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Fahrtenbuch II: Fahrtenbuchauflage versus DSGVO, oder: Sind 36 Monate verhältnismäßig?

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Und als zweite Fahrtenbuchentscheidung dann der OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.06.2023 – 7 B 10360/23. Die Beschwerde gegen die Anordnung des Fahrtenbuchs hatte auch hier keinen Erfolg.

Aus den Gründen schenke ich mir die Ausführungen der Beschwerde zur Frage der rechtmäßigen Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung und zur Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessun. Das ist alles bekannt.

Im Übrigen führt das OVG aus:

„c) Entgegen der Annahme der Beschwerde war die Ermittlung des oder der Fahrzeugführer der auf die Antragstellerin zugelassenen PKW, mit denen am 11. Juni 2022 und 6. September 2022 Verkehrsverstöße begangen worden sind, nicht möglich, obwohl die Ermittlungsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen ausreichende Maßnahmen getroffen haben, um den Verkehrsverstoß aufzuklären. Soweit mit der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügt wird, es sei der Bußgeldbehörde zumutbar gewesen, selbst Ausschau nach den Mitarbeitern zu halten und den tatsächlichen Fahrzeugführer ausfindig zu machen, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die Befragung von Mitarbeitern in einer Firma zu dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß regelmäßig eine ausreichende Ermittlungsmaßnahme darstellt. Es fällt in den Verantwortungsbereich der Gesellschaft, innerbetrieblich dafür Sorge zu tragen, dass die Geschäftsführung bzw. die Mitarbeiter, die zuverlässig Auskunft über den Einsatz der Firmenwagen geben können, informiert werden. Erfolgen daraufhin keine weiteren Angaben zu der Person, die im fraglichen Zeitpunkt das Firmenfahrzeug geführt hat, ist es der Behörde regelmäßig nicht mehr zuzumuten, noch weitere zeitraubende Ermittlungen zu betreiben (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2013 – 8 A 632/13 –, juris Rn. 13 ff., m.w.N.). So liegt der Fall hier. Bei den insgesamt vier Vorortkontrollen wurde jeweils Herr A., der sich in Abwesenheit des Geschäftsführers als verantwortlicher Mitarbeiter der Firma zu erkennen gab, von den Beamten des Polizeipräsidiums Mainz ergebnislos zu den Fahrern der Fahrzeuge und zur Identifizierung der Personen auf den vorgezeigten Lichtbildern befragt. Darüber hinaus war eine Rückmeldung des sich bei den Befragungen stets im Ausland verweilenden und für die Beamten telefonisch nicht erreichbaren Geschäftsführer der Antragstellerin bis zuletzt nicht erfolgt. Weitere Ermittlungsmaßnahmen waren vor diesem Hintergrund nach den dargelegten Maßstäben nicht geboten, zumal mit der Beschwerde auch nicht geltend gemacht worden ist, dass den ermittelnden Beamten weiterer Zutritt zum Gelände und zu den Räumlichkeiten der Firma angeboten worden sei oder bei Bedarf gestattet worden wäre.d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin war sie an der Preisgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers oder der verantwortlichen Fahrzeugführerin nicht gehindert durch die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO –). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Ordnungswidrigkeitenverfahren – in dessen Rahmen die vorliegenden Ermittlungen vorgenommen wurden – in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt (zweifelnd: VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 25 ff.) oder sie hiervon gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgenommen ist (ebenfalls offenlassend: BayVGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18 und vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34). Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sein sollte, wäre die Preisgabe der persönlichen Daten der Fahrzeugführer durch die Antragstellerin an die Polizei- oder Bußgeldbehörden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuchs durch und die damit verbundene Datenerhebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34; ferner HambOVG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 Bs 84/20 –, juris Rn. 19: Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Ferner ist auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden – die Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO vorausgesetzt – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO gerechtfertigt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 30).

2. Ob der Antragsgegner das ihm nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, kann allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden.

