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StPO II: Erkennungsdienstliches bei einem Ausländer, oder: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

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Und als zweite Entscheidung dann etwas zu § 81b StPO, also erkennungsdienstliche Behandlung. Allerdings nicht eine der üblichen Entscheidungen, sondern etwas zu der Neuregelung in § 81b Abs. 2 StPo. Na ja, gut. So neu ist die Regelung nicht mehr. Aber: Entscheidungen dazu kenne ich nicht. Und der AG Limburg, Beschl. 22.12.2023 – 56 Cs 6 Js 13372/22 (42/23) – wäre auch nicht nötig gewesen, wenn die StA die Vorschrift mal richtig gelesen hätte,

Das AG hatte über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu entscheiden. Denn hatte ein türkischer Antragsteller gestellt. Der war durch einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Ungallort zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 4 Monaten auferlegt.

Die Staatsanwaltschaft hat das zum Anlass genommen, die zuständige Polizeidienststelle Limburg dazu aufzufordern, die erkennungsdienstliche Behandlung – in Form der Aufnahme der Fingerabdrücke und Lichtbilder – durchzuführen. Der Antragsteller hat dann über seinen Verteidiger die beabsichtigte erkennungsdienstliche Behandlung mit der Begründung der Unverhältnismäßigkeit gerügt und den Antrag auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gestellt.

Und der hatte beim AG Erfolg.

„Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 StPO analog hat in der Sache Erfolg.

Die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers ist rechtwidrig. Der Antragsteller ist nicht erkennungsdienstlich im Sinne des § 81 b Abs. 2 StPO zu behandeln.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung im Nachverfahren liegen nicht vor. Die in § 81 b Abs. 2 unter Ziff. 1 bis 4 aufgelisteten Voraussetzungen haben kumulativ vorzuliegen (BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81b Rn. 18b).

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und erfüllt damit – als Drittstaatenangehöriger – die Voraussetzung des § 81 b Abs. 2 Nr. 1 StPO.

Es mangelt an dem Vorliegen der Voraussetzung des § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO.

Der Antragsteller wurde lediglich zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätze zu 30,00 EUR rechtskräftig verurteilt. § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO verlangt neben dem Vorliegen der Drittstaatenangehörigkeit die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe, dies liegt hier nicht vor.

Zwar wurde dem Antragsteller der Führerschein gemäß § 69 StGB entzogen und ebenfalls eine Sperrfrist von 4 Monaten gemäß § 69a StGB ausgesprochen, dies genügt jedoch den Voraussetzungen des § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht.

Es handelt sich sowohl bei § 69 StGB als auch bei § 69a StGB um Maßnahmen, welche dem sechsten Titel des Strafgesetzbuches zu entnehmen sind und damit dem Oberbegriff der Maßregeln der Besserung und Sicherung zugeordnet werden können, dies genügt jedoch nicht, da § 81 .13 Abs. 2 Nr. 2 StPO – dem Wortlaut deutlich zu entnehmen – verlangt, dass es sich um eine freiheitsentziehende Maßregel der. Besserung und Sicherung handeln muss. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des Nr. 2, da im Rahmen von Alt. 1 ebenfalls ausschließlich auf die Freiheit entziehende Maßnahmen abgestellt wird.“

Wie gesagt. Einfach mal lesen. In § 81b Abs. 2 Nr. 2 StPO heißt es nämlich:

„der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,“

Es gilt der Satz: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Erkennungsdienstliche Maßnahme beim Beschuldigten, oder: Erweiterung des § 81b StPO seit 01.10.2022

entnommen wikimedia.org
Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

Zum Start in diese neue Woche weise ich heute zunächst auf eine gesetzliche Neuregelung bei § 81b StPO hin. Der regelt erkennungsdienstliche Maßnahmen beim Beschuldigten. Die Regelung ist durch das „Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (VO2019/816-DG)“ v. 10.08.2021 (BGBl. I S. 3420) erweitert worden. Die Änderung/Erweiterung ist am 01.10.2022 in Kraft getreten.

Die u.a. Erweiterung der Vorschrift um mehrere Absätze muss man im Auge haben. Übersichtlicher ist die Vorschrift allerdings nicht geworden. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die der Erweiterung zugrundeliegende BR-Drucksache 149/21.

