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„Angesetzter“ im Haftraum, oder: Alkohol steigert das Aggressionspotential

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BayObLG, Beschl. v. 06.02.2020, Az. 203 StObWs 2294/19 – aus Bayern. Das hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

„Der Verurteilte ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Amberg. Bis zum 2.8.2019 war er im Haftraum C 202 untergebracht, einem 6-Mann-Saal.

Am 29.7.2019 befanden sich neben dem Verurteilten vier weitere Gefangene im Haftraum. Auf dem Gemeinschaftstisch stand der Wasserkocher des Verurteilten, den alle Gefangene des Haftraumes mitbenutzen konnten. Ein in den Haftraum eingetretener Beamter der Justizvollzugsanstalt ließ, nachdem er deutlich einen Geruch wahrgenommen hatte, den Verurteilten den Deckel des erhitzten Wasserkochers abnehmen. Im Wasserkocher schwammen an der Oberfläche Fruchtstücke.

Der Beamte nahm den Wasserkocher wegen des Verdachts eines verbotenen „Angesetzten“ in Verwahrung; der Inhalt wurde anschließend entsorgt. Der Verurteilte erhielt daraufhin am 6.8.2019 eine Disziplinarstrafe wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht nach Art. 88 Abs. 4 BayStVollzG (Entzug der Verfügung über das Hausgeld sowie Einkaufssperre von einem Monat auf drei Monate zur Bewährung nach Art. 110 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 111 Abs. 2 BayStVollzG).

Der Verurteilte begehrte mit Antrag nach §§ 109 ff. StVollzG vom 6.8.2019, eingegangen am 12.8.2019, ergänzt mit Schreiben vom 9.8.2019, eingegangen am 13.8.2019, dass die Disziplinarstrafe aufgehoben wird, hilfsweise die Feststellung deren Rechtswidrigkeit. In der Justizvollzugsanstalt Amberg bestehe kein wirksames Alkoholverbot (jedenfalls sei ihm keine Hausordnung ausgehändigt oder sonst bekannt gemacht worden), zudem müsse er sich das Fehlverhalten Dritter nicht zurechnen lassen, zumal er gegen seinen Willen zusammen mit Alkoholikern und Junkies untergebracht sei. Er wisse weder, was ein „Angesetzter“ sei, noch wie dieser rieche. Es sei auch nicht geklärt, was sich tatsächlich in dem Wasserkocher befunden habe, noch wer diesen befüllt habe. Schließlich müsse er im Falle einer Meldung mit Repressalien durch Mitgefangene rechnen, weshalb ihm eine Meldung nicht zumutbar gewesen sei.“

Die Strafvollstreckungskammer des LG Amberg den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Verurteilten, die das BayObLG als unbegründet angesehen hat.

„Der Senat verweist hierzu auf die in jeder Hinsicht zutreffende Begründung der Strafvollstreckungskammer. Dort sind alle vom Verurteilten vorgebrachten Einwände sorgfältig abgehandelt. Der Senat macht sich die dortigen Ausführungen in vollem Umfang zu eigen.

Insbesondere ist hervorzuheben:

a) Die Strafvollstreckungskammer hat auf einer ausreichend tragfähigen Tatsachengrundlage entschieden. Ihr lagen die detaillierten Zeugenangaben des Vollzugsbeamten S., des Inspektors im Justizvollzugsdienst G. und der Regierungsrätin L. vor, an deren Richtigkeit zu zweifeln keinerlei Anlass besteht.

Der Verurteilte hat keine den strengen Anforderungen des § 118 Abs. 2 StVollzG genügende Aufklärungsrüge erhoben. Er rügt lediglich, dass es die Strafvollstreckungskammer unterlassen habe aufzuklären, „warum die weiteren im Haftraum befindlichen Gefangenen nicht wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht diszipliniert wurden.“ Damit ist nicht bestimmt behauptet und konkret angegeben, welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgsetze, 12. Aufl. Abschn. P Rn. 104; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. § 244 Rn. 102). Hierfür genügt nicht, dass sich die Justizvollzugsanstalt mit ihrer eigenen Beweiswürdigung in Widerspruch gesetzt habe. Der Verurteilte hätte bestimmt behaupten und vortragen müssen, welchen konkreten Fehler die Justizvollzugsanstalt im Rahmen ihrer Beweiswürdigung begangen hat bzw. welche Widersprüche angeblich bestehen.

