Schlagwort-Archive: Geschwindigkeitsmessung

OWi II: Abweichen von der Bedienungsanleitung, oder: Nachfahren zur Nachtzeit auf der Berliner Stadt-BAB

© psdesign1 – Fotolia.com

Und hier dann im zweiten Posting zwei Entscheidungen zu Messverfahren und was damit zusammenhängt. Auch hier gibt es nur die Leitsätze:

Nicht jede Abweichung von der Bedienungsanleitung nimmt einer Messung den Charakter als standardisiertes Messverfahren. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn einer vorgeschriebenen Dokumentation keine eigenständige Bedeutung für die Integrität des Messvorgangs zukommt (hier: Datum der durch die Konformitätserklärung gesondert nachgewiesenen Konformitätsbewertung).

    1. Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho ist kein standardisiertes Messverfahren, so dass sich das Tatgericht in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit auseinandersetzen muss.
    2. Bei einer GeschwindigkeitsmessungdurchNachfahren zur Nachtzeit müssen die Urteilsgründe grundsätzlich Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen enthalten und Darlegungen dazu, ob der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Etwas anderes kann gelten, wenn die Beleuchtungsverhältnisse gerichtsbekannt sind.
    3. Der zum Ausgleich von Messungenauigkeiten gewährte Toleranzabzug von 22,5 % auf die gefahrene Geschwindigkeit von 160 km/h beschwert den Betroffenen nicht.

OWi II: Messung durch Nachfahren mit Stoppuhr, oder: Was gehört in die Urteilsfeststellungen?

entnommen wikimedia.org
Urheber Ulfbastel

In der zweiten OWi-Entscheidung des Tages nimmt das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.12.2022 – 2 Ss(OWi) 183/22 – zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsmessung aus einem nachfahrendem Fahrzeug mittels Stoppuhr Stellung.

Das OLG führt dazu aus:

„Die Geschwindigkeitsmessung ist festgestellt worden mittels einer Stoppuhrmessung aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug. Tatzeit war gegen 1:15 Uhr am TT.MM.2021.

Die bisher getroffenen Feststellungen sind für die erfolgte Verurteilung unzureichend.

Soweit ersichtlich, gibt es lediglich eine obergerichtliche Entscheidung zu einer Geschwindigkeitsmessung anhand Fahrbahnkilometrierungen mittels geeichter Stoppuhr.

Das OLG Stuttgart (VRS 85. Band, 366 ff) hat hierzu ausgeführt, dass gegen das genannte Verfahren zur Ermittlung einer Geschwindigkeitsüberschreitung jedenfalls dann grundsätzliche Bedenken bestünden, wenn die Weg-und Zeitmessung von nur einem Beamten aus einem nachfahrenden Fahrzeug erfolge und der Sicherheitsabzug von der ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeit bei einer Messstrecke von 500 m nicht mindestens 10 % betrage.

Für die Zuverlässigkeit der Weg-Zeit-Messung sei zunächst wesentlich, dass am Beginn und am Ende der Messung eindeutiger Sichtkontakt der Polizeibeamten zum überwachten Fahrzeug und den die Messstrecke festlegenden Autobahnkilometrierungen bestehe.

Hierzu fehlen dem angefochtenen Urteil jedoch die entsprechenden Feststellungen. Weder enthält es Ausführungen zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der nächtlichen Autobahn, noch zum Abstand des Polizeifahrzeugs zum Fahrzeug des Betroffenen. Darüber hinaus fehlen Angaben dazu, wo die Kilometrierungsschilder angebracht gewesen sind und wie sie beschaffen waren.

Bei einem Verfolgungsabstand von (nur) 50-80 m, der der Entscheidung des OLG Stuttgart zugrunde lag, hat das OLG bereits erhebliche Schwierigkeiten der nachfahrenden Beamten gesehen, die Punkte zu bestimmen, an denen das Fahrzeug des Betroffenen den Anfang und das Ende der Messstrecke tatsächlich passierte. Das OLG Stuttgart hat deshalb in dem von ihm zu entscheidenden Fall bereits wegen dieser optischen Fehlermöglichkeit einen Sicherheitsabschlag von mindestens 4 % für erforderlich gehalten. Hinzu kommen die vom OLG Stuttgart vorgenommenen weiteren Toleranzabzüge in Bezug auf die Vermessung der Autobahnkilometrierungen, der Fehlergrenzen der verwendeten Stoppuhr und dem Stoppen der Zeit von Hand.