Und hier dann die „Synopse“:

 

§ 81b StPO a.F. § 81b StPO n.F.
§ 81b Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten
Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden. (1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
 

 

(2) 1 Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1. es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,

2. der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,

3. keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und

4. die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.

2 Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) 1 Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. 2 Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. 3 Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1. der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,

2. das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder

3. die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.

4 Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. 5 Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) 1 Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. 2 Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. 3 Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

 

BVerfG II: Fingerabdruck und Polizeifotos beim Sprayer, oder: erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig?

entnommen obenclipart.org

Bei der zweiten BVerfG-Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BVerfG, Beschl. v. 29.07.2022 – 2 BvR 54/22. Die dort vom BVerfG beschiedene Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Anordnung mehrerer erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO.

Ich nehme den Sach verhalt (wieder) aus der PM des BVerfG:

„….  Anfang Juni 2021 brachte ein zunächst unbekannter Täter an einem Gasverteilergebäude zwei großflächige, mit silberner Sprühfarbe ausgeführte Übermalungen der dort bereits in weißer und schwarzer Farbe angebrachten Schriftzüge „Toni F. Du Jude“ und „Antifa Boxen“ an. Der Täter wurde dabei von einem Zeugen angesprochen, gefilmt und fotografiert. Dieser Zeuge gab bei seiner späteren Vernehmung an, er sei in der Lage, die Person wiederzuerkennen. Die Eigentümerin des betroffenen Gebäudes stellte Strafantrag. Ausgehend von einem anonymen Hinweis erkannten zwei Polizeibeamte den Beschwerdeführer auf den vom Zeugen gefertigten Lichtbildern wieder. Gegen den Beschwerdeführer wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet.

Anfang Juli 2021 ordnete die Polizei an, den Beschwerdeführer gemäß § 81b Alt. 1 und 2 der Strafprozessordnung (StPO) erkennungsdienstlich zu behandeln und hierzu ein Fünfseitenbild, ein Ganzkörperbild, eine Personenbeschreibung, ein Spezialbild sowie einen Zehnfinger- und Handflächenabdruck anzufertigen. Zur Begründung führte die Anordnung unter anderem unter Bezugnahme auf § 81b Alt. 1 StPO aus, eine erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig, weil die „aufgeführten Maßnahmen“ zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich seien. Der Beschwerdeführer sei von einem Zeugen gesehen, gefilmt und auf diesen Bildern von mehreren Polizeibeamten erkannt worden. Um den Beschwerdeführer der Tat beweiskräftig vor Gericht zu überführen, müsse dem Zeugen eine Wahllichtbildvorlage vorgelegt werden. Dies diene dazu, den Beschwerdeführer zu identifizieren oder ihn vom Tatvorwurf zu entlasten. Die Wiedererkennung durch Polizeibeamte allein sei bei fehlendem Geständnis, Inanspruchnahme des ihm zustehenden Aussageverweigerungsrechts oder dem Abstreiten der Tat vor Gericht als Beweis nicht geeignet, zumal das Bildmaterial von schlechter Qualität sei.

Soweit sich die Anordnung auf § 81b Alt. 1 StPO stützt, stellte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht einen Antrag auf gerichtliche Feststellung, dass diese aufzuheben sei. Das Amtsgericht bestätigte die Anordnung mit Beschluss vom 12. Oktober 2021. Zur Begründung nahm es auf die Gründe der Anordnung Bezug. Die Anordnung sei – auch ihrem Umfang nach – für die Aufklärung der Straftat erforderlich.

Gegen den Beschluss legte die Verteidigerin des Beschwerdeführers im Oktober 2021 Beschwerde zum Landgericht ein und führte in der Begründung aus, dass ihr Mandant nicht bestreite, die Person zu sein, mit der der Zeuge gesprochen habe. Weiterhin räume der Mandant ein, die Person auf den von dem Zeugen gefertigten Aufnahmen zu sein. Einer Anfertigung von Lichtbildern bedürfe es aus diesem Grund nicht. Eine Anfertigung von Finger- sowie Handflächenabdrücken sei dagegen nicht zulässig, da es kein Vergleichsmaterial gebe.

