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Amphetaminkonsum oder Medikamenteneinnahme?, oder: Untersuchung der Blutprobe erforderlich

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Und dann hier noch der VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.09.2023 – 6 L 2377/23 – zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums. Die Verwaltungsbehörde hat die Fahrerlaubnis entzogen und die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Antrag des Betroffenen nach § 80 Abs. 5 VwGO hatte keinen Erfolg. Das VG führt u.a. aus:

„Ob die Entziehung der Fahrerlaubnis auch materiell rechtmäßig ist, vermag das Gericht nach summarischer Prüfung nach Aktenlage nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu beurteilen.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Maßgeblich für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 -, juris, Rn. 16, und vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 – 19 A 2549/99 -, juris, Rn. 12, sowie vom 6. Juli 2012 – 16 A 1928/11 -, n.v., S. 2 des Beschlussabdrucks.

Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt ein Fahrerlaubnisinhaber insbesondere dann als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV in Verbindung mit Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV ist die Eignung bzw. die bedingte Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs regelmäßig ausgeschlossen bei Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG, ausgenommen Cannabis. Wegen ihres hohen Suchtpotenzials und der Schwierigkeit, ihre Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit einzuschätzen, rechtfertigt bereits ein einmaliger Konsum von sog. harten Drogen im Sinne des BtMG – zu denen Amphetamin zählt – im Regelfall die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss des Betäubungsmittels auch ein Kraftfahrzeug geführt wurde.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – 3 C 9/18 -, juris, Rn. 30; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 – juris, Rn. 5, und vom 23. Juli 2015 – 16 B 656/15 -, juris, Rn. 5, jeweils m.w.N. zu der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Obergerichte anderer Bundesländer.

Entscheidend für die Verneinung der Kraftfahreignung ist demnach allein, ob feststeht, dass der Kläger jedenfalls einmal Amphetamin konsumiert hat, was einen willentlichen Konsum voraussetzt.

Laut des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. vom 00. Mai 2023 fiel die dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommene Blutprobe positiv auf Amphetamin (338 ng/ml) aus. Die Gutachterin Univ.-Prof. Dr. X. -U. kommt in ihrer Beurteilung weiter zu dem Ergebnis, dass damit der Nachweis eines Konsums von Amphetamin (z.B. Pep) geführt wurde. Auch der am 00. Februar 2023 durchgeführte Drogenvortest verlief positiv auf Amphetamin/Metamphetamin.

Es ist angesichts der beschränkten Aufklärungsmöglichkeiten im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Aktenlage allerdings nicht hinreichend sicher, dass der Befund nicht – wie vom Antragsteller vorgetragen – auf einer bestimmungsgemäßen, nach ärztlicher Verordnung erfolgten Einnahme des Medikaments F. 00 mg Hartkapseln beruht. In einem solchen Fall würde sich die Frage der Kraftfahreignung nicht nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV, sondern nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV richten. Bei einer ordnungsgemäßen Dauerbehandlung mit einem betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel i.S.v. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV entfällt die Kraftfahreignung „nur“ bei einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß. Das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung dürfte wiederum lediglich durch die Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzuklären sein.

Das Medikament F., das der Antragsteller nach eigenen Angaben zur Behandlung seiner XXX-Erkrankung einnimmt, enthält den Wirkstoff Lisdexamphetamin. Bei einer Einnahme kann es bei Tests auf Drogengebrauch – wie auch in der vom Antragsteller eingereichten ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie I2. vom 00. August 2023 attestiert – zu falsch positiven Ergebnissen kommen.

Vgl. auch die entsprechende Angabe im Beipackzettel des Medikaments F. Hartkapseln, abrufbar unter https://www.takeda-produkte.de/system/files/produkt-info/gebrauchsinformation-elvanse-20-mg30-mg40-mg50-mg60-mg70-mg-hartkapseln.pdf, S. 4.

