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OWI III: Erzwingungshaft, oder: Vollstreckungshandlungen sind bei hoher Geldbuße vorrangig

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Und zum Tagesschluss dann noch der AG Dortmund, Beschl. v. 05.03.2019 – 729 OWi 10/19 [b], der sich mit der Frage der Erzwingungshaft bei hohen Geldbußen befasst. Das AG meint/sagt: Bei hohen Geldbußen sind Vollstreckungshandlungen vorrangig vor einer Inhaftnahme als schwerstes Mittel der Vollstreckung.

Hier der Leitsatz der Entscheidung:

„Haben bei einer zu vollstreckenden Geldbuße in Höhe von 1500 € keine echten Vollstreckungshandlungen stattgefunden, so ist eine Erzwingungshaftanordnung unverhältnismäßig. Durchsuchungshandlungen, Pfändung von Wertgegenständen, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder auch der Versuch von Kontenpfändungen sind in diesem Falle vorrangig.“

OWI III: Erzwingungshaft, oder: Zahlungsunfähigkeit bei „Aufenthalt“ in JVA

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Und als letzte Entscheidung dann der AG Dortmund, Beschl. v. 14.01.2019 – 729 OWi 1/19 [b], mal wieder zur Erzwingungshaft.

Um zu verstehen, worum es geht, reicht der Leitsatz der Entscheidung. Der lautet:

Befindet sich der Betroffene in einer Justizvollzugsanstalt und teilt dieser mit, dass keine pfändbaren Beträge von dort aus abgeführt werden können, so ist jedenfalls dann eine Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn keine weiteren Vollstreckungshandlungen durch die Vollstreckungsbehörde entfaltet worden und so keine weiteren Erkenntnisse über die Vermögenslage des Betroffenen vorhanden sind.

OWI III: (Erneuter) Erzwingungshaftantrag, oder: „Zahlungsunfähigkeit ist keine Gefühlslage“

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Und zum Schluss dann mal wieder etwas zur Erzwingungshaft (§ 96 OWiG), und zwar der AG Dortmund, Beschl. v. 20.07.2018 – 729 OWi 64/18 [b]. Das AG hatte bereits früher von der Stadt Dortmund gegen den Betroffenen gestellte Erzwingungshaftanträge abgelehnt. Diese hatte die Stadt wiederholt und das AG hat die Anträge erneut zurückgewiesen:  

In vier den Betroffenen betreffenden Verfahren hat die Stadt A nunmehr wieder – und nach Ansicht des Gerichtes somit unzulässig – ohne Änderung der tatsächlichen Situation Erzwingungshaftanträge gegen den Betroffenen gestellt.

Das Gericht hatte am 03.07.2018 gleichartige Anträge bereits zurückgewiesen, weil der Betroffene ausweislich der erfolglosen Vollstreckungsversuche vom 06.06.2018 zahlungsunfähig ist. Der Betroffene ist nämlich nach Aktenlage offenbar Kokainkonsument. Bereits die JVA B hatte der Stadt A unter dem 7. bzw. 8.12.2017 mitgeteilt, dass keine pfändbaren Vermögenswerte bei dem Betroffenen vorhanden sind. Aus der städtischen Niederschrift über eine fruchtlose Pfändung vom 06.06.2018 ergibt sich ebenfalls, dass pfändbare Sachen nicht vorgefunden werden konnten und der Betroffene ohne jedes Einkommen ist und zwar auch ohne ALG I, ALG II, Rente oder Krankengeld.

Das Gericht ist daher mit Beschlüssen vom 3.7.2018 davon ausgegangen, dass eine Zahlungsunfähigkeit im gesetzlichen Sinne vorliegt.

Die Stadt A verbleibt bei ihrer Rechtsansicht, wonach auch Personen, die keine Sozialmittel erhalten, unpfändbar sind und auch keine sonstigen Vermögenswerte besitzen, zahlungsfähig im Sinne des § 96 OWiG sind. Allein aus der Tatsache, dass keine Sozialmittel in Anspruch genommen würden, sei darauf zu schließen, dass ein Betroffener seinem persönlichen Empfinden auch über ausreichende Mittel verfüge. Dem kann das Gericht nicht folgen. Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Gesetzes ist – anders als die Stadt A diese offensichtlich sieht – keine Gefühlslage.

