Schlagwort-Archive: geplatzter Termin

Terminsgebühr nach zu später Absage des Termins, oder: Rechtsanwalt muss nicht im Saal „erscheinen“

Bild von Here and now, unfortunately, ends my journey on Pixabay auf Pixabay

Und dann heute der letzte Arbeitstag in 2022. Auch hier ist heute der Tag, an dem ich in 2022 zum letzten Mal Entscheidungen vorstelle. Und da es Freitga ist, gibt es – traditionsgemäß – Gebührenentscheidungen. Zum Glück hatte ich noch zwei Entscheidungen in meinem Blogordner, die (weitgehend) zutreffend entschieden haben.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.08.2022 – 1 Ws 22/22 (S) , der leider erst jetzt veröffentlicht worden ist. Er behandelt die Frage nach der Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG in den Fällen des sog. „geplatzten Termins“.

Die Rechtsanwältin war Pflichtverteidigerin des Angeklagten. In dem Verfahren, in dem sie für den Angeklagten tätig geworden ist, hat die Hauptverhandlung vor der Strafkammer des LG Neuruppin als große Jugendkammer vom 05.05. 2021 bis zum 26.08.2021 stattgefunden. Es war für den 25.05.2021 ein Fortsetzungstermin bestimmt. Dieser Termin ist wegen plötzlicher Erkrankung eines Schöffen kurzfristig aufgehoben worden. Die Abladung erreichte die Pflichtverteidigerin telefonisch am Morgen jenes Sitzungstages in einem Hotel in Neuruppin, nachdem die in D. ansässige Rechtsanwältin anlässlich des Termins bereits am Vorabend angereist war.

Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung hat die Pflichtverteidigerin u.a. die Festsetzung einer Terminsgebühr Nr. 4120, 4121 VV RVG für den am 25.05.2021 anberaumten, dann aber „geplatzten“ Termin beantragt. Diese Gebühr ist dann nicht festgesetzt worden. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Pflichtverteidigerin hatte keinen Erfolg. Das OLG hat auf die Beschwerde hin dann aber die Terminsgebühr festgesetzt:

„1. Die geltend gemachte Terminsgebühr Nr. 4120, 4121 VV RVG in Höhe von 517,00 € nebst 19 % MwSt. Nr. 7008 VV RVG, mithin in Höhe von brutto 615,23 € für den am 25. Mai 2021 zu 10:00 Uhr anberaumten und erst am frühen Morgen des gleichen Tages abgesagten Hauptverhandlungstermin ist vorliegend erstattungsfähig.

Gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 2 u. 3 zu VV-RVG erhält ein Rechtsanwalt eine Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die gerichtliche Terminsgebühr setzt also grundsätzlich die Tätigkeit eines Rechtsanwalts u.a. in einer Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache voraus und erfordert die Anwesenheit in seiner Eigenschaft als verfahrensbeteiligter Rechtsanwalt (vgl. Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Auflage, VV 4106, 4107 Rn. 7). Von dieser Regelung abweichend erhält ein Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet (Vorb. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG). Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder der Verlegung des Termins Kenntnis erlangt hat (Vorb. 4 Abs. 3 S. 3 VV RVG).

Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang vorgenommene enge Auslegung dahingehend, dass ein Rechtsanwalt nur dann zu einem anberaumten Termin erschienen ist, wenn er im Gerichtsgebäude körperlich anwesend ist, greift nach Ansicht des Senats zu kurz (a.A. OLG München, Beschluss vom 23. April 2007 – 1 Ws 986/07 -; Beschluss vom 23. April 2018 – 6 St K 12/18 -; Beschluss vom 04. August 2014 – 6 St K 22/14 -; Beschluss vom 15. September 2014 – 6 St K 24/14 -; OLG Naumburg, Beschluss vom 12. August 2020 – 1 Ws (s) 154/20 -).