Unabhängig davon prüft der Senat vorliegend nur, ob die Justizvollzugsanstalt gegenüber dem Verurteilten rechtswidrig gehandelt hat, nicht jedoch deren Vorgehen gegenüber anderen Gefangenen. Die Gründe für eine unterschiedliche Sachbehandlung können vielfältiger Natur sein und haben ihre Ursache nicht zwingend in einer widersprüchlichen Beweiswürdigung.

b) Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Hausordnung dem Verurteilten ausgehändigt oder sonst inhaltlich bekannt gemacht worden ist. Ihm wird nämlich kein Verstoß gegen Nummer 22 der Hausordnung vorgeworfen.

c) Nach Art. 88 Abs. 4 BayStVollzG genügt allein, dass dem Gefangenen Umstände bekannt sind, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten.

(1) Der Senat geht aufgrund der getroffenen Feststellungen davon aus, dass der Verurteilte wusste, dass sich in seinem Wasserkocher ein „Angesetzter“ befand. Der Vollzugsbeamte S. hatte den Geruch bereits auf dem Gang vor dem Haftraum des Verurteilten durch die geschlossene Türe deutlich wahrgenommen. Im Wasserkocher selbst befanden sich nach übereinstimmenden Angaben des Vollzugsbeamten S., des Inspektors im Justizvollzugsdienst G. und der Regierungsrätin L. Fruchtstücke im Gärungszustand, die Ursache eines eindeutigen Alkoholgeruches waren.

Es ist allgemein bekannt, dass sich bei gärendem Obst Alkohol bildet. Ferner ist allgemein bekannt, dass dieser Gärungsprozess außerhalb einer professionellen Produktion mit Kühlung und Destillation nicht kontrollierbar ist, weder im Hinblick darauf, welcher Alkoholgehalt erreicht wird und ob etwaige Alkoholvergiftungen drohen, noch ob dabei gefährliche Nebenprodukte wie das potentiell nervenschädigende Methanol entstehen.

Unabhängig davon führt der Konsum von Alkohol generell zu einer Steigerung des Aggressionspotentials mit der von der Justizvollzugsanstalt nachvollziehbar geschilderten und in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgetretenen Folge, dass Gefangene in der Zelle randalieren oder Schlägereien anzetteln, auch gegenüber Beamten, mit der Gefahr gravierender Körperverletzungen. Dazu verhält sich der Verurteilte nicht.

Die gegenteiligen Behauptungen des Verurteilten widersprechen jeglicher Lebenserfahrung und sind als reine Schutzbehauptungen zu werten. Sie widersprechen einer verständigen Würdigung in der Laiensphäre, die keine Kenntnis der genauen chemischen Prozesse erfordert.

(2) Unter vorgenannten Umständen stellt deshalb bereits die bloße Existenz von „Angesetztem“ in einem Haftraum eine nach Art. 88 Abs. 4 BayStVollzG meldepflichtige Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person dar. Auf eine konkrete Bestimmung der Alkoholkonzentration kommt es nicht an.

Das Oberlandesgericht München führt zwar in seinem Beschluss vom 1.4.2010 (Az.: 4 Ws 40/10 (R)) aus, dass erst dann, wenn zusätzlich Art, Menge und Wirkungsgehalt des im Haftraum aufgefundenen Rauschmittels bekannt seien (dort: selbst angesetzte alkoholhaltige Flüssigkeit), beurteilt werden könne, ob Disziplinarmaßnahmen wegen erheblicher Gefahren für die Gesundheit von Personen im Sinne des Art. 88 Abs. 4 BayStVollzG zu Recht verhängt worden seien. Erst dann lasse sich nämlich berechnen, in welchen Grad berauschten Zustands sich derjenige, der die Flüssigkeit trinke, versetzen könne und welche Gefahren dann von ihm ausgingen.

Bartel in Graf, BeckOK Strafvollzugsrecht Bund, § 82 Rn. 30 sowie Verrel in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. Abschn. M Rn. 17, folgen dem Oberlandesgericht München, jedoch jeweils ohne eigene Begründung.

