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OWi III: Zusatzzeichen „Mo – Fr, 7 – 16.00 h, oder: Die „Beschränkung“ gilt auch an Feiertagen

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Und dann haben wir noch OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.09.2019 – (2 Z) 53 Ss-OWi 488/19 (174/19), über den ja auch u.a. schon der Kollege Gratz berichtet hat. Das OLG hat noch einmal zu der Frage Stellung genommen, ob Geschwindigkeitsbeschränkungen mit dem Zusatzzeichen „Mo – Fr, 7 – 16.00 h“ auch an gesetzlichen Feiertagen gelten. Die Frage hat es (erneut) bejaht:

„Das Amtsgericht hat auf Grundlage der getroffenen Feststellungen insbesondere zutreffend eine für den Tatort geltende Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zu Grunde gelegt, die aufgrund der Regelung durch Verkehrszeichen 274 (Nr. 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) in Verbindung mit dem Zusatzzeichen „Mo – Fr, 7 – 16.00 h“ (§ 39 Abs. 3 StVO, § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO, Nr. 1042-33 VzKat) zur Tatzeit auch am Karfreitag, einem gesetzlichen Feiertag, galt und zu beachten war.

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass für Montag bis Freitag getroffene Anordnungen von Geschwindigkeitsbegrenzungen auch an gesetzlichen Feiertagen gelten, die auf einen Wochentag fallen. Die hiervon abweichende Auffassung (vgl. Janker NZV 2004, 120, 121; Hentschel/König/Dauer, StVG 44. Aufl. § 39 Rdnr. 31a; Metz NZV 2018, 60, 62) vermag nicht zu überzeugen, da Erwägungen zum Schutzzweck der Anordnung – jedenfalls bei Geschwindigkeitsbeschränkungen – eine einschränkende, fallbezogene Auslegung nicht zulassen und es im Interesse der Verkehrssicherheit nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben darf, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für auf Wochentage fallende gesetzliche Feiertage sinnvoll ist und gelten soll (vgl. Senat, aaO; ebenso OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26. Juni 2018 – Ss Rs 13/2018 [28/18 OWi]).

Abweichendes gilt – entgegen der vom Amtsgericht Wuppertal (NStZ-RR 2014, 257) vertretenen Ansicht – auch nicht mit Rücksicht darauf, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung zusätzlich mit dem Zusatzzeichen „Schule“ (Nr. 1012-50 VzKat) beschildert war. Wie das Amtsgericht Königs Wusterhausen im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich insoweit um eine Zusatzzeichen ohne konstitutive Bedeutung und ohne eigenständigen Regelungsgehalt, das lediglich einen – entbehrlichen – Hinweis zur Information der Verkehrsteilnehmer über das Motiv der Straßenverkehrsbehörde für die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung verlautbart und nichts an der Allgemeinverbindlichkeit der übrigen Regelung ändert, auch wenn das konkrete Regelungsmotiv im Einzelfall verfehlt wird (vgl. hierzu OLG Stuttgart NZV 1998, 422, 423 zum Anwendungsbereich von Geschwindigkeitsbeschränkungen zur „Luftreinhaltung“). Die Zusatzbeschilderung zu streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Tempo 30 dient lediglich dazu, „bei den am Straßenverkehr Teilnehmenden die Akzeptanz (…) zu erhöhen“ und „den Grund für diese Beschränkung zu verdeutlichen“ (vgl. Beschl. zur Änderung der VwV-StVO vom 10. März 2017, BR-Drucksache 85/17, S. 8). Eine sachliche Einschränkung der ausgeschilderten Geschwindigkeitsbegrenzung ergibt sich daraus nicht. Die Beurteilung, ob Schulen an einzelnen Wochentagen wegen Ferien, gesetzlicher Feiertage oder sonstiger Besonderheiten geschlossen oder für Sonderveranstaltungen geöffnet haben und ein Schutzbedürfnis für eine Geschwindigkeitsbeschränkung besteht oder nicht, obliegt auch in diesen Fällen nicht den einzelnen Verkehrsteilnehmern, sondern der die Verkehrsanordnung treffenden Behörde. Da der Straßenverkehr einfache und klare Regeln erfordert, müssen Unbequemlichkeiten, die sich aus einem der Regel entsprechenden Verhalten ergeben und wie hier auch zumutbar sind, im Interesse der Verkehrssicherheit in Kauf genommen werden (Senat, aaO.; BGH NJW 1970, 2033; BGHSt 22, 137, 140f.).“

OWi II: Geschwindigkeitsbeschränkung durch Gefahrenzeichen, oder: Wann endet sie?

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Die zweite Entscheidung kommt heute mit dem OLG Celle, Beschl. v. 08.11.2018 – 3 Ss (OWi) 190/18 – aus Celle. Es geht um die Frage, wann eine Geschwindigkeitsbeschränkung durch Zeichen 274 mit Gefahrzeichen 101 endet. Dazu das OLG:

„c) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das durch Zeichen 274 angeordnete Streckenverbot habe bereits bei Kilometer 124,500 – und damit vor der bei Kilometer 124,750 eingerichteten Messstelle – geendet, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.

