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Verkehrsrecht I: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und in die 2. KW., zu deren Beginn ich möglichst wenig Behinderungen durch die „Bauernproteste“ wünsche, starte ich dann mit verkehrsrechtlichen Entscheidungen.

Ich beginne hier mit zwei OLG-Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, einer der derzeitigen verkehrsrechtlichen Dauerbrenner. Ich stelle, da ich zu den damit zusammenhängenden Fragen ja schon häufiger berichtet habe, hier allerdings nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen vor. Die Einzelheiten dann bitte den verlinkten Volltexten entnehmen:

1. Für Führer eines als Elektrokleinstfahrzeug einzuordnenden E-Scooters kann zur Bestimmung der absoluten Fahruntüchtigkeit jedenfalls der für Fahrradfahrer geltende BAK-Grenzwert herangezogen werden.

2. Die Nutzung eines solchen E-Scooters an sich kann weder ein Absehen von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB begründen noch ist sie stets als mildernder Umstand für die An-nahme eines Ausnahmefalles von dieser zu werten. Ob ausnahmsweise von der Regelvermutung abzusehen ist, hängt jeweils von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab.

Ausführungen, die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Betrachtung der Besonderheiten von sog. E-Scootern beschränken und die Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermissen lassen, werden den Anforderungen an die Begründung eines Abweichens vom Regelfall betreffend die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter nicht gerecht.

 

 

 

 

Verkehrsrecht III: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Bei Unfall Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und dann zum Tagesschluss noch einmal – oder auch: schon wieder – etwas zur Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, ein weiterer verkehrsrechtlicher Dauerbrenner. Dazu habe ich noch einmal eine Entscheidung, die sich mit den Rechtsfolgen einer E-Scooter-Trunkenheitsfahrt befasst.

Es handelt sich um das AG Dortmund, Urt. v. 02.11.2023 – 729 Ds-124 Js 946/23-114/23 – zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verhängung eines Fahrverbotes, wenn es bei der Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall gekommen ist. Der Angeklagte war bei einer nächtlichen Fahrt mit seinem E-Scooter mit einem Pkw kollidiert.

In einem solchen Fall ist nach Auffassung des AG die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 69 StGB) und ein Fahrverbot (§ 44 StGB) zu verhängen:

Auch wenn weiterhin in Fällen folgenloser nächtlicher Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern davon auszugehen ist, dass nicht eine Regelfahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1 u. 2 StGB stattfinden muss, ist bei einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs im Rahmen einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter und einem tatsächlichen erheblichen Schadenseintritt von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Zudem ist in einem solchen Fall ein Fahrverbot nach § 44 StGB zu verhängen, um Fahrten mit gleichartigen (fahrerlaubnisfreien) Kraftfahrzeugen zu verhindern und hierdurch eine entsprechende Denkzettelwirkung zu entfalten.

Parken eines E-Scooters mit Behinderung anderer, oder: Halterhaftung?

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Und als zweite Entscheidung heute dann den AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 06.09.2023 – (297 OWi 812/23). In ihm hat das AG zur Aufhebung eines Kostenbescheides (§ 25a StVG) Stellung genommen. Der insoweit gestellte Antrag des Betroffenen hatte keinen Erfolg:

„Nach der maßgeblichen Aktenlage ist bei der gebotenen summarischen Prüfung (vgl. BayVGH DAR 2010, 638; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 25a StVG Rn. 15) davon auszugehen, dass mit dem Kraftfahrzeug der Betroffenen am 27.02.2023 ein Parkverstoß im Sinne von § 25a StVG begangen wurde. Die von der Betroffenen zur Nutzung nach dem Carsharing-Modell angebotenen E-Scooter unterfallen aufgrund ihrer Leistungsmerkmale gerichtsbekanntermaßen der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) und stellen daher Kraftfahrzeuge im Sinne von § 25a StVG dar. Ein beim Halten oder Parken begangener Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO stellt einen Halt- oder Parkverstoß im Sinne von § 25a Abs. 1 StVG dar (AG Hamburg-Altona BeckRS 2023, 564 mit zust. Anm. Sandherr NZV 2023, 333; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 25a StVG Rn. 5 m.w.N.). Das Parken eines E-Scooters quer auf der Mittelfläche des Gehwegs – wie auf dem Tatfoto ersichtlich –, wodurch es zur Behinderung von Fußgängern kommt, verstößt gegen § 1 Abs. 2 StVO. Da diese Vorschrift auch für Radfahrer gilt – denn sie richtet sich nicht nur an Führer von Kraftfahrzeugen, sondern an alle Verkehrsteilnehmer –, erstreckt sie sich gemäß §§ 9, 11 Abs. 5 eKFV auch auf die Führer von Elektrokleinstfahrzeugen und damit auch des hier verfahrensgegenständlichen E-Scooters.