……

b) Allerdings vermag der Senat zum jetzigen Zeitpunkt auf der Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten nicht abschließend zu beurteilen, ob die Dauer des hier angeordneten Fahrtenbuchs von 36 Monaten verhältnismäßig ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Verhältnismäßigkeit der Zeitspanne, für die ein Fahrtenbuch zu führen ist, mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung ist insbesondere das Gewicht des nicht aufgeklärten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 – 3 C 13/14 –, juris Rn. 20). Daneben kann in die Ermessensentscheidung einfließen, ob das erste Mal mit dem Kraftfahrzeug des Halters ein Verkehrsverstoß ohne Fahrerfeststellung begangen wurde oder ob ein Wiederholungsfall vorliegt. Auch das Verhalten des Halters bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes kann gewürdigt werden (vgl. VGH BW, Beschluss vom 21. Juli 2014 – 10 S 1256/13 –, juris Rn. 10; SächsOVG, Beschluss vom 22. März 2017 – 3 B 42/17 –, juris Rn. 10). Sofern sich der Antragsgegner zur Begründung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung neben der Schwere der Verkehrsverstöße offenbar darauf stützt, dass es neben den hier vorgeworfenen Zuwiderhandlungen bereits in der Vergangenheit zu Verkehrsverstößen mit den Fahrzeugen der Antragstellerin gekommen sei, bei denen aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Antragstellerin zur Mitwirkung der Fahrzeugführer nicht habe ermittelt werden können, kann vorliegend nicht geklärt werden, ob diese Argumentation in tatsächlicher Hinsicht trägt. Ob und inwiefern der Antragstellerin hinsichtlich der auf sie zugelassenen Fahrzeuge bereits mehrfach Verkehrsverstöße zur Last gelegt worden sind und inwieweit sie sich diesbezüglich bei der Ermittlung des Fahrzeugführers unkooperativ gezeigt hat, ist den vorgelegten Akten nämlich nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu entnehmen. Die vom Antragsgegner in Bezug genommenen Vermerke vom 14. Juli 2022 (Bl. 31 der Verwaltungsakte) und 20. November 2022 (Bl. 53 Rs. der Verwaltungsakte) enthalten insoweit lediglich vage, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher erläuterte Ausführungen, auf die allein sich die erhebliche Dauer der Fahrtenbuchanordnung von 36 Monaten nicht stützen lässt. Diesbezüglich bedarf es – auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin nun im Beschwerdeverfahren weitere Verkehrsverstöße in der Vergangenheit ausdrücklich bestritten hat – weiterer Sachverhaltsaufklärung im Widerspruchsverfahren. Insofern erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache derzeit als offen.

Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung und dem Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben, fällt dennoch zu Lasten der Antragstellerin aus. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es sich bei der Fahrtenbuchanordnung um eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs handelt (vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 18. Mai 1999 – 11 CS 99.730 –, juris Rn. 18). Demgegenüber belastet die Erfüllung der Fahrtenbuchanordnung die Antragstellerin – wie bereits dargelegt – nicht in nennenswertem Umfang. Hinzu kommt, dass die Anordnung eines Fahrtenbuchs dem Grunde nach – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – gerechtfertigt ist. Die Konstellation, dass sich die Anordnung aller Voraussicht nach vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens erledigen könnte und der Halter aufgrund des Sofortvollzugs ein Fahrtenbuch geführt hat, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein (zu diesem Aspekt vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 – 8 B 173/13 –, juris Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 3 M 15/20 –, juris Rn. 12), besteht vorliegend nicht. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für 24 Monate auf der Grundlage des bereits feststehenden Sachverhaltes – wiederholter mit einem Punkt bewerteter unaufgeklärter Verkehrsverstoß (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 8 A 1217/15 –, juris Rn. 16, m.w.N.) – rechtlich nicht zu beanstanden sein dürfte. Da zu erwarten ist, dass vor Ablauf dieses Zeitraums das Widerspruchsverfahren unter Nachholung der genannten Sachverhaltsermittlungen beendet sein wird, besteht auch mit Blick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Fahrtenbuchanordnung wiederherzustellen.“

Anspruch auf Löschung an HIS-Datei gemeldete Daten?, oder: Nicht, wenn Reparaturmaßnahmen unklar sind

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Bei der zweiten vorpfingstlichen Entscheidung im Kessel-Buntes handelt es sich um das AG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2023 – 40 C 226/22.