Maßgeblich für das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung ist die Erläuterung Lfd. Nr. 55 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Juli 2017 – IIII-1 RBs 144/17 -, DAR 2017, 647; Hentschel/König/Dauer aaO § 3 Rn. 45b). Danach gilt der Grundsatz, dass das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung gekennzeichnet ist durch die Zeichen 278 bis 282. Eine Kennzeichnung erfolgt nicht, wenn auf einem Zusatzzeichen die Länge des Verbots angegeben ist. Schließlich ist das Ende des Streckenverbots auch dann nicht gekennzeichnet, wenn das Verbotszeichen zusammen mit einem Gefahrzeichen angebracht ist und sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Keine der Ausnahmen greift hier.

Zwar ergibt sich aus den Akten, dass auf der Verkehrsbeeinflussungsanlage – anders als bei der neben der Strecke zusätzlich angebrachten Blechbeschilderung – das Zeichen 274 zusammen mit dem Gefahrzeichen 101 angezeigt wurde. Es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung, dass sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergab, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr bestand. Denn das Zeichen 101 bezeichnet eine Gefahrstelle nur allgemein, ohne die Gefahrquelle näher zu spezifizieren. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung wegen des schlechten Erhaltungszustands der Fahrbahn in diesem Streckenabschnitt angeordnet worden ist. Anders als etwa bei einer Kombination des Zeichens 274 mit dem Gefahrzeichen 103, welches eine Kurve als Gefahr bezeichnet (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Oktober 2016 – IV-2 RBs 140/16 –, juris), oder mit dem Gefahrzeichen 123 für eine Baustelle (vgl. dazu OLG Köln aaO) ergibt sich bei Gefahrzeichen 101 wegen Fahrbahnschäden aus der Örtlichkeit nicht zweifelsfrei, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Das Streckenverbot endete dementsprechend erst mit der Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung, welche nach den Feststellungen des Amtsgerichts und ausweislich der Akte (Bl. 69 d.A.) erst bei Kilometer 125,280 angezeigt wurde.“

Wenn der Abstand zur Messstelle nicht passte, gibt es kein Fahrverbot

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Nichts Neues enthält der OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.01.-2014 – 2 SsBs 364/13. Aber in der derzeit herrschenden OWi-Flaute ist man ja froh, wenn man überhaupt mal auf einen Beschluss trifft, über den man berichten kann, und das gitl ganz besonders für die Fahrverbotsfragen. da tut sich derzeit nämlich nichts.

Im OLG-Beschluss geht es um bekannte Problematik, dass zwischen der geschwindigkeitsbeschränkender Anordnung und der Geschwindigkeitsmessanlage nicht der erforderliche Abstand eingehalten worden ist. In den Fällen kommt die OLG-Rechtsprechung dann i.d.R. zu einem Absehen vom Fahrverbot bzw. muss ein dennoch verhängtes Fahrverbot besonders begründet werden, denn:

„Ein Kraftfahrer hat seine Geschwindigkeit grundsätzlich so einzurichten, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit regelnden Verkehrszeichens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. Allerdings trägt die Rechtsprechung möglichen Unwägbarkeiten bei der Einfahrt in eine Zone mit veränderter Geschwindigkeitsregelung bei der Frage des Ausmaßes des Verschuldens grundsätzlich Rechnung, indem sie dem Kraftfahrer zubilligt, dass er mit gewissen Abständen zwischen geschwindigkeitsregelndem Verkehrszeichen und Messstrecke rechnen kann. Dies hat sich in den in Niedersachsen geltenden Richtlinien für die Überwachung des fließenden Verkehrs durch die Straßenverkehrsbehörden (gern. RdErI. d. MI u.d. MW vom 25.November 1994, Nds. MBI. 1994, 1565; zul. geänd, d.VV vom 27.0ktober 210, Nds. MB!. 2010, 1016) niedergeschlagen, wo in Nr. 4 der Anlage „Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten“ geregelt ist, dass der Abstand bis zur Messstelle mindestens 150 m betragen soll und nur in begründeten Fällen (z.B. Gefahrenstellen, Gefahrzeichen, Geschwindigkeitstrichter) unterschritten werden kann. Bei Nichteinhaltung der Abstandsvorschrift kann der Schuldgehalt einer Tat geringer bewertet werden mit der Folge, dass allein die Verwirklichung des Tatbestandes noch keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers darstellt und im Einzelfall daher von einem Regelfahrverbot Abstand genommen werden kann (OLG Celle, NStZ-RR 2012, 26).

Das Gericht begründet die Verhängung des Fahrverbotes allein mit dem Umstand, dass der Bußgeldkatalog bei der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung ein Regelfahrverbot vorsieht. Angesichts der Feststellungen, dass hier aber eine Unterschreitung des Regelabstandes — wenn auch keine erhebliche – vorgelegen hat und sich der Betroffene bei der Messung erst ca. 37 m in dem Bereich, nämlich innerorts, befand, in dem die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung zu einem Regelfahrverbot führt, hätte das Gericht weitere Ausführungen machen müssen, wieso es gleichwohl zur Annahme einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers kommt, die allein die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt.“

Wie gesagt: Mainstream bzw. herrschende Meinung bei den OLG.