Nachdem das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hatte, verwarf das Landgericht diese mit angegriffenem Beschluss vom 6. Dezember 2021 als unbegründet und nahm zur Begründung vollinhaltlich Bezug auf die polizeiliche Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung, der nichts hinzuzufügen sei.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch die landgerichtliche Entscheidung.“

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Auch hier verweise ich wegen der Einzelheiten der Begründung auf den verlinkten Volltext. Hier nur:

„2. Der Beschluss des Landgerichts ist mit diesen Maßstäben nicht in Einklang zu bringen. Soweit er die Anfertigung eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks betrifft, war die Anfertigung dieser Abdrücke für die Strafverfolgung bereits nicht geeignet (a). Hinsichtlich der Anfertigung eines Fünfseiten- und Ganzkörperbildes hat das Landgericht die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG mangels Auseinandersetzung mit deren konkreter Notwendigkeit ebenfalls grundlegend verkannt (b).

a) Das Landgericht geht zwar unter Bezugnahme auf die Gründe der polizeilichen Anordnung noch nachvollziehbar davon aus, dass der Beschwerdeführer Beschuldigter in einem Strafverfahren war und gegen ihn ein konkreter Anfangsverdacht nach § 152 2 StPO wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 2 StGB bestand. Die Abnahme eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks war zur Erreichung des Zwecks der Maßnahme – der Täterfeststellung und damit der Durchführung des Strafverfahrens – jedoch bereits nicht geeignet. Die Identifizierung des Täters konnte nicht über die Abnahme eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks erfolgen, weil Finger- oder Handflächenabdrücke ausweislich der Ermittlungsakte am Tatort nicht sichergestellt wurden. Ausführungen zur konkreten Notwendigkeit dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen sind weder dem landgerichtlichen Beschluss noch der in Bezug genommenen Begründung der polizeilichen Verfügung zu entnehmen. Die polizeiliche Verfügung, auf welche das Landgericht in seiner Begründung verweist, verhält sich allein zur konkreten Notwendigkeit der Bildaufnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO. Eine Begründung der Notwendigkeit der Abnahme von Zehnfinger- und Handflächenabdrücken weist sie lediglich für die erkennungsdienstliche Anordnung nach § 81b Alt. 2 StPO aus, die dem Zweck der Erforschung und Aufklärung zukünftiger Straftaten dienen sollte. Auf diese Begründung der Maßnahme gemäß § 81b Alt. 2 StPO kann für die Rechtmäßigkeit der Anordnung nach § 81b Alt. 1 StPO jedoch kein Bezug genommen werden. Denn die vom Gesetzgeber vorgegebenen präzisen Verwendungszwecke würden konterkariert, wollte man eine nach § 81b Alt. 2 StPO rechtmäßige Datenerhebung zur Kompensation für eine defizitär begründete Anordnung gemäß § 81b Alt. 1 StPO heranziehen.

b) Die konkrete Notwendigkeit der Anordnung der Anfertigung eines Fünfseiten- und Ganzkörperbildes hat das Landgericht ebenfalls nicht verfassungsrechtlich tragfähig begründet. In der vollinhaltlichen Bezugnahme auf die polizeiliche Anordnung, der nach Ansicht des Landgerichts nichts hinzuzufügen war, ist eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen einer wirksamen Strafverfolgung und dem Interesse des Beschwerdeführers im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der Maßnahme nicht erkennbar. Es fehlt bereits eine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass der Zeuge der Sachbeschädigung angegeben hatte, in der Lage zu sein, den Täter wiederzuerkennen. Dies hätte auch im Rahmen einer Beweisaufnahme in der – zeitnah zu erwartenden – Hauptverhandlung erfolgen können. Ebenso wenig erörtert die polizeiliche Anordnung, dass es auch dem Tatrichter im Rahmen der Hauptverhandlung grundsätzlich möglich gewesen wäre, einen Abgleich zwischen den in der Akte befindlichen Lichtbildern sowie dem Erscheinungsbild des Beschwerdeführers vorzunehmen. Es ergibt sich auch nicht aus der Akte, dass die von dem Zeugen gefertigten Lichtbilder für einen solchen Abgleich ungeeignet gewesen wären. Vielmehr erkannten die Polizeibeamten den Beschwerdeführer spontan auf diesen Lichtbildern wieder.“

