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StPO III: Zustellung an aufgegebener Wohnung, oder: Voraussetzungen für einen „Scheinwohnsitzes“?

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Und zum Abschluss der heutigen StPO-Entscheidungen dann noch der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 22.09.2023 – 12 Qs 66/23 – zur Wirksamkeit einer Ersatzzustellung.

Es geht um die Wirksamkeit der Ersatzzustellung eines Widerrufsbeschlusses. Der Beschluss wurde am 08.07.2023 von der Post in der pp. Str. 27 in den Wohnungsbriefkasten eingelegt. Mit Schreiben vom 18.08.2023 an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragt dann der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss ein. Zur Begründung trug er vor, „der Bf. habe durch die Ladung zum Strafantritt erstmals Kenntnis vom Bewährungswiderruf erlangt. Da er sich in der Türkei aufhalte, habe er von der Ladung am 17.08.2023 auch nur über Umwege erfahren. Ferner sei der Bf. nach einem Streit mit seiner Lebenspartnerin am 12.06.2023 aus der gemeinsamen Wohnung in der …Str. 27 ausgezogen und habe sich am 20.06.2023 unter einer neuen Adresse in X einwohnerrechtlich angemeldet. Trotz eines Nachsendeauftrags sei seine Post aber weiterhin an die alte Adresse ausgeliefert worden. Die Lebenspartnerin habe ihn absichtlich nicht über eingehende Post informiert und diese auch nicht weitergeleitet. Zudem habe er ihr in der Vergangenheit Geld gegeben, dass sie damit seine Bewährungsauflage bezahle, da er selbst kein Konto habe. Dies habe sie abredewidrig unterlassen, wovon er ebenfalls erst am 17.08.2023 erfahren habe. Daher habe er sogleich am 18.08.2023 über seine Schwester 150 € an die Landesjustizkasse für die Auflage überwiesen. Es liege also kein gröblicher und beharrlicher Verstoß gegen die Bewährungsauflage vor. Die fehlenden Raten wolle er nachzahlen.2

Wiedereinsetzungsantrag und die sofortige Beschwerde haben Erfolg:

„1. Dem Bf. war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 44 Satz 1, § 46 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung). Wiedereinsetzung erfolgt auch dann, wenn der Betroffene zwar keine Frist versäumt hat, aber irrtümlich so behandelt wurde und dementsprechend auf das Rechtsmittel angewiesen ist (BGH, Beschl. v. 02.09.2015 – 2 StR 294/15, juris Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 44 StPO Rn. 2). Einer weiteren Sachprüfung des Wiedereinsetzungsgesuchs bedarf es nicht (OLG Hamm Beschl. v. 22.11.2017 – 1 Ws 523/17, juris Rn. 9).

So liegt der Fall auch hier. Der Bf. hat die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht versäumt, da ihm der Beschluss vom 06.07.2023 nicht wirksam zugestellt wurde. Gleichwohl wurde er so behandelt, als hätte er die einwöchige Frist für die sofortige Beschwerde, die mit der Zustellung zu laufen beginnt (§ 311 Abs. 2 i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 1 StPO), verpasst.

a) Die Ersatzzustellung vom 08.07.2023 war unwirksam. § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 180 ZPO setzen voraus, dass der Bf. bei Einlegung des Beschlusses in den Briefkasten in der …Str. 27 an dieser Adresse tatsächlich wohnhaft gewesen wäre. Falls der Zustellungsadressat zwar nicht mehr an der Adresse wohnt, aber noch eine fortlaufende Beziehung zur Wohnung aufrechterhält, so würde allerdings auch dies ausreichen. Das wäre etwa anzunehmen, wenn eine behördliche Abmeldung noch nicht erfolgt ist und die Wohnung zur Postsammlung genutzt wird (vgl. BayObLG, Beschl. v. 16.03.2004 – 2 ObOWi 7/2004, juris Rn. 11).