Eine Analyse der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe mittels eines gaschromatographischen Untersuchungsverfahrens wurde bislang nicht durchgeführt. Nach der Beurteilung der Gutachterin Univ.-Prof. Dr. S. -U. im toxikologischen Gutachten vom 00. Mai 2023 sowie nach telefonischer Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. am 00. September 2023 gegenüber dem Antragsgegner (vgl. Bl. 31 VV) könnte bei einer solchen Untersuchung festgestellt werden, ob die im Blut des Antragstellers festgestellte Konzentration an Amphetamin auf der Einnahme des Medikaments F. oder (zusätzlich) auf einem sonstigen Amphetaminkonsum beruht.

Vgl. bezüglich der bei einer ADHS-Erkrankung ebenfalls eingesetzten Medikamente Ritalin und Medikinet dazu, dass bei einer gaschromatischen Untersuchung des Blutes eindeutig zwischen Amphetamin und dem in diesen Medikamenten enthaltenen Wirkstoff Methylphenidat unterschieden werden kann, nur OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2019 – 16 B 730/19 -, n.v., S. 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. November 2019 – 6 L 2821/19 -, juris, Rn. 7 f. jeweils m.w.N.

Nach alledem vermag das Gericht ohne eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren in Gestalt einer gaschromatographischen Untersuchung der dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommen und laut des toxikologischen Gutachtens vom 00. Mai 2023 noch bis Mai 2025 beim V. E. lagernden Blutprobe nicht ausreichend zuverlässig zu beurteilen, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entziehung kraftfahrungeeignet und ihm daher (zwingend) die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

b) Lässt sich demnach die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht hinreichend sicher abschätzen, kann das Gericht lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, juris, Rn. 23 ff.

Diese Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus…..“

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum, oder: Einwand „unbewusste Drogenaufnahme“

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In der zweiten Entscheidung, dem OVG Sachsen,-Anhalt Beschl. v. 26.10.2022 – 3 M 88/22 -geht es mal wieder um die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde. Gestützt worden ist die Entziehung auf die Nichteignung des Betroffenen wegen der Einnahme eines Betäubungsmittels. Der Betroffene wendet ein: Unbewusste Drogenaufnahme. Ohne Erfolg:

„Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt dabei grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 11 CS 21.1896 – juris Rn. 11; OVG Saarl, Beschluss vom 2. September 2021 – 1 B 196/21 – juris Rn. 47; OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2016 – 16 B 166/16 – juris Rn. 11; OVG Brem, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 LA 261/15 – juris Rn. 6; OVG MV, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11 juris Rn. 8). Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu welchem Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt (OVG Bremen, a.a.O.).

Unter diesen Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass er unbewusst Metamphetamin zu sich genommen haben könnte. Nach seiner Schilderung kommt für eine (unbewusste) Einnahme von Betäubungsmitteln nur die Zeit seines Aufenthalts bei einem Schausteller in Betracht, den er gemeinsam mit zwei Aushilfsmitarbeitern beim Aufbau eines Karussells unterstützt hat. In dieser Zeit hat der Antragsteller nach seinen Angaben eine von einem Lieferdienst bestellte Thunfischpizza gegessen und eine Cola getrunken. Sein Getränk und die Getränke der anderen Anwesenden hätten, so der Antragsteller, auf einem Tisch zusammengestanden. Er habe sein Getränk nicht über den ganzen Tag beobachtet.

