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„Langsamer Richter“, oder: Im Schneckentempo zur Entscheidung über das Entscheidungstempo

Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner der BGH, Beschl. v. 28.03.2017 – RiZ(R) 1/15 -, auf den mich (auch) ein aufmerksamer Blogleser hingewiesen hat. Ergangen ist er – so heißt es in dem BGH-Beschluss – „in dem Prüfungsverfahren wegen Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht“. Das liest sich ziemlich nüchtern. Aber aufmerksame Leser wissen, was sich hinter dieser „unprosaischen“ Kurzbezeichnung versteckt. Es ist das dienstrechtliche Verfahren des Richters am OLG Karlsruhe „K.“, dem die damalige dortige Präsidentin des OLG „vorgehalten“ hatte, er arbeite zu langsam. Dagegen hatte der Richter geklagt und hat – wenn ich es richtig sehe – bisher im Wesentlichen in allen Instanzen verloren. Zuletzt hatte der Dienstgerichtshof  des Landes Baden-Württemberg beim OLG Stuttgart im OLG Stuttgart, Urt. v. 17.04.2015 – DGH 1/13, DGH 2/13,  DGH 3/13 – die Ermahnungsmaßnahme der Präsididentin bestätigt und ausgeführt, dass damit nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit verstoßen worden ist.

Das Verfahren ist jetzt in der Revision beim BGH, aber da geht es nicht so recht voran. Man streitet – so will ich es mal ausdrücken – um Verfahrensfragen bzw. um die richtige Besetzung des Senats. Dazu hat es bereits einen Beschluss gegeben, nämlich den BGH, Beschl. v. 02.12.2015 – RiZ(R) 1/15 (vgl. dazu Wenn der VorsRiBGH und der Präsident des OLG mit Kind und Kegel zusammen verreist sind: Besorgnis der Befangenheit).

Nun gibt es eben noch den BGH, Beschl. v. 28.03.2017, der sich auch/noch einmal zu Ablehnungsfragen verhält, und zwar zu folgendem Vorbringen – ich zitiere:

... In der Revisionsbegründung sowie in einem weiteren Schriftsatz hat er die Richter des Senats um eine dienstliche Erklärung zu folgenden Fragen gebeten:

„Welche Wahrnehmung haben die erkennenden Richter zu Zeit pro Fall und zu Erledigungszahlen einerseits und zu unterschiedlicher Rechtsanwendung andererseits, insbesondere für die richterliche Tätigkeit am Oberlandesgericht? Gibt es in der Wahrnehmung der Richter einen logi-schen Zusammenhang zwischen einer Forderung nach höheren Zahlen einerseits und einer anderen Rechtsanwendung andererseits?

Wie ist das Selbstverständnis der Richter des Senats im Hinblick auf Erledigungszahlen in ihrer eigenen richterlichen Tätigkeit am Bundesgerichtshof? Welche Rolle spielen „Erledigungszahlen“´ und „Rückstände“ für die eigene richterliche Tätigkeit?“

Mit Pressemitteilung vom 14. Juli 2016 hat der Bundesgerichtshof auf den in dieser Sache und in den beiden Parallelverfahren anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2016 unter anderem mit folgendem Text hingewiesen:

„Der Antragsteller […] wendet sich u.a. gegen einen Bescheid der (da-maligen) Präsidentin […], der einen Vorhalt und eine Ermahnung gemäß § 26 Abs. 2 DRiG im Zusammenhang mit seinem Erledigungspensum zum Gegenstand hat.

Das Dienstgericht […] hat die Anträge des Antragstellers im Wesentli-chen zurückgewiesen. Die Berufungen […] hatten keinen Erfolg.“

Mit Schriftsatz vom 26. September 2016 hat der Antragsteller die zur Entscheidung berufenen fünf namentlich bezeichneten Mitglieder des Dienstgerichts des Bundes wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zum einen sei in der Pressemitteilung der Streitgegenstand des Verfahrens im Kern verkannt bzw. verfälscht, und zwar mit parteilicher Tendenz zu seinen Lasten. Es sei davon auszugehen, dass die abgelehnten Richter an der Erstellung der Pressemitteilung mitgewirkt hätten. Zudem habe der Senat auf seine Bitte, die Pressemitteilung zu korrigieren, nicht reagiert. Zum anderen hätten sich die Richter trotz wiederholter Bitte nicht dienstlich zu ihrem Vorverständnis erklärt.