Die Kammer geht indes davon aus, dass der Bf. seit Mitte Juni 2023 seine alte Wohnung nicht mehr nutzt, seinen Wohnsitz dort mithin aufgegeben hat. Die vorgelegte Meldebescheinigung der Stadt X belegt, dass sich der Bf. am 20.06.2023 rückwirkend zum 15.06.2023 an der neuen Anschrift …Weg 18, X, angemeldet hat. Dort gab er bei der Rubrik Wohnungsstatus an, dass es sich um seine einzige Wohnung handele. Dies deckt sich mit dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung sei ner ehemaligen Lebenspartnerin, wonach sie und der Bf. seit seinem Auszug getrennt leben.

Nichts anderes folgt daraus, dass der Bf. bei einer polizeilichen Überprüfung am Briefkasten und Klingelschild der alten Adresse vorgetragen war und auf Nachfrage seine postalische Erreichbarkeit dort bejahte. Denn die Nachfrage erfolgte im Mai 2023 und damit vor dem Zerwürfnis und dem Auszug im Juni 2023. Zwar hat der Bf. den behaupteten Nachsendeauftrag bei der Post nicht in Vorlage gebracht. Jedoch bestätigte die ehemalige Lebenspartnerin, dass es diesen Nachsendeauftrag gegeben habe.

b) Eine wirksame Zustellung lag auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Scheinwohnung vor. Das hätte eine Manipulation seitens des Zustellungsadressaten erfordert, wofür das Belassen des Namensschildes am Briefkasten nach Auszug nicht ausreicht (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 178 Rn. 7 m.w.N.). Derlei fehlt hier. Insbesondere meldete sich der Bf. am 20.06.2023 und damit vor der Beschlusszustellung bei der Gemeinde um.

Die Nichtbefolgung der Weisung im Bewährungsbeschluss, unverzüglich und unaufgefordert dem Gericht jeden Wohnsitzwechsel mitzuteilen, begründet einen Scheintatbestand nicht. Denn diese Anordnung dient lediglich der Arbeitserleichterung des Gerichts bei der Bewährungsüberwachung oder der spezialpräventiven Einwirkung auf den Verurteilten (vgl. Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 56c Rn. 6 m.w.N.), begründet mithin auf dessen Seite kein Vertrauen.

c) Die unwirksame Zustellung ist auch nicht geheilt worden. Denn dies erfordert einen tatsächlichen Zugang des Dokuments beim Zustellungsadressaten (vgl. § 189 ZPO). Hierfür reicht allein die Kenntnisnahme vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks nicht aus, nicht einmal die Übergabe eines gleichlautenden, aber anderen Schriftstücks (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.03.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 76/18, juris Rn. 7 m.w.N.). Ein Zugang ist hier nicht erwiesen. Vielmehr gibt der Bf. an, von dem angegriffenen Beschluss nur durch dessen Erwähnung in der Ladung zum Haftantritt erfahren zu haben…..“

OWi III: Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung, oder: Einlegen in den Briefkasten

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas vom BayObLG. Der BayObLG, Beschl. v. 31.07.2023 – 102 AR 128/23 e – ist zwar im Zivilverfahren in Zusammenhang mit einem Zuständigkeitsstreit ergangen. Er behandelt aber eine Zustellungsfrage, die auch im OWi-Verfahren von Bedeutung sein kann – ich sage doch: Die OWi-Lage ist mau 😉 . Es geht nämlich um die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung dazu führt das BayObLG aus:

„Die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ergeben sich aus § 180 ZPO. Gemäß § 180 Satz 1 ZPO kann, wenn der Zustellungsadressat in seiner Wohnung nicht angetroffen wird und die Ersatzzustellung durch Übergabe in der Wohnung an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht ausführbar ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt, § 180 Satz 2 ZPO. Gemäß § 180 Satz 3 ZPO hat der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung zu vermerken. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass gesetzliche Regelungen über das Zustellungsverfahren verletzt worden wären.

