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OWi II: Das mobile Auslesegerät des Kfz-Mechanikers, oder: Elektronisches Gerät = „Handyverbot“?

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Als zweite Entscheidung dann der OLG Schleswig, Beschl. v. 28.03.2023 – II ORbs 15/23. Der äußert sich zum sog. „´Handyverbot“ des § 23 Abs. 1a StVO, und zwar zur Frage des „elekronischen Geräts“. An der Stelle ist es in der letzten Zeit recht „ruhig“ gewesen. Jetzt gibt es mal wieder eine Entscheidung, und zwar zur Anwendung des sog. „Handyverbots“ auf mobile Diagnosegeräte.

Der Betroffene ist unerlaubter Nutzung eines elektronischen Gerätes, am Steuer eine Geldbuße verurteilt worden. Nach den Feststellungen des AG hat der Betroffene im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kfz-Mechaniker als Führer eines Kundenfahrzeuges öffentliche Straße befahren. An dem Fahrzeug sei ein Diagnosegerät angeschlossen gewesen, welches via Bluetooth mit einem mobilen Auslesegerät verbunden gewesen sei. Dieses, äußerlich einem Smartphone ähnelnde und auch über einen Touch-Bildschirm verfügende Auslesegerät, habe der Betroffene in der Hand gehalten, um so während der Fahrt einen Fehler an dem Fahrzeug zu ermitteln.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, dann aber zurückgewiesen:

„2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die erhobene Rüge deckt keinen durchgreifenden Rechtsmangel im angefochtenen Urteil auf. Das Amtsgericht hat den Betroffenen nach den getroffenen Feststellungen zu Recht als Fahrzeugführer wegen vorsätzlicher Nutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, verurteilt. Ein mit einem mobilen Auslesegerät verbundenes Diagnosegerät fällt unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1a StVO.

Insbesondere lässt sich ein solches entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers ohne Weiteres unter den Begriff eines elektronischen Geräts fassen, welches der Information dient. Das Diagnose- und das mobile Auslesegerät sind per Bluetooth miteinander verbunden, das Auslesegerät verfügt über einen Bildschirm, ähnlich einem Smartphone, und ist damit ein elektronisches Gerät. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind elektronische Geräten zur Information solche, die der Unterrichtung über jegliche einer Mitteilung zugängliche Umstände dienen (Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 4 StR 526/19 – zur bejahten Frage, ob ein elektronischer Taschenrechner unter die Norm fällt). Da das Auslesegerät in Kombination mit dem Diagnosegerät der Fehlerermittlung am Fahrzeug dient, hat es die Information des Auslesenden zum Ziel. Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Einschränkungen dergestalt, es müsse sich um eine Information von außen – im Gegensatz zu einer im Fahrzeug bereits vorhandenen – handeln und es bedürfe eines persönlichen Bezugs des Gerätes zum Benutzer, lassen sich weder dem Wortlaut der Norm noch ihrer Ausfüllung durch die Rechtsprechung entnehmen. Im Gegenteil betont auch der BGH in seiner o.g. Entscheidung, „dass der ausdrücklich verlautbarte Wille des Verordnungsgebers, sämtliche Geräte aus den aufgeführten Gerätekategorien zu erfassen für eine weite, die Wortbedeutung ausschöpfende Auslegung des Tatbestandsmerkmals des der Information dienenden Gerätes“ spreche (ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. Oktober 2018 – 2 Rb 9 Ss 627/18 bezüglich eines mit einem Messwertespeicher versehenen Laser-Entfernungsmessers).