In dem Urteil hat das AG die vom Kläger begehrte Löschung von Daten in der sog. HIS-Datei abgelehnt. Das Fahrzeug, um das es geht, war anlässlich eines Verkehrsunfalls am 29.07.2020 beschädigt worden. Die Beklagte hatte seinerzeit als eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung den Schaden bearbeitet und reguliert. Nach der Abrechnung eines wirtschaftlichen Totalschadens auf fiktiver Basis durch den damaligen Eigentümer nach dem Verkehrsunfall vom 29.07.2020 gab die Beklagte am 18.08.2020 folgende Informationen weiter: „Hersteller:  MERCEDES-BENZ, Typ GI 350 CDI 4MATIC, Fahrzeugart PKW, Erstzulassung 01.06.2016″. Außerdem wurde gemeldet, dass der Meldegrund eines Totalschadens vorlag und das Datum des Schadens wurde mitgeteilt.

Der Vorbesitzer des Fahrzeugs ließ eine Reparatur durchführen. Dies teilte er der Beklagten mit.

Der Kläger, ein durch die IHK öffentlich bestellter und vereidigter KFZ-Sachverständiger, führte eine Besichtigung am 24.08.2021 selbst durch. Er erstellte daraufhin eine Reparaturbestätigung nebst Lichtbildnachweisen. Diese sandte er der Beklagten zu und bat um Löschung der personenbezogenen Daten. Dies lehnte die Beklagte, auch nach anwaltlicher Aufforderung ab.

Der Kläger hat behauptet, er sei seit 24.04.2021 Eigentümer des Fahrzeugs. Das Fahrzeug sei vollständig und fachgerecht repariert. Er verlangt die Löschung der Daten.

Das AG hat die Klage abgewiesen:

„Der Kläger hat keinen Anspruch auf Löschung der gemeldeten Daten nach Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO.

Gern. Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO sind personenbezogene Daten zu löschen, sobald diese nicht mehr für die Zwecke notwendig sind, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet worden sind.

Dies ist namentlich dort der Fall, wo ein der Datenerhebung bzw. -speicherung zu Grunde liegendes Prüfverfahren hinsichtlich der aufgenommenen Daten endgültig abgeschlossen worden ist (EuGH, NJW 2018, 767). Die Löschung als solche hat dabei der „Verantwortliche“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO vorzunehmen, wobei allerdings im Falle der Veranlassung der (fortlaufenden) Speicherung bei einem Verantwortlichen durch einen Dritten, dieser Dritte zur Einwirkung auf den Verantwortlichen im Rahmen eines Unterlassungsanspruches verpflichtet ist.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Nach Art. 17 Abs. la der DSGVO hat die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern die Speicherung und Verarbeitung nicht mehr für die Zwecke, für die sie erhoben wurden notwendig sind.

Zwar dürfte es sich bei den gemeldeten Daten um personenbezogene Daten im Sinne der Verordnung handeln, da über eine einfache Abfrage zu der FIN ein Zusammenhang mit dem Kläger als Person hergestellt werden kann.

Es besteht hier jedoch kein Löschungsanspruch, weil hier keine schutzwürdigen Belange des Klägers beeinträchtigt werden (vergl. OLG Hamm Urt. v. 14.02.2018 11 U 126/17).

Ob das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert wurde, ist streitig.

Auch eine Beweisaufnahme zu der Frage, ob das Fahrzeug fachgerecht und umfassend repariert wurde, brauchte das Gericht nicht durchzuführen. Zum einen würde es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handeln, da es an jeglichem Vortrag fehlt, welche konkreten Schäden vorhanden waren und welche Reparaturschritte erfolgt sein sollen.

Die von dem Kläger selbst ausgestellte Reparaturbescheinigung sowie eine Hauptuntersuchungsbescheinigung oder eine Garantie haben jedenfalls keinen Beweiswert für die Frage, ob tatsächliche eine umfassende Reparatur aller Schäden durchgeführt wurde. Es bleibt völlig unklar welche Schäden vorlagen und welche Reparaturmaßnahmen erfolgten.

Auch eine Güterabwägung nach Art. 6 der DSGVO ergibt, dass ein berechtigtes Interesse des Versicherers an den entsprechenden Daten besteht.