Die über den Zustellungsvorgang zu erstellende Urkunde dient lediglich dem Nachweis der Zustellung, § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2023, VIII ZR 99/22, NJW-RR 2023, 766 Rn. 20). Ihr notwendiger Inhalt ergibt sich aus § 182 Abs. 2 ZPO. Anders als die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften im Sinne von § 189 Alt. 2 ZPO, etwa der in § 180 Satz 3 ZPO statuierten Verpflichtung (vgl. BGH NJWRR 2023, 766 Rn. 18), führen Fehler oder Lücken in der Zustellungsurkunde nicht ohne Weiteres zu einer Unwirksamkeit der Zustellung, die nur durch tatsächlichen Zugang gemäß § 189 ZPO geheilt werden könnte. Allenfalls bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Mangels kann die Unwirksamkeit der Zustellung in Betracht kommen (vgl. Vogt-Beheim in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, § 182 Rn. 21; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 187 Rn. 7; Eyink, MDR 2008, 1255 [1257]; noch zu § 191 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung: BGH, Urt. v. 29. Juni 1989, III ZR 92/87, NJW 1990, 176 [juris Rn. 13]; OLG München, Beschl. v. 11. Dezember 2001, 21 W 2569/01, MDR 2002, 414 [juris Rn. 7 ff.]). Sonstige Mängel wirken sich lediglich auf die Beweiskraft der Urkunde aus, § 419 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Juli 2018, XII ZB 138/18, NJW 2018, 2802 Rn. 5 und 8; Urt. v. 19. Juli 2007, I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218 Rn. 26; Dörndorfer in BeckOK ZPO, 49. Ed. Stand 1. Juli 2023, § 182 Rn. 14; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 182 Rn. 1 und 3; Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 182 Rn. 3 und 19; Siebert in Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 182 Rn. 13; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 182 Rn. 17; BT-Drucks. 14/4554 S. 15 [re. Sp.], 22 [re. Sp.]). Ob fehlende, unklare oder unstimmige Angaben die Beweiskraft der Zustellungsurkunde mindern oder sogar aufheben, ist nach freier Überzeugung (§ 286 Abs. 1 ZPO) zu beurteilen. Gegebenenfalls bedarf es ergänzender Beweismittel (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 182 Rn. 17).

Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat die Zustellungsurkunde die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 418 ZPO. Sie erstreckt sich auf sämtliche in der Urkunde bezeugten Tatsachen, mithin auf Zustellungsart, -zeit und -ort sowie bei Ersatzzustellung darauf, dass der Zusteller unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme des Schriftstücks in Betracht kommende Person angetroffen und er das Schriftstück in den Briefkasten oder eine entsprechende Einrichtung eingelegt hat (Schultzky in Zöller, ZPO, § 182 Rn. 14 m. w. N.). Einschränkungen der Beweiskraft ergeben sich aus widersprüchlichen oder unklaren Angaben in einer ansonsten formal ordnungsgemäßen Zustellungsurkunde (Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 182 Rn. 15).

Die vorliegende Urkunde enthält insofern eine Unstimmigkeit, als in ihr die Zustellanschrift und dementsprechend der Ort der Zustellung, § 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO, mit „A. G., 9xxxx München“ angegeben sind. Dass die Bezeichnung des Zustellorts mit „München“ eine auf einem Schreibversehen beruhende Unrichtigkeit ist, ergibt sich ohne weiteres aus der Kombination mit der Postleitzahl „9xxxx“. Diese Postleitzahl ist nicht München, sondern E. zugeordnet. Hinzu kommt, dass es eine Straße „A. G.“ in München nicht gibt, sehr wohl aber in E. Der Ort des beurkundeten Zustellungsvorgangs kann der Urkunde trotz des darin enthaltenen Fehlers ohne verbleibende Restzweifel durch Auslegung entnommen werden. Die Wirksamkeit der Zustellung wird durch die fehlerbehaftete Ortsangabe in der Urkunde nicht berührt.“

Corona I: Wirksame (Ersatz)Zustellung in Corona-Zeiten, oder: Versuch der Übergabe gemacht?

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Und heute dann – seit längerem mal wieder – ein paar Entscheidungen, in denen Corona eine Rolle spielt. Zunächst hier eine Zwischenurteil des BFH, und zwar das BFH, Urt. v. 19.10.2022 – X R 14/21. Es geht in der Entscheidung um die Wirksamkeit einer Zustellung und damit um die Rechtzeitigkeit einer Revision.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt = Tatbestand zugrunde:

„Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts wurde am 19.06.2021, einem Samstag, im Wege der förmlichen Zustellung mittels Zustellungsurkunde in den Briefkasten der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kläger und Revisionskläger (Kläger), einer Steuerberatungs-GmbH, eingelegt. Auf dem Briefumschlag ist als Zustellungsdatum der 19.06.2021 vermerkt. Der Zusteller hat die Zustellungsurkunde wie folgt ausgefüllt:

„Das mit umseitiger Anschrift und Aktenzeichen versehene Schriftstück (verschlossener Umschlag) habe ich in meiner Eigenschaft als

2 [X]

– Postbediensteter


9 [X]

– zu übergeben versucht. (10.1 bis 12.3)
Weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war, habe ich das Schriftstück in den

10.1 [  ]

– zur Wohnung

10.2 [X]

– zum Geschäftsraum
gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt.


