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Verkehrsrecht II: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Richtige Annahme des Grenzwertes von 1,1 ‰ ?

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Im zweiten Posting dann noch einmal etwas vom BGH zur Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter.

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)  verurteilt und eine isolierte Sperre für die Fahrerlaubnis erteilt. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte einen E-Scooter „der Marke Ancheer“ im Rahmen einer „Probefahrt“ auf einem öffentlichen Geh- und Radweg. Eine ihm 75 Minuten nach Fahrtende entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,29 ‰.

Der BGH hat mit dem BGH, Beschl. v. 13.04.2023 – 4 StR 439/22 – die Revision des Angeklagten verworfen. Dieser habe ein Kraftfahrzeug geführt, für das der Grenzwert von 1,1 ‰ gelte:

„Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) im Fall II.2. der Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte den zuvor entwendeten „E-Scooter der Marke Ancheer“ im Rahmen einer „Probefahrt“ auf einem öffentlichen Geh- und Radweg. Eine ihm ungefähr 75 Minuten nach Fahrtende entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,29 ‰. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht allein aus diesem Wert, der mangels eines Nachtrunks auch für den Fahrtzeitraum mindestens zugrunde gelegt werden konnte, auf die – absolute – Fahruntüchtigkeit des Angeklagten geschlossen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt der Grenzwert, von dem an eine absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich indiziert ist, für alle Kraftfahrer (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89, 99 mwN), insbesondere auch für Fahrer von Krafträdern (BGH, Beschluss vom 14. März 1969 – 4 StR 183/68, BGHSt 22, 352, 360) einschließlich Fahrräder mit Hilfsmotor (Mofa) (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1981 – 4 StR 262/81, BGHSt 30, 251, 254). Ob an dieser pauschalen Betrachtung auch mit Blick auf die neu aufgekommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge festgehalten werden kann, hat der Senat bisher offengelassen (BGH, Beschluss vom 2. März 2021 – 4 StR 366/20, NStZ 2021, 608).

Die Frage, die das Landgericht im Anschluss an die soweit ersichtlich einhellige obergerichtliche Rechtsprechung (KG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2022 – (3) 121 Ss 40/22 (13/22); KG Berlin, Urteil vom 10. Mai 2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21), juris Rn. 16 ff.; OLG Hamburg, Urteil vom 16. März 2022 – 9 Rev 2/22, BeckRS 2022, 10351 Rn. 19; BayObLG, Beschluss vom 24. Juli 2020 ? 205 StRR 216/20) bejaht hat, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen handelte es sich bei dem vom Angeklagten geführten „E-Scooter“ nicht um ein Elektrokleinstfahrzeug. Dies ergibt sich, ohne dass es weiterer Feststellungen zu der technischen Beschaffenheit des Fahrzeugs bedurft hätte, bereits daraus, dass dieses eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte, wohingegen Elektrokleinstfahrzeuge gemäß § 1 Abs. 1 eKFV nur solche Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb sind, deren bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h beträgt. Da das Fahrzeug ausweislich der im Urteil in Bezug genommenen Lichtbilder keine Pedale aufwies, scheidet auch seine Klassifizierung als sog. „Pedelec“ und damit als Fahrrad des Straßenverkehrszulassungsrechts (§ 63a Abs. 2 StVZO) aus.

Im Ergebnis ist daher zweifelsfrei belegt, dass der Angeklagte ein Kraftfahrzeug führte, für das der Grenzwert von 1,1 ‰ Geltung beansprucht, und angesichts seiner festgestellten Blutalkoholkonzentration daher fahruntüchtig war.“

Dazu gibt es übrigens demnächst eine interessante Anmerkung des Kollegen Prof. RiLG. Dr. H. Neuhaus im VRR bzw. StRR. Lesenswert. Der Kollege wendet sich gegen die „automatische“ Erstreckung des Gutachtens des Bundesgesundheitsamts von 1966 auf den E-Scooter. Entscheidend für die Geltung der unwiderlegbaren Vermutung der Fahrunsicherheit ab 1,1 ‰ sei nicht, ob der Gesetz- oder Verordnungsgeber ein Fahrzeug als „Kraftfahrzeug“ einordne, sondern ob naturwissenschaftlich-medizinisches Erfahrungswissen darüber vorhanden sei, dass Führer solcher „neuen“ Fahrzeuge ab dieser Grenze absolut fahruntüchtig sind – gemessen an den Anforderungen, die an das sichere Führen solcher Fahrzeuge nach den für sie geltenden Regeln im Straßenverkehr zu stellen sind. Die Praxis prüfe das aber nicht…..