Anhand der Urteilsgründe kann der Senat aber nicht überprüfen, ob das Amtsgericht bereits die optische Fehlermöglichkeit ausreichend berücksichtigt hat, da die hierzu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind.

In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf seine Anforderungen an die Feststellungen bei einer nächtlichen Nachfahrmessung (die hier zwar nicht vorliegt), die im Rahmen der Frage der Erkennbarkeit des verfolgten Fahrzeuges aber auch hier relevant sind:

„…… (Senat, 2 Ss (OWi) 54/17, Beschluss vom 21. 3. 2017).“

Auch wenn es hier auf den gleichbleibenden Abstand nicht ankommt, können deshalb – je nach Abstand- weitere Ausführungen zu den Sichtverhältnissen erforderlich sein.“

News: Verwertung eines Geschwindigkeitsmessung, oder: Verwertbar ohne Rohmessdatenspeicherung?

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Gerade kommt die PM zu einem Beschl. des VerfG Rheinland-Pfalz rein, und zwar zum VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.6.2022 – VGH B 30/21. Es geht um die Verwertung eines Geschwindigkeitsmessergebnisses ohne Speicherung von Rohmessdaten. Nach Auffassung des VerfGH verstößt das nicht gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren-

Die gebe ich hier zunächst mal einfach so weiter:

„Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat mit Beschluss vom 22. Juli 2022 eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, der eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zugrunde lag.

Der Beschwerdeführer war Betroffener in einem Bußgeldverfahren, in dem ihm ein Geschwindigkeitsverstoß (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften nach Toleranzabzug um 70 km/h) vorgeworfen wurde. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen Messgerätes des Typs PoliScan Speed M1. Bei diesem Messgerät werden kontinuierlich Laserimpulse ausgesendet, die vom Fahrzeug reflektiert und vom Gerätesensor erfasst werden und aus denen die Gerätesoftware sodann Position und Geschwindigkeit des Fahrzeugs berechnet. Diese dem Rechenvorgang zugrundeliegenden Positions- und Zeitdaten werden als Rohmessdaten bezeichnet und von dem Gerät PoliScan Speed M1 – wie auch von verschiedenen anderen Messgeräten – nicht dauerhaft, sondern nur bis zur Errechnung des Geschwindigkeitswertes abgespeichert, obwohl eine dauerhafte Speicherung technisch möglich wäre. Während des Bußgeldverfahrens begehrte der Beschwerdeführer über seine Verteidigung die Überlassung verschiedener, nicht in der Bußgeldakte enthaltener Messunterlagen. Zudem stellte er – schon vor der Entschei­dung der Bußgeldbehörde – einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Darüber hinaus machte er geltend, die Verwertung des ermittelten Geschwindigkeitsmesswertes bei gleichzeitiger Löschung der Rohmessdaten verstoße gegen das Recht auf ein faires Verfahren.

Das Amtsgericht Wittlich verurteilte den Beschwerdeführer im Juli 2020 wegen des Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 970,00 Euro und untersagte ihm für die Dauer von zwei Monaten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Seine gegen die amtsgerichtliche Entscheidung erhobene Rechtsbeschwerde verwarf das Oberlandesgericht Koblenz im Februar 2021.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer sowohl gegen das Urteil des Amtsgerichts als auch gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts und macht unter anderem eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren geltend. Seine Verurteilung basiere auf einem Messwert, der sich aus Rohmessdaten errechne, die aber nach der Messung vom Gerät gelöscht worden seien und damit zur nach­träglichen Überprüfung nicht mehr herangezogen werden könnten. Darüber hinaus habe er Einsicht in verschiedene Dokumente und Unterlagen begehrt, die nicht Bestandteil der Bußgeldakte seien. Die Ablehnung seines Einsichtsantrags stelle sich als eigenständiger Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren dar.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof bereits im vergangenen Jahr einen Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte (Beschluss vom 21. Juni 2021 – VGH A 39/21 –), blieb nunmehr auch die Verfassungs­beschwerde ohne Erfolg.