13

Den Tag der Zustellung – ggf. mit Uhrzeit – habe ich auf dem Umschlag des Schriftstücks vermerkt.
13.1 Datum: 190621
13.3 Unterschrift des Zustellers: …
13.4 Postunternehmen/Behörde: Deutsche Post
13.5 Name, Vorname des Zustellers (in Druckbuchstaben): …“

Die Revision der Kläger ging am 20.07.2021 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Auf einen Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, dass die für die Einlegung der Revision geltende Monatsfrist versäumt sei, wandten die Kläger ein, die Zustellungsurkunde sei unrichtig. Während der Covid-19-Pandemie hätten die jeweiligen Postzusteller bei keiner einzigen förmlichen Zustellung eine persönliche Übergabe des Schriftstücks in den Geschäftsräumen der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten versucht. Dies sei auch am 19.06.2021 nicht der Fall gewesen. Gleichwohl sei in den Zustellungsurkunden stets ??objektiv unzutreffend?? angekreuzt worden, eine Übergabe des Schriftstücks in den Geschäftsräumen sei nicht möglich gewesen. Damit sei die Zustellung unter Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften erfolgt; eine Heilung nach § 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) sei erst mit der am Montag, 21.06.2021 vorgenommenen Leerung des Kanzleibriefkastens eingetreten.

Die Kläger haben weiter vorgetragen, der Zusteller habe in Gesprächen mit der für den Posteingang zuständigen Mitarbeiterin und dem Geschäftsführer ihrer Prozessbevollmächtigten am 03. und 04.08.2021 erklärt, er sei aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Pandemiebekämpfung gehalten, keine persönlichen Zustellungen vorzunehmen. Im Übrigen müsse er dies auch nicht, weil er die Sendungen jederzeit in den Briefkasten einlegen könne.

Die Kanzleiräume befänden sich im dritten Obergeschoss eines Geschäftshauses, der Kanzleibriefkasten liege im Erdgeschoss hinter der verschlossenen Hauseingangstür. Klingeln für die Kanzleiräume seien sowohl außen am Hauseingang als auch im dritten Obergeschoss vor der Eingangstür zu den Kanzleiräumen angebracht. Der Postzusteller habe einen eigenen Schlüssel für die Hauseingangstür und damit jederzeit Zutritt zum Gebäude.

Die Senatsvorsitzende hat die Deutsche Post AG ??Großannahmestelle Brief Stadt X?? um Auskunft zu der Frage gebeten, ob es in deren Bereich die generelle Anweisung gebe, während der Covid-19-Pandemie vom Versuch einer persönlichen Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks abzusehen und statt dessen sogleich eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten vorzunehmen. Die Deutsche Post AG ??Kundenservice?? hat diese Frage mit Schreiben vom 04.05.2022 verneint und darüber hinaus ??ohne hierzu befragt worden zu sein?? ausgeführt, dass für den betroffenen Zustellungsauftrag am 19.06.2021 ein Zustellversuch unternommen worden sei. Der Geschäftsraum sei geschlossen gewesen, so dass eine Übergabe nicht möglich gewesen sei und der Auftrag in den Briefkasten des Adressaten eingelegt worden sei. Postzustellungsaufträge würden immer nach den Vorgaben der ZPO zugestellt.“

Der BFH hat die Revision als zulässig angesehen. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Eine wirksame Ersatzzustellung durch Einlegen in einen Briefkasten (§ 180 ZPO) setzt voraus, dass zuvor ein erfolgloser Versuch der Ersatzzustellung in der Wohnung oder den Geschäftsräumen des Adressaten (§ 178 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO) unternommen wurde.

