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Wenn ein Richter krank wird – geht es nicht sofort weiter, man muss warten….

© aerogondo - Fotolia.com

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Wenn ein Richter während der Hauptverhandlung krank wird, dann ist es – je nach Länge der Erkrankung – ggf. aus mit der Hauptverhandlung, es sei denn das Gericht hat einen Ergänzungsrichter zugezogen, der für den erkrankten Kollegen einspringen kann. Zu der Frage, wann denn eingesprungen werden kann, hat jetzt der 3. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl . v.  08.03.2016 –  3 StR 544/15 – entschieden.

Die Hauptverhandlung vor dem LG Hannover hatte unter Zuziehung eines Ergänzungsrichters begonnen. Zu Beginn des 15. Verhandlungstages am 30.06.2015 teilte der Vorsitzende dann mit, dass eine beisitzende Richterin an der weiteren Mitwirkung in der Hauptverhandlung verhindert sei, weil ihr wegen einer Komplikation bei ihrer Schwangerschaft aus medizinischen Gründen zunächst für die Dauer von zwei Wochen ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden und ungewiss sei, ob sie danach wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde; deshalb sei der Ergänzungsrichter eingetreten. Die Angeklagten rügten daraufhin die vorschriftswidrige Besetzung der Kammer und beantragten, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, um sie später ggf. unter Mitwirkung der beisitzenden Richterin fortzusetzen. Das lehnte der Vorsitzende ab. Die Hauptverhandlung wurde aber bis zur Urteilsverkündung in der geänderten Besetzung fortgeführt. Der BGH hat das Urteil des LG wegen eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 1 StPO aufgehoben.

Der Leitsatz der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Entscheidung:

Kann ein zur Urteilsfindung berufener Richter wegen Krankheit nicht zu einer Hauptverhandlung erscheinen, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO), so kommt der Eintritt eines Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 GVG) grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann.

Das begründet der BGH u.a. mit der Änderung des § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24.08.2004 (BGBl. I S. 2198).:

„Nach der Neufassungder Vorschrift ist der Lauf der in § 229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Unterbrechungsfristen auch dann kraft Gesetzes für bis zu sechs Wochen gehemmt, wenn eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Erkrankung zu einer Hauptverhandlung nicht erscheinen kann, die zuvor bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat; die Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Damit wird nicht nur gewährleistet, dass in Großverfahren die Aussetzung der Hauptverhandlung in weiterem Umfang vermieden werden kann, als dies nach der früheren Rechtslage der Fall war (vgl. BT-Drucks. 15/1508 S. 13, 25). Vielmehr wird auch das Prinzip des gesetzlichen Richters gestärkt, da die Urteilsfindung weiterhin den Richtern obliegt, die nach den geschäftsplanmäßigen Rege-lungen ursprünglich dazu berufen waren. Dies ist aber auch dann zu beachten, wenn ein Ergänzungsrichter zugezogen worden ist, der unmittelbar für den erkrankten Richter in das Quorum eintreten könnte. Daraus folgt: Im Hinblick auf das Prinzip des gesetzlichen Richters ist es geboten, die Feststellung des Verhinderungsfalls zurückzustellen und abzuwarten, ob die Hauptverhandlung noch unter Mitwirkung des erkrankten Richters fortgesetzt werden kann. Solange die Fristen gehemmt sind, ist für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden deshalb kein Raum, und der Eintritt des Ergänzungsrichters kommt erst in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann(so auch LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 229 Rn. 21; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl., § 229 Rn. 11; vgl. auch SSW-StPO/Grube, 2. Aufl., § 229 Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 192 GVG Rn. 7). Etwas anderes kann nur ausnahmsweise etwa dann gelten, wennschon von vornherein feststeht, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter auch nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung nicht möglich sein wird, oder wenn andere vorrangige Prozessmaximen beein-trächtigt würden. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn durch den durch die Fristenhemmung bedingten Zeitablauf ein Beweismittelverlust droht und daher durch weiteres Abwarten die Aufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt würde.“