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Wirtschaftlicher Totalschaden des Pkws eines Autohändlers, oder: Restwertmarkt im Internet?

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Die zweite Entscheidung kommt heute mit dem BGH, Urt. v. 25.06.2019 – VI ZR 358/18 vom BGH.

Die Klägerin des Verfahrens ist Inhaberin eines Autohauses. Eines ihrer Fahrzeuge wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist außer Streit. Gestritten wird über die Höhe der Schadensersatzes.

Die Klägerin hatte ein außergerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt, das den Restwert ihres Fahrzeugs unter Berücksichtigung von Angeboten regionaler Anbieter am 10.03.2016 auf 9.500 € schätzte. Dieses Gutachten übergab sie der Beklagten. Am 24.03.2016 legte die Beklagte der Klägerin ein Restwertangebot eines Unternehmers vor, der 17.030 € brutto anbot. Die Beklagte hat den Unfallschaden auf dieser Grundlage abgerechnet. Die Klägerin hat das mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass das Fahrzeug bereits einen Tag vorher zu dem im Gutachten geschätzten Preis verkauft worden sei.

Die Klägerin hat auf den Rest geklagt. Das LG ist der Klägerin gefolgt und hat der Klage stattgegen. Die Beklagte hat Berufung eingelegt, die jedoch keinen Erfolg hatte. Dre BGH hat Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und und die Klage abgewiesen

Hier die Leitsätze seiner Entscheidung:

1. Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Festhaltung Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 673/15 , NJW 2017, 953).

2. Etwas anderes gilt nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst. In diesem Fall ist dem Geschädigten bei subjektbezogener Schadensbetrachtung die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten.

Man wird sehen, ob und wie der BGH diese „Ausnahmerechtsprechung“ weiter entwickelt.

BtM-Bestellung/Handel via Internet, oder: Nichteröffnung aus tatsächlichen Gründen

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Und die dritte Entscheidung kommt dann auch aus Berlin. Der Kollege Schönrock hat mir zur Vervollständigung der Sammlung von Entscheidungen zur Nichteröffnung von BtM-Verfahren mit dem Vorwurf des Handeltreibens – Stichtwort: Internetbestellung/Darknet – den AG Tiergarten, Beschl. v. 20.06.2018 – (268 Ls) 273 Js 5719/16 (56/17) – geschickt. Das AG Tiergarten hat (auch) nicht eröffnet:

„Dem Angeschuldigten wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 21.08.2017 zur Last gelegt, zwischen dem 30.01. und 02.04.2016 durch vier selbständige Handlungen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben (§§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB).

Der Angeschuldigte bestellte an folgenden Tagen über Internet über die

Website „chemical-love. to“ bzw. „chemical-love.cc“ folgende Betäubungsmittel zum Versand an seine Wohnanschrift in der pp. Berlin:

  1. Am 03.01.2016: 50 g Amfetamin
  2. Am 30.01.2016: 100 g Amfetamin und 5 Stück pinkfarbene Tabletten des Wirkstoffes MDMA (3,4-Methylendioxymethamfetamin)
  3. Am 29.02.2016: 100 g Amfetamin
  4. Am 02.04.2016: 100 g Amfetamin

Der Angeschuldigte handelte in allen Fällen in der Absicht, die Substanzen gewinnbringend zu verkaufen. Zudem war ihm jeweils bewusst, dass er nicht über die zum Vertrieb der genannten Substanzen erforderliche Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte verfügte.

Verbrechen, strafbar nach §§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB

Zwar gibt es eine Packliste, die bei den Betreibern des Webshops „chemical-Love“, aus der sich als billing-address und shipping address der Name und die Anschrift des Angeklagten ergibt. Aus dem bei ihm sichergestellten Lebenslauf des Angeklagten ergibt sich, dass er Amphetamin, Kokain und Heroin konsumierte.

Es kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob der Angeklagte die Betäubungsmittel selbst bestellt und auch tatsächlich selbst erhalten hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit Betäubungsmittel Handel getrieben hat. Aus seinem Lebenslauf ergibt sich darüber hinaus nicht, wann er Amphetamin in welchen Mengen konsumiert hat.

Bei der Wohnungsdurchsuchung sind keine Betäubungsmittel sichergestellt worden.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher gemäß § 204 Abs. 1 St PO aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.“

Wer mehr solche Entscheidungen sucht: Bitte einfach bei der Suche unter „Darknet“ oder „Internet“ suchen. Das gibt dann einige Treffer.