2. Allein aus den allgemeinen während der Covid-19-Pandemie geltenden Kontaktbeschränkungen kann nicht abgeleitet werden, dass in dieser Zeit eine Ersatzzustellung durch Einlegen in einen Briefkasten ohne vorherigen Versuch der Ersatzzustellung in der Wohnung oder den Geschäftsräumen als wirksam anzusehen wäre.

Kann m.E. auch in anderen Verfahren(sarten) von Bedeutung sein/werden.

OWi II: Keine wirksame Ersatzzustellung des BGB, oder: Keine Verjährungsunterbrechung

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Und als zweite Entscheidung dann ein BayObLG-Beschluss auf dem Bußgeldverfahren. Es geht um die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung und damit verknüpft um die Frage der Verjährungsunterbrechung. Das AG hatte verurteilt, das BayObLG stellt im BayObLG, Beschl. v. 17.11.2020 – 201 ObOWi 1385/20 – ein:

„1. Folgender Verfahrensablauf liegt zugrunde:

Halter des bei dem Verkehrsverstoß festgestellten Fahrzeugs ist der Vater des Betroffenen, der in A gemeldet ist. Dessen Anhörung wurde am 02.09.2019 angeordnet. Nach Erholung eines Lichtbildes des Vaters des Betroffenen wurde am 01.10.2019 der Polizeiposten in A um Ermittlung des Fahrers zur Tatzeit gebeten. Von der Polizei in A wurde unter dem 08.10.2019 mitgeteilt, dass die durchgeführten Ermittlungen über die Meldedaten und Erholung eines Lichtbildes des Betroffenen ergaben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Betroffene den Pkw geführt haben dürfte. Unter dem 15.10.2019 ordnete daraufhin ein Mitarbeiter des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes die Anhörung des Betroffenen an. Der Bußgeldbescheid wurde am 20.11.2019 erlassen und durch Niederlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten am 22.11.2019 unter der Anschrift in A zugestellt. Der Betroffene war seit 01.08.2019 mit Hauptwohnsitz in F und in A mit einer Nebenwohnung gemeldet.

Die Verteidigerin hat mit am 06.12.2019 beim bayerischen Polizeiverwaltungsamt eingegangenem Schreiben gegen den Bußgeldbescheid vom 20.11.2019 „namens und in Vollmacht des Mandanten“ Einspruch eingelegt, ohne eine schriftliche Verteidigervollmacht vorzulegen. Die Akten wurden am 11.02.2020 dem Amtsgericht vorgelegt, wo dann am 08.04.2020 und am 17.04.2020 Termine zur Hauptverhandlung anberaumt worden sind. Eine von der Verteidigerin vorgelegte schriftliche Strafprozessvollmacht wurde vom Betroffenen am 20.04.2020 unterzeichnet. Nach Vortrag der Verteidigerin blieb der in A zugestellte Bußgeldbescheid ungeöffnet und ist dem Betroffenen zu keinem Zeitpunkt bekannt gegeben worden. Sie habe dem Betroffenen den Bußgeldbescheid auch nicht in Textform übermittelt.

2. Das Verfahren ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), weil bereits vor Urteilsverkündung Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG) eingetreten war.

…….

c) Die Verjährungsfrist ist hingegen nicht nach § 26 Abs. 3 Halbsatz 2 StVG auf sechs Monate verlängert und auch nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen worden durch den Erlass des Bußgeldbescheides am 20.11.2019; denn der Bußgeldbescheid ist nicht innerhalb von zwei Wochen ab Erlass wirksam zugestellt worden. Sowohl für die Verlängerung der Frist auf sechs Monate als auch für die Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG ist nicht nur ein wirksamer Bußgeldbescheid, sondern auch dessen wirksame Zustellung erforderlich (vgl. BGHSt 45, 261, 263; OLG Bamberg NJW 2006, 1078; OLG Celle ZfSch 2011, 647).