Demgegenüber vertritt Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. § 82 Rn. 7, zu Recht die Auffassung, dass allein die Existenz von „Angesetztem“ in einem Haftraum eine Meldepflicht auslöst. Objektiv ist der Genuss von „Angesetztem“ je nach der Art der Herstellung und der verwendeten Zutaten konkret geeignet, die oben unter (1) beschriebenen Gefahren hervorzurufen.

Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass eine Alkoholgärung ohne Kühlung und Destillation ein in ihrer dynamischen Entwicklung generell gefährlicher unkontrollierter Vorgang ist, bei dem der zufällige Zeitpunkt eines behördlichen Eingreifens mit dem zu diesem Zeitpunkt zufällig erreichten Fortschritt des chemischen Prozesses nicht maßgeblich sein kann. Richtigerweise ist deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob eine die Meldepflicht auslösende Situation vorliegt, eine vorgenanntem Umstand Rechnung tragende „objektivierte“ ex-ante-Sicht vorzunehmen (vgl. Arloth/Krä, a.a.O.). Die vorerwähnte Steigerung des Aggressionspotentials nach Alkoholgenuss ist ohnehin unabhängig von einem bestimmten Alkoholwert.

d) Hinsichtlich der vom Verurteilten geäußerten Befürchtung von Repressalien durch Mitgefangene hat die Strafvollstreckungskammer ebenfalls zutreffende Ausführungen gemacht. Durch etwaige Repressalien wird der Pflichtenverstoß grundsätzlich nicht beseitigt (Harrendorf/Ullenbruch in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. Kap. 11 Abschn. B Rn. 9); die Vorschrift des Art. 88 Abs. 4 BayStVollzG liefe ansonsten weitgehend ins Leere. Hinsichtlich des Verurteilten sind auch gar keine konkreten Anhaltspunkte für eine etwaige Gefährdung ersichtlich; wie die Strafvollstreckungskammer detailliert begründet, gehört der Verurteilte nicht zur Gruppe tatsächlich gefährdeter Gefangener.

e) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darin, dass das Disziplinarverfahren gegen einen Mithäftling des Haftraumes nach dem Vorbringen des Verurteilten eingestellt worden sein soll. Bei dem „Tatobjekt“ handelte es sich nämlich um den eigenen Wasserkocher des Verurteilten, weshalb er in erhöhtem Maße zu einer Meldung verpflichtet war.

 

Strafvollzug I: Akten im Haftraum, oder Wie viele Akten sind erlaubt?

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Die 5. KW. eröffne ich heute mit zwei Entscheidungen zum Strafvollzug. Zunächst stelle ich den OLG Hamm, Beschl. v. 18.09.2018 – 1 Vollz (Ws) 406/18 – vor. Es geht um die Frage, wie viele (Verfahrens)Akten ein Strafgefangener im Haftraum verwahren kann/darf.

Der Betroffene verbüßt eine Freiheitsstrafe in der JVA Remscheid. Er hatte bei der JVA die Herausgabe von fünf Verfahrensakten zur Verwahrung in seinem Haftraum bantragt, was unter Bezugnahme auf eine Dienstanweisung aus dem Jahr 2012, nach der jeder Gefangene höchstens drei Aktenordner im Haftraum verwahren darf, hinsichtlich zweier Ordner abgelehnt wurde. JVA und StVK haben den Antrag zurückgewiesen. Dagegen die Rechtsbeschwerde.

Das OLG Hamm hat die zugelassen und den Beschluss der StVK aufgehoben. Es moniert eine nicht ausreichende Begründung der Entscheidung der StVK:

„…. Um eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen, müssen die von Amts wegen zu ermittelnden (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m § 244 Abs. 2 StPO) entscheidungserheblichen Tatsachen und die tragenden rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden. § 115 Abs. 1 S. 2 StVollzG bestimmt deshalb, dass der Sach- und Streitstand im Beschluss jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form darzustellen ist.