Auch die Teleologie des sog. „Handynutzungsverbots“ erfasst die Nutzung eines mit einem mobilen Auslesegerät verbundenen Diagnosegerätes durch den Fahrzeugführer. Der im Rahmen der 53. StVRÄndV vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549) neu gefasste Absatz 1a diente der Anpassung der alten Fassung im Sinne einer technikoffenen Formulierung und der Ausweitung des Verbots auf sämtliche technische Geräte der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik (BR-Drucksache 556/17 S. 3). Im Interesse einer Verbesserung der Verkehrssicherheit wollte der Verordnungsgeber die Reichweite der Regelung über den bisherigen Bereich der Mobil- und Autotelefone hinaus ausdehnen und eine Benutzung der aufgeführten elektronischen Geräte davon abhängig machen, dass die Hände des Fahrzeugführers während der Fahrt grundsätzlich zur Bewältigung der Fahraufgaben zur Verfügung stehen und dieser – von kurzen eine Blickabwendungen abgesehen – auf das Verkehrsgeschehen konzentriert bleibt (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 4 StR 526/19; BR-Drucksache 556/17 S. 16). Richtig ist, dass der Verordnungsgeber sich gegen ein vollständiges Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt entschieden und darauf hingewiesen hat, dass ein solches umfassendes Verbot der Verkehrssicherheit unter Umständen sogar abträglich sein könne, erfasste es doch auch beispielsweise das Hören von Warndurchsagen im Radio. Auch könne z.B. bei einem Stau, „bei dem sich nichts mehr bewegt“, die Benutzung eines Telefons der Verkehrssicherheit sogar zuträglich sein, wenn etwa über eine verspätete Ankunft informiert würde (BR-Drucksache 556/17 S. 4 „Alternativen“).

So liegt es hier aber nicht. Zwar dient die Informationsgewinnung mit der sich anschließenden Fehlerbehebung der Wiederherstellung der Sicherheit des jeweiligen Fahrzeugs und somit schlussendlich auch der Sicherheit des Straßenverkehrs; während der Dauer des Auslesens im öffentlichen Straßenverkehr durch den Fahrer ist aber die Gefahr seiner Ablenkung und seiner mangelhaften Konzentration auf das Straßengeschehen ebenso gegeben wie bei der Nutzung anderer elektronischer Geräte. Auch hier ist mehr als nur eine kurze Blickablenkung des Fahrers erforderlich, um die Informationen des Gerätes abzulesen, sie zu erfassen und gegebenenfalls darauf zu reagieren. Mit der Benutzung eines Mobiltelefons in einem staubedingt stehenden Fahrzeug ist die Situation wegen der ungleich höheren Anzahl von auf den Fahrzeugführer einwirkenden Einflüsse von außen und dadurch bedingter notwendiger Reaktionen mitnichten vergleichbar. Zudem ist das Verhalten des Betroffenen, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht alternativlos, kann eine Fahrt zur Fehlerermittlung doch beispielsweise mit Hilfe eines weiteren zur Auslesung des Gerätes befähigten Beifahrers oder auch im nichtöffentlichen Verkehrsraum durchgeführt werden. Auch auf diese Weise können die Besonderheiten des realen Straßenverkehrs berücksichtigt oder simuliert werden, ohne dass es zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit kommt.“

Gestern im BGBl., oder: Teures Handy, teure Rettungsgasse, teure Gesichtsverhüllung

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So, dann ist es/sind sie jetzt „amtlich“, die Änderungen in der StVO durch die 53. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Diese VO v. 06.10.2017 ist nämlich, nachdem sie gestern im BGBL – vgl. BGBl I, S. 3549 – verkündet worden ist, heute, also am 19.10.2017, in Kraft getreten.

Ich habe ja schon ein paar Mal auf die Änderungen hingewiesen. Die wesentlichen will ich hier dann och einmal wiederholen:

  • An der Spitze steht die Änderung/Neufassung des „Handyverbots“ am Steuer in § 23 Abs. 1a StVO auf der Grundlage der BR-Drucks. 556/17 und der BR-Drucks. 556/1/17), und zwar wie folgt:
    • § 23 Abs. 1a StVO hat eine „technikoffene Formulierung“ erhalten, die beschreibt, welche Geräte jetzt und in Zukunft zulässig sind oder nicht. Dadurch soll erreicht werden, dass sich Fahrzeugführer während der Fahrt grundsätzlich nicht durch Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsmittel ablenken lassen. Die Bedienung der Geräte mit Sprachsteuerung und Vorlesefunktion ist weiterhin zulässig. Ebenso deren sekundenschnelle Nutzung – es kommt jetzt also auf die Sekunde an. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis wir dazu die ersten Entscheidungen aus der Praxis haben.
    • Massiv angehoben worden sind die Bußgelder. Die verbotene Nutzung kostet den Kraftfahrer jetzt 100 € und den Radfahrer 55 €. Bei Gefährdung und Sachbeschädigung steigen die Geldbußen beim Kraftfahrer auf 150 € bzw. 200 €. Daneben droht dann ein einmonatiges Fahrverbot. Ob damit das Ziel erreicht wird, die Nutzung des „Handy“ im Straßenverkehr einzudämmen? Ich wage es, das zu bezweifeln.
  • In § 38 Abs. 1 StVO ist bestimmt, dass einem Einsatzfahrzeug, das blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn verwendet, sofort freie Bahn zu schaffen ist. Das ist die „Rettungsgasse“. Dieses Gebot ist jetzt bußgeldbewehrt. Es werden, wenn im Straßenverkehr bei Unfällen usw. keine Rettungsgasse gebildet wird, fällig im Grudntatbestand eine Geldbuße von 240 € rechnen. Kommt es darüber hinaus zu einer weiteren Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung, kann die Geldbuße 280 € oder 320 € betragen. Außerdem droht jeweils ein einmonatiges Fahrverbot.
  • Und schließlich: In § 23 Abs. 4 StVO ist jetzt vorgeschrieben, dass derjenige, der ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldbuße von 60 €.