aa) Eine wirksame Zustellung an den Betroffenen ist unter der Anschrift in A nicht erfolgt. Nach § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG gelten für die Zustellung eines Bußgeldbescheides durch die Post mittels Zustellungsurkunde die Vorschriften der §§ 177182 ZPO entsprechend. Nach §§ 178 Abs. 1, 180 Satz 1 ZPO erfordert eine Ersatzzustellung durch Niederlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten, dass der Betroffene dort tatsächlich wohnhaft ist. Für den Begriff der Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften kommt es auf das tatsächliche Wohnen an, nämlich darauf, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und dort auch schläft bzw. dort seinen Lebensmittelpunkt hat und den er regelmäßig aufsucht, ohne dass der melderechtliche Status ausschlaggebend ist (vgl. BGH NJW-RR 1994, 564; BeckOK/Dörndorfer ZPO [Stand: 01.09.2020] § 178 Rn. 3). Dies war für die Wohnung in A zum Zeitpunkt der Zustellung nicht der Fall. Der Betroffene trägt nachvollziehbar und durch die eidesstattliche Versicherung seines Vaters bestätigt vor, dass er sich seit 01.08.2019 nicht mehr in A aufgehalten hat. Er war seit diesem Zeitpunkt tatsächlich mit Hauptwohnsitz in F gemeldet. Auch die im Freibeweisverfahren erholte dienstliche Stellungnahme eines Beamten des Polizeipostens A hat keine gegenteiligen Erkenntnisse erbracht. Zwar kann unter Umständen eine Ersatzzustellung unter dem Nebenwohnsitz erfolgen. Dies setzt aber voraus, dass der Betroffene entweder den Anschein gesetzt hat, dort tatsächlich aufhältlich zu sein oder sich tatsächlich dort aufgehalten hat (vgl. VGH München, Beschluss vom 23.08.1999 – 7 ZB 99.1380 = BayVBl 2000, 403 = BeckRS 1999, 22873); BeckOK/Dörndorfer a.a.O. § 178 Rn. 4). Beides kann hier nicht nachgewiesen werden. Der Zugang von Briefsendungen kann nur durch positive Beweisanzeichen festgestellt werden (vgl. KG NZV 2002,200; OLG Celle a.a.O.).

bb) Eine Heilung dieses Zustellungsmangels ist nicht eingetreten, § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. Art. 9 BayVwZVG, da kein Zugang bei einem tatsächlich Empfangsberechtigten festgestellt werden kann. Der Betroffene bzw. sein Vater versichern und versuchen, dies anhand eines Lichtbildes zu belegen, dass der Bußgeldbescheid vom Betroffenen zu keinem Zeitpunkt aus dem Kuvert genommen worden ist, auf welchem das Zustellungsdatum vermerkt ist. Seine Verteidigerin, die den Bußgeldbescheid gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG formlos in Abschrift erhalten hat und deshalb bei Einspruchseinlegung auch das Datum des Bußgeldbescheides kannte, trägt vor, dass sie dem Betroffenen zu keinem Zeitpunkt den Bußgeldbescheid in Textform übermittelt habe. Für eine Heilung des Zustellungsmangels ist zwar nicht der Zugang des Originals des Schriftstücks erforderlich, sondern es genügen vielmehr auch die Übersendung einer Kopie oder eines Scans. Andere Formen der Übermittlung führen aber wegen der Fehleranfälligkeiten derartiger Übermittlungswege grundsätzlich nicht zur Heilung eines Zustellungsmangels (vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.2020 – I ZB 64/19 = MDR 2020, 750 = WRP 2020, 740 = DGVZ 2020, 121 = GRUR 2020, 776 = ZMR 2020, 803). Die Verteidigerin hat vorliegend gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG lediglich formlos eine Abschrift des Bußgeldbescheides erhalten. Schon von daher fehlt bezogen auf die Verteidigerin der Zustellungswille der Verwaltungsbehörde. Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob es für die Heilung eines Zustellungsmangels genügt, wenn die Verteidigerin anstelle des Betroffenen vom Inhalt des Bußgeldbescheides Kenntnis erlangt hat (vgl. zum Fall der Kenntniserlangung des Betroffenen bei missglückter Zustellung an den Verteidiger OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2017 – 3 RBs 106/17 bei juris). Die Heilung nach Art. 9 BayVwZVG i.V.m. § 189 2. Alt. BGB setzt voraus, dass der Bußgeldbescheid (in Textform) einem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Der Wahlverteidiger gilt aber nur dann als empfangsberechtigt, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung seine Vollmacht bereits zu den Akten gelangt ist (vgl. KK/Lampe OWiG 5. Aufl. § 51 Rn. 84 m.w.N.). Eine Abschrift der Verteidigervollmacht ist vorliegend aber erst am 23.04.2020 dem Amtsgericht überlassen worden. Demnach war die Verteidigerin vorliegend bei formloser Übersendung des Bußgeldbescheides (noch) nicht empfangsberechtigt. Es bestehen vorliegend auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verteidigerin zum Zeitpunkt der Übersendung des Bußgeldbescheides bereits rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden war.“

Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Wirksame Ersatzzustellung beim GmbH-Geschäftsführer

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.04.2018 – 10 S 358/18, der in einem § 80 Abs. 5-er-Verfahren wegen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 StVG ergangen ist. Bei dem Antragsteller handelt es sich um den Geschäftsführer eine GmbH, dem wegen des Erreichens von neun Punkten im Fahreignungsregister die Fahrerlaubnis entzogen und der unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung von Zwangsmitteln zur Ablieferung des Führerscheins verpflichtet worden ist. Dabei ist davon ausgegangen worden, dass ein Bußgeldbescheid vom 02.10.2017, aufgrund dessen wegen mehrerer am 25.08.2017 begangener Verkehrsordnungswidrigkeiten zwei Punkte im Fahreignungsregister eingetragen wurden, dem Antragsteller unter der Adresse der pp.  GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer er ist, ordnungsgemäß zugestellt worden.

Der VGH hat die Zustellung als wirksam angesehen:

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und hat die Fahrerlaubnisbehörde – ohne dass ihr insoweit Ermessen eingeräumt wäre – die Fahrerlaubnis zu entziehen, sobald sich im Fahreignungsregister ein Punktestand von acht oder mehr Punkten ergibt. Mit Blick auf die hierauf gestützte Entziehungsverfügung macht die Beschwerde allein geltend, in den Geschäftsräumen einer GmbH könne eine wirksame Ersatzzustellung von an deren Geschäftsführer persönlich gerichteten Schriftstücken gemäß §§ 178, 180 ZPO nicht erfolgen. Dieser Einwand gegen die Berücksichtigung der mit dem Bußgeldbescheid vom 02.10.2017 geahndeten Verkehrsverstöße vom 25.08.2017, die im Fahreignungs-Bewertungssystem mit zwei Punkten bewertet wurden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVG), greift nicht durch.

Voraussetzung für die Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister ist, dass die zugrundeliegende Straftat oder Ordnungswidrigkeit rechtskräftig geahndet ist (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Ein Bußgeldbescheid wird rechtskräftig, wenn gegen ihn – wie hier – nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung Einspruch erhoben wird (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Für die Zustellung des Bußgeldbescheids gelten gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 LVwZG die Regeln der §§ 177 bis 182 ZPO entsprechend. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Bußgeldbescheid danach wirksam unter der Adresse der .pp. GmbH zugestellt werden konnte. § 180 Satz 1 i. V. m. § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erlaubt eine Ersatzzustellung durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten, wenn die Zustellung nicht ausführbar ist, weil weder der Zustellungsempfänger selbst noch eine dort beschäftigte Person als Ersatzzustellungsempfänger angetroffen wird. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Diese Regelung gilt für den Antragsteller als GmbH-Geschäftsführer ungeachtet dessen, dass der Bußgeldbescheid keine Angelegenheit der Gesellschaft betraf, sondern an ihn persönlich gerichtet war. Denn die Ersatzzustellung im Geschäftsraum kann auch dann erfolgen, wenn die Sendung keine geschäftliche, sondern eine persönliche Angelegenheit betrifft (vgl. bereits RG, Urteil vom 22.06.1886 – II 174/86RGZ 16, 349, 351). Die Zustellungsvorschriften regeln insoweit kein Rangverhältnis des Zustellungsortes (vgl. BGH, Urteil vom 31.10.2000 – VI ZR 198/99BGHZ 145, 358, 364).