Verkehrsrecht II: Angetrunken auf dem E-Scooter, oder: Trunkenheitsfahrt?

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um das KG, Urt. v. 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21). Auch hier stelle ich nur den Leitsatz vor, da es sich um eine bekannte Problematik handelt, zu der das KG Stellung nimmt.

Gegenstand des Verfahrens ist nämlich eine Trunkenheitsfahrt mit einem sog. E-Scooter. Das KG sagt – in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung der Obergerichte – § 316 StGB ist anwendbar. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

    1. Auch bei einem Fahrzeugführer eines Elektrokleinstfahrzeugs (hier sog. Elektroscooters) ist davon auszugehen, dass er ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ (absolut) fahruntauglich im Sinne von §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 316 Abs. 1 StGB ist.
    2. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist dem Tatgericht ein weites Ermessen eingeräumt. Aufwendungen für die Berufsausbildung können, müssen aber nicht zwingend berücksichtigt werden.

Das KG äußert sich übrigens auch zum BGH, Beschl. v. 02.03.2021 – 4 StR 366/20:

„Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 2. März 2021 (- 4 StR 366/20 -, juris), von dessen Existenz das Amtsgericht keine Kenntnis haben konnte, nicht entgegen. Denn abweichend von den vorliegenden Feststellungen enthielten die dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung gestellten Urteilsgründe nicht die erforderlichen Feststellungen zur fahrzeugtechnischen Einordnung des bei den Fahrten verwendeten Elektrorollers. Soweit für den vorliegenden Fall von Belang, wird lediglich dargelegt, dass der Angeklagte u.a. mehrere Fahrten alkoholisiert – in zwei Fällen lag die BAK höher als 1,1, ‰ – mit einem Elektroroller „Sunny E-Bike“ unternommen habe. Dieser Roller habe über ein Versicherungskennzeichen verfügt und ohne Muskelkraft eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h erreichen können. Allein daraus lassen sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes noch keine hinreichend präzisen Schlüsse auf die rechtliche Einordnung des geführten Fahrzeugs ziehen. Zudem geht aus den der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen – anders als im vorliegenden Fall – noch nicht einmal hervor, ob es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV oder um ein E-Bike und damit um ein Leichtmofa im Sinne der Leichtmofaausnahmeverordnung (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 2 FZV Rdn. 14)  gehandelt hat.“

Und so dann auch der KG, Beschl. v. 31.05.2022 – 3 Ss 13/22 – mit den Leitsätzen:

1. Der für Führer von Kraftfahrzeugen anerkannte so genannte Beweisgrenzwert, ab dem die alkoholbedingte Fahrunsicherheit unwiderleglich („absolut“) besteht, gilt auch für Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, namentlich für Nutzer von E-Scootern.
2. Bei einem Regelfall kann die sonst erforderliche Gesamtabwägung der für oder gegen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sprechenden Umstände unterbleiben, und die tatrichterliche Prüfung kann sich darauf beschränken, ob ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die der Katalogtat die Indizwirkung nehmen könnten.
3. Auch gegen einen alkoholbedingt fahrunsicheren Fahrer eines E-Scooters können die Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet werden.

 

Strafzumessung III: Grenzwertüberschreitung bei BtM, oder: Judex non calculat

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Und zum Tagesschluss stelle ich dann noch den BGH, Beschl. v. 17.05.2022 – 6 StR 182/22 – vor. Das LG hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.

„Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat dem Angeklagten im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen bestimmend angelastet, dass der Wirkstoffgehalt des zum Handel bestimmten Kokains mit 112,29 g Kokainhydrochlorid den Grenzwert zur nicht geringen Menge „um mehr als das 120-Fache überschritten“ habe. Der Generalbundesanwalt weist hierzu jedoch zutreffend darauf hin, dass der Wirkstoffgehalt der Handelsmenge bei richtiger Berechnung lediglich etwas mehr als das 22-Fache des für Kokain geltenden Grenzwerts betrug. Angesichts dieses signifikant überhöhten Ansatzes kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei korrekter Bewertung eine geringere Strafe verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 5 StR 239/14)….“

tja, judex non calculat 🙂

Grenzwert beim bedeutenden Fremdschaden, oder: In Berlin bleibt es bei 1.500 EUR

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Diese zweiten Feiertage sind immer ein Problem 🙂 . Was soll man bringen? Ist nicht so richtig Sonntag aber auch nicht so richtig Arbeitstag, daher ist es schwierig. Ich hatte erst an einer Ranking der 10 besten Verschwörungstheorien gedacht, dass lasse ich aber mal lieber 🙂 , das/die muss man nicht auch noch verbreiten. Die Wahl ist dann auf Verkehrsrecht gefallen, das passt immer.

