Schlagwort-Archive: Jugendstrafe

Strafe II: Zwei Entscheidungen aus dem Jugendrecht, oder: Schwere der Schuld und Einheitsjugendstrafe

© vegefox.com – Fotolia.com

Und dann im zweiten Postingzwei Entscheidungen aus dem Jugendstrafrecht.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 5 StR 205/23. Er betrifft die Jugendstrafe. Es handelt sich bei der Entscheidung um einen sog. Anfragebeschluss. Der BGH möchte also die Rechtsprechnung ändern und fragt daher bei den anderen Senat wie sie es mit ggf. entgegenstehender Rechtsprechung halten, und zwar wie folgt:

2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG, bei der wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist, setzt nicht voraus, dass bei dem Angeklagten eine Erziehungsbedürftigkeit oder -fähigkeit festgestellt werden kann.

Das hat der BGH umfassend begründet, und zwar so umfassend, dass ich auf das Selbstleseverfahren verweise.

Und als zweite Entscheidung noch etwas vom KG, und zwar der KG, Beschl. v. 27.12.2023 – 4 ORs 72/23. Er befasst sich mit der der sog. Einheitsjugendstrafe, und zwar:

§ 31 Abs. 2 JGG sieht grundsätzlich eine Einbeziehung bereits rechtskräftiger Entscheidungen, solange sie noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt sind, in ein neues Urteil und die Verhängung einer einheitlichen Maßnahme für alle Taten vor. Von der Einbeziehung einer früheren Verurteilung kann zwar aus erzieherischen Zweckmäßigkeitserwägungen (§ 31 Abs. 3 S. 1 JGG) abgesehen werden, hierfür müssen aber Gründe vorliegen, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen. Erst wenn solche Gründe festgestellt sind, ist der tatrichterliche Ermessensspielraum eröffnet. Das Abstellen allein auf den Ablauf der Bewährungszeit genügt diesen Anforderungen nicht.

 

Strafzumessung I: Bemessung der Jugendstrafe, oder: Anrechnung von vollstrecktem Beugearrest

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Und heute dann mal wieder Strafzumessungsentscheidungen.

Zunächst hier zum JGG der BGH, Beschl. v. 19.09.2023 – 3 StR 216/23 – zur Anrechenbarkeit von vollstrecktem Beugearrest bei Verhängung einer neuen Einheitsjugendstrafe.

Das LG hat den Angeklagten unter Einbeziehung eine Urteils des AG aus Oktober 2020 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Diebstahls, versuchten Diebstahls in zwei Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln und Hausfriedensbruchs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Auf die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat der BGH den Strafausspruch ergänzt.

„Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch ist allein insofern rechtsfehlerhaft, als das Landgericht die Prüfung der Anrechnung von in dem Verfahren des einbezogenen Urteils vollstreckten Arrestzeiten nach § 31 Abs. 2 Satz 2 JGG verabsäumt hat. Bei dieser Ermessensentscheidung wäre über den – im Antrag des Generalbundesanwalts zutreffend benannten – verbüßten mit diesem Urteil festgesetzten Freizeitarrest von zwei Tagen hinaus allerdings auch ein verbüßter Beugearrest von einer Woche zum Gegenstand der Prüfung zu machen gewesen; diese Maßnahme hatte das Amtsgericht Wesel nachträglich durch Beschluss vom 18. August 2021 gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 JGG angeordnet, weil der Angeklagte eine mit dem Urteil erteilte Auflage schuldhaft nicht erfüllt hatte (zur gleichgelagerten Frage der Einbeziehung eines unerledigten Beugearrestes in eine neue Einheitsjugendstrafe vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 3 StR 177/09, juris Rn. 2; für eine Anrechenbarkeit weiterhin LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189 f.; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26, § 31 Rn. 51; NK-JGG/Ostendorf, 11. Aufl., § 31 Rn. 23; Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, 2. Aufl., § 26 Rn. 13; Schady, ZIS 2015, 593, 596 ff.; aA BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; Brunner/Dölling, JGG, 14. Aufl., § 31 Rn. 39).

Entscheidend für eine grundsätzliche Anrechenbarkeit auch von Beugearresten spricht trotz aller Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Arrestformen die Erwägung, dass hierdurch dem Einheitsprinzip am besten Rechnung getragen wird (vgl. LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26). Dieses soll eine verhältnismäßige jugendstrafrechtliche Sanktion, die auf den aktuell erzieherisch erforderlichen Einwirkungsbedarf abgestimmt ist, sicherstellen und eine Mehrheit sich womöglich widersprechender oder miteinander unverträglicher Sanktionen verhindern (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 31 Rn. 3; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 3; Streng, Jugendstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 266; Beulke/Swoboda, Jugendstrafrecht, 16. Aufl., Rn. 279, 281). Das Gegenargument, der Beugearrest sei aufgrund seiner abweichenden Rechtsnatur nicht anrechnungsfähig (vgl. Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.), überzeugt indessen nicht. Die formalen Umstände, dass derselbe außerhalb des Urteils durch Beschluss verhängt wird und unmittelbar ein anderes Sanktionsbedürfnis erfüllen soll, besagen nicht, dass er als mit der durch Urteil bestimmten Weisung oder Auflage untrennbar verbundene, mithin akzessorische Maßnahme (vgl. Schady, ZIS 2015, 593, 597; vgl. auch LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190: „aus Anlass einer Tat“) bei der Bestimmung der verhältnismäßigen jugendstrafrechtlichen Sanktion keine Berücksichtigung finden darf.