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss nicht. Denn ohne jegliche (wenn auch gestraffte) Feststellungen bzw. Ausführungen zu Zuschnitt und Ausstattung des Haftraumes des Betroffenen vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Strafvollstreckungskammer § 15 Abs. 2 StVollzG zutreffend angewandt hat. Nach dieser Vorschrift dürfen Gefangene ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. In Gewahrsam haben dürfen sie nur, was ihnen von der Anstalt oder mit deren Erlaubnis überlassen worden ist, aber keine Gegenstände, welche die Übersichtlichkeit des Haftraums behindern, eine unverhältnismäßige Überprüfung erfordern oder sonst die Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels gefährden können. Bei den Tatbestandsmerkmalen „angemessener      Umfang“, „Behinderung der Übersichtlichkeit“, „unverhältnismäßige Überprüfung“ u.s.w. handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren richtige Anwendung gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. OLG Hamm NStZ 1990, 151; Arloth, a.a.O., § 15 StVollzG NRW, Rn. 2 i.V.m. § 19 StVollzG, Rn. 10 m.w.N.).

Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, die Beschränkung des Besitzes von Verfahrensakten auf drei Ordner sei — auch im konkreten Fall des Betroffenen — zur Wahrung der Übersichtlichkeit des Haftraums gerechtfertigt. Sie trifft aber weder Feststellungen zu Größe, Zuschnitt und Ausstattung dieses Haftraums noch zu Art und Anzahl sonstiger Gegenstände im Gewahrsam des Betroffenen, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, inwiefern die Bewertung, der Besitz zweier weiterer Ordner behindere die Übersichtlichkeit des Haftraums tatsächlich soweit, dass er dem Betroffenen versagt werden müsste, gerechtfertigt erscheint. Allein die Existenz der in Bezug genommenen „Dienstanweisung“ rechtfertigt die vorgenommene Beschränkung nicht, zumal auch bei Vorliegen einer abstrakt generellen — als solcher nicht anfechtbaren (vgl. OLG Hamm NStZ 1985, 354; Arloth/Krä, § 109 StVollzG Rn. 10) Regelung — die Vollzugsbehörde grundsätzlich gleichwohl zu einer individuellen Ermessensentscheidung über eine beantragte Abweichung von der Regel im Einzelfall (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. April 2016 — 2 Ws 68/16 —, juris) verpflichtet bleibt. Hierzu fehlt es ebenfalls an Feststellungen. Soweit die Strafvollstreckungskammer ausführt, „Gründe, welche ein Absehen von der Verwaltungsvorschrift in dem konkreten Fall erfordern würden“, seien „nicht dargelegt“, ist vielmehr zu besorgen, dass sie in unzulässiger Weise ihr eigenes Ermessen anstelle desjenigen der Vollzugsbehörde gesetzt hat……“

Für die neue Entscheidung gibt es dann auch noch einen Hinweis:

„Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin. dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Besitz von zwanzig Büchern und fünf Leitzordnern als zulässig angesehen wurde (OLG Koblenz, NStZ 1981, 214 F), im Falle eines laufenden Strafverfahrens sogar der Besitz von neun Stehordnern mit Kopien der Verfahrensakten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.04.2002 – 3 Ws 10/02 -, juris).“

Unterhaltung in der Haft, oder: Wenn der Gefangene nur ein kleines Taschengeld bekommt

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Author Denis Barthel

Und auch die letzte Entscheidung ist nicht „Feld, Wald und Wiese“. Sie kommt aus dem Vollzugsrecht. Es geht um die Frage der Kostenbeteiligung eines Strafgefangenen für die Zurverfügungstellung von Unterhaltungselektronik in seinem Haftraum, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Der Antragsteller ist sehbehindert und Taschengeldempfänger nach § 43 Satz 1 NJVollzG. Er hat bei der JVA die Annahme und Aushändigung eines DVB-T2-Receivers beantragt und in seinem Antragsschreiben erklärt: „Die Überprüfungskosten betragen für das Gerät insgesamt 19,50 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen durch Überprüfung Gerät 7,50 €, Deaktivierung USB Anschluss 12,00 €.“ Die  JVA genehmigte dem Antragsteller das von ihm beantragte Gerät.