Gestern im Bundesrat: teures Handy, teure Rettungsgasse, teure Raser und Live aus dem Gericht usw.

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By The Government of Germany –

Gestern hat die letzte Bundesratssitzung der 18. Legislaturperiode stattgefunden. In der hat der Bundesrat vor der morgigen Wahl zum 19. Bundestag schnell das noch verabschiedet/gebilligt, was der Bundestag in seinen Marathonsitzungen zum Ende der Legislaturperiode bzw. die Bundesregierung (Herr Dobrindt 🙂 ) noch auf den Weg gebracht hat bzw. meinte, auf den Weg bringen zu müssen. Darunter sind dann auch einige Gesetze/Verordnungen, die Themenbereich des Blog betreffen. Auf die wesentlichen Änderungen/Neuerungen will ich hier heute kurz eben hinweisen, ohne dabei allerdings in die Einzelheiten zu gehen.

  • Im Gespräch war seit längerem schon ein Bußgeld, wenn im Straßenverkehr bei Unfällen usw. keine Rettungsgasse gebildet wird. Das hat man jetzt eingeführt. Danach müssen Kraftfahrzeugführer, die für Polizei- und Hilfskräfte keine Rettungsgasse bilden, mit einer Geldbuße bis zu 240 € rechnen. Kommt es darüber hinaus zu einer weiteren Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung, kann die Geldbuße bis zu 320 € betragen. Außerdem droht ein einmonatiges Fahrverbot.
  • Erweitert/geändert worden ist dann (endlich) auch das Handyverbot am Steuer (vgl. dazu schon Mobilfunkparagraf IV, oder: Dobrindtscher Irrsinn 3.0 ==> es kommt nicht mehr auf die Sekunde an). Die BR-Drucks. 556/17 ist mit geringfügigen Änderungen (vgl. BR-Drucks. 556/1/17) beschlossen worden. Das bedeutet:
    • Wir haben in § 23 Abs. 1a StVO demnächst also die „technikoffene Formulierung“, welche Geräte zulässig sind oder nicht. Sinn und Zweck ist es, dass sich Fahrzeugführer während der Fahrt grundsätzlich nicht durch Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsmittel ablenken lassen sollen. Die Bedienung der erfassten Geräte mit Sprachsteuerung und Vorlesefunktion bleibt zulässig, ebenso deren sekundenschnelle Nutzung. Letzteres wird m.E. in der Praxis viel Ärger und Verdruss bringen.
    • Angehoben worden sind die Bußgelder, und zwar auf 100 € für den Kraftfahrer und auf 55 € beim Radfahrer. Bei Gefährdung und Sachbeschädigung drohen dem Kraftfahrer Geldbußen von 150 € bzw. 200 € und ein einmonatiges Fahrverbot.
  • In § 23 Abs. 4 StVO ist dann jetzt vorgeschrieben, dass Autofahrer ihr Gesicht am Steuer nicht verhüllen oder verdecken dürfen, um eine Identitätsfeststellung zu vereiteln.
  • Am 29.06.2017 hatte der Bundestag die Einführung eines Straftatbestandes § 315d StGB für die Veranstaltung von bzw. Teilnahme an verbotenen Kraftfahrzeugrennen anstelle der bisherigen Bußgeldtatbestände für Ordnungswidrigkeiten und des Fahrverbots (§ 29 StVO) beschlossen. Das hat der Bundesrat gestern abgesegnet. Damit können also demnächst illegale Autorennen auf öffentlichen Straßenkünftig mit Freiheitsstrafen – bei schweren Folgen von bis zu zehn Jahren – geahndet werden. Der Gesetzesantrag stammte aus dem Bundesrat (Vgl. BR-Drucks. 362/16).
  • Am 22.06.2017 hatte der Bundestag das „Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG)  – traumhafter Name – beschlossen. Das enthielt eine Änderung der §§ 169, 186, 187 GVG (vgl. BT-Dreucks. 18/10144). Der Bundesrat hat auch das abgesegnet.
    • Danach sind demnächst Tonübertragungen von Gerichtsverhandlungen für Journalisten in Medienarbeitsräume möglich. Gerichtsshow live 🙂 .
    • Außerdem kann die Verkündung von Entscheidungen des BGH in besonderen Fällen in Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlt werden.
    • Zudem sind zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken Tonaufnahmen von Verhandlungen des BVerfG zulässig sind, wenn es sich um ein zeitgeschichtlich besonders relevantes Verfahren handelt. Ob es zu der jeweiligen Übertragung bzw. Aufzeichnung kommt, entscheidet das Gericht im Einzelfall. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar. So soll eine Verzögerung des Verfahrens ausgeschlossen werden.
    • Zulässig ist künftig auch der Einsatz von Gebärdendolmetschern im gesamten gerichtlichen Verfahren möglich. Für die betroffenen Personen entstehen dadurch keine Kosten.
  • Schließlich ist durch das vom Bundestag am 29.06.2017 beschlossene „Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen§ 203 StGB geändert worden (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11936). Das hat der Bundesrat gebilligt. Geregelt sind in der Neufassung des § 203 StGB die Voraussetzungen, unter denen die Weitergabe und das Zugänglichmachen von Geheimnissen an mitwirkende Personen – Angestellte und externe Dienstleister – möglich ist.