Löschung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten vor Sperrung

Die Bundesregierung will ein Gesetz erarbeiten, dass die Löschung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten möglich macht. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am 22.02.2010 an.

Näheres hier: http://www.wkdis.de/aktuelles/rechtsnews/175870/loeschung-von-internetseiten-mit-kinderpornografischen-inhalten-vor-sperrung-bundesregierung-will-entsprechendes-gesetz-erarbeiten

BVerfG: Zum Verbot von Verbreitung einfach pornografischer Darbietungen im Internet

Das BVerfG hat gestern eine PM zu seiner Entscheidung vom 24.09.2009 – 1 BvR 1184/08 herausgegeben (vgl. PM 120/09).  Danach waren Verfassungsbeschwerden gegen das Verbot von Verbreitung einfach pornografischer Darbietungen im Internet an Minderjährige nicht erfolgreich.

In der PM heißt es u.a.:

Die Verfassungsbeschwerden betreffen das Verbot der Verbreitung so genannter einfach pornografischer Darbietungen im Internet an Minderjährige. Die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 1184/08, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer in der Sache 1 BvR 710/05 ist, hat unter anderem ein Altersnachweissystem vertrieben, welches der Beschwerdeführer in der Sache 1 BvR 1231/04 als Zugangskontrolle zu den von ihm im Internet angebotenen pornografischen Darstellungen eingesetzt hatte. Während sich die Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 1 BvR 710/05 unmittelbar gegen die Vorschrift des § 184c a.F. StGB (heute: § 184d StGB) wendet, liegen den Verfahren 1 BvR 1231/04 und 1 BvR 1184/08 Verurteilungen der Beschwerdeführer in einem strafrechtlichen und einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren wegen der Verwendung oder wirtschaftlichen Nutzung der nach Auffassung der Fachgerichte unzureichenden Altersnachweissysteme zugrunde. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden der drei Beschwerdeführer nicht zur Entscheidung angenommen. Alle drei Verfassungsbeschwerden sind nicht ausreichend begründet und daher unzulässig. Den Begründungen kann insbesondere nicht entnommen werden, warum die Beschwerdeführer die angegriffenen gesetzlichen Altersnachweispflichten im Hinblick auf die Vielzahl frei verfügbarer pornografischer Angebote im Internet für ungeeignet halten, Minderjährige vor eventuellen negativen Einflüssen derartiger Darstellungen zu schützen. Auch wenn der Zugang zu pornografischen Angeboten im Internet durch die gesetzlich vorgeschriebene Sicherstellung des ausschließlichen Erwachsenenzugangs nicht völlig verhindert wird, kann er dadurch doch zumindest verringert werden.“

Näheres hier in der Entscheidung.

Zulässig? Sog. Vorworte der mündlichen Urteilsbegründung im Internet

Erstaunen macht sich breit, wenn man den Aufsatz von RA Thielmann, Wuppertal, im StV 2009, 607 unter dem Titel „Die im Urteil integrierte Presseerklärung – Zu Form und Inhalt der sog. Vorworte des Staatsschutzsenates des OLG Düsseldorf in Islamistenverfahren“ liest. In der Sache geht es im die Übung des 6. Staatsschutzsenates, in sog. Terroristenprozessen am Tag der Urteilsverkündung ein „Vorwort, bei dem es sich um den ersten Teil der mündlichen Urteilsbegründung handelt zu verlesen und vor allem im Internet zu veröffentlichen.

Höchst interessant, was der Kollege dazu meint und vor allem, was man in den Vorworten so lesen konnte. Dies ist im  Abdall-Verfahren und im Al Tawhid-Verfahren so geschehen, für den Al-Quida-Prozess und für das Kofferbombenverfahren sind die Vorworte auf der Homepage des OLG Düsseldorf noch abbrufbar.

Ich will hier gar nicht dem Terror nach dem Mund reden. Darum geht es m.E. aber auch gar nicht. Sondern um die Frage: Ist das eigentlich zulässig (m.E. höchst fraglich)? Nach dem Lesen des Beitrags des Kollegen Thielmann bleibt nicht nur ein schaler Nachgeschmack, sondern auch eine Frage offen. Wie geht die Verteidigung mit diesen Dingen im Hinblick auf die §§ 24 ff. StPO um? Die Besorgnis der Befangenheit wird man nach dem Inhalt und den Formulierungen m.E. wohl kaum ausschließen können.