Dies gilt übrigens entsprechend – wie das Gericht bereits mehrfach entschieden hat – auch für andere Verstöße gegen diejenigen Halt- oder Parkvorschriften, die nicht nur für Führer von Kraftfahrzeugen gelten, sondern für alle Fahrzeugführer. Beispielhaft seien hier genannt das Parken in einem Bereich der Fahrbahn, auf dem durch Zeichen 283 das Halten verboten ist; in einem durch Zeichen 250 gesperrten Bereich; in einem verkehrsberuhigten Bereich außerhalb gekennzeichneter Parkflächen (Zeichen 325.1); auf einer Sperrfläche (Zeichen 298) oder im Bereich eines Parkscheinautomaten ohne gültigen Parkschein. Auch diese Regelungen gelten jeweils nicht nur für Kraftfahrzeuge, sondern für alle Fahrzeuge, damit auch für Radfahrer und gemäß §§ 9, 11 Abs. 5 eKFV auch für Führer von Elektrokleinstfahrzeugen.

Die Bußgeldbehörde hat durch das Absenden eines Anhörungsschreibens am 05.05.2023 an die Betroffene als Halterin des Fahrzeugs den Anforderungen an eine rechtzeitige Anhörung noch genügt. Zwar liegen hier zwischen der Tat und der Anhörung fast 10 Wochen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall darauf zurückzuführen, dass aufgrund einer fehlerhaften Auskunft der Betroffenen zunächst eine andere Person als vermeintlicher Halter angehört wurde. Nach gerichtlicher Erfahrung liegt die Zeitspanne in derartigen Fällen regelmäßig im Bereich von etwa 5 Wochen. Ein solcher Zeitablauf ist nach Ansicht des Gerichts jedenfalls noch ausreichend, um dem für das Fahrzeug verantwortlichen Halter die Benennung des Fahrers zur Tatzeit zu ermöglichen. Dies gilt erst recht, wenn es sich – wie hier – bei dem Halter um ein gewerblich tätiges Carsharing-Unternehmen handelt, das im Rahmen ordnungsgemäßer Buchführung Aufzeichnungen über die Mietvorgänge und Mieter führen wird und von dem deshalb auch nach längerem Zeitablauf als bei einem privaten Halter noch konkrete Angaben zu den Daten des Mieters erwartet werden können; in derartigen Fällen ist daher auch eine Zeitspanne von 10 Wochen nicht zu beanstanden. Das Gericht teilt ausdrücklich nicht die häufig zitierte frühere Ansicht einer anderen Abteilung des hiesigen Gerichts (vgl. zuletzt AG Tiergarten DAR 2018, 398 m.w.N.) sowie einiger anderer Amtsgerichte (vgl. z.B. AG Straubing DAR 2022, 48), wonach der Zeitraum zwischen der Tat und dem Erhalt des Anhörungsschreibens höchstens zwei Wochen betragen darf. Eine derart kurze Fristbestimmung findet weder eine Stütze im Gesetz noch ist sie für die Bußgeldbehörde angesichts des massenhaften Aufkommens derartiger Verfahren praktisch umsetzbar (so auch AG München NZV 2019, 597). Sie überspannt die Anforderungen an die Bußgeldbehörde zur Ermittlung des Fahrzeugführers in derartigen Bagatellverfahren.