Was die vom Beschwerdeführer begehrten, tatsächlich vorhandenen Unterlagen anbelange, erweise sich die Verfassungsbeschwerde bereits als unzulässig. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde müsse der Beschwerdeführer schon im fachgerichtlichen Verfahren die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreifen, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Hierzu gehöre auch, dass der Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens den Anspruch auf Zugänglich­machung der von ihm für erforderlich gehaltenen Daten und Unterlagen bereits gegen­über der Bußgeldstelle geltend mache und im Falle einer Verweigerung einen ord­nungsgemäßen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei dem zuständigen Amtsgericht stelle. Dies sei vorliegend unterblieben, da der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer schon vor der Entscheidung der Bußgeldbehörde einen Antrag auf gerichtliche Ent­scheidung gestellt habe, der in dieser (bedingten) Form nicht zulässig sei.

Hinsichtlich der gerügten Nichtspeicherung der Rohmessdaten durch das Geschwin­digkeitsmessgerät bleibe die Verfassungsbeschwerde in der Sache ohne Erfolg, da der Beschwerdeführer hierdurch nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz verletzt werde. Aus dieser Gewährleistung folge im Grundsatz das Recht des Betroffenen eines Bußgeldverfahrens, in tatsächlich vorhandene Unterlagen Einsicht zu nehmen. Auf diese Weise werde dem auch von dem Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit betonten Gedanken der „Waffengleichheit“ zwischen Bußgeldbehörde und Betroffenem Rechnung getragen und diesem die Möglichkeit eröffnet, selbst nach Entlastungs­momenten in Gestalt von Fehlern im standardisiert ablaufenden Messverfahren zu suchen. Der Gedanke der Waffengleichheit komme im Falle der tatsächlich nicht (mehr) vorhandenen Rohmessdaten allerdings nicht zum Tragen, da die Rohmessdaten weder dem Betroffenen, noch der Bußgeldstelle, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zur Verfügung stünden.

Der Beschwerdeführer könne aus dem Recht auf ein faires Verfahren aber auch nicht für sich herleiten, dass bei standardisierten Messverfahren, zu denen auch die vorlie­gende Geschwindigkeitsmessung zähle, Rohmessdaten zwingend gespeichert werden müssten. Das Recht auf ein faires Verfahren schütze den Einzelnen davor, dass rechts­staatlich Unverzichtbares preisgegeben werde und stelle damit verfassungsrechtliche Mindestanforderungen auf, die vorliegend nicht unterschritten worden seien. Denn die Nichtspeicherung der Rohmessdaten, deren Nutzen für eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses im technisch-fachwissenschaftlichen Schrifttum ohnehin umstrit­ten sei, werde durch verschiedene rechtsstaatliche Sicherungen hinreichend ausge­glichen. Zum einen stelle ein mehrstufiges Zulassungs- bzw. Konformitätsprüfungs­verfahren sicher, dass das Messgerät den Anforderungen des Mess- und Eichrechts entspreche. Dadurch werde die Überprüfung des einzelnen Geschwindigkeitsmess­wertes gleichsam auf das Messgerät selbst und sein Zulassungsverfahren vorverlagert. Zum anderen werde die fehlende vollständige Überprüfbarkeit des Messergebnisses durch die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen die systemimmanenten Messfehler erfassenden Toleranzwert kompensiert. Schließlich bestünden verschie­dene weitere Möglichkeiten des Betroffenen und seines Verteidigers, den Vorgang der Geschwindigkeitsmessung nachträglich einer Überprüfung zu unterziehen, da ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie auch des Verfassungs­gerichtshofs Rheinland-Pfalz auf seinen ordnungsgemäßen Antrag hin vorhandene Unterlagen und Informationen mit erkennbarer Relevanz für die Verteidigung regel­mäßig zur Verfügung gestellt werden müssten.“

Alles andere dann nach Lektüre des Beschlusses.

Sonder-OWi: Messungen mit Leivtex XV 3 derzeit unverwertbar, oder: OLG Oldenburg stellt ein

entnommen wikimedia.org
Original uploader was VisualBeo at de.wikipedia

Und zwischendruch dann ein Posting zum OWi – Sonder-OWi passt also. Passt ja ganz gut zum verkehrsrechtlichen Thema des heutigen Tages.

Es geht um Messungen mit Leivtex XV 3. Die sind ja seit einiger Zeit in der Diskussion. Dazu gibt es ja auch, wie die Kollegen berichten, inzwischen einige AG-Entscheidungen, in denen die AG Verfahren, denen Leivtex XV3 Messungen zugrunde gelegen haben, eingestellt worden sind. So z.B. mit dem AG Landstuhl, Beschl. v. 17.03.2021 – 2 OWi 4211 js 2050/21, den ich gestern vom AG Landstuhl erhalten habe.