Dieser Vortrag ist nicht hinreichend plausibel, um von einer unbewussten Einnahme von Betäubungsmitteln ausgehen zu können. Die Beschreibung des Antragstellers gibt keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass ihm jemand in der Situation eines gemeinsamen Arbeitstages gezielt Metamphetamine „unterschieben“ wollte. Für keinen der Anwesenden wäre es von Nutzen gewesen, dem Antragsteller heimlich Drogen beizubringen. Für die dem Antragsteller unbekannten Aushilfsarbeiter bestand ersichtlich keinerlei Motiv, auf eigene Kosten erworbene Betäubungsmittel dem nichtsahnenden Antragsteller zu überlassen. Der Schausteller dürfte für ein Unterschieben von Drogen schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil er mit dem Antragsteller offensichtlich freundschaftlich verbunden war. Er würde auch damit gerechnet haben, dass der Antragsteller auf eine unbewusste Einnahme von Metamphetaminen beunruhigt über die unerklärlichen körperlichen Veränderungen und nicht mit einer Leistungssteigerung aufgrund der aufputschenden Wirkung reagieren würde. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass der Antragsteller versehentlich aus einem Glas getrunken hat, in dem sich ein mit Drogen vermischtes Getränk befunden hat. Ginge man davon aus, dass einer der anwesenden Männer selbst Metamphetamine zu sich nehmen wollte und diese in sein eigenes Getränk gegeben hat, würde eine unbewusste Drogenaufnahme des Antragstellers voraussetzen, dass er seine Cola mit dem drogenhaltigen Getränk dieses Mannes verwechselt hat. Wie es hierzu gekommen sein könnte, hat der Antragsteller jedoch nicht näher beschrieben. Eine Verwechslung käme von vornherein nur in Betracht, wenn mindestens einer der Anwesenden das gleiche Getränk (Cola) aus einem gleichen Behälter (z.B. Glas, Flasche, Dose) getrunken hätte. Der Antragsteller hat jedoch nicht einmal beschrieben, welche Getränkebehälter mit welchen Getränken auf dem Tisch gestanden haben. Die Angaben hierzu sind vage („Flaschen und/oder Gläser“). Es ist auch wenig plausibel, dass mindestens einer der Anwesenden ebenfalls eine Cola aus einem gleichen Trinkgefäß getrunken hat, da der Antragsteller nach seiner Schilderung sein Getränk selbst mitgebracht hatte, die Getränke also nicht von dem Schausteller gestellt wurden. Unabhängig davon, dass sich die Schilderung des Antragstellers schon aus diesen Gründen als unergiebig erweist, müsste hinzukommen, dass sich die beiden Trinkgefäße nebeneinander befunden haben und der Antragsteller deshalb das falsche Gefäß „erwischt“ hat. Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil derjenige, der Metamphetamine hat einnehmen wollen, ein Interesse daran gehabt haben wird, eine solche Verwechslung gerade auszuschließen, und die Anzahl der Trinkgefäße angesichts der geringen Zahl von vier Anwesenden überschaubar gewesen sein muss. Lückenhaft ist die Schilderung des Antragstellers auch im Hinblick auf die an dem fraglichen Tag anwesenden Personen. Angesichts einer gemeinsamen Arbeit über einen Zeitraum von über zwölf Stunden wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller genauere Angaben über die beiden Aushilfsarbeiter hätte machen können, von denen die Betäubungsmittel nach seiner Schilderung stammen mussten. Der Antragsteller hat keine Namen genannt und auch sonst keine Angaben gemacht, die auf die Identität dieser Männer schließen lassen könnten. Es fehlen auch Erläuterungen, warum der Antragsteller von dem mit ihm befreundeten Schausteller die Namen der Aushilfsmitarbeiter nicht erfahren konnte. Auch der Schausteller dürfte ein Interesse daran haben, Drogenkonsum seiner Mitarbeiter während der Arbeitszeit auszuschließen. Insgesamt ergeben sich aus der lückenhaften und vagen Schilderung des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller am fraglichen Tag unbewusst Metamphetamine zu sich genommen haben könnte…..“

Zweimal BayVGH zur Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Diabeteserkrankung oder Drogenkonsum

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Im „Kessel Buntes“ am Samstag zwei Postings mit verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis.

Hier zunächst zwei Entscheidungen des BayVGH, und zwar.

Bei medikamentöser Therapie eines Diabetes mellitus mit hohem Hypoglykämierisiko (z.B. Insulin) ist die Fahreignung nach den strengeren Anforderungen an das Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 zu bejahen bei guter Stoffwechselführung ohne schwere Unterzuckerung über drei Monate und ungestörter Hypoglykämiewahrnehmung. Schwere Unterzuckerung (Hypoglykämie) bedeutet dabei nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung die Notwendigkeit von Hilfe durch eine andere Person.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sogenannte harte Drogen (hier: Amphetamin) im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat.

Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Nicht wissentliche Drogenaufnahme nachvollziehbar

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By Dundak – Own work

Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann mit dem OVG Saarland, Beschl. v. 02.09.2021 – 1 B 196/21 – aus dem Saarland.

In der Entscheidung geht es im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO um die Entziehung der Fahrerlaubnis und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehungsentscheidung.

Da die Entscheidung recht umfangreich begründet worden ist, verweise ich hier nur auf den Volltext. Ich kann nicht alles einstellen. Das würde den Rahmen sprengen. Es handelt sich sicherlich um einen Einzelfall einer zugunsten des Fahrerlaubnisinhabers ausfallenden Interessenabwägung bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens. Das Besondere am Verfahren: Das OVG geht von einem nicht ausermittelten Sachverhalt aus und hält – was besonders bemerkenswert ist – Darstellung die Betroffenen zu einer nicht wissentlichen Drogenaufnahme für nachvollziebar. Hat man ja auch nicht so häufig.

Fahrerlaubnisentziehung wegen Drogenkonsum, oder: Angemessene Frist für Gutachten

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Author Orlan

Heute dann mal wieder zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen. Zunächst hier der VG Koblenz, Beschl. v. 13.03.2020 – 4 L 181/20.KO – mit dem Dauerbrennerthema: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum. Hier hatte der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Betroffenen aber mal Erfolg, was ja recht selten vorkommt. Begründung u.a.: Die gesetzte Frist zur Vorlage des angeforderten Eignungsgutachtens war zu kurz.

“ …… Diese Vorgaben hat der Antragsgegner beachtet und von dem Antragsteller die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert. Zwar war seit dem letzten nachgewiesenen Drogenkonsum und der Anordnung der Beibringung des Gutachtens ein Zeitraum von über vier Jahren vergangen. Dies steht einer Beibringungsanordnung aber grundsätzlich nicht entgegen; vielmehr ist deren Zulässigkeit in diesen Fällen eine Frage des Einzelfalles unter Einbeziehung aller relevanten Umstände (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25/04 -, juris, Rn. 23 ff.; BayVGH, a.a.O., Rn. 18). Da der Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt mit Drogenkonsum auffällig geworden war, durfte der Antragsgegner zumindest im vorliegenden Fall zum Schutz des Straßenverkehrs vor ungeeigneten Kraftfahrzeugführern auch noch mehr als vier Jahrs nach dem letzten nachgewiesenen Drogenkonsum die Beibringung eines Gutachtens vom Antragsteller fordern.

Dem Antragsgegner war es im vorliegenden Fall versagt, den Entzug der Fahrerlaubnis des Antragstellers auf die nicht fristgerechte Beibringung des angeforderten Gutachtens zu stützen.

Wenn – wie hier der Fall – Tatsachen bekannt werden, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. anderen, näher bezeichneten Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach dem Ergebnis der Eignungsuntersuchung in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Der Schluss auf die Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zulässig, wenn der Betroffene sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Denn wer seine Mitwirkung an der Aufklärung von Eignungsmängeln verweigert, lässt die von einem Kraftfahrzeugführer zu fordernde Einsicht vermissen, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen Belangen vorgeht. Dabei setzt der Schluss von der verweigerten Beibringung des Gutachtens auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen voraus, dass die Anordnung der Untersuchung formell und materiell rechtmäßig erfolgte, sie insbesondere verhältnismäßig war. Dazu genügt ein durch Tatsachen gestützter Verdacht.

Der Antragsgegner hat unter dem 22. November 2019 eine medizinisch-psychologische Untersuchung – MPU – des Antragstellers bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet, die grundsätzlich auf § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 2 FeV gestützt werden konnte. Denn beim Antragsteller liegen – wie bereits ausgeführt – Zweifel an dessen Fahreignung vor.

Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung bestehen keine Bedenken. Dem Antragsteller sind in der Gutachtensanforderung sämtliche gemäß § 11 FeV erforderlichen Informationen und Hinweise erteilt worden. Die Anforderung legt insbesondere dar, woraus der Antragsgegner seine Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers herleitet, bezeichnet die Art des Gutachtens (medizinisch-psychologisches Gutachten), konkretisiert die Fragestellung, nennt die in Betracht kommenden Untersuchungsstellen und verweist auf die Folgen der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens.