Die Neuerungen müssen dann noch in Kraft treten.In der Regel ist das der Tag nach der Verkündung des Gesetzes im BGBl. Nur bei den „Gerichtsshows“ ist das Inkrafttreten um sechs Monate hinausgeschoben worden.

Kein Handyverstoß, oder: An der Einlassung kam das AG nicht vorbei

© Steve Young - Fotolia.com

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Und nach den beiden Entscheidungen von „ganz oben“ (vgl. BVerfG, Beschl. v.  17.05.2016- 1 BvR 257/14  und 1 BvR 2150/14 und dazu „A.C.A.B.“ – das ist nicht automatisch eine Beleidigung) nun etwas vom anderen Ende des Instanzenzugs, nämlich eine amtsgerichtliche Entscheidung. Es handelt sich um den AG Heidelberg, Beschl. v. 27.06.2016 – 16 OWi 530 Js 9916/16, in dem das AG ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hat:

„hat das Amtsgericht Heidelberg durch den Richter am Amtsgericht am 27.06.2016 beschlossen:

  1. Das Verfahren gegen den Betroffenen pp. wird nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Das Gericht geht zwar nach Aktenlage davon aus, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit in diesem Fall erscheint aber nicht zwingend geboten.

  2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Der Betroffene trägt seine eigenen Auslagen gemäß §§ 467 Abs. 4. 467 a StPO selbst.

Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber interessant im Hinblick auf die Einlassung des Betroffenen. Die lautete in einem Antrag auf Entbindung nach § 73 Abs. 2 OWiG:

„…..den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden,

Begründung:

Der Betroffene äußert sich wie folgt zur Sache:

Ich habe am 21.01.2016 um 10:46 in Heidelberg. Dossenheimer Landstraße/Zum Steinberg nördliche Richtung das Fahrzeug PKW BMW ppppp. geführt.