In der Gesetzesbegründung heißt es:

„Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheint, hierfür keine Gebühr erhalten soll. Er erbringt unter Umständen einen nicht unerheblichen Zeitaufwand schon zur Vorbereitung des Termins. Soweit dieser wegen des Nichtstattfindens der Hauptverhandlung gering ist, lässt sich dies ohne weiteres bei der Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigen.“ (BTDrs. 15/1971, S. 221)

Der Senat folgt den Überlegungen des Landgerichts Magdeburg, wonach Sinn und Zweck der Eingrenzung auf den Rechtsanwalt, der „zu einem anberaumten Termin erscheint“, ist, dass derjenige Rechtsanwalt von der Terminsgebühr ausgeschlossen sein soll, der ungeachtet der Terminsaufhebung zu dem Hauptverhandlungstermin ohnehin nicht erschienen wäre (LG Magdeburg, Beschluss vom 15. April 2020 – 21 Ks 5/19 –, Rn. 22, juris).

In systematischer Hinsicht ist zudem der Zusammenhang der Sätze 2 und 3 der Vorbemerkung 4 Abs. 3 VV-RVG zu berücksichtigen. Der erschienene Rechtsanwalt soll die Terminsgebühr – abgesehen von dem Fall seines Vertretenmüssens hinsichtlich der Terminsaufhebung – nur dann nicht erhalten, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist.

Es ist zwar weder legaldefiniert noch obergerichtlich geklärt, wann eine Inkenntnissetzung von dem Nichtstattfinden eines Termins rechtzeitig ist, um den Anspruch auf die Terminsgebühr entfallen zu lassen. Es ist insoweit jedoch auch zur Überzeugung des Senats ein Maßstab anzulegen, der dem Rechtsanwalt bei der gebotenen Flexibilität seiner Arbeitsorganisation noch eine anderweitige Nutzung zumindest eines Großteils seiner für den Termin vorgesehenen Arbeitszeit ermöglicht. Das ist sicherlich der Fall, wenn – wie in dem Fall des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 04. August 2014 (Az. 6 St (K) 22/14) – die Terminsaufhebung dem Rechtsanwalt am Vortag des geplanten Termins zur Kenntnis gelangt.

Wenn dem Begriff der Rechtzeitigkeit überhaupt eine Bedeutung beigemessen werden soll, kann der bereits auf dem Wege zum Gericht befindliche Rechtsanwalt in der Regel nicht mehr als rechtzeitig informiert gelten. Jedenfalls im vorliegenden Fall, bei dem augenscheinlich nicht mehr von einer Rechtzeitigkeit der Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung auszugehen ist, da sich die Verteidigerin nach ihrer knapp 550 km langen Anreise am Vortag bereits in unmittelbarer Nähe und praktisch auf direktem Wege zum Gericht befand, ist die Rechtsanwältin als erschienen anzusehen.

Es wäre eine Wertungswiderspruch, würde man ihr die Terminsgebühr im Gegensatz zu einem Anwaltskollegen, der bei gleichzeitiger Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung das Gericht bereits erreicht hatte, verwehren, nur weil sie die letzten Schritte zum Gericht nicht mehr gegangen ist.“

Dazu ist anzumerken: Der erste Kommentar nach dem Lesen der Ausführungen des OLG zum Anfall der Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ist sicherlich bei vielen Leser: Endlich. Ja, richtig. Endlich schlägt ein OLG ein Loch in die Mauer, die in der Rechtsprechung der anderen OLG um die Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG gebaut worden ist. Denn bislang haben die OLG in Fällen wie diesen oder in vergleichbaren Konstellationen durch ein Festkleben an der Formulierung „erscheint“ in der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ein Mauer errichtet, die schier unüberwindbar erschien. Das hat dazu geführt, dass der Anwendungsbereich der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG quasi gegen Null tendiert(e), bislang ist auch nur die vom OLG Brandenburg angeführte Entscheidung des LG Magdeburg bekannt geworden, die das unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung zutreffend anders gesehen hat; das OLG Naumburg hatte die Entscheidung dann übrigens aufgehoben – beide waren hier Gegenstand der Berichterstattung. Dem LG Magdeburg schließt sich das OLG nun nter Betonung des Sinns der Regelung an. Das ist zutreffend. Warum und wieso, liegt m.E. auf der Hand. Ich erspare mir die Gründe, auf die ich in den Anmerkungen zu den Entscheidungen schon hingewiesen habe, hier noch einmal zu wiederholen (vgl. dazu auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Vorbem. 4 VV Rn 95 ff.). Es ist zu hoffen, dass sich diese – richtige – Sicht nun endlich durchsetzt und die anderen OLG ihre abweichende Rechtsprechung.

