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Eine Verkehrsschild ist ein Verkehrsschild, und es gilt, basta

© Gooseman - Fotolia.com

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Ein Verkehrsschild ist ein Verkehrsschild, und es gilt und ist zu beachten, basta, auch wenn es möglicherweise nicht mehr wirksam ist. Etwa so lässt sich der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.11.2014 – IV-2 RBs 115/14 – überschreiben, in dem es um die (weitere) Wirksamkeit von Verkehrsschildern auf einer BAB ging, deren Wirksamkeit nicht verlängert worden war.

Die als Aufklärungsrüge erhobene Rüge der Ablehnung des Antrages auf Einholung einer Auskunft der „Landesbehörde Straßen NRW“ (Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen) ist nicht begründet. Der Antrag ist als Beweisantrag vom Amtsgericht behandelt und mit der Begründung abgelehnt worden, ein Verkehrszeichen sei auch dann verbindlich, wenn die ursprüngliche Anordnung nicht verlängert bzw. widerrufen worden sei. Das Amtsgericht hat sich damit ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf den Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der zu beweisenden Tatsache gestützt (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 244 Abs. 3 Satz 2, 2. Variante, StPO). Zutreffend ist das Amtsgericht dabei auch von der Verbindlichkeit eines aufgestellten Verkehrsschildes unbeschadet der etwaigen verwaltungsgerichtlichen Anfechtbarkeit der daraus hervorgehenden Anordnung ausgegangen.

Von der Straßenverkehrsbehörde aufgestellte Vorschriftzeichen sind Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung (st. Rspr.; BVerwG, NJW 1980, 1640). Ein fehlerhafter Verwaltungsakt ist zwar im Verwaltungsrechtsweg anfechtbar, aber grundsätzlich bis zu seiner Aufhebung zu befolgen. Unwirksam ist ein Verwaltungsakt nur, wenn er nichtig ist (§§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG). Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, darüber hinaus nur unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 VwVfG (vgl. auch OLG Düsseldorf NZV 1991, 204 m.w.N.). Die Beweisbehauptung aus dem abgelehnten Antrag, nämlich dass die Entfernung der Schilder nach Beendigung einer Baustelle vergessen worden sei, füllt die Voraussetzungen des § 44 VwVfG jedoch nicht aus.

Die Frage der möglichen Rechtswidrigkeit der Anordnung war auch für die Beurteilung der Schuldform ohne Bedeutung. Auf die optischen Wahrnehmungen und das Wissen des Betroffenen von der vorhandenen Beschilderung hat die Frage der Rechtswidrigkeit der Anordnung keinerlei Auswirkung. Dass der Betroffene – aufgrund eines vermeidbaren Rechtsirrtums (Verbotsirrtums) – zur Tatzeit davon ausgegangen wäre, dass die Anordnung aus der vorhandenen Beschilderung nicht zu befolgen gewesen wäre, was im Übrigen ohne Auswirkung auf die vom Amtsgericht angenommene vorsätzliche Begehung der Ordnungswidrigkeit bliebe (vgl. § 11 OWiG), macht er mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend.

Schließlich ist die Frage der Rechtswidrigkeit auch kein zwingend bei der Zumessung der Rechtsfolgen zu berücksichtigender Aspekt gewesen. Auf die erhobene Rechtsbeschwerde ist die vom Tatrichter vorgenommene Zumessung der Rechtsfolgen nur eingeschränkt dahin zu prüfen, ob die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, der Tatrichter von einem falschen Sanktionsrahmen ausgegangen ist oder die ihm – hinsichtlich der Bemessung der Geldbuße nach § 17 Abs. 3 und 4 OWiG – obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Täter sprechenden Umstände verletzt, insbesondere rechtlich anerkannte Sanktionszwecke nicht beachtet hat, sich von Gesichtspunkten hat leiten lassen, die der Zumessung der Rechtsfolgen nicht zugrunde gelegt werden dürfen, oder ob sich die Rechtsfolge so weit nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei ihrer Zumessung eingeräumt ist (OLG Düsseldorf NStZ 1988, 325 m.w.N.). Die dadurch gezogenen Grenzen hat das Amtsgericht mit der Außerachtlassung des Aspekts der möglichen Rechtswidrigkeit der Anordnung über die Höhe der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten. Unbeschadet der vom Senat hier nicht zu entscheidenden Frage, ob der Verstoß gegen eine rechtswidrige, aber zu befolgende Anordnung über eine zulässige Höchstgeschwindigkeit regelmäßig ein solch geringeres Gewicht beizumessen ist, dass dies eine minderschwere Sanktion rechtfertigt oder sogar erzwingt, war das Amtsgericht im hier vorliegenden Einzelfall unter Berücksichtigung aller übrigen in die Abwägung eingestellten Aspekte, insbesondere der erheblichen verkehrsrechtlichen Vorbelastung des Betroffenen jedenfalls nicht zur Meidung eines Rechtsfehlers gezwungen, diesen Gesichtspunkt mildernd zu berücksichtigen.“

Ok, so weit h.M. im Verkehrsrecht. Allerdings meine ich, dass man bei den Rechtsfolgen die Frage vielleicht doch hätte berücksichtigen müssen. Denn es handelt sich letztlich ja nur um formelles Handlungsunrecht dar. Also hätte man die Frage, ob nicht ggf. außergewöhnliche Tatumstände (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV) vorliegen diskutieren und ggf. von den Regelfolgen abweichen können.

