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Durchsuchung III: Der (Tat)Tag gehört in den Durchsuchungsbeschluss

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Und den Abschluss der Durchsuchungsentscheidungen macht der LG Hannover, Beschl. v. 03.07.2017 – 34 Qs 29/17. Es geht um die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses des AG Hannover. Dem Beschluss lag zugrunde, dass der Beschuldigte kinderpornographisches Bild- oder Videomaterial im Internet verbreitet haben soll. Im angefochtenen Beschluss wird keine Tatzeit für die ihm vorgeworfene Handlung genannt. Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die halbstaatliche, in den USA ansässige Organisation „National Center For Missing and Exploited Children“ (NCMEC) dem BKA mitteilte, dass ein zunächst unbekannter Nutzer über eine näher bezeichnete IP-Adresse am 29.12.2014 um 20:46:35 MEZ ein nach dortiger Bewertung kinderpornographisches Bild unter Nutzung des Chats der Internetseite Facebook hochgeladen haben soll. Nach Erlass des angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses erfolgte am 31.05.2017 die Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldigten. Dagegen die Beschwerde, die Erfolg hat:

Entsprechend dem Gewicht des mit einer Wohnungsdurchsuchung einhergehenden Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre errichtet § 105 Abs. 1 StPO einen verfassungsrechtlich gebotenen (Art. 13 Abs. 2 GG) Richtervorbehalt. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (stRspr. des BVerfG, vgl. zuletzt: BVerfG, Beschluss vom 04. April 2017 — 2 BvR 2551/12 — Rn. 20, juris)). Dazu muss der Beschluss den Tatvorwurf und die konkreten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (BVerfG, a. a. O.).

Zur äußeren Umgrenzung des Tatvorwurf gehört auch die möglichst genaue Nennung des Zeitpunktes bzw. des Zeitraumes, in dem der Beschuldigten die vorgeworfene Straftat begangen haben soll (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn 21). Im vorliegenden Fall war dies über die Umschreibung der vorgeworfenen Tat hinaus auch deswegen von besonderer Bedeutung, weil sich nach der Tatzeit bestimmt, welche Gesetzesfassung der in dem Beschluss genannten §§ 184b, 184c StGB zur Anwendung kommt. Dies kann u. U. für die Frage relevant sein, ob das verfahrensgegenständliche Bild überhaupt eine strafrechtliche Bedeutung hat.

Der angefochtene Beschluss enthält keine konkrete Angabe des Tatzeitraumes. Auch aus den sonstigen Angaben des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich nicht, wann die vorgeworfene Handlung stattgefunden haben soll. Eine konkrete Zeitangabe wäre jedoch ohne weiteres möglich gewesen, weil sich ein exakter Tatzeitpunkt aus den Akten ergibt.

Dieser Mangel konnte nicht durch die Kammer geheilt werden. Aufgrund der Funktion des Richtervorbehaltes, den Beschuldigten durch den Durchsuchungsbeschluss in den Stand zu setzen, die Durchsuchung effektiv kontrollieren zu können, ist die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts eingeschränkt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, S 105 Rn 15a). Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs können daher nicht durch das Beschwerdegericht geheilt werden (BVerfG, Beschluss vom 20.04.02004 – 2 BvR 2043/03 u.a. – Rn 5, juris).“

Durchsuchungsbeschluss, oder: Was wird gesucht?

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Auch die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist eine verfahrensrechtliche BGH-Entscheidung. Sie behandelt eine Problematik aus dem Bereich der Durchsuchung. Es handelt sich um den Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 28.06.2017 – 1 BGs 148/17. Der Ermittlungsrichter des BGH hatte drei Durchsuchungsbeschlüsse erlassen, die vom GBA vollzogen wurden. Den Betroffenen wurden bei Vollzug nur Beschluss­ausfertigungen ohne Gründe ausgehändigt. Dem Antrag der Betroffenen auf Übermittlung von Ausfertigungen vollständig begründeter Beschlüsse kam der GBA dann später nach. Auf Antrag der Betroffenen, gem. § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung festzustellen, hat der Ermittlungsrichter beim BGH festgestellt, dass der Vollzug der Beschlüsse insoweit rechtswidrig war, als den Betroffenen Beschlussausfertigun­gen übergeben wurden, die keine Angaben über die Tatschen enthielten, die es wahrscheinlich erscheinen ließen, dass sich die gesuchten Beweismittel in dem jeweiligen Durchsuchungsobjekt befinden.