Der Senat holt die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG erforderliche Anrechnungsentscheidung nach und ordnet, um jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, die Anrechnung beider verbüßten Arrestzeiten auf die erkannte Einheitsjugendstrafe an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2013 – 4 StR 409/13, juris Rn. 2; vom 15. März 2016 – 4 StR 15/16, juris Rn. 2).

Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Rechtsfolge I: Jugendstrafe beim „alten“ Jugendlichen, oder: Erziehungsgedanke im fortschreitenden Alter

Bild von Alexa auf Pixabay

Den Tag gestalte ich hier heute mit Entscheidungen, die mit Rechtsfolgen zu tun haben. „Strafzumessung“ kann ich nicht als „Oberthema“ nennen, da auch eine Entscheidung aus dem Bußgeldverfahren vorgestellt wird.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 06.06.2023 – 2 StR 78/23 -, der sich mit den Anforderungen an die Jugendstrafe befasst. Der BGH hat die Veurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung aufgehoben:

„1. Es ist zwar rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht bei dem Angeklagten – zur Tatzeit Heranwachsender – Jugendstrafrecht angewendet und wegen Schwere der Schuld Jugendstrafe verhängt hat. Die Erwägungen des Landgerichts zur Höhe der Jugendstrafe erweisen sich hingegen als rechtsfehlerhaft; sie entsprechen nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 2 JGG.

a) Nach dieser Vorschrift ist auch dann, wenn eine Jugendstrafe ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird, bei der Bemessung der Strafhöhe der das Jugendstrafrecht beherrschende Erziehungsgedanke (§ 2 Abs. 1, § 18 Abs. 2 JGG) vorrangig zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist zwar die in den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck kommende Bewertung des Ausmaßes des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts auch bei der Bestimmung der Höhe der Jugendstrafe zu beachten. Die Begründung darf aber nicht wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zumessungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Die Bemessung der Jugendstrafe erfordert vielmehr von der Jugendkammer, das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe unter erzieherischen Gesichtspunkten abzuwägen. Die Urteilsgründe müssen daher in jedem Fall erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist. Eine formelhafte Erwähnung der erzieherischen Erforderlichkeit der verhängten Jugendstrafe genügt insoweit nicht (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 29. November 2017 – 2 StR 460/16, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 12; Urteile vom 13. November 2019 – 2 StR 217/19 und vom 10. November 2021 – 2 StR 433/20, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2021 – 5 StR 115/21, juris Rn. 14; Urteil vom 21. Juli 2022 – 4 StR 177/22, juris Rn. 6; Beschluss vom 7. Februar 2023 – 3 StR 481/22, juris Rn. 14 ff.).

Zwar verliert der Erziehungsgedanke mit fortschreitendem Alter des Täters an Bedeutung, wohingegen – insbesondere bei besonders gravierenden Straftaten – das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs immer mehr in den Vordergrund tritt. Gleichwohl müssen grundsätzlich auch dann, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Verhängung der Jugendstrafe bereits das 21. Lebensjahr vollendet hat, die erzieherischen Auswirkungen der Strafe beachtet und abgewogen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 29. November 2017 – 2 StR 460/16, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 12; vgl. zum Sonderfall eines fehlenden Erziehungsbedarfs Senat, Urteil vom 13. November 2019 – 2 StR 217/19, NStZ 2020, 301).

b) Ungeachtet des Umstandes, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage, in welchem Ausmaß dies zu geschehen hat, nicht abschließend geklärt ist, lassen die Urteilsgründe im vorliegenden Fall besorgen, dass es die zu berücksichtigenden erzieherischen Gesichtspunkte nicht hinreichend in den Blick genommen und das Gewicht des Tatunrechts nicht gegen die Folgen der Strafe gerade für die weitere Entwicklung des im Tatzeitraum 19 Jahre alten Angeklagten abgewogen hat.