Der Samstag als Werktag im OWi-Recht

Der BGH hat mit Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 291/09 – für das Mietrecht entschieden, dass der Samstag kein Werktag ist (vgl. die PM hier und dazu hier).

So weit, so gut. Die Entscheidung bringt mich aber dann gleich zu der Frage: Gilt das nun nur im Mietrecht oder muss man – Stichwort: Einheit der Rechtsordnung – das auf das OWi-Recht ausdehnen. Da kann die Frage ja auch mal eine Rolle spielen, wenn es nämlich um die Wirkung des Zusatzzeichens Zeichen 1042-31 der StVO geht, durch das eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Werktage beschränkt werden kann. Dann würde die Beschränkung an einem Samstag nicht gelten.

A.A. ist vor längerer Zeit das OLG Hamm gewesen. Es hat ausgeführt:

Die durch das gem. § 39 Abs. 2 StVO angebrachte Zusatzschild „werktags von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr“ (Zeichen 1042-31 der StVO9 herbeigeführte beschränkte Geltung der durch Zeichen 274 der StVO angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung entfaltet an einem Samstag keine Wirkung. Der Samstag ist nämlich auch heute noch im allgemeinen Sprachgebrauch ein „Werktag“. Das ist unabhängig davon, ob dieser Tag Arbeitstag ist (vgl. Beschl. v.07.03.2001 –  2 Ss OWi 127/01).

Ist die Entscheidung jetzt hinfällig? :-). Man kann es ja mal versuchen, ich muss es ja nicht mehr entscheiden 🙂 ;-). Allerdings wird es so ganz einfach nicht werden. Denn der BGH hat wohl darauf hingewisen, dass bei einer Kündigung wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch der Samstag nach wie vor als Werktag zählt.

KG: Auch auf Sonderfahrstreifen gelten „allgemeine Lichtzeichen“, aber ggf. geringere Geldbuße

Das KG hat jetzt in seinem Beschl. v. 21.05.2010 – 3 Ws (B) 138/10  –  2 Ss 41/10 – ebenso wie bereits das OLG Frankfurt im Jahr 20o2 entschieden, dass für Fahrzeugführer, die unberechtigt einen Sonderstreifen benutzen, die Lichtzeichen für den allgemeinen Fahrverkehr auf den übrigen Fahrstreifen (weiter) gelten. Bei der Missachtung des dortigen Rotlichtes sei aber trotz der Dauer der Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde eine Gefährdung des Querverkehrs ausgeschlossen, wenn das Lichtzeichen für den unberechtigt benutzten Sonderstreifen die Fahrt frei gibt. Dies rechtfertige ggf. eine Unterschreitung der Regelgeldbuße und das Absehen vom Regelfahrverbot (§ 37 StVO).

Wenigstens etwas.

Das Kleine-Einmal-Eins des OWi-Richters, oder: Glück gehabt, weil 800 € und 2 Monate Fahrverbot „gespart“

Da hat der Betroffene aber „Glück gehabt“. Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wird im Bußgeldbescheid gegen ihn eine Geldbuße von 600 € festgesetzt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Dagegen Einspruch. Der Amtsrichter setzt eine Geldbuße von 1.8000 € fest und ein Fahrverbot von nur noch einem Monat. Dagegen die Rechtsbeschwerde. Das OLG Köln hebt in seinem Beschl. v. 23. 12. 2009 – 82 ss OWi 113/09 – die amtsgerichtliche Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch auf. 1.800 e gehen nicht. Die Höchstgrenze des § 17 Abs. 2 OWiG gilt auch, wenn von einem Fahrverbot abgesehen wird. Also: Nur 1.000 € zulässig. Aber das Fahrverbot kann nicht wieder erhöht werden. § 331 Stpo/das Verschlechterungsverbot lassen grüßen. Das Ganze ist kein vorweihnachtliches Geschenk des OLG, sondern das „Kleines-Einmal-Eins“ des OWi-Verfahrens. Besonders die Grenze des § 17 Abs. 2 OWiG wird nicht selten von den Amtsrichtern übersehen. Rechtsbeschwerden sind dann Selbstläufer.