Gerade bin ich dann aber auf die – m.E. erste – OLG-Entscheidung zu der Problematik gestoßen, und zwar auf den OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.03.2021 – 2 Ss (OWi) 67/21. Mit dem hat das OLG ein Verfahren eingestellt und führt dazu aus:

„Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt worden.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung ist festgestellt worden mit dem Messgerät Leivtec XV 3.

Nachdem eine Gruppe von Sachverständigen in „zahlenmäßig relevanten“ Fällen unzutreffende Geschwindigkeitswerte bei Messungen mit diesem Gerät festgestellt hatte (nachzulesen auf der Internetseite www.i….de), hat die PTB ebenfalls Untersuchungen aufgenommen.

Unter dem Datum vom 27.10.2020 hatte die PTB folgenden Zwischenstand im Zusammenhang mit mutmaßlichen Messwertabweichungen veröffentlicht:

„Kürzlich wurde der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) der Verdacht gemeldet, dass das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3 möglicherweise in sehr speziellen Konstellationen für manche aktuelle Fahrzeugtypen geeichte Geschwindigkeitsmesswerte mit unzulässigen Messwertabweichungen ausgeben könne. Die PTB hat daraufhin die Situation an ihrer Referenzanlage nachgestellt.

Bisher konnte die PTB die gemeldeten Effekte nicht reproduzieren. Die Untersuchungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Sobald ein definitives Ergebnis vorliegt, wird die PTB die zuständigen Marktaufsichtsbehörden sowie den Hersteller entsprechend informieren, damit, falls tatsächlich erforderlich, geeignete Maßnahmen eingeleitet werden können.“

Nachdem die PTB die Messfehler im Grundsatz reproduzieren konnte, ist unter dem Datum vom 14.12.2020 eine vom Hersteller vorgelegte Gebrauchsanweisung von der PTB genehmigt worden.

In der Gebrauchsanweisung heißt es nunmehr wie folgt:

„Zur Verwertbarkeit der Beweisbilder muss für alle in Kapitel 5.4 aufgeführten Kriterien zusätzlich folgende Bedingung für das Messung-Start-Bild erfüllt sein:

Sofern sich im Messung-Start-Bild nicht das komplette Kennzeichen innerhalb des Messfeldrahmens befindet, muss die innerhalb des Messfeldrahmens abgebildete Breite des Kennzeichens mindestens der zweifachen Höhe des Kennzeichens entsprechen.

Bei Messungen mit Einfahrt des Fahrzeugkennzeichens in den Messfeldrahmen von oben muss im Messung-Start-Bild das gesamte Kennzeichen innerhalb des Messfeldrahmens abgebildet sein.“

Der Einzelrichter des Senats hat daraufhin mit Mail vom 03.03.2021 folgende Anfrage an die PTB gerichtet:

„Ist das Messgerät Leivtec XV 3 bei Beachtung der oben genannten Ergänzung der Gebrauchsanweisung aus Sicht der PTB nach wie vor als standardisiertes Messverfahren anzusehen?“ ….

Mit Nachtrag vom 12.3.2021 zur o.g. Veröffentlichung (nachzulesen unter (https://doi.org/10.7795/520.20201215) führt die PTB nunmehr hierzu aus:

Am 09.03.2021 erlangte die PTB nun Kenntnis über weitere Versuche von Sachverständigen [M. K., T. G., L. H., Versuche zum Stufeneffekt beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3, Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, März 2021] die zeigen, dass es darüber hinaus spezielle Szenarien gibt, bei denen es auch unter den Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann.

Die PTB hat daraufhin umgehend den Hersteller und die zuständigen Stellen der Markt-und Verwendungsaufsichtsbehörden informiert und mit intensiven eigenen Versuchen begonnen. Die Ergebnisse stehen noch aus.

Der Senat hatte die Amtsgerichte des OLG Bezirk Oldenburg aufgrund einer Vorabinformation bereits am 11.03.2021 über die entsprechende Problematik informiert.