Für die Anwendung der Entscheidung bei der Frage, ob ggf. die Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG entstanden ist, gilt: Der Verteidiger muss nicht im Gerichtssaal erschienen sein. Ausreichend ist, dass er sich bereits auf dem Weg zum Gericht befindet oder sogar schon am Gerichtsort – wie hier – eingetroffen ist und ihn dann erst die Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung erreicht. Das ist nicht mehr rechtzeitig und führt zum Entstehen der jeweiligen Terminsgebühr. Von daher erschließt sich der Hinweis des OLG auf den OLG München, Beschl. v. 04.08.2014 (6 St (K) 22/14, AGS 2025, 70 = RVGreport 2015, 67 = StRR 2014, 451) nicht. Denn in dem dieser Beschluss zugrunde liegenden Verfahren – es war das NSU-Verfahren – war der Verteidiger zu mehreren nacheinander terminierten Hauptverhandlungsterminen von Köln aus angereist und hatte dann erst in München erfahren, dass einer von den Terminen kurzfristig abgesetzt worden war. Das war auf der Grundlage der (neuen) Rechtsprechung des OLG Brandenburg an sich nicht mehr „rechtzeitig“ und hätte zum Anfall der Gebühr führen müssen. Das sieht das OLG Bandenburg aber offenbar (doch) anders, wofür es allerdings eine nachvollziehbare Begründung nicht gibt. Das ist aber nur ein kleiner Schönheitsfehler an der ansonsten insoweit zutreffenden Entscheidung.

Ja, nur „insoweit zutreffend“. Denn das OLG hat noch eine andere Frage entschieden. Die aber leider falsch. Darauf komme ich dann in 2023 zurück.

OLG Naumburg zum „geplatzten Termin“, oder: „Richtungsweisend“, aber in die falsche Richtung

Bild von Christian Dorn auf Pixabay

Ich hatte im April 2020 über den schönen und vor allem richtigen LG Magdeburg, Beschl. v. 15.04.2020 – 21 Ks 5/19 – berichtet, den mir der Kollege Eickelberg aus Burgwedel geschickt hatte. In der Entscheidung war es u.a. um eine Terminsgebühr für einen geplatzten Termin gegangen. Es war ein Hauptverhandlungsterming, zu dem der Kollege geladen war, kurzfristig telefonisch morgens aufgehoben worden. Diese Abladung hatte den Kollegen erst nach Fahrtantritt zum Gericht auf der A2, kurz vor dem Dreieck Braunschweig-Nord, erhalten. Dort hatte er die Reise abgebrochen und den Rückweg angetreten. Das LG hatte die Terminsgebühr Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG gewährt.

Das hat der Bezirksrevisorin natürlich keine Ruhe gelassen und sie hat, da sie eine „richtungsweisende Entscheidung zu der noch streitigen Problematik „Terminsgebühr für einen geplatzten Termin“ …. anstrebe“, Beschwerde eingelegt. Über die hat das OLG Naumburg inzwischen im OLG Naumburg, Beschl. v. 12.08.2020 – 1 Ws (s) 154/20 – entschieden.

Ich stelle hier von der Entscheidung nur den Leitsatz ein. Die Entscheidung enthält nämlich nichts Neues, da es das OLG genauso falsch macht wie die übrigen OLG, die dazu bisher etwas gesagt haben, nämlich die OLG Frankfurt und München. Also:

Eine Terminsgebühr für einen sog. „geplatzten Termin“ (Vorbem. 4 Abs.3 Satz 2 VV) entsteht nur, wenn der Rechtsanwalt körperlich im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an dem Termin erscheint; das bloße Antreten der Anreise reicht nicht aus.

Dazu allerdings folgende Anmerkung:

Mal wieder eine Entscheidung, die einen, jedenfalls mich, verärgert zurücklässt. Ein OLG schreibt gebührenrechtlich nicht Haltbares – hier zunächst im Jahr 2007 das OLG Frankfurt am Main – und alle anderen OLG springen auf den fahrenden Zug auf und beten das nach. So dann jetzt auch das OLG Naumburg, dass sich lieber erst gar nicht im Einzelnen mit dem gut begründeten Beschluss des LG Magdeburg befasst. Warum auch? Hatte doch die Bezirksrevisorin ausdrücklich „klargestellt, dass sie eine richtungsweisende Entscheidung zu der noch streitigen Problematik „Terminsgebühr für einen geplatzten Termin“, …. anstrebe.“ Den Wunsch erfüllt man doch gern und erlässt eine richtungsweisende Entscheidung. Nur leider weist sie in die falsche Richtung.