Es ist bereits im Ausgangspunkt bedenklich, wenn das Landgericht gestützt auf eine Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 20. März 2019 – 3 StR 452/18, StV 2019, 466) davon ausgeht, bei einem 23 Jahre alten Angeklagten rücke statt des Erziehungsgedankens entsprechend dem Erwachsenenstrafrecht der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs in den Vordergrund. Eine solche Festlegung ist der genannten Entscheidung nicht zu entnehmen. Der Senat hat dort vielmehr betont, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Erziehungsgedanke bei der Bemessung der Jugendstrafe grundsätzlich immer einzustellen sei und die Urteilsgründe in jedem Fall erkennen lassen müssten, dass diesem die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden sei. Soweit andere Strafzwecke, etwa derjenige eines gerechten Schuldausgleichs, ebenfalls in Ansatz zu bringen seien, sei vom Tatgericht im Rahmen einer umfassenden Abwägung festzulegen, welches Gewicht den einzelnen Zumessungserwägungen im Einzelfall zukomme.

Ungeachtet des rechtlich bedenklichen Maßstabs, den das Landgericht seiner Würdigung zugrunde gelegt hat, hat es nicht lediglich den Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs „in den Vordergrund“ gerückt. Es hat sich vielmehr fast ausschließlich an im Erwachsenenstrafrecht geltenden Strafzumessungserwägungen orientiert, indem es vor allem das Geständnis des Angeklagten, seinen jeweiligen Tatbeitrag sowie das Maß der aufgewendeten kriminellen Energie, das Ausmaß der verursachten Verletzungen bzw. deren Fehlen, den Zeitablauf seit Begehung der Taten, den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Taten, die lange Verfahrensdauer, die Belastung durch die erlittene Untersuchungshaft und die Vorstrafen herangezogen hat. Eine Auseinandersetzung mit der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und dem sich hieraus ergebenden konkreten Erziehungsbedarf hat es demgegenüber nicht vorgenommen. Der Erziehungsgedanke wird in den Urteilsgründen lediglich einmal formelhaft erwähnt, wenn die Strafkammer mitteilt, dass „bereits die Vollstreckung der – knapp 3-wöchigen – Untersuchungshaft nicht unerheblich erzieherisch auf den Angeklagten eingewirkt“ habe. Angesichts dessen und nicht zuletzt auch mit Blick auf die die Strafbemessung abschließende Erwägung des Landgerichts, wonach „unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Jugendstrafe in der ausgeurteilten Höhe als „tat- und schuldangemessen“ erachtet werde, besorgt der Senat, dass es die Ausrichtung der Höhe der Jugendstrafe am Erziehungsgedanken vollständig aus dem Blick verloren hat.“

Strafzumessung III: Beurteilung der Schuldschwere, oder: Liegen noch schädliche Neigungen vor?

© rcx – Fotolia.com

Und als dritte und letzte Entscheidung des Tages stelle ich den OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.07.2022 – 2 OLG 53 Ss 43/22 – vor. Er nimmt Stellung zu den Voraussetzungen der Verhängung von Jugendstrafe (§ 17 JGG).

Das AG Fürstenwalde/Spree hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat schon aus anderem Grund (teilweise) Erfolg und führt schon deshalb zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.Das OLG beanstandet die Strafzumessungserwägungen des AG aber auch darüber hinaus:

„Darüber hinaus sind die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts im Übrigen auch nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs ist zu bedenken, dass auch Ausführungen dazu erforderlich sind, ob und warum für den Angeklagten vom Vorliegen schädlicher Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG nicht nur im Zeitpunkt der vorliegenden Taten, sondern trotz zuvor in Rumänien verbüßter Strafhaft und zwischenzeitlicher Untersuchungshaft auch noch im Zeitpunkt des Urteilserlasses auszugehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016, – 3 StR 473/15 – m. w. N., juris). Frühere Straftaten, mit denen schädliche Neigungen begründet werden, sind unter konkreter Darstellung der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen mit Blick auf die Erforderlichkeit der Verhängung einer Jugendstrafe zu bewerten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 4 Rvs 109/21, BeckRS 2021, 33763 Rn. 6 m. w. N.). Das angefochtene Urteil legt aber weder eindeutig dar, ob das erkennende Jugendschöffengericht das Vorliegen schädlicher Neigungen annimmt, noch werden dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vorausgehende Verurteilungen, insbesondere aus Rumänien, hinsichtlich der dortigen Feststellungen konkret und damit revisionsrechtlich überprüfbar dargelegt.

b) Das Jugendschöffengericht stützt die Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld maßgeblich darauf, dass der Angeklagte sich eines „Kapitalverbrechens“ (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1a) StGB) schuldig gemacht habe. Bei der Beurteilung der Schuldschwere i. S. v. § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Maßgeblicher Anhaltspunkt ist die innere Tatseite. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 353/11, NStZ 2012, 164).

