfahrens einschließlich der Daten über Beginn und Einhaltung der Rechtsmittelfristen schon in seinem Gesuch derart schildert, dass das Oberlandesgericht, die Richtigkeit des tatsächlichen Vorbringens unterstellt, allein aufgrund der Darlegungen in der Antragsschrift eine Entscheidung treffen könnte. Jedoch erfordert auch die durch § 172 Abs. 3 S. 2 2. Hlbs. StPO für anwendbar erklärte Vorschrift des § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO, dass der Antragsteller den Sachverhalt schildert und angibt, wie er ihn beweisen kann. Die Ausführungen sollen den erkennenden Senat in die Lage versetzen zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft unter Verstoß gegen das Legalitätsprinzip das Verfahren gegen den Angezeigten eingestellt hat, anstatt öffentliche Klage zu erheben. Der Antrag muss es dem zur Entscheidung berufenen Gericht deshalb ermöglichen, allein aufgrund seines Inhalts und ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten sowie etwa vorhandene Beiakten oder Beistücke oder Anlagen eine dahingehende Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen, ob er in zulässiger Weise gestellt worden und ob nach dem Vorbringen des Antragstellers ein für die Erhebung der öffentlichen Klage hinreichender Tatverdacht gegeben ist (vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 2001, S. 166 f.; std. Senatsrspr., statt vieler: Beschluss vom 10. August 2020, 1 Ws 93/20; Beschluss vom 20. September 2018, 1 Ws 146/18).

Der Antrag muss daher so gehalten sein, dass der Senat aufgrund des Vorbringens prüfen kann, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 172 Abs. 3 S. 2 2. Hlbs. StPO in Verbindung mit § 114 ZPO). Enthält er die hierzu erforderlichen Angaben nicht, ist er unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1992, 1071).

So liegt der Fall hier. Weder das Antragsschreiben vom 06. Dezember 2021 noch die ergänzende Antragsbegründung vom 08. Dezember 2021 lassen erkennen, welches konkrete strafrechtlich relevante Verhalten der Anzeigeerstatter den Angezeigten zur Last legt. Die Ausführungen sind – wie zuvor schon diejenigen in der Strafantragsschrift – inhaltsarm. Beweismittel werden nicht genannt. Auf die Inhalte der angegriffenen Bescheide der Staatsanwaltschaft Potsdam und des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg geht der Antragsteller nicht ein und führt nicht aus, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die dortigen Ausführungen nicht zutreffen sollten.

Nach alldem erweist sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Schilderung eines nachvollziehbaren Sachverhalts und damit mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung als unzulässig.

2. Bereits aus Vorstehendem folgt, dass dem Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts für das Klageerzwingungsverfahren der Erfolg versagt bleiben muss. Hinzu kommt, dass der Antragsteller nicht ausführt, sich vergeblich um die Mandatierung eines Rechtsanwalts bemüht zu haben.

Zwar ist im Klageerzwingungsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung des § 78 b ZPO (Notanwalt) möglich (OLG Köln, Beschluss vom 09. Oktober 2007 – 52 Zs 494/07 – Rn. 4 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 07. Mai 207 – 3 Ws 113/06 – Rn. 3 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. August 2017 – 3 Ws 107/17 – Rn. 11; sämtlich zitiert nach Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage, zu § 172, Rn. 23 m. w. N.; offen gelassen von OLG Hamm, Beschluss vom 02. August 2007 – 2 Ws 207/07 – Rn. 5, Juris). Die allein auf die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweisende Bestimmung  des  §  172 Abs. 3 S. 2 StPO enthält eine planwidrige Regelungslücke und die von § 78 b ZPO unmittelbar erfasste Fallgestaltung ist derjenigen des Klageerzwingungsverfahrens rechtsähnlich (OLG Köln a. a. O., Rn. 7 f.). Im Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung sieht § 78 b Abs. 1 ZPO die Beiordnung eines Notanwalts vor, wenn die Partei im Anwaltsprozess keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen im Klageerzwingungsverfahren ist es erforderlich, dass der Anzeigeerstatter darlegt und glaubhaft macht, dass er alle zumutbaren Bemühungen unternommen hat, um die Übernahme des Mandats durch einen Rechtsanwalt zu erreichen. Hierzu hat er substantiiert dazulegen, dass er eine angemessene Anzahl in Betracht kommender Rechtsanwälte vergeblich um die Mandatsübernahme gebeten hat; insbesondere muss er sich auch auf Landesebene und nicht nur im weiteren Umkreis seines Wohnortes um einen Rechtsanwalt bemüht haben (OLG Köln a. a. O., Rn. 15; OLG Bamberg a. a. O., Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.). Daran fehlt es vorliegend. Der Antragsteller trägt überhaupt nicht vor, sich vergeblich um die Mandatierung eines Rechtsanwalts bemüht zu haben.“