Die auf das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde durch die Betroffene erfolgte Nennung eines Vor- und Nachnamens, einer Mobilfunknummer und einer E-Mail-Adresse des Nutzers genügt nicht, um diesen mit vertretbarem, der Sache angemessenem Aufwand zu ermitteln. Nötig gewesen wäre die Angabe des Geburtsdatums und der Wohnanschrift des Nutzers, damit dieser eindeutig identifiziert werden könnte (so auch AG Stuttgart BeckRS 2023, 15556). In Anbetracht der Geringfügigkeit des Tatvorwurfs ist regelmäßig jeder weitere Ermittlungsaufwand der Bußgeldbehörde unangemessen. Soweit in Teilen der Rechtsprechung erwartet wird, dass die Bußgeldbehörde mit diesen knappen Angaben weitere Ermittlungen (z.B. Bestandsdatenauskunft bei der Bundesnetzagentur oder dem jeweiligen Telekommunikations-Dienstanbieter, ggf. auch im Wege internationaler Rechtshilfe) anstellen müsse, wird verkannt, dass diese massenhaften Verfahren lediglich Bagatellverstöße betreffen und es dabei nicht um einen Schuldspruch im strafrechtlichen Sinne geht, sondern lediglich um die Frage, ob die Allgemeinheit oder ob der für sein Fahrzeug verantwortliche Halter die Kosten des durch das Fehlverhalten des Fahrzeugnutzers verursachten Verfahrens tragen soll. Zudem stünden einer Übermittlung von verfahrensbezogenen Daten an eine nicht verifizierbare E-Mail-Adresse auch datenschutzrechtliche Erwägungen entgegen.

Die Bußgeldbehörde hat daher hier mangels ausreichender Angaben zum verantwortlichen Mieter zu Recht das zu Grunde liegende Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt und hatte gemäß § 25a Abs. 1 StVG gegen die Betroffene als Halterin des Fahrzeugs einen Kostenbescheid zu erlassen, weil der Fahrer zur Tatzeit innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist mit vertretbarem Aufwand und Aussicht auf Erfolg nicht festgestellt werden konnte. Ein zur Unbilligkeit im Sinne von § 25a Abs. 1 Satz 3 StVG führender Härtefall liegt hier nicht vor (vgl. die Beispiele bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 25a StVG Rn. 9).

Die Ausführungen des Verteidigers in der Antragsbegründung führen zu keiner abweichenden Bewertung, die dort zitierte Rechtsprechung betrifft zum Teil andere Fallkonstellationen und wird im Übrigen vom Gericht nicht geteilt.“

Haftung, wenn umfallender E-Scooter Pkw beschädigt, oder: Gefährdungs- und/oder Verschuldenshaftung?

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Im Kessel Buntes heute dann zwei AG-Entscheidungen aus Berlin, einmal Zivilrecht und einmal OWi-/Verwaltungsrecht. Die Klammer? In beiden Entscheidungen geht es um einen E-Scooter.

Ich beginne hier mit dem AG Berlin-Mitte, Urt. v. 09.05.2023 – 151 C 60/22. Gestritten wird um Schadensersatz nach dem Umsturz eines E-Scooters auf einer Straße in Berlin. Die Beklagte hatte den E-Scooter auf dem Gehweg der pp. Straße abgestellt. Unter im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Umständen kam es gegen 19:30 Uhr durch den Umsturz des E-Scooters zu einer Kollision mit dem Klägerfahrzeug. Dabei wurde das fahrzueg beschädigt. Der Kläger verlangt Ersatz der Reparaturkosten u.a.

Der Kläger hat behauptet, durch den Umsturz des von der Beklagten unsachgemäß abgestellten E-Scooter sei es zu Beschädigungen seines Fahrzeugs gekommen, was die Beklagte gegenüber einer auch eingeräumt habe. Er ist der Ansicht, die Beklagten treffe bereits eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Die §§ 7, 18 StVG seien auf Elektrokleinstfahrzeuge jedenfalls entsprechend anzuwenden, da der Gesetzgeber ihre Erfassung offensichtlich vergessen habe. Anderenfalls liefe die Haftung von Versicherungen für die bei ihnen versicherten Elektrokleinstfahrzeugen faktisch ins Leere.

Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte habe den E-Scooter ordnungsgemäß am Rand des Gehwegs abgestellt, sodass weder Fußgänger noch andere Verkehrsteilnehmer durch den E-Scooter behindert oder gefährdet worden seien. Die Beklagten sind ferner der Ansicht, die §§ 7, 18 StVG seien aufgrund der Regelung des § 8 Nr. 1 StVG nicht anwendbar, sodass der Kläger ein Verschulden der Beklagten positiv darlegen und beweisen müsse. Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen.

Das AG hat die Klage abgewiesen:

„1.) Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 und 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG. Ein solcher Anspruch scheitert im vorliegenden Falle bereits an der fehlenden Anwendbarkeit der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung nach § 7 StVG.