Auch bei einer fachgerechten und umfassenden Reparatur bleibt der Umstand erhalten, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hatte, was im Verkaufsfall eine aufklärungspflichtige Information darstellt und in der Regel zu einem dauerhaft verbleibenden Minderwert des Fahrzeugs führt, insbesondere wenn keine konkreten Nachweise über eine Reparatur vorliegen. Um eine solche Bewertung vornehmen zu können, bleibt ein Interesse an der Speicherung der Daten in HIS vorhanden, unabhängig von der Qualität der durchgeführten Reparatur.

Zutreffend führt die Beklagtenseite aus, dass die Einmeldung auch deshalb gerechtfertigt ist, um die Höhe eines bei einem weiteren Verkehrsunfall entstandenen Schadens zutreffend beurteilen und die Abrechnung eines zu hohen Schadensersatzanspruchs zu Lasten der Versichertengemeinschaft verhindern zu können. Es geht also nicht nur um Fälle einer gezielten Täuschung, sondern es sind auch Konstellationen denkbar, bei denen der Anspruchssteller selber keine Kenntnis von einem Vorschaden hat oder den Umfang des Schadens bzw. die Qualität der durchgeführten Reparaturmaßnahmen selber nicht richtig beurteilt – auch in diesen Fällen muss zugunsten der Versichertengemeinschaft eine Prüfung ermöglicht werden, ob und in welchem Umfang ein neuer Schaden eingetreten ist und welche Reparaturkosten zu seiner Beseitigung erforderlich sind. Auch die Höhe eines Wiederbeschaffungswertes wird dadurch beeinflusst.

Demgegenüber ist die im Rahmen der Gesamtgüterabwägung die Beeinträchtigung des Klägers durch Speicherung der Daten als geringfügig einzustufen.“

Fahrtenbuch II: Mitwirkungspflichten des Halters, oder: Unbestimmte Dauer der Auflage

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Die zweite Entscheidung zum Fahrtenbuch kommt mit dem BayVGH, Beschl. v. 30.11.2022 – 11 CS 22.1813 – ebenfalls aus Bayern. Auch in dem Verfahren ist es um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Fahrtbuchauflage gegangen.

Auch hier weitgehend das Übliche, so dass ich mich auch im Wesentlichen auf die Leitsätze zu dem recht umfangreich begründeten Beschluss beschränken will. Die lauten:

    1. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den zur Last gelegten Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er jedoch im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen. Insbesondere dürfen Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder unsachgemäße Bedienung vorliegen.
    2. Unzureichende Mitwirkung des angehörten Fahrzeughalters hat insoweit Bedeutung für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO, als sie den Einwand abschneiden kann, die Feststellung des Fahrzeugführers wäre nach der Verkehrszuwiderhandlung möglich gewesen, wenn die Bußgeldbehörde weiter ermittelt hätte. Dies gilt insbesondere, wenn der betreffende Fahrzeughalter im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf einen ihm übersandten Anhörungsbogen überhaupt nicht reagiert.
    3. Auch ein erst- oder einmaliger Verkehrsverstoß kann eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen, wenn er von erheblichem Gewicht ist. Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, wie etwa die konkrete Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, nicht an. Das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung ergibt sich vielmehr aus ihrer generellen Gefährlichkeit für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Hierbei kann die Behörde auf die Bewertungen abstellen, die in den einschlägigen Straf- und Bußgeldvorschriften mit der Ausgestaltung der Sanktionen sowie in § 40 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Anlage 13 mit der Einordnung eines Delikts in das Fahreignungs-Bewertungssystem (Punktsystem) zum Ausdruck gebracht worden sind.
    4. Die Behörde ist nicht gehalten, die Maßnahme bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses zu befristen. Danach ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass die Anordnung – als Dauerverwaltungsakt – bei Wegfall der ihr zu Grunde liegenden Voraussetzungen sowie dann aufzuheben ist, wenn ihre Dauer mit Blick auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht mehr angemessen ist.

Gnaz interessant ist, was der BayVGH zum Leitsatz 4. konkret ausführt:

„bb) Auch mit Blick auf die Dauer der Verpflichtung zur Führung des Fahrtenbuchs zeigt die Beschwerde keinen Ermessensfehler auf.