In materieller Hinsicht liegen zwar aufgrund der in der Anordnung aufgeführten Umstände auch nach Auffassung des Gerichts hinreichende Tatsachen vor, welche die Annahme eines Konsums von Amphetamin und weiterer Drogen und damit Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermögen. Dem Antragsgegner war es jedoch verwehrt, auf Grundlage des § 11 Abs. 8 FeV aufgrund der nicht fristgerechten Vorlage des angeforderten Gutachtens dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Denn die Frist zur Vorlage des Gutachtens war mit ca. drei Monaten zu kurz bemessen.

Die Angemessenheit der Frist hat sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz im Entziehungsverfahren grundsätzlich nur danach zu richten, „wie lange eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt“ (OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 10 B 10508/09 -). Denn mit dem Gutachten sollen aktuelle Eignungszweifel ausgeräumt werden, sodass sich die Dauer der Vorlagefrist für das Gutachten nicht danach richten muss, wie viel Zeit der Betroffene für den Nachweis seiner Drogenabstinenz benötigt (vgl. Beschluss der Kammer vom 1. Oktober 2019 – 4 L 1015/19.KO -).

 Diese Sachlage ist jedoch zu unterscheiden von den Fällen, in denen durch eine MPU nachgewiesen werden soll, dass eine Fahreignung nach nachgewiesenem Betäubungsmittelkonsum wiedererlangt worden ist (vgl. hierzu BayVGh, a.a.O., Rn. 19 sowie OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 10 B 10508/09 -). In diesen Fällen muss die Frist zur Vorlage des Gutachtens so bemessen sein, dass sich bis zum Ablauf der Frist der erforderliche Abstinenznachweis führen lässt (vgl. VGH München, a.a.O.). So liegt der Fall hier.

 Dem Betroffenen muss für den Nachweis seiner wiedererlangten Fahreignung bei der Bestimmung der Frist für die Beibringung des Gutachtens ein Zeitraum gewährt werden, welcher es ihm ermöglicht, die in Anlage 4 FeV und den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung genannte einjährige Drogenabstinenz nachzuweisen. Nach Ziff. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien Stand 31. Dezember 2019 (Gültig ab: 1. Februar 2000) ist nach der „Entgiftungs- und Entwöhnungszeit in der Regel eine einjährige Abstinenz durch ärztliche Untersuchungen nachzuweisen“. Dies erfolgt „auf der Basis von mindestens vier unvorhersehbar anberaumten Laboruntersuchungen innerhalb dieser Jahresfrist in unregelmäßigen Abständen“.

 Der Antragsteller hat im Verwaltungsverfahren Drogenscreenings vorgelegt, die ab dem 18. Mai 2018 datieren und vom Ergebnis negativ sind. Dabei kann die Kammer offenlassen, ob diese Screenings den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien entsprechen und von einer Begutachtungsstelle anerkannt werden können. Denn der Antragsteller hat es nicht bei der Vorlage dieser Screenings bewenden lassen, sondern nach Auffassung der Kammer alles ihm Mögliche getan, um eine nach den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien maßgebliche Drogenabstinenz nachzuweisen. Er hat nach der Anordnung der Gutachtensbeibringung der Durchführung einer MPU durch den TÜV Hessen zugestimmt und ein weiteres Drogenscreening nach den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien erstellen lassen. Die Probenentnahme erfolgte am 30. Januar 2020. Da der Antragsteller, wie er selbst ausführt, keinen Einfluss auf die Entnahmezeitpunkte hat und der Antragsgegner auch nicht bereit gewesen ist, die Frist zur Vorlage des Gutachtens zu verlängern, war es dem Antragsteller nicht möglich, innerhalb der Gutachtensfrist seine Abstinenz nachzuweisen. Aus diesem Grund kann ihm nicht vorgeworfen werden, dass nach dem Schreiben des TÜV Hessen vom 20. Februar 2020 eine Begutachtung nicht zustande gekommen ist.“