Darüber hinaus ist klarzustellen, dass hier ohne jede Relevanz ist, welche Rechtsansichten das LG Dortmund zur Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 96 OWiG vertritt.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Stadt durch regelmäßige Pfändungsmaßnahmen immer noch die festgesetzten Bußgelder beitreiben kann. Das Gericht geht insoweit davon aus, dass es durchaus möglicherweise guten Chancen gibt, etwa durch Taschenpfändungen unmittelbar vor Betäubungsmittelkäufen des Betroffenen erfolgreich zu vollstrecken.“

Na, da hat es das AG der Stadt Dortmund aber gegeben 🙂 .

Ist Erzwingungshaft „Verhaftung“?, oder: Offen gelassen

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Und die dritte „Haftentscheidung“ betrifft eine Erzwingungshaftproblematik, nämlich die Frage, ob Erzwingungshaft nach § 96 OWiG unter den Begriff der Verhaftung i.S.v. § 310 Abs. 1 StPO fällt. Der OLG Hamm, Beschl. v. 20.03.2018 – 4 Ws 27/18 – sagt:

„Der Senat kann offen lassen, ob das Rechtsmittel bereits unstatthaft ist, weil es sich gegen eine Entscheidung eines Landgerichts richtet, welche ihrerseits bereits auf eine Beschwerde (hier: gegen die Anordnung von Erzwingungshaft) hin ergangen ist und in einem solchen Fall eine weitere Beschwerde nur in den gesetzlichen Ausnahmefällen des § 310 Abs. 1 in Verbindung mit § 46 OWiG statthaft ist (vgl. § 310 Abs. 2 OWiG).

Die Anordnung von Erzwingungshaft fällt nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung nicht unter den Begriff der Verhaftung im Sinne von § 310 Abs. 1 StPO (OLG Hamm NStZ-RR 2006, 320; OLG Rostock NStZ 2006, 245, 246; OLG Schleswig, Beschl.v. 04.08.2004 – 1 Ws 279/04 – juris; offengelassen in: OLG Karlsruhe NStZ 2016, 184). In der Literatur wird diese Auffassung teilweise in Zweifel gezogen. Argumentiert wird, dass die Erzwingungshaft vergleichbar schwerwiegend sei, wie die Beugehaft nach § 70 Abs. 2 StPO. Der Begriff der Verhaftung in § 310 StPO sei kein anderer als in § 304 StPO und dort sei die Beugehaft als Verhaftung anzuerkennen (Matt in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 310 Rdn. 43 und 42 unter Hinweis auf OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 26, 27). In der Tat spricht vieles dafür, auch die Anordnung von Erzwingungshaft nach § 96 OWiG als „Verhaftung“ anzusehen, wenn man jede unmittelbar die Haft herbeiführende Entscheidung als relevantes Kriterium ansieht (vgl. BGHSt 26, 270, 271) – in Abgrenzung zu bloß bei Eintritt einer weiteren Bedingung zur Haft führenden Entscheidungen wie bei der Ersatzordnungshaft (vgl. BGH, Beschluss vom 04.08.2009 – StB 32/09 = BeckRS 2009, 23731). Diese Frage muss der Senat aber nicht abschließend entscheiden.“

Erzwingungshaft II, oder: Wenn der Betroffene früher mal nicht angetroffen worden ist

Den Abschluss der beiden  Entscheidungen zur Erzwingungshaft (§ 96 OWiG) macht der AG Dortmund, Beschl. v. 16.01.2018 –  729 OWi 2/18 [b]. Es geht mal wieder um die Frage der Verhältnismäßigkeit der Erzwingungshaft. Das AG Dortmund hat deren Anordnung abgelehnt. Leitsatz/Begründung der Entscheidung:

„Erschöpfen sich die dokumentierten Vollstreckungsversuche darin, dass in anderen Angelegenheiten 3 Monate vor Zustellung des nun zu vollstreckenden Bußgeldbescheides die Feststellung „Schuldner nicht angetroffen“ getroffen wurde, so erscheint bei einer nur zu vollstreckenden Geldbuße von 20 Euro eine Ermessensentscheidung des Gerichtes, durch die Erzwingungshaft nach § 96 OWiG angeordnet wird, nicht geboten und wäre auch unverhältnismäßig.“