Dazu die beiden ersten Leitsätze der Entscheidung:

1. Dem von einer Durchsuchungsmaßnahme nach § 103 StPO betroffenen Dritten ist grundsätzlich bei Vollzug der Maßnahme eine Ausfertigung des Anord­nungsbeschlusses mit vollständiger Begründung auszuhändigen.

2. Die Bekanntgabe der (vollständigen) Gründe kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden.

Es gibt dann noch einen dritten Leitsatz, der lautet:

3. Die Zurückstellung der Bekanntgabe umfasst jedoch im Regelfall nicht die Mit­teilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Drittbetroffenen befin­den.

Dazu aus der Begründung:

„aa) Dem Betroffenen ist stets eine Ausfertigung der richterlichen Entscheidung zu übergeben, in der die Gegenstände, auf die sich die Maßnahme erstecken soll, konkret bezeichnet werden. Denn nur so kann der Betroffene die Durchsuchung kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vorneherein entgegentreten (vgl. BVerfG, BVerfGE 103, 142 Rn. 35). Für den Drittbetroffenen im Sinne des § 103 StPO ergibt sich dies auch aus dem Umstand, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier gebieten kann, dem Betroffenen eine Abwendungsbefugnis durch freiwillige Herausgabe der gesuchten Gegenstände einzuräumen.

bb) Die Gefährdung des Untersuchungserfolges beziehungsweise die schutzwürdigen Belange des Beschuldigten stehen im Regelfall der Mitteilung der Tatsachen, die die Annahme begründen, dass sich die gesuchten Gegenstände bei dem betroffenen Dritten befinden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/ Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 103 Rn. 6), nicht entgegen. Der entsprechende Teil der Beschlussgründe ist dem Drittbetroffenen daher grundsätzlich bereits bei der Durchsuchung bekannt zu geben, denn nur so kann der Drittbetroffene überprüfen, ob ungeachtet der generellen Rechtmäßigkeit einer Maßnahme gegen den Beschuldigten die Ermittlungsbehörden rechtmäßig Maßnahmen gegen ihn ergriffen haben.“

Die Aussage ist m.E. nicht ganz unwichtig: Denn muss die ausgehändigte Beschlussausfertigung bei einer Maßnahme nach § 103 StPO die Übersicht derjenigen Gegenstände enthalten, die bei der Durchsuchung vorgefunden werden sollen und die Gründe für die Wahrscheinlichkeit der Auffindung nenen, weil nur dann dem Betroffenen die Kontrolle während der laufenden Maßnahme und nicht erst später möglich ist, setzt das natürlich voraus, dass im Beschluss diese Darlegungen auch enthalten sind. Das setzt der BGH unausgesprochen voraus.

BVerfG beanstandet Durchsuchungsanordnung, spät kommt die Entscheidung, aber sie kommt, nach gut 4 1/2 Jahren

Es gab man eine Zeit, da rasselte es nur so von Entscheidungen des BVerfG zu Durchsuchung und Beschlagnahme, insbesondere zu den Anforderungen an die Begründung des Durchsuchungsbeschlusses. Dazu hört man in letzter Zeit aus Karlsruhe weniger, was m.E. dafür spricht, dass die wegen Art. 13 Abs. 2 GG recht strenge Rechtsprechung des BVerfG bei den AG angekommen ist. Aber: Ausreißer (?) gibt es immer wieder. Und einen davon behandelt der BVerfG, Beschl. v. 05.03.2012 – – 2 BvR 1345/08, der einen Durchsuchungsbeschluss zum Gegenstand hat, der in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das SchwArbG ergangen war.
Die vom Betroffenen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG hat zwei Beanstandungen an dem in dem Verfahren ergangenen amtsgerichtlichen Beschluss, und zwar:

1. „...Der Durchsuchungsbeschluss benennt und umschreibt die dem Geschäftsfüh­rer der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat lediglich als „Arbeiten des Dach­decker-Handwerks … unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängen­der Steuerhinterziehung“. Der Beschluss lässt damit offen, welcher Verstoß dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin angelastet wird, weil § 1 Abs. 2 Nr. 4 SchwarzArbG einerseits und § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwarzArbG andererseits unter­schiedliche Formen von Schwarzarbeit beschreiben und die Angabe eines Bußgeldtatbestandes im Durchsuchungsbeschluss gänzlich fehlt. …“

2. „…Vor allem aber enthält der Durchsuchungsbeschluss keine konkreten Angaben zu dem dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin tatsächlich vorgeworfenen Verhalten sowie zum Tatzeitraum. Aus dem Durchsuchungsbeschluss wird nicht ersichtlich, welches konkrete Verhalten dem Geschäftsführer der Beschwerdefüh­rerin zur Last gelegt wird und inwiefern sich daraus der Verdacht einer Ordnungs­widrigkeit nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ergeben könnte.

Zwar ist die Angabe von Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, in einem Durchsuchungsbeschluss nicht stets von Verfassungs wegen zwingend notwendig. Dies gilt allerdings nur, wenn sie nicht zur Begrenzung der richterlichen Durchsuchungsgestattung notwendig sind (vgl. BVerfGK 1, 51 <52>; BVerfG, Be­schluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 620102 -, a.a.O., Rn. 24), etwa weil sich in der Zusammenschau mit der Um­schreibung der aufzufindenden Beweismittel ergibt, worauf die mit der Durchsu­chung betrauten Beamten ihr Augenmerk zu lenken haben. Daran fehlt es hier. Die Benennung der Beweismittel („Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Muster- oder Mustermappen, Karteikarten, Terminkalender, Schriftverkehr aus dem hervorgeht, dass der Obengenannte das Handwerk/Gewerbe ausübt, Quittungen, Sparkas­senbücher etc.“) lässt vielmehr die Suche nach nahezu allen denkbaren schriftlichen Geschäftsunterlagen ohne zeitliche Eingrenzung zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. April 2008 – 2 BvR 1910/05 -, juris, Rn. 22). Den Ermittlungspersonen war somit nicht zweifelsfrei aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk bei der Durchsuchung zu richten hatten. Der äußere Rahmen der Durchsuchung war nicht hinreichend abgesteckt.“

War wirklich ein bisschen dünn bzw. ein wenig weit – je nachdem, wie man es sieht.

Was allerdings auffällt an der Entscheidung: Der angefochtene AG bzw. LG-Beschluss stammt aus 11/2007 bzw. 05/2008, also gut 4 1/2 Jahre bzw. 4 Jahre zurück. Da muss man als Betroffener also schon einen langen Atem haben bzw. viel Geduld, bis man was aus Karlsruge hört. Zum Glück handelt es sich ja nicht um eine Haftsache.

Was haste beschmiert?.. – Durchsuchungsbeschluss bei Graffiti-Malerei

Der Durchsuchungsbeschluss muss nach die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat konkretisieren, sagt/schreibt sich so einfac h, macht in der praxis aber immer wieder Problem. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung des LG Koblenz vom 19.10.2010 – 2060 Js 46787/10. Dort hatte das ASG die Durchsuchung wegen Sachbeschädigung infolge Grafitti-Malereien angeordnet. Dem LG haben die Ausführungen des AG zur „Tat“ nicht gereicht. Bei einer Sachbeschädigung müsse aus dem Durchsuchungsbeschluss ersichtlich sein, welche konkreten Beschädigungshandlungen dem Beschuldigte vorgeworfen werden, ob und welche Gegenstände er etwa zerstört, zerkratzt oder beschmiert haben soll und wo er die Schädigungshandlungen begangen hat.

Und: Ferner bedürfe es im Durchsuchungsbeschluss der Präzisierung, auf welchen belastenden Tatsachen und Indizien der Anfangsverdacht gegen den Beschuldig­ten beruht. Eine Verweisung auf die „bisherigen Ermittlungen“ reicht nicht aus. Letzteres erinnert mich an meine richterliche Tätigkeit und an einen Haftbefehl, bei dem dringende Tatverdacht ebenso begründet war. Dass beides nicht geht – liegt auf der Hand. Denn, wie soll der Beschuldigte sich verteidigen?