Erkennungsdienstliche Behandlung; oder: Einstellung rettet davor nicht

entnommen wikimedia.org Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

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Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

Die zweite Entscheidung aus dem „Kessel Buntes“ kommt aus dem Verwaltungsrecht, hat aber straf(verfahrens)rechtlichen Einschlag. Es handelt sich um den OVG Bautzen, Beschl. v. 18.10.2016 – 3 B 325/15. Anhängig ist/war eine Klage eines ehemaligen Beschuldigten gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach Einstellung des Strafverfahrens gegen den ehemaligen Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 StPO. Angeordnet worden war die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers durch Abnahme eines Detailbilds, eines Dreiseitenbilds, eines Ganzkörperbilds, eines Lichtbilds und von Zehnfinger- und Handflächenabdrücken sowie durch Anfertigung einer Personenbeschreibung angeordnet wurde, abgewiesen. Als Anlasstat wurde ein Ermittlungsverfahren zugrunde gelegt, das wegen einer am 18. April 2013 begangenen tätlichen Beleidung eingeleitet worden war. Es wurde dem Kläger dabei zur Last gelegt, einen Autofahrer zum Anhalten genötigt und im Anschluss mit einer Handgreiflichkeit tätlich beleidigt zu haben. Deswegen wurde der Kläger vom Amtsgericht Bautzen am 4. August 2014 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Gegen den Kläger wurde im Zeitraum von 2004 bis 2013 auch noch mehrfach wegen Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikte ermittelt. Die Verfahren waren wohl nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das OVG sieht darin nun aber keinen Grund von der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO abzusehen:

Entgegen der Ansicht des Klägers lässt die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO nicht generell den eindeutigen Schluss auf einen Wegfall des Verdachts eines strafbaren Verhaltens zu. Die Verwertung von Strafverfahren, die zur Einstellung gelangt sind, ist wegen der präventivpolizeilichen Ausrichtung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht von vornherein ausgeschlossen. Ist das Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, darf die Behörde ihre Prognose über die Notwendigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen jedenfalls nicht ungeprüft an die Beschuldigteneigenschaft anknüpfen. Dies gilt auch für die gerichtliche Überprüfung dieser Prognose, für welche die Sach- und Rechtslage der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist. Aufgrund des nicht unerheblichen Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist vielmehr erforderlich, dass der konkrete Ausgang des Strafverfahrens berücksichtigt wird (zur Zulässigkeit der Speicherung von Daten aus einem nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren: vgl. BVerfG, Beschl. v. 1. Juni 2006 – 1 BvR 2293/03 -, juris Rn. 11 f.). Ob die erkennungsdienstliche Behandlung trotz der Einstellung des Strafverfahrens notwendig ist, richtet sich danach, ob weiterhin Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen oder ob diese derart ausgeräumt worden sind, dass eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen ist (st. Rspr. des Senats, SächsOVG, Beschl. v. 7. Oktober 2016 – 3 A 221/15 -, zur Veröffentlichung bei juris vorgesehen; Beschl. v. 5. Mai 2014 – 3 A 82/13 -, juris Rn. 5 m. w. N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13. Juni 2016 – 1 S 71.15 -, juris Rn. 13; OVG M-V, Urt. v. 25. November 2015 – 3 L 146/13 -, juris Rn. 53).“

Hier ergab sich – so jedenfalls das OVG –  „aus den bei den Verwaltungsakten befindlichen polizeilichen Erkenntnissen zu der Person des Klägers ………. zweifelsfrei, dass die Verfahrenseinstellungen vom 18. Januar 2005 und vom 25. Juli 2006 aus tatsächlichen Gründen erfolgt sind und im Hinblick auf die ihm vorgeworfenen Taten nicht von einer erwiesenen Unschuld des Klägers ausgegangen werden kann. Die Strafverfahren wurden nämlich jeweils mit der Begründung versehen „(VE) gem. § 170 (2) StPO, Tätersch./Tat/Tatumst. nicht beweisbar“. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Tatverdacht vollständig entfallen war. Vielmehr besteht im Hinblick auf die ihm vorgeworfenen Taten weiterhin ein Restverdacht, der es rechtfertigt, die Verfahren im Rahmen der zu treffenden Prognose wegen Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen.“