In dem Zusammenhang hatte der Antragsteller ein Formular unterschrieben, in dem es u.a. wie folgt lautet: „Hiermit beantrage ich durch den von der Anstalt beauftragten Fachhändler auf meine Kosten das Ausgießen der USB-, SD- u./o. MD-Schnittstelle des o.g. Gerätes.“ Der Gesamtkostenbeitrag ist in dem Formular mit 12 € angegeben. Zudem unterschrieb er Antragsteller einen Antrag auf Aushändigung eines Fernseh/- Elektrogerätes. In diesem Formular heißt es u.a.: „Ich bin darüber belehrt worden, dass ich das Gerät durch den Fachhandel auf eigene Kosten überprüfen lassen muss. Die Kosten hierfür belaufen sich auf insgesamt 7,50 € je Gerät. Darin enthalten ist ein Verwaltungskostenaufschlag in Höhe von 2,50 €.“

Am 22. März 2017 wurde dem Antragsteller das von ihm beantragte Gerät ausgehändigt. Ferner wurden ihm 19,50 € in Rechnung gestellt, die sich wie folgt zusammensetzen: 12 € für das Ausgießen der USB-Schnittstelle, 7,50 € für die Überprüfung des Gerätes durch den Fachhandel, wobei in diesem Betrag ein Verwaltungskostenaufschlag in Höhe von 2,50 € enthalten ist. Am 24. März 2017 wurde der Betrag von 19,50 € vom Hausgeldkonto des Antragstellers in Abzug gebracht.

Am 27. März 2017 beantragte der Antragsteller gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG und erklärte, er wende sich gegen die Gebühr in Höhe von 12 € für das Ausgießen des USB-Anschlusses, da diese Kosten vermeidbar gewesen wären, da das Ausgießen mit Klebstoff auch durch Bedienstete vorgenommen werden könne und es hierfür keines Fachhändlers bedürfe. Zudem wandet er sich gegen die Erhebung der Verwaltungsgebühr in Höhe von 2,50 €, da deren Berechtigung nicht nachvollziehbar sei. Ferner führt der Antragsteller an, er sei unverschuldet bedürftig, weshalb nach § 52 Abs. 5 NJVollzG von einer Kostenbeteiligung abzusehen sei. Er beantragt festzustellen, dass die Erhebung der Verwaltungsgebühr rechtswidrig sei, hilfsweise, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, neu über die Erhebung zu entscheiden und den Beitrag zu erstatten.

Der Antragsteller hat mit seinem Rechtsmittel bei der JVA und auch bei der StVK kein Glück. Das OLG Celle verweist dann im OLG Celle, Beschl. v. 07.12.2017 – 3 Ws 559/17 (StrVollz) – zurück:

b) Die Rechtsgrundlage für die Beteiligung des Antragstellers an den Kosten für die Zurverfügungstellung von Informationselektronik in Haft findet sich in § 52 Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 6 NJVollzG. Danach kann die Vollzugsbehörde Gefangene an den Kosten des Landes für sonstige Leistungen durch Erhebung von Kostenbeiträgen in angemessener Höhe beteiligen, insbesondere für die Überlassung von Geräten der Unterhaltung- und Informationselektronik. Nach § 52 Abs. 3 Satz 3 ist die Erhebung von Kostenbeiträgen allerdings ausgeschlossen für die Überlassung von Hörfunk-und Fernsehgeräten, wenn die oder der Gefangene auf diese Geräte verwiesen wurde und soweit hierdurch eine angemessene Grundversorgung mit Hörfunk-und Fernsehempfang sichergestellt wird. Darüber hinaus sieht § 52 Abs. 5 Satz 2 NJVollzG vor, dass für Zeiten, in denen die oder der Gefangene unverschuldet bedürftig ist, von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden soll. …..

bb) Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin den Antrag auf Nutzung eines DVB-T2-Receivers durch den Antragsteller bewilligt hat. Die Sachverhaltsermittlung ist insoweit lückenhaft. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller sehbehindert ist und angibt, deshalb auf einen digitalen Empfang, den das Gerät ermöglicht, angewiesen zu sein, könnte der DVB-T2-Receiver seiner Grundversorgung mit Informationen dienen. Wenn aber die Bewilligung des DVB-T2 Receivers für den Antragsteller eine angemessene Grundversorgung mit einem Hörfunk- und Fernsehempfang sicherstellen würde, würde dies nach § 52 Abs. 3 Satz 3 NJVollzG die Erhebung von Kostenbeiträgen ausschließen.

cc) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die angefochtene Entscheidung § 52 Abs. 5 Satz 2 NJVollzG außer Acht lässt. Danach soll für Zeiten, in denen die oder der Gefangene unverschuldet bedürftig ist, von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden.