Hierbei hielt ich mein Mobiltelefon in der rechten Hand, während ich über die im Auto eingebaute Freisprechanlage meinem Telefonpartner zuhörte. Dieses Telefonat begann bereits vor Fahrantritt, nachdem ich mein Fahrzeug gestartet hatte, hat sich mein Mobiltelefon über Bluetooth mit der Freisprecheinrichtung eine Verbindung hergestellt, so dass ich das Telefonat über die Freisprechanlage fortgeführt habe. Nachdem sich das Mobiltelefon mit der Freisprechanlage verbunden hatte, hatte ich jedoch -aus mir nicht mehr nachvollziehbaren Gründen- das Mobiltelefon nicht abgelegt, sondern einfach weiter in der Hand gehalten. Weitere bzw. andere Funktionen meines Mobiltelefons habe ich nicht benutzt, sondern nur dem Anrufer zugehört.“

Der Leser stutzt. Ja, richtig. Kommt bekannt vor. Ja und das ist es auch. Das ist nämlich die Umsetzung des OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2016 – 4 Ss 212/16 (vgl. dazu Aufweichung beim Handyverbot, wirklich?, oder: Neue „Verteidigungsansätze“?).

Ich bin mir allerdings nicht sicher, was das AG meint mit: „Das Gericht geht zwar nach Aktenlage davon aus, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit in diesem Fall erscheint aber nicht zwingend geboten.“ Warum denn nicht? Sieht man es so wie das OLG Stuttgart, dann musste frei gesprochen werden. Oder sieht man es anders, dann hätte verurteilt werden können. Klare Kante wäre angesagt gewesen, schon allein wegen der Kostenentscheidung. Aber wie hatte der Kollege Lehn aus Heidelberg, der mir die Entscheidung übersandt hat, angemerkt: „PS: Mit Freisprüchen ist das in Heidelberg „schwierig“.“ 🙂

Aufweichung beim Handyverbot, wirklich?, oder: Neue „Verteidigungsansätze“?

© Urheber: Ideenkoch - Fotolia.com

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In ein paar anderen Blogs ist ja schon der OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2016 – 4 Ss 212/16 – zur „Aufweichung“ des Handyverbots am Steuer (§ 23 Abs. 1a StVO) gelaufen. Ich war ein paar Tage unterwegs und kann ihn daher erst heute bringen.

In dem Verfahren ging es um eine Verurteilung eines Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs.1a StVO. Nach den Feststellungen des AG hielt der Betroffene bei einer Fahrt mit einem Kfz sein Mobiltelefon in der rechten Hand, während er über die Freisprechanlage telefonierte. Nach dem Start des Motors hatte sein Mobiltelefon über Bluetooth mit der Freisprecheinrichtung eine Verbindung hergestellt, so dass das nach der unwiderlegten Einlassung des Betroffenen bereits vor Fahrtantritt begonnene Telefonat über diese Anlage fortgeführt worden war. Nach der Verbindung mit der Freisprechanlage hatte der Betroffene vergessen, das Gerät abzulegen.

Das OLG hat hierin keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO (mehr) gesehen und den Betroffenen frei gesprochen. Der Leitsatz der Entscheidung:

„Ein Kraftfahrzeugführer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, verstößt nicht gegen das Verbot der Benutzung von Mobiltelefonen gemäß § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO, solange er keine weiteren Funktionen des in der Hand gehaltenen Geräts nutzt.“

Das OLG kommt zu dieser (überraschenden) Entscheidung durch den Hinweis auf den Wortlaut des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO. Den habe das AG überdehnt.

„Danach darf ein Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Die Regelung des § 23 Abs. 1a StVO wurde durch die Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vom 6. März 2013 (BGBl. I 2013, S. 367) neu gefasst. Nach § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO in der bis zum 31. März 2013 geltenden Fassung war dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Die – amtlich nicht begründete (BR-Drucks. 428/12) und wohl der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Rechtsvorschriften dienende (vgl. § 42 Abs. 5 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) – Fassungsänderung bewirkte, dass der Kreis der tauglichen Tatobjekte durch die Formulierung „gehalten werden muss“ enger gezogen wird. Das Verbot erfasst nicht mehr die Benutzung jeglicher Mobilfunkgeräte, die der Fahrer hält, sondern bezieht sich nur auf Geräte, die zur Benutzung gehalten werden müssen.