(1) Das Landratsamt hat sich ersichtlich an obergerichtlicher Rechtsprechung orientiert, der zufolge die Behörde nicht gehalten ist, die Maßnahme bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses zu befristen. Danach ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass die Anordnung – als Dauerverwaltungsakt – bei Wegfall der ihr zu Grunde liegenden Voraussetzungen sowie dann aufzuheben ist, wenn ihre Dauer mit Blick auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht mehr angemessen ist. Ihrer Pflicht, den Verwaltungsakt aus diesem Grunde unter Kontrolle zu halten, kann die Behörde demnach insbesondere dadurch genügen, dass sie in dem Bescheid in Aussicht stellt, die Notwenigkeit seiner Fortdauer nach einer bestimmten Zeit zu überprüfen (vgl. VGH BW, U.v. 3.5.1984 – 10 S 447/84VBlBW 1984, 318/319 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 27.7.1970 – VII B 19.70 – Buchholz 442.15 § 7 StVO Nr. 6; ebenso OVG Bremen, U.v. 9.12.1975 – I BA 52/74 – DAR 1976, 53/55). So ist das Landratsamt hier vorgegangen und hat der Sache von vornherein den Grundstein für eine Beschränkung der Maßnahme auf neun Monate gelegt.

(2) Wenn die Antragstellerin dagegen einwendet, es verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), ein Fahrtenbuch auf unbestimmte Zeit führen zu lassen, geht dies daher bereits von unzutreffenden Voraussetzungen aus.

(3) Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, weshalb es, wie sie darüber hinaus in den Raum stellt, mit der Datenschutzgrundverordnung unvereinbar sein sollte, dass die Antragstellerin für neun Monate ein Fahrtenbuch zu führen, dieses Polizeibeamten sowie Vertretern des Landratsamts auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen und mindestens sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es zu führen ist, aufzubewahren hat. Nach der Rechtsprechung des Senats ist – ungeachtet der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO (zweifelnd VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 – RN 3 K 19.267 – juris Rn. 24 ff.) – im Falle des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO eine Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen von Behörden und Gerichten, die insoweit Dritte im Sinn des Art. 4 Nr. 10 DSGVO sind, bei Abwägung mit den Interessen des Fahrzeugführers zulässig. Behörden und Gerichte haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sowie Straftaten gehört (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2022 – 11 ZB 22.895 – ZfSch 2022, 595 = juris Rn. 18).

Anders als die Beschwerde meint, setzt die Verfolgungsverjährungsfrist, die unter Umständen nur drei Monate beträgt (§ 26 Abs. 3 Satz 1 StVG), insoweit keine beachtliche Grenze. Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO, auf den das Vorbringen der Sache nach abzielt, sind personenbezogene Daten zwar zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind. Insoweit geht die Antragstellerin jedoch von einem zu engen Erhebungszweck aus. Wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, zielt die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs auch darauf ab, ggf. eine Verfolgung von Verkehrsstraftaten zu ermöglichen (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.1964 – VII C 91.61BVerwGE 18, 107/108 f.). Insoweit gelten aber weitaus längere Verjährungsfristen (vgl. §§ 78 ff. StGB). Zudem kann die Fahrtenbuchauflage ihren Zweck, künftig die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen und dies zugleich den betroffenen Fahrern zur Verhinderung weiterer Zuwiderhandlungen im Vorfeld vor Augen zu führen (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14BVerwGE 152, 180 Rn. 19), nur erfüllen, wenn die ordnungsgemäße Führung kontrolliert werden kann. Dies muss zur Sicherstellung eines rationellen Einsatzes der vorhandenen Mittel auch unabhängig vom Ablauf etwaiger Verjährungsfristen zum Ende der Maßnahme und in einem angemessenen Zeitraum danach möglich sein. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn § 31a Abs. 3 StVZO eine Pflicht zur Aufbewahrung des Fahrtenbuchs für sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, vorsieht. Damit bedarf auch keiner Erörterung, ob hier ein Ausnahmetatbestand gemäß Art. 17 Abs. 3 DSGVO vorliegen könnte.“

StPO II: Videoaufnahmen unter Verstoß gegen DSGVO, oder: Im Strafverfahren verwertbar

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Die zweite Entscheidung stammt vom BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 18.08.2021 – 5 StR 217/21 – zunächst noch einmal zu den Urteilsgründen in den „DNA-Fällen“ Stellung genommen. Die haben ihm nicht gefallen und er hat aufgehoben. Insoweit bringt die Entscheidung nichts Neues.

