Schlagwort-Archive: Hebegebühr

Entstehen und Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr, oder: Die Nr. 1009 VV RVG führt ein Schattendasein

Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 07.04.2022 – 2-15 0 74/20. Er behandelt die Hebegebühr Nr. 1009 VV RVG, die – jedenfalls im Strafverfahren – ein verstecktes Dasein führt, obwohl man ggf. auch mit der  Gebühr ein paar zusätzliche Euro verdienen kann.

In dem vom LG Frankfurt/Main entschiedenen Fall hatte die Klägerin nach einem Zivilrechtsstreit der Beklagten Kosten erstattet. Die Beklagte hatte u.a. auch die die Festsetzung einer Hebegebühr in Höhe von 84,06 EUR netto (70,05 EUR gem. Nr. 1009 VV RVG, 14,01 EUR Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG) für die Weiterleitung eines Betrages beantragt. Das LG hat diese Gebühren festgesetzt. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Erinnerung gewendet, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Das LG – Einzelrichter – hat die Erinnerung dann verworfen:

„2. Die Erinnerung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger hat die Hebegebühr und die Auslagenpauschale zu Recht festgesetzt.

a) Die Hebegebühr in Höhe von € 70,05 ist entstanden. Eine Hebegebühr entsteht nach Nr. 1009 Anm. Abs. 1 VV RVG, wenn der Anwalt vereinnahmte Gelder weiterleitet und hierzu beauftragt war. Der Beklagtenvertreter war hier aufgrund der vorliegenden Prozessvollmacht gemäß § 81 ZPO zur Empfangnahme der von der Klägerin zu erstattenden Kosten bevollmächtigt und beauftragt. Er hat die an ihn gezahlten Kosten in Höhe von € 13.021,06 an die Beklagte weitergeleitet.

Die Klägerin hat die Hebegebühr zu erstatten. Die Hebegebühr ist erstattungsfähig, wenn der Schuldner, ohne vom Gläubiger oder dessen Anwalt dazu aufgefordert zu sein, an den Rechtsanwalt des Gläubigers zahlt (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 20 m.w.N.). Dies war hier der Fall.

Der Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Zahlung nicht um die Hauptsache, sondern um die zu erstattenden Kosten handelte. Zwar entsteht die Hebegebühr gemäß Nr. 1009 Anm. Abs. 5 VV RVG nicht, so weit eingezogene Kosten an den Auftraggeber abgeführt werden. Dies gilt aber nur, wenn der Rechtsanwalt die Kosten eingezogen, also aufgrund einer Kostenentscheidung eingefordert hat (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2014, Nr. 1009 VV RVG Rn. 39). Demgemäß fällt die Hebegebühr mangels Einziehung an, wenn der Rechtsanwalt nicht verbrauchte Gerichtskosten in Empfang nimmt und an den Mandanten weiterleitet (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2014, Nr. 1009 VV RVG Rn. 39; Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 12; a.A. HK-RVG/Hans Klees, 8. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 16). Gleiches gilt, wenn der Gegner die zu erstattenden Kosten an den Rechtsanwalt zahlt, ohne dass dieser die Kosten zuvor zur Zahlung an sich eingefordert hätte.

Die Hebegebühr ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO festsetzbar (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 20).

b) Die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von € 14,01 ist ebenfalls entstanden und erstattungsfähig. Die Zahlung an den Rechtsanwalt stellt immer eine selbständige Angelegenheit dar und zwar auch dann, wenn der Rechtsanwalt der Mandanten auch darüber hinaus vertritt und bereits Gebühren nach Nr. 2300 VV RVG oder Nr. 3100 VV RVG verdient hat (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG VV 7001 Rn. 26).“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Muss ich eigentlich für die Versicherung kostenlos Bank spielen?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

Meine Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Muss ich eigentlich für die Versicherung kostenlos Bank spielen?, hat richtig Pukte/Klicks gemacht, wenn mich meine Statistik nicht täuscht. Scheint also eine Problematik zu sein, die unter den Nägeln brennt bzw. interessiert sie nicht nur Strafrechtler, sondern vor allem wohl auch Zivilrechtler.

Und es hat ja auch eine ganz Reihe Kommentare gegeben, die m.E. alle weitgehend in die richtige Richtung gingen. Allerdings war die Fragestellung so, dass der Kollege es der Versicherung, die es nicht lernen will, eine Rechnung aufmachen möchte. Nicht seinen Kollegen.

Also: M.E. ist die Nr. 1009 VV RVG als Hebegebühr direkt nicht anwendbar. Denn es besteht kein Mandatsverhältnis zwischen dem Kollegen und der Versicherung, die an ihn zahlt, obwohl er gar nicht will. Ich meine, dass eine „Kostenbeteiligung“ der Versicherung nur über einen Schadensersatzanspruch – Eingriff in den Gewerbebetrieb – oder über GoA in Betracht kommt. Da müssen dann mal die Zivilrechtler ran. Oder: Vielleicht doch so wie es der Kollege Strüwe in seinem Kommentar vorgeschlagen hat 🙂 ?

Ich habe da mal eine Frage: Muss ich eigentlich für die Versicherung kostenlos Bank spielen?

© AllebaziB - Fotolia

© AllebaziB – Fotolia

Eine etwas abgelegenere Poblematik hatte die Frage eines Kollegen zum Gegenstand, die mich diese Woche erreicht hat. Abgelegen für Strafverteidiger, in anderen Gebieten hat man sicherlich häufiger mit der Hebegebühr (Nr. 1009 VV RVG) zu tun. Der Kollege hatte an sich auch nicht mit der Hebegebühr „zu tun“, er sucht nur eine Möglichkeit, über sie einen „Störenfried“ los zu werden, und zwar:

„Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

ich möchte mich heute mit einer Frage zur Hebegebühr an Sie wenden, auf welche ich auch nach längerer Recherche keine verlässliche Antwort gefunden habe. Folgendes ist passiert:

Ich bin als Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft tätig. Zum Zwecke einer einheitlichen Außendarstellung verwenden wir einen vom Layout her gleichen Briefkopf, in welchem jedoch ausdrücklich auf die Bürogemeinschaft hingewiesen wird. Jeder Anwalt gibt auf dem Briefkopf seine individuellen Informationen, wie eigene Berufshaftpflichtversicherung, eigene Kontoverbindung, Steuernummer etc. an.

Es ist nun zum wiederholten Male vorgekommen, dass eine Kfz-Haftpflichtversicherung Schadensersatzbeträge, welche für die Mandantschaft des Anwaltes X vorgesehen sind, fälschlicherweise auf mein Konto überwiesen hat. Auf diesen Umstand wurde die Versicherung auch bereits wiederholt hingewiesen, hat es aber offensichtlich nicht geschafft, ihre Datenbank entsprechend zu ändern. Da nun wieder ein Betrag auf meinem Konto eingegangen ist, möchte ich gerne wissen, ob ich – quasi als kleine „Belehrung“ – für die Rückerstattung des Betrages eine Hebegebühr verlangen darf.

Ich hoffe, Sie können verstehen, dass ich es zunehmend leid bin, für die Versicherung Bank zu spielen. Vielleicht haben Sie eine fundierte Lösung für das Problem. Für die Mühe bedanke ich mich bereits im Voraus und verbleibe….“

Verstehen kann ich den Kollegen, aber ob der Weg über die Nr. 1009 VV RVG gangbar ist? Ich bin auf die Antworten der Leser gespannt.