Zu diesen Ablehnungsgesuchen sind dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten Richter sowie der Pressesprecherin und der (damaligen) stellvertretenden Pressesprecherin des Bundesgerichtshofs eingeholt und dem Antragsteller übersandt worden. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017 hat er geltend gemacht, aus den dienstlichen Stellungnahmen ergäben sich neue Ablehnungsgründe. Es fehle an zusammenhängenden Stellungnahmen zu den äußeren und inneren Tatsachen. Dass die abgelehnten Richter am Zustandekommen der Pressemitteilung laut den dienstlichen Stellungnahmen nicht mitgewirkt hätten, sei nicht nachvollziehbar und auszuschließen. Außerdem sei keine Erklärung erfolgt, warum die abgelehnten Richter nicht auf eine Berichtigung der Pressemitteilung hingewirkt hätten.“

Der BGH hat dann im BGH, Beschl. v. 28.03.2017 das Ablehungsgesuch zurückgewiesen, und zwar wie folgt:

  • An der Pressemitteilung vom 14.07.2016 haben die Richter nicht mitgewirkt, „so dass ihnen deren Inhalt nicht zuzurechnen ist„.
  • Unbeschadet dessen gibt der Text der Pressemitteilung aus der maß-geblichen Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei (vgl. BGH Beschluss vom 18. Dezember 2014 IX ZB 65/13 FamRZ 2015, 746 Rn. 11) keinen Anlass, eine Befangenheit zu besorgen. Anders als der Antragsteller meint, informiert die Terminankündigung knapp, aber zutreffend und nicht tendenziös über den Verfahrensgegenstand. Dass das Verfahren auf Betreiben des Antragstellers erfolgt, wird ebenso deutlich wie der Umstand, dass der Antragstel-ler in erster Instanz einen Teilerfolg erzielt hat. Im Zusammenspiel mit dem vollständig zitierten Wortlaut des § 26 DRiG kann auch kein Zweifel verbleiben, dass es sich um ein Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG handelt, in dem auf Antrag des Richters geprüft wird, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt. Mit dem Bescheid, der den Vorhalt und die Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG beinhaltet, und dem Zusatz „u.a.“ wird benannt, wogegen sich der Antragsteller zur Wehr setzt, und mit dem „Erledigungspensum“ der Punkt angesprochen, den die Dienstvorgesetzte als Grund für die Maßnahme der Dienstaufsicht bezeichnet hatte. Auch mit Blick auf die Ausführungen des Antragstellers ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Pressemit-teilung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit begründen kann.“
  • Nachdem ein objektiver Bedarf für eine Korrektur der Pressemitteilung mithin nicht bestand, kann sich ein Grund im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO auch nicht daraus ergeben, dass eine solche Korrektur nicht, insbesondere nicht auf Betreiben der abgelehnten Richter, vorgenommen worden ist.“
  • Ebenfalls ohne Erfolg wird gerügt, dass die vom Antragsteller „erbetene Mitteilung zu den die Wahrnehmung und das Selbstverständnis der Richter betreffenden Fragen unterblieben ist. Denn die abgelehnten Richter sind zu einer dahingehenden Auskunft rechtlich nicht gehalten. Eine Anzeigepflicht be-steht nach § 48 ZPO nur für solche Umstände, die einen Ausschluss kraft Ge-setzes gemäß § 41 ZPO oder eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könnten, was bei den vom Antragsteller erfragten Punkten nicht der Fall ist. Das Vorgehen des Antragstellers zielt vielmehr darauf ab, zu ermitteln, ob die mit dem Fall betrauten Richter seinem rechtlichen Standpunkt oder dem der Gegenseite zuneigen. Hierfür fehlt es jedoch an einer Rechtsgrundlage.“
  • Die Ablehnungsgesuche sind auch insoweit unbegründet, als der Antragsteller „sie darauf stützt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter genügten nicht den Anforderungen des § 44 ZPO….. Nachdem die abgelehnten Richter nicht an der Erstellung der Pressemitteilung mitgewirkt hatten, waren keine darüber hinausgehenden Ausführungen hierzu veranlasst. Ebenso wenig bedurfte es einer Darlegung, weshalb die Senatsmitglieder nicht auf eine ohnedies sachlich nicht gebotene Berichtigung der ohne ihr Zutun erstellten Pressemitteilung hingewirkt haben. Auch soweit die Befangen-heitsgesuche den Vorwurf enthielten, es fehle an der erbetenen Mitteilung, sind die dienstlichen Stellungnahmen ausreichend.“

So, das war es dann jetzt. Ich bin dann nur gespannt, ob und wann es denn weitergeht. Gelesen habe ich von einem neuen Termin noch nichts. Insgesamt kann man m.E. nur sagen, wenn man sich den bisherigen Gesamtverfahrensablauf ansieht: Im Schneckentempo zur Entscheidung zum Entscheidungstempo 🙂 . Entscheiden wird die Sache im Übrigen aber wahrscheinlich eh nicht der BGH, sondern im Zweifel das BVerfG.

