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Darf der Verteidiger „kinderpornografische Schriften“ weitergeben – ja, aber….

AusrufezeichenWir erinnern uns: Im Frühjahr 2013 hat der der OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.11.2012, 2 Ws 114/12 – nicht nur die Blogs (vgl. unseren Beitrag Die Weitergabe von Kinderpornografie durch den Verteidiger – strafbar?) sondern auch die Fachzeitschriften beschäftigt/bewegt. In der Sache ging es u.a. um die Frage, ob sich ein Verteidiger nach § 184b Abs. 2 StGB strafbar macht wegen der Verschaffung des Besitzes Dritter an kinderpornografischen Schriften, wenn er diese, z.B. im Rahmen eines Gutachtenauftrags an einen Sachverständigen, zur Verfügung stellt. Das LG Marburg hatte das  unter Hinweis auf § 184b Abs. 5 StGB verneint und das Verfahren nicht eröffnet. Das OLG Frankfurt hatte das anders gesehen und das Verfahren eröffnet. In der Hauptverhandlung hatte das LG dann – wie im Grunde nicht anders zu erwarten – den angeklagten Rechtsanwalt insoweit aus rechtlichen Gründen frei gesprochen. Die Sache hat dann den BGH beschäftigt, der durch Urteil vom 19.03.2014 den Freispruch aufgehoben hat. Das BGH, Urt. v. 19.3.2014 – 2 StR 445/13 – ist inzwischen auf der Homepage des BGH eingestellt. Hat – aus welchen Gründen auch immer – länger gedauert.

Die BGH-Entscheidung lässt sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

1. Der Ausnahmetatbestand des § 184b Abs. 5 StGB ist nicht auf die Tätigkeit von Be­hör­den beschränkt, sondern kann auch Strafverteidiger und Sachverständige betreffen. Zu Verteidigungszwecken kann der Strafverteidiger das Aktenmaterial, das kinder­pornographische Schriften enthält, auswerten und dazu auch Berufshelfer einschalten.

2. Die Besitzverschaffung an Dritte ist dem Strafverteidiger aber nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist.

Also, ein „Ja, aber“, mit dem Verteidiger in der Praxis aber m.E. ganz gut leben können. Denn der BGH bestätigt das Recht des Verteidigers, eigene Ermittlungen durchzuführen und ggf. Sachverständige zu beauftragen, selbst wenn dabei einem Dritten kinderpornografische Dateien zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist dies nur dann durch § 184b Abs. 5 StGB gedeckt, wenn es zur Wahr­nehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist. Das ist aber für mich eine Selbstverständlichkeit. Aus dem Urteil des LG ergaben sich hier nicht die Voraussetzungen des § 184b Abs. 5 StGB; deshalb hat der BGH aufgehoben.

Offen ist noch die vom BGH nicht entschiedene und nicht zu entscheidende Frage, ob der Verteidiger seinem Mandanten Aktenkopien mit kinderpornografischen Material überlassen darf. M.E. wird man die Frage kaum anders beantworten können: Sofern es für die Wahrnehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist, darf der Verteidiger die entsprechenden Kopien von Akten an seinen Mandanten weiterreichen.

Die Weitergabe von Kinderpornografie durch den Verteidiger – strafbar?

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Eine für die Verteidigung interessante Fallgestaltung entscheidet der OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.11.2012, 2 Ws 114/12, nämlich die Frage nach den Voraussetzungen für eine Strafbarkeit des Verteidigers bei Weitergabe kinderpornografischer Schriften. Dem Rechtsanwalt wird in der Anklage folgendes von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt:

„Im Fall 1 soll er am 24. Juli 2008 als Verteidiger des im Verfahren … gesondert Verfolgten A einen Untersuchungsbericht, der 108 kinderpornografische Abbildungen enthielt, was der Angeschuldigte wusste, auf einen von dem Beschuldigten A ihm zu diesem Zweck überlassenen USB-Stick digital kopiert und ihm den USB-Stick an einem nicht näher bestimmbaren Tag zwischen dem 24. Juli 2008 und dem 26. November 2009 übergeben haben. Bei den 108 kinderpornografischen Abbildungen handelte es sich um die Bilder, die Gegenstand des Vorwurfs gegen A sind.

Im Fall 2 soll er an einem nicht näher bestimmbaren Tag im Zeitraum vom 23. Oktober 2008 bis 14. April 2009 die eingescannten Gutachten und Berichte der von der Staatsanwaltschaft mit der Datenanalyse der sichergestellten Festplatte beauftragten Sachverständigen aus dem Verfahren … gegen den Beschuldigten A dem gesondert Verfolgten B in dessen Büro in der Land1 übersandt haben. Darin enthalten waren 147 kinderpornografische Abbildungen, was der Angeschuldigte wusste. Der gesondert Verfolgte B war von dem Angeschuldigten beauftragt worden, die Datenanalysegutachten der Festplatte des PC des Beschuldigten A zu überprüfen. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, der gesondert Verfolgte B habe weder die erforderliche forensische Ausbildung, noch eigene Erfahrungen durch forensische Auswertung von Datenträgern, um ein entsprechendes Gutachten zu erstellen.

Im Fall 3 soll er am 14. April 2009, entgegen der ausdrücklichen Weisung der Staatsanwaltschaft Marburg, dem gesondert Verfolgten B ermöglicht haben, im Rahmen einer durch die Staatsanwaltschaft Marburg in den dortigen Räumen gewährten Auswertung eines Images des Originalbeweismittels (= 1:1 Kopie des Originaldatenträgers), dieses Image zu kopieren und mit sich zu nehmen. Das Image enthielt wiederum 147 kinderpornografische Abbildungen, was der Angeschuldigte wusste.

Im Fall 4, soll er den gesondert Verfolgten B veranlasst haben, eine Datei, die wiederum 98 kinderpornografische Abbildungen enthielt, an den Beschuldigten A zu übermitteln.

Das Landgericht hat durch Beschluss  die Eröffnung in den Fällen 1 und 2 aus Rechtsgründen nach § 204 Abs. 1 StPO abgelehnt und das Verfahren in den Fällen 3 und 4 vor dem Amtsgericht – Strafrichter – in Marburg eröffnet. Insoweit hat das Landgericht Marburg eine besondere Bedeutung der Sache nach dem § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG verneint.

Das OLG Frankfurt hat eröffnet. Der Beschluss hat folgende Leitsätze:

1. Ein Verteidiger, dem im Rahmen der §§ 147 Abs. 1 StPO, 184b Abs. 5 StGB der Besitz kinderpornografischer Schriften erlaubt ist, darf diese nicht weitergeben, da jede abgeleitete Berechtigung und jede Weitergabe der Privilegierung gesetzlich ausgeschlossen ist.

2. Das Verkehrsverbot des § 184b StGB umfasst daher auch die Rückübertragung des Besitzes auf den Beschuldigten, von dessen Festplatte die Schriften stammen, zumal dessen Verteidigerrechte dadurch gewahrt werden können, dass ihm ein Akteneinsichtsrecht in den Räumen der Staatsanwaltschaft oder des Verteidigers gewährt wird.

3. Das Verkehrsverbot des § 184b StGB umfasst des Weiteren die Besitzübertragung auf einen vom Verteidiger beauftragten Sachverständigen, da im Ermittlungsverfahren Herrin der Beweismittel und damit allein verfügungsberechtigt die Staatsanwaltschaft ist.“

Also: Vorsicht