Und da bringe ich zunächst den LG Berlin, Beschl. v. 26.02.2020 – 501 Qs 18/20 – zur (Anhebung) der Grenze beim bedeutenden Fremdschaden. Das LG Berlin hat in dem Beschluss schon vor der Veröffentlichung des BayObLG, Beschl. v. 17.12.2019 – 204 StR 204/19 (vgl. hier bei Außer der Reihe: Grenzwert für bedeutenden Schaden beim BayObLG, oder: Jedenfalls bei 1.903,89 EUR) die Auffassung vertreten: Wir lassen mal alles schön bei den von uns schon länger angenommenen 1.500 EUR:

„Es liegt nach Aktenlage auch ein bedeutender Fremdschaden i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor. Soweit die Beschwerdebegründung unter Hinweis auf den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth — 5 Qs 23/18 — vom 4. Juni 2018 einwendet, es bestehe insoweit kein dringender Tatverdacht, weil die Grenze für einen bedeutenden Fremdschaden teilweise erst bei 2.500 Euro gesehen werde, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar trifft es zu, dass bei der Beurteilung, ob ein bedeutender Fremdschaden vorliegt, die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben darf. In Anbetracht des Umstandes, dass sich das Landgericht Nürnberg-Fürth bei der Bestimmung der Wertgrenze lediglich „an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert“ hat (Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 28. August 2018 — 5 Qs 58/18 —, Rn.10, zitiert nach juris) und in der jüngeren Rechtsprechung eine Anpassung der Wertgrenze von 1.300 Euro auf jedenfalls 1.500 Euro (vgl. Landgericht Magdeburg, Beschluss vom 19. Juni 2019 ¬26 Qs 15/19 —; Landgericht Dresden, Beschluss vom 7. Mai 2019 — 3 Qs 29/19 —; Amtsgericht Tiergarten, Beschluss vom 15. Mai 2015 — 288 Gs 48715 —) und vereinzelt auf 1.600 Euro (vgl. Landgericht Hanau, Beschluss vom 26. März 2019 — 4b Qs 26/19 —) vorgenommen wird, sieht die Kammer, die die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB in ihrem Beschluss vom 18. Oktober 2018 — 501 Qs 80/18 — bei einem Fremdschaden von 1.500 Euro bejaht hat, auch nach der Änderung des § 44 Abs. 1 StGB und unter Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes keine Veranlassung, eine derart großzügige Anpassung der Wertgrenze vorzunehmen. Ausweislich des vorliegenden Haftpflichtgutachtens betragen die Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer 1.615,99 Euro, so dass die Wertgrenze des bedeutenden Schadens in Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB — selbst wenn man eine Wertgrenze von 1.600 Euro zugrundelegt — überschritten ist.“

Da wird sich in Berlin also jetzt erst recht nichts bewegen.

Außer der Reihe: Grenzwert für bedeutenden Schaden beim BayObLG, oder: Jedenfalls bei 1.903,89 EUR

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Ich hatte in der letzten Zeit ja einige Entscheidungen zum Grenzwert beim bedeutenden Schaden (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB) vorgestellt. Gestern erst die falsche vom LG Darmstadt mit 1.300 EUR und dann neulich zwei des LG Nürnberg-Fürth, das die Grenze bei 2.500 EUR zieht.

Heute habe ich nun vom BayObLG den BayObLG, Beschl. v. 17.12.2019 – 204 StR 204/19 – erhalten, in dem über die Frage entschieden ist. Na ja wie OLGs eben so sind – so richtig auch nicht. Man zieht keine klare Grenze, sondern sagt: Fremdschaden für Reparaturkosten in Höhe von 1.903,89 € ist  jedenfalls ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB dar, so dass ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegt; 2.500 EUR ist zu hoch:

„2. Die Revision ist unbegründet, denn das Amtsgericht hat die Maßregelanordnung rechtsfehlerfrei darauf gestützt, dass der bei dem Unfall verursachte Fremdschaden in Höhe von 1.903,89 € netto einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB darstellt, so dass ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegt.