Der Antragsteller ist unverschuldet bedürftig. Der Antragsteller ist Taschengeldempfänger. Voraussetzung für die Gewährung eines angemessenen Taschengeldes ist nach § 43 NJVollzG, dass ein Gefangener unverschuldet bedürftig ist. Mit der Feststellung des angefochtenen Beschlusses, dass der Antragsteller Taschengeldempfänger ist, steht gleichzeitig damit fest, dass er unverschuldet bedürftig ist.

Die Gewährung von Taschengeld lässt die Bedürftigkeit nicht entfallen. Die Gewährung von Taschengeld ist Rechtsfolge der Feststellung der unverschuldeten Bedürftigkeit. Tritt diese Rechtsfolge ein, entfällt damit nicht das tatbestandliche Vorliegen der Bedürftigkeit. Vielmehr setzt die fortlaufende Gewährung von Taschengeld weiterhin die unverschuldete Bedürftigkeit tatbestandlich voraus.

Zwar ist in Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (VV StVollzG) zu § 69 StVollzG ausdrücklich vorgesehen, dass die Kosten für die Überprüfung eines Geräts durch die Gefangenen aus ihrem Taschengeld bestritten werden können. § 69 StVollzG kennt einen Ausnahmetatbestand für unverschuldet bedürftige Gefangene nicht und lässt somit Raum dafür, dass Kostenbeiträge auch aus dem Taschengeld finanziert werden können. Die Regelung in § 52 Abs. 5 S. 2 NJVollzG geht dem jedoch vor, da insoweit wie ausgeführt Landesrecht und nicht Bundesrecht gilt und eine vom Gesetz abweichende Rechtsfolge durch Verwaltungsvorschriften nicht angeordnet werden kann.“

Strafvollzug II: „Gefährliche Lampe“, oder: Morsen mit einer LED-Lampe?

entnommen wikimedia.org
Author Chlempi

In der zweiten „Strafvollzugsentscheidung“ geht es um die Ausstattung des Haftraums eines Gefangenen, der in der JVA Tegel eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt. Der Gefangene hat mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Aushändigung einer von ihm im Versandhandel erworbenen LED-Lampe der Marke beantragt. Hintergrund seines Antrags ist,  „dass er in der JVA Tegel einem Studium … nachgehe und dass die in seinem Haftraum festinstallierte Leuchtstoffröhrenbeleuchtung bei ihm – er ist Brillenträger – insbesondere in der dunklen Jahreszeit zu Konzentrationsschwäche und Kopfschmerzen führe. Die genannte Lampe, die er im letzten Jahr für 60 Euro bei Amazon bestellt habe, zeichne sich dadurch aus, dass sie per Fernbedienung einen Raum in unterschiedlichen Farben ausleuchten könne. Zudem könne der Wechsel der Farben sowie der Intensität der Farbspiele gesteuert werden. Nach der Produktbeschreibung könne zwischen 256 verschiedenen Farben gewählt werden. Allerdings eigne sie sich bei einer Lichtleistung von zehn Watt oder 210 Lumen nicht als Leselampe.“

Es geht dann ein wenig hin und her. Jedenfalls wird dem Gefangenen die Lampe von der JVA nicht ausgehändigt. Begründung der Vollzugsbehörde bei der StVK u.a.: „…….. Vor allem stünden Gründe der Sicherheit und Ordnung der Anstalt einer Genehmigung entgegen. Ein Betrieb der Lampe würde dazu führen, dass die Hafträume auch nach außen in unterschiedlichen, individuell gestalteten Farben erschienen. Dies würde das Gesamterscheinungsbild der Anstalt verändern. Vor allem aber könnten auf diese Weise, also über Farbcodierungen, Nachrichten zwischen den Insassen und gegebenenfalls auch nach außerhalb der Anstalt ausgetauscht werden und als Signale dienen. Zudem wären Brände gegebenenfalls schwerer zu erkennen.“

Das KG macht das im KG, Beschl. v. 12.06.2017 – 2 Ws 46/17 Vollz – so nicht mit und nimmt u.a. wie folgt Stellung:

„Die Begründung der Entscheidung ist im Übrigen nicht frei von spekulativen und unlogischen Argumenten. So ist z.B. nicht ersichtlich weshalb eine Lampe, die 256 verschiedene Farbtöne abstrahlen kann (vermutlich nacheinander), zum Morsen besser geeignet sein soll als eine Lampe, die nur weißes Licht abstrahlt, obwohl das Morsealphabet neben Pausen nur kurze und langen Signale kennt. Solche Signale sind im Übrigen auch durch das Betätigen der normalen Haftraumbeleuchtung zu erzeugen.