Es kann somit derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei Einhaltung der Vorgaben der geänderten Gebrauchsanweisung in Einzelfällen unzulässige Messwertabweichungen vorkommen – nach einer Mitteilung der PTB vom 13.3.2021 hat der Hersteller des Gerätes seinen Kunden allerdings geraten, amtliche Messungen mit dem Gerät vorerst auszusetzen- bzw. vorgekommen sind. Andererseits versteht der Einzelrichter die vorgenannte Veröffentlichung so, dass die weiteren Versuche wohl zumindest dann keine Anhaltspunkte für Fehlmessungen geliefert haben, wenn das Fahrzeugkennzeichen vollständig im Auswerterahmen des Messung-Start-Bildes abgebildet ist.

Es ist aber jedenfalls so, dass dann, wenn das Messung-Start-Bild die neuen Anforderungen an die Abbildung des Kennzeichens nicht erfüllt, die Beweisbilder nicht verwertbar sind (vergleiche die Formulierung der geänderten Gebrauchsanweisung).

Hier erfüllt das Messung-Start-Foto nicht die gestellten Anforderungen, da sich allenfalls minimale Teile des Kennzeichens im Messfeldrahmen befinden. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Messfehlers zulasten des Betroffenen gering ist, hält der Senat eine Einstellung für sachgerecht, zumal der Betroffene Einwendungen gegen die Richtigkeit des Messergebnisses erhoben hat.“

OWi II: SV-Gutachten als Urteilsgrundlage, oder: Und bloße Wiedergabe des Bußgeldbescheides reicht nicht

entnommen wikimedia.org
Urheber Jepessen

Und als zweite Entscheidung dann der OLG Jena, Beschluss vom 21.09.2020 – 1 OLG 151 SsBs 72/20.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung  verurteilt. Der Betroffene hat die Ordnungsgemäßheit der durchgeführten Messung bezweifelt Das AG hatte dann ein SV-Gutachten eingeholt und im Urteil seine Überzeugung von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung auf die Ausführungen dieses Sachverständigen gestützt. Aber das – wie das OLG in seinem Beschluss ausführt – nicht ausreichend dargelegt. Mal wieder der Dauerbrenner:

„Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist lückenhaft, weil lediglich das Ergebnis des Gutachtens dargestellt wird.

Stützt der Tatrichter den Schuldspruch – wie vorliegend – auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06. Oktober 2004 – 2 Ss OWi 555/04 -, Rn. 9; Beschluss vom 18. Dezember 2012 – III-1 RBs 166/12-, Rn. 9, juris).

Die Gründe ermöglichen dem Senat vorliegend nicht die Überprüfung, ob die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, die durchgeführte Messung sei in jeder Beziehung ordnungsgemäß erfolgt und sei zu einem völlig richtigen Messergebnis gelangt, ohne Rechtsfehler getroffen wurde. Das Urteil führt nur punktuell das Ergebnis des Gutachtens auf, ohne eine geschlossene Darstellung der Anknüpfungs- und Befundtatsachen. Auch die das aufgeführte Ergebnis des Gutachtens tragende fachliche Begründung wird nicht mitgeteilt. Eine Prüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens ist somit nicht möglich.

Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens kann zwar u.U. dann ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat, es sich um einen renommierten Sachverständigen handelt und wenn von keiner Seite Einwände gegen die der Begutachtung zugrunde liegende Tatsachengrundlage und die Zuverlässigkeit der Begutachtung selbst erhoben werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06. Oktober 2004 – 2 Ss OWi 555/04 -, Rn. 10 m.w.N.). Diese Voraussetzungen, unter denen die Mitteilung des Ergebnisses ausnahmsweise zur Beweisführung ausreicht, liegen hier nicht vor.“

Und nicht nur das, denn:

„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Urteil nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 1 StPO eigene Feststellungen zum Tatgeschehen als Grundlage des Schuldspruchs ausweisen muss. Mit der Darstellung der Tat unter Ziff. II des Urteils, eingeleitet mit “dem Betroffenen wird vorgeworfen”, werden eigene Feststellungen des Amtsgerichts nicht belegt. Die bloße Wiedergabe des Bußgeldbescheides ist nicht ausreichend (vgl. Senat, Beschluss vom 30.07.2020, Az. 1 Ss 57/20 für § 267 Abs. 1. Satz 1 StPO; Beschluss vom 10.01.2005 – 1 Ss 239/04 -, Rn. 21 ff., juris).2

Scheint also nicht viel „drin gestanden“ zu haben in dem AG-Urteil.