a) Der Schadensbegriff des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nach dem Normzweck des § 142 StGB zu bestimmen, der dem Interesse der Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zur Klarstellung der privatrechtlichen Verantwortlichkeit und damit an der Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche dient (BGH, NStZ 2011, 215, juris Rn. 9 m.w.N.). Ob ein „bedeutender Schaden“ vorliegt, bemisst sich somit alleine nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (OLG Hamm, NZV 2011, 356, juris Rn. 9 m.w.N.; StRR 2015, 112, juris Rn. 12; OLG Stuttgart, StRR 2018. Nr. 9, 22, juris Rn. 30). Das ist der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (BGH, NStZ 2011, 215, juris Rn. 9 m.w.N.).

b) Die Frage, welche Schadenspositionen dabei außer den Reparaturkosten zu berücksichtigen sind, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt, kann aber dahinstehen, da vorliegend allein die Reparaturkosten von 1.903,89 € ohne Mehrwertsteuer schon einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB darstellen.

aa) Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, für den Umfang des bedeutenden Schadens starre Schadensgrenzen festzulegen. Es handelt sich vielmehr um eine veränderliche Grenze, die als solche abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung ist (OLG Stuttgart, StRR 2018, Nr. 9, 22, juris Rn. 30).

(1)     Seit dem Jahr 2002 wird in gefestigter Rechtsprechung auch der Oberlandesgerichte die Wertgrenze, ab der von einem bedeutenden Schaden auszugehen ist, bei etwa 1.300 € gezogen (vgl. OLG Dresden, NJW 2005, 2633, juris Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013 – III-3 Ws 225/13, juris Rn. 6; OLG Hamburg, ZfS 2007, 409, juris Rn. 19; OLG Hamm, NZV 2011, 356 juris Rn. 9; Thüringer OLG, NStZ-RR 2005, 183, juris Rn. 5; LG Berlin, NStZ-RR 2007, 281, juris Rn. 9; LG Heidelberg, Beschluss vom 13.02.2006 – 2 Qs 9/06, juris Rn. 4; LG Paderborn, ZfS 2006, 112, juris Rn. 8; LG Wuppertal, DAR 2007, 660 juris Rn. 3; s.a. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 69 Rn 29; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl., § 69, Rn. 85; MüKo-StGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl., § 69 Rn. 71; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 69 Rn. 7; Dölling/ Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 69 StGB Rn. 8, jeweils mit einer Vielzahl weiterer Nachweise; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl., § 69 StGB Rn. 27: mindestens 1.300 €). Zum Teil wird diese Wertgrenze auch noch in jüngerer Zeit vertreten (vgl. OLG Hamm, StRR 2015, 112 juris Rn. 12; LG Mühlhausen, Beschluss vom 28.12. 2015 – 3 Qs 212/15, juris Rn. 27; LG Schwerin, Beschluss vom 21.10.2015 – 32 Qs 56/15, juris Rn. 4; AG Linz, DAR 2018, 41, juris Rn. 28).

(2)     Eine zunehmende Zahl von Beschwerde- und Berufungsgerichten nimmt jedoch inzwischen mit Rücksicht auf die allgemeinen Preissteigerungen einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erst bei höheren Beträgen an und hält es aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung unter Berufung auf den Verbraucherindex für angebracht, die Schadensgrenze erst bei 1.400,00 € (LG Frankfurt, StV 2009, 649, juris Rn. 11 und 23) bzw. 1.500 € beginnen zu lassen (vgl. etwa LG Braunschweig, DAR 2016, 596, juris Rn. 18; LG Dresden, DAR 2019, 527, juris Rn. 11 f.; LG Hamburg, VRR 2007, 403, juris Rn. 3, und DAR 2008, 219, juris Rn. 8; LG Lübeck, DV 2014, 130, juris Rn. 2; LG Offenburg, DV 2018, 85, juris Rn. 10; wohl auch AG Tiergarten, ZfS 2015, 589, juris Rn. 5; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl.., § 69 Rn. 39 m.w.N.; weitere Nachweise zur Amts- und landgerichtlichen Rspr. bei Weiland in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 69 StGB, Rn. 53; zustimmend NK-StGB/Martin Böse, 5. Aufl., § 69 Rn. 13).