Was die Sorge angeht, die Lampe könne zu fehlerhaften Brandalarmen führen, fehlt es zum einen an Darlegungen dazu, wie in der JVA Tegel der Brandschutz organisiert ist und zum anderen auch dazu, ob es irgendwelche Anhaltspunkte dafür gibt, dass vergleichbare Beleuchtungseinrichtungen schon entsprechende Probleme beim Brandschutz hervorgerufen haben. Besonders naheliegend erscheint dies dem unbefangenen Betrachter jedenfalls nicht.2

Und der Leitsatz der Entscheidung:

„Die Ausstattung eines Haftraums mit einer Lampe ist durch § 52 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln gedeckt; auch eine mehrfarbig abstrahlende Lampe ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch grundsätzlich kein gefährlicher Gegenstand.“

Als Nichtraucher mit zwei Rauchern in der Haftzelle; dafür gibt es 500 €

entnommen wikimedia.org Urheber ??? ??????

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Urheber ??? ??????

Das LG Schwerin, Urt.v. 04.05.2015 – 4 O 165/15 – sorry, leider jetzt erst gefunden – wird auf ein geteiltes Echo treffen. Es geht um Schadensersatz für einen Nichtraucher. D.h.: Die Entscheidung wird Nichtraucher freuen, die Raucher werden nicht so begeistert sein. Um keinen zu verprellen, halte ich dann mal lieber den Mund und stelle die Entscheidung nur vor.

Das Urteil schließt ein Verfahren ab, das schon länger läuft. Der Kläger befand sich vor seiner strafrechtlichen Verurteilung in der Zeit vom 27.02.2010 bis zum 12.04.2011 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stralsund. Er hatte am Aufnahmetag und auch danach darauf hingewiesen, dass er Nichtraucher ist und aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mit Rauchern in eine Zelle gelegt werden wolle. Gleichwohl wurde er vom 27.02.2010 bis zum 03.03.2010 in einem 3-Personen-Haftraum zusammen mit zwei rauchenden Mitgefangenen untergebracht. Bei den Mitgefangenen handelte es sich um starke Raucher, die auch während der Nacht mehrmals geraucht haben. Trotz Lüftung durch Öffnen des Fensters – soweit möglich – war ein ständiger Rauchgeruch vorhanden und der Kläger war nach der ersten Nacht wegen Beschwerden in ärztlicher Behandlung. Der Kläger hatte dann beim LG Stralsund einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und die Feststellung begehrt, dass die „Zulassung der Zufügung von körperlichen Schmerzen durch gesundheitsgefährdende Stoffe“ rechtswidrig gewesen sei. Die Sache ist dann bis zum BVerfG gegangen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.10.2012 – 2 BvR 737/11 und Nichtraucherschutz auch in der U-Haft). Letztlich hat dann das LG Stralsund hat mit Beschluss vom 17.12.2013 festgestellt, dass die Unterbringung des Klägers mit zwei rauchenden Gefangenen vom 27.02.2010 bis zum 03.03.2010 rechtswidrig gewesen ist.

Und dafür gibt es jetzt 500,– € Schadensersatz:

Zum Anspruchsgrund:

„- Das Vorliegen einer rechtswidrigen Verletzung von Amtspflichten ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Landgerichts Stralsund mit Beschluss vom 17.12.2013 ( Anlage K 2), denn die Feststellung der Rechtswidrigkeit entfaltet für den Amtshaftungsprozess bindende Wirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2006, AZ: III ZB 89/05; juris).

