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Strafzumessung II: Psychische Beeinträchtigungen von Tatopfern, oder: Gesamtstrafenbildung

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Bei der zweiten Strafzumessungsentscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 05.11.2019 – 2 StR 469/19. Der Angeklagte ist vom LG wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden.

Seine Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH hat allerdings Bedenken wegen der Strafzumessung:

„Allerdings begegnet die Begründung der Strafzumessung im engeren Sinn rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht strafschärfend berücksichtigt hat, dass die beiden Geschädigten „aufgrund der Vorfälle an Schlafstörungen litten“ und eine von ihnen sich „noch heute vor Begegnungen mit dem Angeklagten fürchtet.“ Handelt es sich bei psychischen Beeinträchtigungen von Tatopfern um Folgen aller Taten, so können diese dem Angeklagten lediglich bei der Gesamtstrafenbildung uneingeschränkt angelastet werden. Nur wenn sie unmittelbare Folge bereits einzelner Taten sind, können sie mit ihrem vollen Gewicht bei der Bemessung der Einzelstrafe dafür in Ansatz gebracht werden (vgl. Senat, Urteil vom 5. September 2018 – 2 StR 454/17, NStZ-RR 2018, 343, 344; Beschluss vom 12. September 2017 – 2 StR 101/17). Dazu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen“

Aber:

„Der Senat schließt jedoch im Einklang mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts aus, dass die maßvollen Einzelstrafen auf diesem Rechtsfehler beruhen.“

Härteausgleich

Gesamtstrafenbildung ist schwer, zumindest nicht einfach. Das zeigt sich deutlich, wenn man die vom BGH auf seiner Homepage eingestellte Rechtsprechung verfolgt. Eine ganze Reihe von Revisionen haben in der letzten Zeit allein deshlab im Strafausspruch Erfolg gehabt, weil von den LG nicht ausreichend berücksichtigt worden war, dass einzubeziehende Strafen aus Vorverurteilungen bereits vollständig vollstreckt waren. Da gibt dann z.B. der BGH, Beschl. v. 17.08.2011 – 5 StR 322/11 eine Anleitung, auf was wie zu achten ist und nimmt dann gleich auf den Beschluss vom selben Tag in 5 StR 301/11 Bezug; zudem ist dann gleich auch eine Verfahrensverzögerung mitberücksichtigt worden:

—-Das Landgericht hat den Gesichtspunkt nicht bedacht, dass dem Angeklagten durch den vollständigen Vollzug der Strafen aus den Vorverurteilungen eine Gesamtstrafenbildung versagt geblieben ist. Dies hätte einen Härteausgleich nach sich ziehen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5 StR 301/11), zumal der Angeklagte sich in dieser Sache bereits einige Zeit in Untersuchungshaft befunden hat. Hinzu kommt, dass das Landgericht auch den Umstand nicht erkennbar gewürdigt hat, dass die Tat im Zeitpunkt der Aburteilung bereits dreieinhalb Jahre zurückgelegen hat und der Angeklagte schon kurze Zeit nach der Tat festgenommen werden konnte. Allein die erfolgte Anrechnung von drei Monaten auf die verhängte Freiheitsstrafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung vermag diesen Gesichtspunkt nicht aufzufangen (BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 Rn. 45 und vom 21. Dezember 1998 – 3 StR 561/98, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).

Diese Wertungsfehler ziehen nicht die Aufhebung von Feststellungen nach sich. Das neue Tatgericht kann allerdings neue Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Ebenso kann die ausgesprochene Anrechnung von drei Monaten auf die verhängte Freiheitsstrafe auf-recht erhalten bleiben. Der Senat hält es für vorzugswürdig, den Härteausgleich gleichfalls im Rahmen der Vollstreckungslösung vorzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18, vom 28. September 2010 – 5 StR 343/10 und vom 11. April 2011 – 5 StR 100/11).

 

 

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Welche Einkommensverhältnisse sind maßgeblich?

Auf welche Vermögens-/Einkommensverhältnisse kommt es bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§§ 53, 54, 55 StGB) an? Interessante und für den Verurteilten wichtige Frage, wenn die sich nach der letzten Verurteilung verändert haben.

Das LG Frankfurt, Beschl. v. 06.12.2010 – 5-26 Qs 37/10 sagt: Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung ist für die Bemessung der Tagessatzhöhe auf die Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verurteilung abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt der Nachtragsentscheidung. Hierfür spreche der Sinn und Zweck der nachträglichen Gesamtstrafenbildung, nach dem der Verurteilte so gestellt werden soll, als sei die Gesamtstrafe bereits vom letzten Tatrichter gebildet worden. Eine darüber hinausgehende Besserstellung soll gerade nicht erfolgen.

Ist nicht ganz unstreitig, so aber wohl h.M.