(3)     Vereinzelt wird die Wertgrenze in der jüngsten Rechtsprechung auch noch höher angesetzt, etwa auf 1.600,00 € (so LG Hanau, DV 2019, 68, juris Rn. 7; AG Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2017 – 203 Cs 66 Js 36037/17 jug, juris Rn. 19 ff.; offen gelassen von OLG Stuttgart, StRR 2018, Nr. 9, 22, juris Rn. 30), da nach dem aktuell geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland mit dem Basisjahr 2010 der Wert von 1.300 € aus dem Jahre 2002 unter Zugrundelegung einer Preissteigungsrate von 25,73 % bis zum Jahr 2018 auf 1.634,49 € gestiegen sei (LG Hanau, a.a.O. juris Rn. 9).

(4)     In erheblichem Maße hiervon abweichend sprechen sich das Landgericht Nürnberg-Fürth, das schon seit dem Jahr 2008 eine Wertgrenze von 1.800 € für zutreffend hielt (Beschluss vom 11.04.2008 – 5 Qs 61/08 [unveröffentlicht]), ebenso wie bereits seit längerem das Landgericht Landshut nunmehr für deren Anhebung auf 2.500 € aus (Landgericht Nürnberg-Fürth, VD 2018, 276, juris Rn. 10, und StRR 2019, Nr. 1, 4, juris Rn. 7; LG Landshut, DAR 2013, 588, juris Rn. 9). Das Landgericht Landshut stellt etwa darauf ab, dass sich bei PKWs die Grenze zum bedeutenden Schaden im Sinne § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB infolge dort erheblich gestiegener Reparaturkosten und infolge bei den neuen Konstruktionen nicht immer oder insgesamt nach außen sichtbaren Schadensbildern erhöht hat. Zur einfacheren Abgrenzung der Bedeutungsschwere, die auch in die für den Täter erforderliche Erkennbarkeit der Schadenshöhe einfließt, könne deshalb die Grenze zum bedeutenden Schaden nunmehr bei circa 2.500 € für den PKW angesetzt werden, was aber keinen pauschalen Grenzwert darstelle und insbesondere eine Einzelfallbetrachtung nicht entbehrlich mache (LG Landshut, DAR 2013, 588, juris Rn. 9; zustimmend NK-StGB/Martin Böse, a.a.O., § 69 Rn. 13; MüKo-StVR/Kretschmer, 1. Aufl., § 69 StGB Rn. 49; als wenig überzeugend ablehnend Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, a.a.O., § 69 StGB Rn. 27).

(5)     Für eine Anhebung könnte sprechen, dass es sich bei der Wertgrenze für das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB grundsätzlich um eine veränderliche Größe handelt, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkommen abhängig ist. Hierbei mag die Orientierung an dem jährlich vom Statistischen Bundesamt berechneten und veröffentlichten Verbraucherindex ein Anhaltspunkt zu sein, um die Bestimmung vorzunehmen. Dies kann jedoch nicht allein ausschlaggebend sein, da ansonsten die Wertgrenze des bedeutenden Schadens jährlich oder in sogar noch kürzeren Zeiträumen jeweils neu festgesetzt werden müsste. Es verbietet sich daher eine schematische Anwendung. Vielmehr bedarf es der Betrachtung einer Mehrzahl von Kriterien, um die Annahme eines bedeutenden Schadens feststellen zu können. Insbesondere darf, da Rechtsgut der Vorschrift des § 142 StGB die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche ist, die allgemeine Einkommensentwicklung nicht außer Acht gelassen werden (OLG Stuttgart, StRR 2018, Nr. 9, 22, juris Rn. 30; MüKo-StGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, a.a.O., § 69 Rn. 71 m.w.N.). Weiter ist bei der Festsetzung der Grenze des bedeutenden Schadens die Relation innerhalb der Regelbeispiele des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, NZV 1991, 237, 238). Insgesamt ist zu beachten, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, eine Anhebung der Wertgrenze nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht komme (vgl. BGH, NStZ 2011, 215, juris Rn. 11 zur Wertgrenze des § 315b Abs. 1 StGB; OLG Stuttgart, StRR 2018, Nr. 9, 22, juris Rn. 30 zu § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB).

bb) Der vorliegende Fall gibt indes keinen Anlass, diese Frage abschließend zu entscheiden und eine neue Wertgrenze konkret festzulegen.

Der vorliegende Fremdschaden von 1.903,89 € (ohne Mehrwertsteuer) überschreitet sowohl die seit dem Jahr 2002 in gefestigter Rechtsprechung angenommene Wertgrenze von 1.300 € als auch die neuerdings von zahlreichen Land- und Amtsgerichten sowie beachtlichen Stimmen der Kommentarliteratur befürwortete Wertgrenze von 1.500 € erheblich und liegt auch nicht unerheblich über den in den vereinzelten landgerichtlichen Entscheidungen (soweit solche veröffentlicht bzw. zitiert wurden) für zutreffend gehaltenen Wertgrenzen von 1.600 € und 1.800 €.