– Diese Amtspflichtverletzung ist auch als schuldhaft anzusehen, denn die vom beklagten Land vorgetragenen Umstände – die zudem vom Kläger bestritten worden sind – rechtfertigen die von den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt getroffene Unterbringungsentscheidung nicht, auch nicht für einen Zeitraum von fünf Tagen. Das beklagte Land hat durch hinreichende Organisationsmaßnahmen, so u.a. durch eine ausreichende Anzahl von Hafträumen und ausreichendes Personal sicherzustellen, dass die – wie vom beklagten Land angeführt – besonderen Haftvorgaben und -bedingungen sowie Haftzwecke sowohl für die Vollzugshäftlinge als auch für die Untersuchungshäftlinge gewährleistet und durchgesetzt werden können, ohne dass damit eine Beeinträchtigung des Schutzes des Häftlings vor einer gesundheitlichen Gefährdung und eine nicht nur unerhebliche Belästigung durch das Rauchen von Mithäftlingen verbunden ist.“

Und zur Anspruchshöhe:

– Der Kläger ist unfreiwillig als Nichtraucher dem Rauch zweier stark rauchender Mithäftlinge auf engstem Raum – sowohl tagsüber als auch nachts – ausgesetzt gewesen, wobei es trotz Lüftung zu einer starken Rauchentwicklung im Haftraum gekommen ist. Der Kläger war damit für fünf Tage durch dieses unfreiwillige „Passivrauchen“ einer nicht ausschließbaren Gesundheitsgefährdung ausgesetzt.

– Es ist beim Kläger auch zum Auftreten von Kopfschmerzen gekommen. Allerdings ist – soweit der Kläger diese mit „stark“ angibt – eine über das mit Kopfschmerzen in der Regel verbundene allgemeine Unwohlsein hinausgehende Intensität sowie die Dauer und Form einer damit ggf. verbundenen starken Lebensbeeinträchtigung mangels Darlegung hinreichend konkreter und objektivierbarer Beschwerdeumstände nicht feststellbar.

– Den hierzu erfolgten Beweisangeboten des Kläger war insoweit auch nicht nachzugehen. Weder für die Beiziehung der Gefangenenakte noch für die Vernehmung der angebotenen Zeugen lagen hinreichende Anknüpfungstatsachen vor. Sie waren vielmehr auf Ausforschung gerichtet und daher unzulässig, zumal es auch nicht Aufgabe des Gerichts ist, sich aus einer Akte die maßgebenden Umstände herauszusuchen. Ebenfalls war auch der Kläger nicht als Partei zu vernehmen, da weder das beklagte Land dieser zugestimmt hat, noch die Voraussetzungen des § 448 ZPO vorlagen.

– Der Kläger befand sich wegen dieser Beschwerden nach der ersten Nacht in ärztlicher Behandlung. Weitere Behandlungen haben erkennbar nicht stattgefunden.

– Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass es zu weiteren erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen gekommen ist. Soweit der Kläger das Auftreten von „Atembeschwerden“ behauptet ist mangels hinreichend konkreter Angaben zu den tatsächlichen Beschwerdeumständen (Form, Intensität, Zeit, Dauer) nicht von einer damit verbundenen erheblichen Lebensbeeinträchtigung auszugehen……

– Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung erst durch ein langwieriges Verfahren über mehrere Instanzen erreichen konnte sowie dass dem Kläger gegenüber – erkennbar – zum damaligen Zeitpunkt für die getroffenen Unterbringungsentscheidung keinerlei Begründung/Erklärungen abgegeben worden sind.

– Einzubeziehen ist auch der Umstand, dass der Entscheidung der Bediensteten der Justizvollzugsanstalt – erkennbar – kein schikanöses Verhalten zugrunde gelegen hat. Das beklagte Land hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher besonderer Umstände es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Dies lässt die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zwar nicht entfallen, gleichwohl ist dies bei der Bemessung der Höhe einer möglichen Entschädigung zu berücksichtigen.

– Zu berücksichtigen ist zudem, dass es über die fünf Tage hinaus zu keinen weiteren körperlichen Beeinträchtigungen und insbesondere auch zu keinen dauerhaften Gesundheitsschäden gekommen ist.

– Auch handelt es sich bei den fünf Tagen, in denen der Kläger der erheblichen Rauchentwicklung durch die stark rauchenden Mitgefangenen ausgesetzt war, um einen relativ begrenzten Zeitraum.“