c) Auch die konkrete Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken, weil aus den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei zu erkennen ist, dass sich das Jugendschöffengericht bei der Bemessung der Höhe der Freiheitsstrafe am Erziehungsgedanken orientiert hat (§ 18 Abs. 2 JGG). In den Urteilsgründen findet der Erziehungsgedanke lediglich formelhaft Erwähnung. Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154 f., m. w. N.; OLG Celle, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 32 Ss 78/12, NStZ, 2012, 576 f.). Allerdings darf der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs bei besonders schwerem Unrecht nicht völlig hinter dem Erziehungsgedanken zurücktreten (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. § 46 Rn. 18 m. w. N.); dies gilt insbesondere bei schweren Gewaltdelikten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – 3 StR 436/21, BeckRS 2022, 5043 Rn. 16 f.). Welches Gewicht den einzelnen Zumessungserwägungen zukommt ist vom Einzelfall abhängig. Das Tatgericht hat dazu eine umfassende Abwägung vorzunehmen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 17 m. w. N.).

d) Soweit – gegebenenfalls gemäß § 31 Abs. 1 JGG – eine (Einheits-) Jugendstrafe zu bilden ist, kommt dem Vorliegen eines minder schweren Falles (hier gemäß § 250 Abs. 3 StGB) für die Bewertung des Unrechts hinsichtlich Fall II. Nr. 1 der Urteilsgründe jedenfalls Bemessungsrelevanz zu (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 18; Beschluss vom 17. Februar 1989 – 3 StR 3/89, BeckRS 1989, 31106193; Eisenberg/Kölbel, JGG, 23. Aufl., § 18 Rn. 24 f., m. w. N.), sodass dessen Voraussetzungen zu prüfen und gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO im Urteil darzustellen sind (vgl. Eisenberg/Kölbel, a. a. O., § 18 Rn. 24). Auch mit diesem für die Strafzumessung erheblichen Gesichtspunkt setzt sich das Jugendschöffengericht in dem angefochtenen Urteil nur formelhaft auseinander.“

JGG I: Verhängung einer (Einheits)Jugendstrafe, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

© reeel – Fotolia.com

Ich stelle heute dann drei Entscheidungen zum JGG, also Jugendstrafrecht, vor.

Den Opener macht der OLG Hamm, Beschl. v. 26.10.2021 – 4 RVs 109/21 –, der zu en Urteilsgründen in den Fällen der Verhängung einer Jugenstraf ausführt. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen die Revision, die beim OLG Erfolg hatte:

„Die zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. …..

2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils weist hingegen einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Bei der Verhängung von Jugendstrafe ist eine besonders sorgfältige Sanktionsbegründung erforderlich, die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zu überprüfen ist. Es muss das Vorliegen schädlicher Neigungen eingehend – und nicht nur formelhaft – begründet und angegeben werden, welcher Art diese sind. Zu früheren Straftaten, mit denen schädliche Neigungen begründet werden, müssen konkrete tatsächliche Feststellungen getroffen werden und der Richter muss sich damit auseinandersetzen, warum gerade die abgeurteilte Tat die Verhängung einer Jugendstrafe erfordert (OLG Hamm NStZ-RR 1999, 377; OLG Köln, Beschl. v. 05.03.2010 – 1 RVs 26/10 – juris; Brunner/Dölling in: Brunner/Dölling, Jugendgerichtsgesetz, 13. Aufl. 2017, § 54 Rdn. 16).

Die Urteilsgründe sind hier insoweit lückenhaft, als sie nähere Angaben zu den beiden Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz aus Juli 2020 und Januar 2021 vermissen lassen. Zwar stützt der Tatrichter seine Wertung, dass bei dem Angeklagten schädliche Neigungen vorliegen, nicht allein auf diese beiden Verurteilungen, sondern auf sämtliche Umstände, die er im Rahmen der Strafmessung benannt hat („sind aufgrund dessen“, UA S. 5). Der Tatrichter stützt jedoch seine Überzeugung, dass die schädlichen Neigungen gerade auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch bestanden, auf diese beiden Verurteilungen. Selbst wenn diese Annahme angesichts der neuerlichen Verurteilung nicht fernliegt, kann der Senat aufgrund der lückenhaften Feststellungen zu den beiden genannten Verurteilungen letztlich nicht prüfen, ob die Wertung rechtsfehlerfrei ist. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass vor diesen Verurteilungen zunächst eine „Delinquenzpause“ bzw. „Verurteilungspause“ von knapp zwei Jahren (2018-2020) eingetreten war und die beiden Verstöße gegen das Waffengesetz auch auf völlig anderem Gebiet als die noch frühere Delinquenz liegen.

Nicht erkennbar hat der Tatrichter auch die im Rahmen der Bewährungsprognose genannten Umstände einer inzwischen aufgenommenen schulischen Ausbildung und deren Auswirkungen auf etwaige in der Vergangenheit vorliegende schädliche Neigungen gewertet.“