Es ist müßig, die Gründe, warum die Entscheidung falsch ist, noch einmal zusammen zu stellen. Ich habe es inzwischen oft genug geschrieben. Es interessiert niemanden, zumindest kein OLG. Nur noch einmal so viel: Es geht um den Sinn und Zweck der Regelung der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, nämlich nutzlosen Zeitaufwand des Verteidigers zu honorieren. Und der ist angefallen, und zwar nicht erst, wenn der Verteidiger im Sitzungssaal erscheint. Und die immer wieder beschworenen „Abgrenzungsprobleme“. Das LG Magdeburg hat drauf hingewiesen, dass es ureigene Aufgabe von Richtern ist, gerade solche Probleme zu lösen. Das sollte man auch bei einem OLG können. Oder ist das zu viel verlangt? Im Übrigen: Wo sind da Probleme? § 14 Abs. 1 RVG gibt den Gerichten ein vortreffliches Werkzeug in die Hand, um die Terminsgebühr für den geplatzten Termin eines Wahlanwalts zu bemessen. Und beim Pflichtverteidiger ist es ebenso, dass er wegen des Pauschalcharakters dann die Terminsgebühr erhält, egal, wann er davon erfahren hat, dass der Hauptverhandlungstermin ausfällt. Das kann doch alles nicht so schwierig sein, ist es aber offenbar doch.

Was ist das Ergebnis dieses Beschlusses und der Rechtsprechung der OLG? Man kann Verteidigern nur empfehlen, nach Antritt der Fahrt zum Termin das Handy auszuschalten, damit sie vom Büro nicht vom Ausfallen des Termins unterrichtet werden können. Und dann natürlich auf jeden Fall im Gerichtssaal „erscheinen“, damit den Anforderungen der OLG genüge getan ist. Also: Verteidigertourismus. Allerdings ist auch diese Vorgehensweise nicht ungefährlich. Denn wahrscheinlich wird dann ein OLG in seiner unerforschlichen Gebührenweisheit auf die Idee kommen, dem Verteidiger wegen des ausgeschalteten Handys ein Verschulden zur Last zu legen und damit dann Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 VV RVG anzuwenden. Die Argumentation wird den OLG sicherlich besser gefallen, als endlich die Regelung der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG entsprechend ihrem Sinn und Zweck.

Terminsgebühr für den „geplatzten Termin“, oder: Telefonische Terminsabstimmung ohne Ladung

© scusi – Fotolia.com

Heute ist „Gebührenfriday“. Ich stelle an ihm dann zwei AG-Entscheidungen zum Gebührenrecht vor, beide positiv, was dann ja mal erfreut.

Ich starte mit dem AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 03.04.2020 – 620 Ls 192/18 6106 Js 650/17.

Der UdG hatte zugunsten des Kollegen  Ebrahim-Nesbat aus Hamburg, der als Pflichtverteidiger in der Sache tätig war, eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG i.V.m. Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG festgesetzt. Das hatte der Bezirksrevisor mit der Erinnerung beanstandet. Die Erinnerung hatte beim AG keinen Erfolg:

„Der Bezirksrevisor beanstandet mit der Erinnerung allein die Festsetzung der Terminsgebühr (VV 4108 RVG) für den abgerechneten – nicht durchgeführten/entstandenen – Verhandlungstermin am 13.03.2019.

Die Erinnerung ist unbegründet.

Gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG entsteht die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Rechtsanwalt erhält die Terminsgebühr demnach allerdings auch, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist.