Beschränkte Beschränkung

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Beschränkte Beschränkung? Was ist das? Nun, eine „beschränkte Beschränkung“ hat im OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2001 – 2 Ss OWi 127/01 eine Rolle gespielt. Da ging es um die Frage, ob das an einer Geschwindigkeitsbeschränkung angebrachte Zusatzschild „werktags…“ auch an einem Samstag gilt oder ob der Samstag, weil arbeitfrei“ kein Werktag (mehr) ist. Das OLG Hamm hat damals entschieden, dass auch der Samstag noch ein Werktag ist. An die Problematik hat mich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.05.2013 – (2 Z) 53 Ss-OWi 103/13 (50/13) – erinnert. Da ging es nämlich um eine ähnliche Frage. Nämlich darum, ob das Zusatzschild an einer Geschwindigkeitsbeschränkung „montags – freitags“ auch an einem Donnerstag gilt, der ein Feiertag (Christe-Himmelfahrt“ ist. Das OLG hat – m.E. zutreffend – „Ja“ gesagt:

2. Das Amtsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die mit dem Verkehrszeichen 274 in Verbindung mit dem Zusatzzeichen „Mo – Fr, 6 – 18.00 h“ angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h auch zur Tatzeit galt und zu beachten war.

Tattag war zwar Christi Himmelfahrt und damit ein gesetzlicher Feiertag. Maßgeblich ist indes allein, dass durch das Zusatzschild die Geltung der Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Ausnahme auf alle Montage bis Freitage der Woche bestimmt war, wozu auch der auf den Donnerstag fallende Himmelfahrtstag gehört.

Da die für Montag bis Freitag getroffene Anordnung eine Sonderregelung für auf diese Wochentage fallende gesetzliche Feiertage nicht enthält, gilt der Normbefehl umfassend. Entgegen der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Janker NZV 2004, 120, 121; Hentschel/König/Dauer, StVG 42. Aufl. § 39 Rdnr. 31a) lassen Erwägungen zum Schutzzweck der Anordnung – jedenfalls bei Geschwindigkeitsbeschränkungen – eine einschränkende, fallbezogene Auslegung nicht zu. Die Gegebenheiten des fließenden Verkehrs und die für die Verkehrsteilnehmer damit verbundenen Sorgfaltsanforderungen ermöglichen bei der Erfassung von Verkehrsregelungen nicht die Berücksichtigung regelungsspezifischer Besonderheiten, die in den durch Verkehrszeichen geregelten Anordnungen nicht unmittelbar und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Insbesondere darf es im Interesse der Verkehrssicherheit nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für gesetzliche Feiertage gewollt und geboten ist oder nicht. Da der Straßenverkehr einfache und klare Regeln erfordert, müssen Unbequemlichkeiten, die sich aus einem der Regel entsprechenden Verhalten ergeben und wie hier auch zumutbar sind, im Interesse der Verkehrssicherheit in Kauf genommen werden (vgl. BGH NJW 1970, 2033; BGHSt 22, 137, 140f.). Ob dies für den Bereich des ruhenden Verkehrs anders zu beurteilen ist (vgl. hierzu Janker, aaO.), kann offen bleiben.

Punktgenau – ohne Toleranzbereich

Ganz interessant der OLG Koblenz, Beschl. v. 24.03.2011 -2 SsBs 154/10, der die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zum Inhalt hat. Der Betroffene hatte u.a. beanstandet. dass das amtsgerichtliche Urteil keine Feststellungen zum Abstand zwischen Messstelle und geschwindigkeitsbeschränkendem Schild enthält. Das OLG weist in dem Zusammenhang auf eine – in meinen Augen – Selbstverständlichkeit hin, die häufig übersehen wird. Aus der StVO-Regelung über Vorschriftzeichen folge nämlich, dass ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit so einzurichten habe, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit begrenzenden Schildes die von diesem vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. Zwar könne ein relativ kurzer Abstand zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Messstelle Auswirkungen auf die gegen den Betroffenen zu verhängenden Rechtsfolgen haben; dies sei jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Geschwindigkeitsbegrenzung ein sog. Geschwindigkeitstrichter vorausgeht, durch den sich der Kraftfahrer stufenweise einer verringerten Geschwindigkeit anzupassen habe. Denn hatte es hier gegeben. Es gibt also bei Messungen keinen gesetzlichen „Toleranzbereich“ nach dem geschwindigkeitsbegrenzenden Schild, in dem man dann seine Geschwindigkeit auf das geforderte Maß erst reduzieren darf/kann, bevor gemessen wird. Die sog. Richtlinienrechtsprechung der OLG hat einen anderer Ansatz.

Auf die verfahrensrechtlichen Fragen der Entscheidung komme ich dann noch einmal zurück.