Schlagwort-Archive: Gesichtsverhüllung

Gesetzesvorhaben II: U.a. Änderungen im Recht der Pflichtverteidigung, Verbot der Gesichtsverhüllung im Gericht, oder: Schafft die GroKo das (noch)?

© MH – Fotolia.com

Auch das zweite Posting heute befasst sich mit Gesetzesvorhaben, auf die ich in den letzten Tagen gestoßen bin. Zwei stammen aus dem Bundestag, eins ist eine Gesetzesinitiative aus dem Bundesrat. Im Einzelnen:

1. Zunächst: Es existiert jetzt ein Referentenentwurf des BMJV zum „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung„, also Änderung der § 140 ff. StPO. Hintergrund dieses Entwurfs ist die so.g PKH-Richtlinie der EU, die bis zum 29.05.2019 in nationales Recht umgesetzt sein muss und die weitgehende Vorgaben für das Recht der Pflichtverteidigung macht, die zu Gesetzesänderungen zwingen.

Vorgesehen ist auf der Grundlage u.a. Folgendes:

  • Ein Fall notwendiger Verteidigung liegt nicht mehr erst mit der Vollstreckung von Untersuchungshaft oder vorläufiger Unterbrin­gung vor, sondern bereits mit der Vorführung vor einen Richter.
  • Ein Fall notwendiger Verteidigung soll in Zukunft auch beim Schöffengericht und allgemein ab einer Straferwartung von mindestens einem Jahr  Freiheitsstrafe gegeben sein.
  • Der Beschuldigte erhält ein eigenes Antragsrecht schon im Ermittlungsverfahren. Darüber ist er zu belehren.
  • Insgesamt sollen Entscheidungen über die Pflichtverteidigerbestellung mit der sofortigen Beschwerde überprüfbar sein.
  • Hinsichtlich der Personen, die zu Pflichtverteidigern bestellt werden können, soll u.a. geregelt werden, dass bei einer gerichtlichen Auswahlentscheidung grundsätzlich nur Fachanwältinnen oder Fachanwälte für Strafrecht oder aber solche Rechtsanwältin­nen oder Rechtsanwälte bestellt werden sollen, die gegenüber der Rechtsanwaltskammer ihr Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen bekundet haben.
  • Das Recht des Beschuldigten auf Verteidigerwechsel soll erstmals umfassend geregelt werden. Dabei wird die Rechtsprechung zum Verteidigerwechsel aufgegriffen. Vorgesehen ist auch ein Recht auf Verteidigerwechsel in den Fällen, in denen dem Beschuldigten bei der Bestellung eines „Pflichtverteidigers der ersten Stunde“ aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit nur eine kurze Bedenkzeit eingeräumt werden konnte, um einen Verteidiger seiner Wahl zu be­zeichnen.

2. Als zweiten Referentenentwurf des BMJV weise ich hin auf den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung„. Der will/soll auch EU-Recht umsetzen. U.A. sieht der Entwurf eine Änderung des § 350 StPO vor, wo auch für den inhaftierten Ange­klagten ein Recht auf Anwesenheit in der Revisionshauptverhandlung geschaffen werden soll.

3. Und als dritter Entwurf dann das Gesetzesvorhaben aus dem Bundesrat. Der fordert ein grundsätzliches Verhüllungsverbot im Gericht. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll beim Bundestag eingebracht werden. Danach muss die Mimik bei an der Verhandlung beteiligten Personen erkennbar sein. So der „Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Gesichtsverhüllung während der Gerichtsverhandlung“ (BR-Drucks. 408/18). Begründung: Gesichtsverhüllungen seien mit der Wahrheitsfindung nicht vereinbar, begründet der Bundesrat seinen Vorschlag. Das Gericht müsse sämtliche Erkenntnismittel einschließlich der Mimik einer Person ausschöpfen können, um den Sachverhalt und die Glaubwürdigkeit von Aussagen bestmöglich aufzuklären.

Wie geht es nun weiter: Bei Nr. 1 und 2 handelt es sich um Referentenentwürfe, die Vorhaben werden nun also noch mit den Ländern, Verbänden usw. abgestimmt.  Das kann (wird?) dauern, obwohl die Sache an sich ja eilig ist, da die PKH-Richtlinie bis 29.05.2019 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Und das Ganze steht natürlich unter der Prämisse, dass die GroKo noch so lange durch hält, um diese Gesetzesvorhaben umzusetzen. Und da kann man ja gewisse Zweifel haben.

Gestern im Bundesrat: teures Handy, teure Rettungsgasse, teure Raser und Live aus dem Gericht usw.

entnommen Wikimedia.org
By The Government of Germany –

Gestern hat die letzte Bundesratssitzung der 18. Legislaturperiode stattgefunden. In der hat der Bundesrat vor der morgigen Wahl zum 19. Bundestag schnell das noch verabschiedet/gebilligt, was der Bundestag in seinen Marathonsitzungen zum Ende der Legislaturperiode bzw. die Bundesregierung (Herr Dobrindt 🙂 ) noch auf den Weg gebracht hat bzw. meinte, auf den Weg bringen zu müssen. Darunter sind dann auch einige Gesetze/Verordnungen, die Themenbereich des Blog betreffen. Auf die wesentlichen Änderungen/Neuerungen will ich hier heute kurz eben hinweisen, ohne dabei allerdings in die Einzelheiten zu gehen.