Hier erschien der Verteidiger zu einem anberaumten Termin, der nicht stattfand, ohne dass er rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt worden wäre. Denn am 23.01.2019 stimmte der Unterzeichner als Vorsitzender in hiesiger Strafsache mit dem Verteidiger telefonisch einen Hauptverhandlungstermin für den 13.03.2019 in der Zeit von 9:45 bis 12:00 Uhr ab. Damit war ein Termin im Verhältnis zum Verteidiger im Sinne von § 213 StPO anberaumt worden. Dass es zur Durchführung dieses Termins nicht kam und dazu auch nicht geladen wurde, steht dieser Anberaumung des Termins nicht entgegen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verteidiger zuvor Kenntnis davon erlangt hätte, dass am 13.03.2019 kein Hauptverhandlungstermin durchgeführt werden würde. Eine Kommunikation darüber hat zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden oder einem anderen Mitarbeiter des Gerichts nach dem – den Termin anberaumenden – Telefonat vom 23.01.2019 bis zum Erscheinen des Verteidigers am 13.03.2019 nicht stattgefunden.2

Die Entscheidung ist zutreffend. Ich frage mich bei solchen Entscheidungen dann immer, ob Bezirksrevisoren eigentlich nichts anderes zu tun haben, als solche Fragen zu problematisieren. Warum soll ein „nur“ telefonisch abgesprochener Termin kein „anberaumter Termin“ sein? Das kann man dann doch auch mal schlucken….

LG Magdeburg zum „geplatzten Termin“ topp, oder: Zur Mittagspause beim Längenzuschlag nichts Neues

© ProMotion – Fotolia.com

Heute am RVG-Tag dann zunächst der LG Magdeburg, Beschl. v. 15.04.2020 – 21 Ks 5/19 – zum geplatzten Termin und zur Mittagspause beim Längenzuschlag. Der schöne Beschluss stammt vom Kollegen Eickelberg aus Burgwedel.

Folgender Sachverhalt: Der Kollege war Nebenklägerbeistand in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge. Er hat nach Abschluss des Verfahrens seine gesetzlichen Gebühren geltend gemacht.

Beantragt worden ist u.a. auch die Festsetzung einer Terminsgebühr für einen Hauptverhandlungstermin am 07.10.2019, zu dem der Kollege geladen war. Der Termin ist jedoch wegen Erkrankung des Vorsitzenden kurzfristig am 07.10.2019 telefonisch morgens aufgehoben worden. Zur Begründung der Terminsgebühr hat Kollege, der seinen Kanzleisitz in Burgwedel hat, darauf hingewiesen, dass er die Abladung am 07.10.2019 erst nach Fahrtantritt zum Gericht auf der A2, kurz vor dem Dreieck Braunschweig-Nord, erhalten habe. Dort habe er die Reise abgebrochen und den Rückweg angetreten.

Geltend gemacht worden ist außerdem ein Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV RVG für einen Hauptverhandlungstermin am 10.10.2019. Diese dauerte ausweislich des Sitzungsprotokolls von 09:05 Uhr bis 14:25 Uhr wurde u.a. aber von 12:22 Uhr bis um 13:05 Uhr unterbrochen.

Diese Gebühren sind nicht festgesetzt worden. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Kollege hatte teilweise Erfolg.

  1. Der Begriff des Erscheinens in Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ist teleologisch erweiternd dahin auszulegen, dass es grundsätzlich auch ausreicht, wenn der sich bereits auf dem Weg befindliche RA zur Terminsteilnahme gewillt ist und von einem Aufsuchen des Gerichtsgebäudes lediglich deshalb absieht, weil er noch kurzfristig während der Anreise zum Gericht von der Terminsaufhebung erfährt.
  2. Macht das Gericht eine Mittagspause, ist diese unabhängig von ihrer tatsächlichen Dauer mit 30 Minuten in Abzug zu bringen. Ob es sich bei einer Pause um eine Mittagspause handelt, lässt sich ggf. aus dem zur Mittagszeit gelegenen Unterbrechungszeitpunkt entnehmen.

Eine hinsichtlich der Terminsgebühr sehr schön begründete Entscheidung des LG, die zu dem m.E. zutreffenden Ergebnis führt, dass in dem Fall die Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 VV RVG auf jeden Fall entstanden war. Wenn nicht dann, wann denn dann? Die Auffassung des OLG München, mit der sich das LG auseinander setzt, das gewährt eine Gebühr für den „geplatzten Termin“ nur bei Erscheinen im Gerichssaal – führt nämlich dazu, dass in den Fällen sonst nie eine Terminsgebühr entstehen und der Anwendungsbereich der Regelung gegen Null gehen würde. Denn, wenn der Kollege weitergefahren wäre, um im Gerichtssaal zu „erscheinen“ und so dann die Voraussetzungen der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG zu erfüllen, wäre ihm im Zweifel entgegen gehalten worden, dass er ja rechtzeitig Kenntnis erlangt hatte und damit nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 3 VV RVG die Terminsgebühr eben doch nicht entstanden ist. Das wären dann die vom OLG München gegen das Entstehen der Gebühr auch bemühten „Abgrenzungsschwierigkeiten“, die das LG nicht sieht. Denn es ist zutreffend, wenn es darauf hinweist, dass das Finden von rechtssicheren und handhabbaren, aber auch im Einzelfall gerechten Lösungen für Grenzfälle zu der originären Aufgabe der Rechtsprechung gehört, der sie sich weder entziehen darf noch kann.