Gemäß § 8 Nr. 1 StVG gilt die Vorschrift des § 7 StVG nicht, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Der an dem Unfall beteiligte E-Scooter verfügte aber unstreitig über eine Zulassung nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV). Gemäß § 1 eKFV sind Elektrokleinstfahrzeuge Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h. Dass der am Unfall beteiligte E-Scooter entgegen seiner Zulassung (etwa aufgrund sog. Tunings) schneller als 20 km/h fahren konnte ist von der Klägerseite weder dargelegt, noch bewiesen. Entsprechend findet § 7 StVG auf den am Unfall beteiligten E-Scooter keine Anwendung (ebenso LG Münster, Urt. v. 09.03.2020 – 8 O 272/19; AG Frankfurt, Urt. v. 22.04.2021 – 29 C 2811/20; Höke in Buschbell/Höke, MAH Straßenverkehrsrecht, 5. Aufl., 2020, § 59, Rn. 10).

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt auch keine analoge Anwendung des § 7 StVG in Betracht (im Ergebnis ebenso AG Frankfurt, a.a.O., Rn. 19, zitiert nach juris). Nach allgemeiner Ansicht wäre hierfür das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage Voraussetzung. Dies scheitert nach der Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Falle aber bereits an der Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke. Denn die entscheidungserhebliche Reglung in § 8 Nr. 1 StVG wurde durch den Gesetzgeber zuletzt durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10.07.2020 (BGBl. I S. 1653) sowie das Gesetz zum autonomen Fahren vom 12.07.2021 (BGBl. I S. 3108) geändert. Die eKFV dagegen wurde bereits am 06.06.2019 (BGBl. I S. 756) erlassen und trat am 15.06.2019 in Kraft. Dem Gesetzgeber waren die mit dem Betrieb von E-Scootern einhergehenden besonderen Gefahren und deren Auswirkungen in Praxis also durchaus bewusst. Dennoch hat er es – anders als etwa im Bereich des autonomen Fahrens – nicht für erforderlich erachtet, vom der Regelung des § 8 Nr. 1 StVG zugrunde liegenden Gedankens einer geringeren Betriebsgefahr bei langsamen Kraftfahrzeugen (BT-Drucks. 14/7752, S. 31) für den Fall von Elektrokleinstfahrzeugen abzuweichen. Die Frage, ob dieser Gedanke insgesamt überholt ist oder nicht (vgl. zur Kritik m.w.N. etwa Walter in BeckOGK BGB, 2022, § 8 StVG, Rn. 2 ff.), obliegt dagegen der Beurteilung durch den Gesetzgeber und nicht der Gerichte.

Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch gemäß § 18 Abs. 1 StVG gegen die Beklagte zu 1) als Fahrerin des E-Scooters. Auch insoweit steht § 8 Nr. 1 StVG einer Haftung entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.06.1997 – VI ZR 156/96).

2.) Dem Kläger steht auch kein deliktischer Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu.

Ihm ist es nicht gelungen den ihn obliegenden Beweis für eine mindestens fahrlässige Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Beklagte zu 1) in der konkreten Situation getroffen hätten, zu führen. Insbesondere die Vernehmung der vom Kläger angebotenen Zeugin […] blieb im Ergebnis unergiebig. Sie gab an den Umsturz des E-Scooters selbst nicht wahrgenommen, sondern diesen bereits auf bzw. an dem Klägerfahrzeug liegend aufgefunden zu haben. Auch ihre Schilderung eines Gesprächs mit der erst nachträglich eingetroffenen Beklagten zu 1) gibt für ein etwaiges Schuldanerkenntnis keine Anhaltspunkte. Die Beklagte zu 1) soll gegenüber der Zeugin lediglich angegeben haben, den E-Scooter an dieser Stelle abgestellt zu haben. Die Möglichkeit, dass es sich bei dem am Unfall beteiligten E-Scooter um denselben handeln könnte, den die Beklagte zu 1) zuvor auf dem Gehweg abgestellt hatte, räumte auch die Beklagte zu 1) in ihrer informatorischen Anhörung ein. Sie schilderte aber glaubhaft, zumindest von einem ordnungsgemäßen Abstellen ausgegangen zu sein; der Ständer sei sicher eingerastet.