  • Im Gespräch war seit längerem schon ein Bußgeld, wenn im Straßenverkehr bei Unfällen usw. keine Rettungsgasse gebildet wird. Das hat man jetzt eingeführt. Danach müssen Kraftfahrzeugführer, die für Polizei- und Hilfskräfte keine Rettungsgasse bilden, mit einer Geldbuße bis zu 240 € rechnen. Kommt es darüber hinaus zu einer weiteren Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung, kann die Geldbuße bis zu 320 € betragen. Außerdem droht ein einmonatiges Fahrverbot.
  • Erweitert/geändert worden ist dann (endlich) auch das Handyverbot am Steuer (vgl. dazu schon Mobilfunkparagraf IV, oder: Dobrindtscher Irrsinn 3.0 ==> es kommt nicht mehr auf die Sekunde an). Die BR-Drucks. 556/17 ist mit geringfügigen Änderungen (vgl. BR-Drucks. 556/1/17) beschlossen worden. Das bedeutet:
    • Wir haben in § 23 Abs. 1a StVO demnächst also die „technikoffene Formulierung“, welche Geräte zulässig sind oder nicht. Sinn und Zweck ist es, dass sich Fahrzeugführer während der Fahrt grundsätzlich nicht durch Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsmittel ablenken lassen sollen. Die Bedienung der erfassten Geräte mit Sprachsteuerung und Vorlesefunktion bleibt zulässig, ebenso deren sekundenschnelle Nutzung. Letzteres wird m.E. in der Praxis viel Ärger und Verdruss bringen.
    • Angehoben worden sind die Bußgelder, und zwar auf 100 € für den Kraftfahrer und auf 55 € beim Radfahrer. Bei Gefährdung und Sachbeschädigung drohen dem Kraftfahrer Geldbußen von 150 € bzw. 200 € und ein einmonatiges Fahrverbot.
  • In § 23 Abs. 4 StVO ist dann jetzt vorgeschrieben, dass Autofahrer ihr Gesicht am Steuer nicht verhüllen oder verdecken dürfen, um eine Identitätsfeststellung zu vereiteln.
  • Am 29.06.2017 hatte der Bundestag die Einführung eines Straftatbestandes § 315d StGB für die Veranstaltung von bzw. Teilnahme an verbotenen Kraftfahrzeugrennen anstelle der bisherigen Bußgeldtatbestände für Ordnungswidrigkeiten und des Fahrverbots (§ 29 StVO) beschlossen. Das hat der Bundesrat gestern abgesegnet. Damit können also demnächst illegale Autorennen auf öffentlichen Straßenkünftig mit Freiheitsstrafen – bei schweren Folgen von bis zu zehn Jahren – geahndet werden. Der Gesetzesantrag stammte aus dem Bundesrat (Vgl. BR-Drucks. 362/16).
  • Am 22.06.2017 hatte der Bundestag das „Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG)  – traumhafter Name – beschlossen. Das enthielt eine Änderung der §§ 169, 186, 187 GVG (vgl. BT-Dreucks. 18/10144). Der Bundesrat hat auch das abgesegnet.
    • Danach sind demnächst Tonübertragungen von Gerichtsverhandlungen für Journalisten in Medienarbeitsräume möglich. Gerichtsshow live 🙂 .
    • Außerdem kann die Verkündung von Entscheidungen des BGH in besonderen Fällen in Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlt werden.
    • Zudem sind zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken Tonaufnahmen von Verhandlungen des BVerfG zulässig sind, wenn es sich um ein zeitgeschichtlich besonders relevantes Verfahren handelt. Ob es zu der jeweiligen Übertragung bzw. Aufzeichnung kommt, entscheidet das Gericht im Einzelfall. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar. So soll eine Verzögerung des Verfahrens ausgeschlossen werden.
    • Zulässig ist künftig auch der Einsatz von Gebärdendolmetschern im gesamten gerichtlichen Verfahren möglich. Für die betroffenen Personen entstehen dadurch keine Kosten.
  • Schließlich ist durch das vom Bundestag am 29.06.2017 beschlossene „Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen§ 203 StGB geändert worden (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11936). Das hat der Bundesrat gebilligt. Geregelt sind in der Neufassung des § 203 StGB die Voraussetzungen, unter denen die Weitergabe und das Zugänglichmachen von Geheimnissen an mitwirkende Personen – Angestellte und externe Dienstleister – möglich ist.

Die Neuerungen müssen dann noch in Kraft treten.In der Regel ist das der Tag nach der Verkündung des Gesetzes im BGBl. Nur bei den „Gerichtsshows“ ist das Inkrafttreten um sechs Monate hinausgeschoben worden.