Der Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegung in den zu den Geschäftsräumen der GmbH gehörenden Briefkasten kann der Antragsteller jedenfalls seit der mit dem Zustellungsreformgesetz vom 25.07.2001 (BGBl. I S. 1206) erfolgten Änderung des Zustellungsrechts auch nicht mehr mit Erfolg entgegenhalten, der Gewerbebetrieb einer GmbH sei aufgrund deren rechtlicher Selbständigkeit als juristischer Person allein dieser zuzuordnen (vgl. insoweit zur alten Rechtslage – allerdings mit Vorbehalten für kleinere Gesellschaften, deren Geschäftsführer namentlich in der Firma der GmbH erscheinen und als Inhaber des Gewerbebetriebs auftreten – BGH, Beschluss vom 16.04.1986 – VIII ZB 26/85BGHZ 97, 341, 343 sowie BayObLG, Beschluss vom 17.01.1985 – BReg 2 Z 76/84MDR 1985, 506; Beschluss vom 04.11.1999 – 2Z BR 122/99MDR 2000, 105, 106; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.06.1998 – 1 W 1666/98MDR 1998, 1369; OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.10.1995 – 7 W 16/95NJW-RR 1996, 766, 767; OLG Hamm, Urteil vom 06.10.1983 – 2 U 112/83NJW 1984, 2372). Hierauf kommt es seit der am 01.07.2002 in Kraft getretenen Novellierung, mit welcher der Gesetzgeber die Regelungen über die Ersatzzustellung unter Aufgabe der Unterscheidung zwischen der Zustellung an natürliche und juristische Personen im Bereich der Geschäftsräume vereinheitlichen wollte (vgl. hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs zum Zustellungsreformgesetz, BT-Drucks. 14/4554, 13 f., 20), nicht mehr an. Denn § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist weiter formuliert als § 183 Abs. 1 ZPO a. F. und setzt für die Ersatzzustellung in Geschäftsräumen nicht mehr voraus, dass der Zustellungsempfänger selbst Gewerbetreibender ist. Angeknüpft wird vielmehr allein an den Begriff des Geschäftsraums, der weit auszulegen ist (vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl., § 3 VwZG Rn. 89). Es genügt insoweit, dass dem Zustellungsadressaten der Geschäftsraum wie ein eigener zugerechnet werden kann (vgl. Gerecke, JurBüro 2011, 508, 509 f.; Häublein in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 178 Rn. 19; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 178 Rn. 16; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 178 Rn. 16, sowie – unter Annahme einer Analogie – Neuhaus/Köther, MDR 2009, 537, 538 f., und Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 178 Rn. 20; a. A. – unter Bezugnahme auf die zur alten Gesetzeslage ergangene Rspr. – LAG Hessen, Beschluss vom 06.10.2006 – 4 Ta 435/06NZA-RR 2007, 266, 267; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 3 Ss Owi 1354/2005NJW 2006, 1078 f.; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 178 Rn. 20; siehe hierzu auch – jeweils offenlassend – SächsVerfGH, Beschluss vom 21.06.2012 – Vf. 154-IV-11 – juris Rn. 12 und BayVGH, Beschluss vom 09.03.2017 – 22 ZB 17.245 – juris Rn. 10). Dies ist beim Antragsteller als alleinigem Geschäftsführer der pp. GmbH der Fall. Aus der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ergibt sich nichts anderes. Diese befasst sich nicht mit der Wirksamkeit einer Zustellung an den Geschäftsführer in persönlichen Angelegenheiten, sondern mit der Frage, in welchen Räumlichkeiten eine Ersatzzustellung an die von ihm vertretene juristische Person erfolgen kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.12.2011 – OVG 1 N 2.10 – juris Rn. 7, 10). Im Übrigen spricht im Fall des Antragstellers ohnehin Einiges dafür, dass die Ersatzzustellung unter der Adresse der GmbH selbst unter Geltung des alten Zustellungsrechts wirksam gewesen wäre, weil er zumindest mit seinen Initialen in der Firma der Gesellschaft in Erscheinung treten sowie nach außen hin – wie allein schon die Formulierung der erstinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 22.12.2017 zeigt („meine Geschäftsadresse“, „mein Unternehmen“, „mein Gebäude“) – nicht nur als Angestellter, sondern als Inhaber des Unternehmens auftreten dürfte (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 09.10.1973 – V C 110.72BVerwGE 44, 104, 107 f.).“

Die Entscheidung hat auch an anderen Stellen Bedeutung.