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Klägers, spricht für ein Verschulden der Beklagten zu 1) auch nicht der Beweis des ersten Anscheins. Voraussetzung hierfür wäre ein sog. typischer Geschehensablauf, also ein sich aus der Lebenserfahrung bestätigender gleichförmiger Vorgang, durch dessen Typizität es sich erübrigt, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten historischen Geschehens nachzuweisen (unter vielen BGH, Urt. v. 10.04.2014 – VII ZR 254/13, juris, Rn. 9; BGH, Urt. v. 26.03.2013 – VI ZR 109/12, juris, Rn. 26 ff.; m.w.N. auch Prütting in MünchKomm ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286, Rn. 50; Sanger in Saenger, ZPO, 9. Aufl., 2021, § 286, Rn. 41 ff.; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., 2023, § 286, Rn. 23 ff.). Erforderlich ist indes, dass die Typizität gerade so wahrscheinlich ist, dass sie die (volle) richterliche Überzeugung i.S.d. § 286 ZPO tragen kann (vgl. etwa BGH, Urt. v. 107.06.1997 – X ZR 119/94, juris, Rn. 12); dass von mehreren alternativen Ursachen eine wahrscheinlicher ist, reicht für die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht aus (BGH, Urt. V. 17.02.1988 – IV a ZR 277/86 = NJW-RR 88, 789).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann im Falle des Umfallens eine E-Scooters nicht im Wege eines Anscheinsbeweises der Rückschluss auf ein unsachgemäßes Abstellen oder sonstiges Verschulden des Abstellenden geschlossen werden (ebenso LG München, Beschluss v. 19.07.2021 – 17 S 14062/20, juris, Rn. 6). Sofern ein solcher Anscheinsbeweis im vorliegenden Falle nicht ohnehin schon allein durch die Standzeit bis zum Eintreffen des Klägerfahrzeugs widerlegt sein sollte, scheidet seine Annahme jedenfalls aus dem Grunde aus, dass das Umfallen eines E-Scooters – insbesondere in Großstädten – nach der Lebenserfahrung gerade nicht zwingend auf ein unsachgemäßes Abstellen hinweist. Vielmehr kommen aus Sicht des Gerichts mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit auch das fahrlässige oder vorsätzliche Umstoßen durch Dritte sowie der Einfluss starker Witterungsverhältnisse in Betracht. Hierbei hält das Gericht im Übrigen auch die zum ungeklärten Umkippen von ordnungsgemäß abgestellten Motorrädern ergangene und eine Haftung überwiegend ablehnende Rechtsprechung für übertragbar.

Schließlich stellt auch das Abstellen eines E-Scooters auf dem Gehweg an sich keinen Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht dar. Unabhängig davon, dass ein Parkverbot auf dem Gehweg ohnehin nicht den parkenden Verkehr, sondern den ungehinderten Fußgängerverkehr auf dem Gehweg schützt (m.w.N. LG München, a.a.O., Rn. 5), gelten für das Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen gemäß § 11 Abs. 5 eKFV die für Fahrräder geltenden Parkvorschriften entsprechend. Das Abstellen des E-Scooters auf dem Gehweg ist damit für sich betrachtet nicht pflichtwidrig. Darüber hinaus kann aber auch keine allgemeine Verkehrssicherungspflicht dahingehend angenommen werden, E-Scooter stets so abzustellen bzw. zu sichern, dass auch bei einem Umstoßen durch Dritte keinerlei Schäden entstehen können. Denn dann bestünden im innerstädtischen Raum nahezu keine Abstellmöglichkeiten mehr, da selbst beim Abstellen direkt an einer Hauswand natürlich Schäden an der Fassade nicht ausgeschlossen werden können (AG München, Urt. v. 09.10.2020 – 345 C 4693/20, juris, Rn. 37). Insbesondere bestand für die Beklagte zu 1) im hiesigen Fall gerade keine Pflicht, neben der Prüfung des ordnungsgemäßen Einrastens ihres Ständers, auch eine Prüfung aller nur denkbaren Fallradien vorzunehmen, um so eventuelle Schäden an erst künftig neben dem abgestellten E-Scooter geparkten Fahrzeugen sicher auszuschließen.

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG II, oder: „Tolle“ Angaben nach Drogenfahrt mit einem E-Scooter

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Wer unter Cannabiseinfluss mit einem E-Scooter im öffentlichen Straßenverkehr fährt (§ 316 StGB), muss mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen durch das Straßenverkehrsamt rechnen. So hat das VG Berlin in einem Eilverfahren im VG Berlin, Beschl. v. 17.07.2023 –  VG 11 L 184/23) entschieden.

Das Straßenverkehrsamt hatte einem Betroffenen aufgegeben, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung einzureichen. Begründet worden ist das mit einer Fahrt mit einem E-Scooter, bei der der Betroffene nach Fahrauffälligkeiten angehalten und ihm eine Blutprobe entnommen worden war. Die wies einen THC-Wert von 4,4 ng/ml auf. Gegenüber den anhaltenden Polizisten äußerte der Antragsteller, jeden Tag Cannabis zu konsumieren und jeden Tag Auto zu fahren; dies stellte er im Nachhinein als nicht ernst gemeint dar. Als der Betroffene auf die Anforderung des Gutachtens nicht reagierte, ist ihm mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen der Eilantrag, der keinen Erfolg hatte:

„….