Die im Verfahren über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten durch die 5. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth getroffene Entscheidung (Beschluss vom 05.11.2018 – 5 Qs 69/18), die in der Begründung im wesentlichen den veröffentlichten Beschlüssen dieser Strafkammer vom 28.08.2018 (5 Qs 58/18, VD 2018, 276) und vom 12.11.2018 (5 Qs 73/18, StRR 2019, Nr. 1, 4) entspricht, gibt keinen Anlass zur abschließenden Entscheidung über eine darüber hinausgehende Wertgrenze. Die 5. Strafkammer hatte bereits bisher von den sonst in der Rechtsprechung vertretenen Wertgrenzen nach oben abweichend einen bedeutenden Fremdschaden ab 1.800 € angenommen (vgl. etwa den unveröffentlichten Beschluss vom 11.04.2008 – 5 Qs 61/08). Sie hat nunmehr die Änderung des § 44 Abs. 1 StGB (im Beschluss wurde insoweit unzutreffend § 44 Abs. 1 StPO genannt) und damit die seit dem 24.08.2017 geschaffene Möglichkeit der Verhängung von Fahrverboten von bis zu sechs Monaten zum Anlass genommen, diese Wertgrenze nochmals deutlich auf 2.500 € netto anzuheben, und dies damit begründet, dass im Hinblick auf die in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angeordnete Gleichsetzung des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung bzw. nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren andererseits im Interesse der Rechtssicherheit, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden, eine großzügige Anpassung der Wertgrenze nach oben geboten sei. Sie hat hierbei die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert, die sich im Anstieg der Verbraucherpreise für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen in den Jahren von 2010 bis 2016 um 11,6 % ebenso widerspiegelt wie in der Steigerung des Reallohnindex von lediglich 7,8 %, und in den deutlichen Preissteigerungen für ein Standard-Bergungsfahrzeug zwischen den Jahren 2006 und 2016 von 35,5 % (vgl. LG Nürnberg-Fürth, VD 2018, 276, juris Rn. 10 und StRR 2019, Nr. 1, 4, juris Rn. 7).

Die vom Landgericht Nürnberg-Fürth zutreffend dargestellten Preisentwicklungen rechtfertigen auch im Zusammenhang mit den weiteren Erwägungen der 5. Strafkammer ungeachtet der Frage, ob die vom Landgericht bisher angenommene Wertgrenze von 1.800 € anzuerkennen ist, keinesfalls deren Anhebung auf 2.500 €. Soweit das Landgericht die Änderung des § 44 Abs. 1 StGB durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.08.2017 (BGBl. I 3202) zum Anlass für die Anhebung der Wertgrenze genommen hat, überzeugt dies nicht. Ziel dieser Neuregelung war es, die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten durch Schaffung einer Sanktionsalternative für alle Straftaten zu erweitern (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/11272, S. 14). Die Ausdehnung der Höchstfrist des Fahrverbots im Erwachsenenstrafrecht auf sechs Monate begründete der Gesetzgeber im Regierungsentwurf damit, dass dies einen für den Betroffenen noch hinreichend überschaubaren, seine Befolgungsbereitschaft noch nicht überstrapazierenden Zeitraum darstelle, eine solche Höchstfrist gleichzeitig lang genug wäre, um dem Gericht den mit der Öffnung für alle Straftaten erforderlichen erweiterten Bemessungsspielraum zu eröffnen und die von Teilen der Wissenschaft und Praxis wiederholt beklagte „Lücke“ zur mindestens sechs Monate währenden Entziehung der Fahrerlaubnis zu schließen (BT-Drucks. 18/11272, S. 17).

Hieraus lässt sich nicht ableiten, dass der Gesetzgeber mit der zeitlichen Ausdehnung des Fahrverbots auch nur mittelbar auf eine Steigerung der unfallbedingten Reparaturkosten reagieren wollte und demgemäß der „bedeutende Schaden“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB höher anzusetzen wäre als vor dieser Neuregelung.

Demgemäß kann sich der Senat einer Anhebung der Wertgrenze auf 2.500 € weder in der Begründung noch im Ergebnis anschließen.“

Entscheidudng läuft außerhalb des „normalen“ Programms.