Widersprechen muss man m.E. dem LG insoweit, als es unter Hinweis auf den Beschluss des OLG München vom 4.8.2014 (OLG München RVGreport 2015, 66 = StRR 2014, 451) – offenbar der Auffassung ist, eine Terminsaufhebung am Vortag des geplanten Termins gelange dem Rechtsanwalt rechtzeitig zur Kenntnis. Das mag in den meisten Fällen zutreffen, m.E. jedoch nicht, wenn der RA zu mehreren nacheinander terminierten Hauptverhandlungsterminen angereist ist, von denen einer kurzfristig abgesetzt wird, wovon der Rechtsanwalt aber erst am Gerichtsort erfährt. Das war die Fallgestaltung in dem vom OLG München (a.a.O.) entschiedenen Fall. Der ist sicherlich nicht vergleichbar mit der vom LG angeführten normalen Terminsabsage am Vortag des Hauptverhandlungstermins.

Zum Längenzuschlag: Nichts Neues 🙂 :

Das LG hat die Beschwerde war gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG hinsichtlich der Zubilligung der fiktiven Terminsgebühr zugelassen. Man darf gespannt sein, ob und wie dann ggf. demnächst das OLG Naumburg entscheidet. Es wird bei der überzeugenden Argumentation des LG nicht so ganz einfach sein.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Terminsgebühr für ausgefallenen Termin entstanden?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

Ich hatte am Freitag die Frage: Ich habe da mal eine Frage: Terminsgebühr für ausgefallenen Termin entstanden?, zur Diskussion gestellt.

Dazu hatte es in der Gruppe, in der die Frage gestellt worden ist, sehr schnell Antworten gegeben, die alle in die Richtung gegangen sind: Sicher, natürlich, auf jeden Fall.

Das ist auch so grundsätzlich richtig, aber ich habe das in meiner Antwort etwas relativiert bzw. relativieren müssen:

„Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4 VV Rn 93 ff.

Allerdings: Das kann ggf. Ärger geben, das OLG FFM und OLG München auf dem m.E. unzutreffenden Standpunkt stehen, die TG für den geplatzten Termin sei nur entstanden, wenn der RA körperlich anwesend im Gerichtssaal gewesen sei. Ist m.E. Quatsch, was sich gerade an diesem Fall zeigt. Es bliebe dann nur ggf. die PV nach § 51 RVG, aber auch das wird schwierig. Bitte über den Ausgang berichten.“

Nun, man wird sehen, was ggf. berichtet wird.

In dem Zusammenhang hat sich dann übrigens aber eine Kollegin gemeldet, die zu der Frage eine Entscheidung aus neuerer Zeit beisteuern konnte. Die stelle ich heute dann hier mal online. Es handelt sich um den LG Mühlhausen, Beschl. v.12.07.2019 – 9 KLs 540 Js 55593/12. In dem hat das LG die Terminsgebühr für einen „geplatzten Termin“ festgesetzt:

Der Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung vorn 27.06.2019 war abzuhelfen, da die Rechtsanwältin das Entstehen der Terminsgebühr für den 13.11.2018 nachvollziehbar begründet hat. Über das Ausfallen des Termins am 13.11.2018 sei die Rechtsanwältin nicht rechtzeitig informiert worden, so dass sie sich pünktlich beim Landgericht eingefunden habe. Gem. Vorb. 4 Abs. 3 Satz 2 RVG erhält ein Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser jedoch aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet.

Auf meine Nachfrage: Die Kollegin war nicht im Gerichtssaal erschienen, sondern ist am Einga ng mit der Info: Termin findet nicht statt, abgefangen worden.