(2) Die Gutachtenanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechts-grundlage in § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Hintergrund der Gutachtenanordnung ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer fahrsicherheitsrelevanten Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht ohne weitere Sachaufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen darf. Erforderlich für die Fahrerlaubnisentziehung ist in solchen Fällen die Prognose, dass der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird. Damit diese Prognose auf eine hinreichend abgesicherte Grundlage gestützt werden kann, bedarf es in der Regel eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, über dessen Einholung die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 10). Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen gelegentlichen Konsumenten von Cannabis. Gelegentlicher Konsum liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3/13 –, juris Rn. 17 ff.). Die eigenen Angaben des Klägers legen hier einen solchen Gelegenheitskonsum nahe. Weder im Rahmen der polizeilichen Anhörung noch im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren hat der Antragsteller einen erstmaligen Konsum behauptet. Nach den unwidersprochenen Feststellungen im polizeilichen Tätigkeitsbericht vom 11. Juli 2022 gab der Antragsteller vielmehr gegenüber der Polizei an, dass er „jeden Tag rauche“, wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat. Hieraus kann auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum geschlossen werden. Im Anschluss stellte er seine Aussage laut Polizeibericht zwar als Witz dar. Er widersprach indes seiner vorherigen Angabe auch nicht ernsthaft und muss sich vor diesem Hintergrund an dieser festhalten lassen.

Bei der Teilnahme am Straßenverkehr – wenn auch mit einem Elektrokleinstfahrzeug – unter Cannabiseinfluss am 11. Juli 2022 handelt es sich um eine weitere Tatsache, die Zweifel an der Fahreignung begründet.

Denn auch ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Tatsache, die Bedenken gegen die Fahreignung begründet und nach § 46 Abs. 3 FeV zur Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV, namentlich des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, führt (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 37). Dabei ist auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug das Trennungsgebot zu beachten. Auch solche Elektro-kleinstfahrzeuge wie etwa E-Scooter sind – ungeachtet des Umstands, dass sie fahrerlaubnisfrei geführt werden dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV) – Kraftfahrzeuge, wenn sie die in § 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV) vom 6. Juni 2019 (BGBl I S. 756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Für sie gilt daher – bezogen auf Cannabis – der Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG und damit auch das Trennungsgebot gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV (BayVGH, Beschluss vom 15. März 2023 – VGH 11 CS 23.59 –, juris Rn. 15).

Die Grenze hinnehmbaren Cannabiskonsums ist nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist oder sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht haben, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3.13 –, juris Rn. 32 ff). Dabei fehlt schon – jedenfalls bei einem Pkw – ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml die Fahrtüchtigkeit (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2016 – 1 B 37.14 –, juris Rn. 18). Diesen Wert hat der Antragsteller überschritten, weil er ein Elektrokleinstfahrzeug geführt hat und bei ihm eine THC-Konzentration von 4,4 ng/ml festgestellt wurde. Zweifel an der Richtigkeit des Behördengutachtens des Landeskriminalamtes vom 3. August 2022 sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Zwar führte der Antragsteller bei dem dokumentierten Vorfall ein Elektrokleinstfahrzeug und nicht etwa einen Pkw. Hinzu tritt indes, dass ausweislich des vorliegenden Polizeiberichtes seine Fahrweise auf eine signifikante Beeinträchtigung seiner Fahr-tüchtigkeit hindeutete und er die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Eigentum an den in der betreffenden Straße abgestellten Fahrzeugen gefährdete, da er Schlangenlinien fuhr und mehrfach nah an geparkte Kfz geriet. Bei seiner Befragung durch die Polizei gab er zudem an, täglich sowohl Cannabis zu konsumieren als auch mit dem Auto zu fahren. Er räumte also selbst einen regelmäßigen Verstoß gegen das Trennungsgebot auch beim Autofahren ein.“

Ist natürlich „begnadet“ und wird jeden Rechtsanwalt freuen, wenn der Mandant gegenüber der Polizei nach einem Vorfall im Straßenverkehr igeäußert hat, „dass er „jeden Tag rauche“, wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat„. Traumhaft/toll 🙂 .