Aber: Interessant(er) sind dann die Ausführungen zur Verwertbarkeit von Videoaufnahmen, die eine Privatperson gefertigt hat. Der BGH sieht die als vewertbar an, selbst wenn die Aufnahmen unter Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO erstellt worden sind:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Revision keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Videoaufnahmen von der Tatbegehung bestehen. Selbst wenn diese unter Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO erlangt worden sind, weil der Inhaber eines Ladengeschäfts mit seiner davor angebrachten Videokamera über 50 Meter ins öffentliche Straßenland hineingefilmt hat, würde dies nicht zur Unverwertbarkeit des so erlangten Beweismittels führen. Denn auch rechtswidrig von Privaten erlangte Beweismittel sind grundsätzlich im Strafverfahren verwertbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417; BGH, Urteile vom 22. Februar 1978 – 2 StR 334/77, BGHSt 27, 355, 357; vom 9. April 1986 – 3 StR 551/85, BGHSt 34, 39, 52; zu Videoaufnahmen auch BGH, Beschluss vom 18. August 2020 – 5 StR 175/20 mwN). Durch das Inkrafttreten der DSGVO hat sich daran nichts geändert.“

DSGVO-Spiegel, oder: Was es dazu in der letzten Zeit so alles gegeben hat

entnommen wikimedia.org
Urheber Tropenmuseum

Heute ist Pfingstmontag. Da gibt es zwar auch Postings, aber nicht normal, sondern ein wenig wie Sonntag. Ist ja schließlich Feiertag.

Und ich starte mit dem bestimmenden Thema der letzten Zeit/Woche. Der DSGVO, die ja nun am 25.05.2018 in Kraft tritt. Ich musste mich bzw. meine beiden Webmaster damit auch beschäftigen und bin ziemlich angefressen. In meinen Augen kaum noch nachvollziehbar. Wer sich ins Internet begibt, weiß doch, dass seine Daten nicht sicher sind. Das muss ich doch nicht mehr erklären bzw. darüber muss ich doch nicht mehr belehren. Aber wir tun es dann natürlich, weil Brüssel es so möchte. In meinen Augen gilt der Satz: Wenn die keine anderen Probleme haben. Aber vielleicht sehe sich das Ganze auch ein wenig (zu) blauäugig 🙂 . Nun ja und: Die Abmahner stehen in den Startlöchern.

Hier dann jetzt meine ganz persönliche Auswahl der Postings aus der letzten Woche:

  1. Informationspflicht beim Austausch von Visitenkarten?,
  2. Kurz vor Anwendung der DSGVO – Viele Fragen, wenig klare Antworten,
  3. DSGVO: Der Datenschutz und die Fotografie,
  4. DS-GVO: Schieflage bei den Betroffenenrechten,
  5. Die Problematik des Newsletterverteiler: Rundmail für einen DSGVO-konformen Auftritt?,
  6. Der Countdown läuft – noch eine Woche bis zur DSGVO,
  7. DSGVO – 10 Tipps für Vereine,
  8. Kostenlos Sorgen los? Datenschutzgeneratoren im Mai 2018

  9. DS-GVO: “Es ändert sich doch gar nicht so viel!”,
  10. und dann noch:Datenschutzgenerator.

Und zum Schluss der Hinweis: Eine Haftung für die Richtigkeit der Hinweise und Tipps, die zum Teil in den Postings enthalten sind, kann ich nicht übernehmen 🙂 .

Und zum Schluss dann der Witz, der seit einigen Tagen durchs Netz läuft:

A: „Kennen Sie einen guten DSGVO-Berater?“

B: „Ja.“

A: „Können Sie mir bitte seine Kontaktadresse geben?“

B: „Nein.“