Bis zu dieser Fassungsänderung war obergerichtlich hinreichend geklärt, dass unter „Benutzung“ im Sinne der genannten Vorschrift jegliche Nutzung der möglichen Funktionen eines Mobiltelefons zu verstehen ist, bei der das Gerät in der Hand gehalten wird (OLG Hamm, Beschlüsse vom 25. November 2002 – 2 Ss OWi 1005/02, NJW 2003, 912 f.; vom 1. Dezember 2012 – 5 RBs 4/12, juris Rn. 8; OLG Bamberg, Beschluss vom 27. April 2007 – 3 Ss OWi 452/2007, 3 Ss OWi 452/07, juris Rn. 8 f.; Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Auflage, Rn. 1983, Heß in Burmann/Heß/Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage, § 23 Rn. 2a). An dieser am damaligen Wortlaut orientierten Auslegung der Norm kann infolge der sprachlichen Neufassung, nach der sich das Verbot nur noch auf Geräte bezieht, die zur Benutzung in der Hand gehalten werden müssen, nicht mehr in vollem Umfang festgehalten werden. Der Benutzung einer Freisprecheinrichtung wohnt gerade inne, dass beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung stehen (BR-Drucks. 599/00, S. 18). Die Verwendung eines Mobiltelefons über Bluetooth ist also keine „Benutzung“ im Sinne von § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO, wenn der Fahrzeugführer dazu den Telefonhörer nicht aufnehmen oder halten muss (Burhoff, aaO, Rn. 1977).“

Nun, ich habe so meine Bedenken, ob das richtig ist. Auch der Kollege Dr. Deutscher, der die Entscheidung für unseren VRR aufbereitet hat, hat sie, wenn er ausführt:

„Angesichts dessen ist das Wortlautargument des OLG nur auf den ersten Blick überzeugend. Denn mit der Änderung von „hält“ zu „gehalten werden muss“ durch die Neufassung der StVO zum 1.4.2013 hat der Verordnungsgeber erkennbar keine sachliche Änderung beabsichtigt. Die Neufassung diente in erster Linie der Korrektur der sog. Schilderwaldnovelle (Stichwort: Zitiergebot, BR-Drucks. 428/12, S. 108 ff.; näher dazu Deutscher VRR 2013, 129). Die besagte Änderung des § 23 Abs. 1a StVO ist an keiner Stelle der Begründung dokumentiert (einschlägig wäre BR-Drucks. 428/12, S. 130). Entgegen den Ausführungen des OLG widerspricht dessen Ansicht auch dem Zweck der Vorschrift, dass beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei bleiben sollen, um eine Ablenkung vom Verkehrsgeschehen zu verhindern. Denn genau das ist in der vorliegenden Konstellation nicht der Fall. Da zudem der ohnehin weit ausgelegte Begriff der Benutzung des Mobiltelefons aufgrund des Bezugs zu einem Kommunikationsvorgang (näher Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2012, Rn. 3045 ff. m.Nw.) hier erfüllt ist, spricht einiges dafür, ungeachtet der Neufassung hier einen Verstoß anzunehmen. Die Nutzung einer Freisprechanlage während der Fahrt ohne Aufnehmen oder Halten des Telefons bliebe hiernach erlaubt (OLG Bamberg NJW 2008, 599 = VRR 2008, 35 [Burhoff])., mit Aufnehmen oder Halten verboten. Die Ansicht des OLG würde demgegenüber Schutzbehauptungen ermöglichen.“

Ich denke mal, dass die Frage nach diesem Beschluss die OLG-Rechtsprechung beschäftigen wird. Und wahrscheinlich wird das Problem dann (irgendwann) vom BGH aufgrund einer Vorlage (“ 121 Abs. 2 GVG) entschieden werden (müssen).

Ist die Auffassung des OLG richtig bzw. machen die anderen OLG das mit, wird die Geschichte des § 23 Abs. 1a StVO neu geschrieben werden müssen. Dann tun sich neue Probleme und/oder (ungeahnte) Verteidigungsansätze auf, denn man müsste dann ja immer (auch) fragen: „Musste“ das Handy, das in der Hand gehalten wurde, auch tatsächlich in der Hand gehalten werden?.

Nachtrag: Bitte nicht irritiert sein, dass das OWi-Handbuch beim Kollegen Dr Deutscher in der 4. Auflage zitiert wird, beim OLG aber in der 3. Auflage. Richtig ist das Zitat bei Deutscher. Das OLG hat es offenbar noch nicht geschafft, sich die aktuelle 4. Auflage anzuschaffen. 🙂