Besetzungsstreit beim BGH: Etappensieg auf einem Nebenkriegsschauplatz…

© Thomas Becker – Fotolia.com

Da ich am Donnerstag (14.02.2013) unterwegs war – u.a. in Berlin Kaffeetrinken beim Kollegen Hoenig – ist bislang der Hinweis auf eine PM des BGH unterblieben, in der der BGH über das Ergebnis in zwei Dienstgerichtsverfahren berichtet, die im Zusammenhang mit dem Besetzungsstreit zwischen dem Präsidenten des BGH und dem RiBGH Fischer stehen. In der PM (vgl. hier) heißt es:

„Dienstgericht des Bundes entscheidet über Anträge von zwei Richtern des Bundesgerichtshofs

Das Dienstgericht des Bundes hat heute die Anträge von zwei Richtern des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen, mit denen sie die Feststellung beantragt haben, dass Maßnahmen des Präsidenten und des Präsidiums des Bundesgerichtshofs ihre richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt hätten und daher unzulässig gewesen seien.

Der Präsident des Bundesgerichtshofs hatte gegenüber der Geschäftsstelle des 2. Strafsenats angeordnet, ihm dienstliche Erklärungen vorzulegen, die mehrere Richter des 2. Strafsenats, die wegen Befangenheit abgelehnt worden waren, gem. § 26 Abs. 3 StPO in Strafverfahren abgegeben hatten, und hatte in die dienstlichen Erklärungen Einsicht genommen. In den beiden vom Dienstgericht entschiedenen Verfahren haben zwei Richter des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs dies als rechtswidrigen Eingriff in ihre richterliche Unabhängigkeit beanstandet.

Darüber hinaus hat der Antragsteller in dem Verfahren RiZ 4/12 weitere Maßnahmen als Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit bestandet. Mit Beschluss vom 11. Januar 2012 hatte der 2. Strafsenat in der Sache 2 StR 346/11 festgestellt, dass er nicht ordnungsgemäß besetzt sei, weil der Geschäftsverteilungsplan mit der Zuweisung eines Vorsitzenden Richters als Vorsitzendem des 2. und des 4. Strafsenats mit der Verfassung nicht in Einklang stehe, und hatte die Hauptverhandlung ausgesetzt, um dem Präsidium des Bundesgerichtshofs die Gelegenheit zu geben, eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen. Die Beanstandungen des Antragstellers betreffen im Wesentlichen Äußerungen des Präsidenten in Bezug auf die Absetzung und Zustellung der Entscheidungsgründe des Aussetzungsbeschlusses des 2. Strafsenats vom 11. Januar 2012, die Einladung des Antragstellers zur Anhörung und deren Durchführung im Präsidium am 18. Januar 2012. Weiter hat sich der Antragsteller gegen den Beschluss des Präsidiums vom 18. Januar 2012 gewandt, mit dem dieses an seinem Beschluss zur Besetzung des Vorsitzes im 2. und 4. Strafsenat festgehalten hat.

Das Dienstgericht des Bundes hat in den beanstandeten Vorgängen keine Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG gesehen und deshalb die Anträge zurückgewiesen.

Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 14. Februar 2013 – RiZ 3/12 und 4/12″

Über dieses Verfahren ist schon an anderer Stelle berichtet worden (vgl. u.a. hier bei LTO und bei Juve). Juve spricht von einem „Etappensieg“, den Tolksdorf über Fischer errungen hat. Na ja, das kann man so sehen, aber mehr ist es bei der wohl formalen Begründung der Ablehnung der Anträge – „keine Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG – auch wirklich nicht. Und dann auf einem Nebenkriegsschauplatz, wobei sich Fischer sicherlich über eine Feststellung des Dienstgerichtes dahin, dass in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen worden ist, gefreut hätte.