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StGB III: Diebstahl mit Waffen, oder: Baseballschläger im Rucksack

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Und die dritte Entscheidung des Tages, das BGH, Urt. v. 14.08.2019 – 5 StR 5/19 – hat u.a. auch eine landgerichtliche „Raubverurteilung“ zum Gegenstand. Das LG hatte festgestellt:

„In einem Supermarkt entwendeten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwei Paletten mit Getränkedosen, indem der Angeklagte N. die nahe der Eingangstür gestapelten Paletten an sich nahm, der vor der Tür wartende Angeklagte S. den Öffnungsmechanismus der Tür aktivierte und so dem Angeklagten N. ein Entkommen ermöglichte. Die mit ihrer Beute zu Fuß flüchtenden Angeklagten wurden von einer Mitarbeiterin der Filiale verfolgt. Den Angeklagten gelang es, einen kleinen Teil der Getränkedosen in einen Plastikbeutel umzupacken. Dabei wurden sie von der Zeugin gestört. Sie rannten davon, wobei N. den mit den Dosen gefüllten Plastikbeutel trug. Als er strauchelte, ließ er den Plastikbeutel fallen. Die Zeugin hatte sich ihm unterdessen bis auf zwei Meter genähert. Der Angeklagte N. ergriff eine Getränkedose und warf sie „nicht sonderlich kräftig“ in Richtung der Zeugin, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, sie zu treffen und zu verletzen. Der Zeugin gelang es, dem Wurf auszuweichen. Die gefüllte Getränkedose flog „in Beinhöhe“ in etwa einem halben Meter Abstand an ihr vorbei. Nach der wenig später erfolgten Festnahme der Angeklagten wurde auf deren Fluchtweg ein Baseballschläger aufgefunden.“

Das LG hatte insoweit nur wegen Diebstahls verurteilt. Dazu der BGH im BGH, Urt. v. 14.08.2019 – 5 StR 5/19:

„Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei eine räuberische Beutesicherungsabsicht verneint. Zu Unrecht gelangt es im Rahmen der rechtlichen Würdigung aber zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB nicht vorliegen. Es geht dabei davon aus, dass der Baseballschläger dem Angeklagten S. zuzuordnen ist und er ihn auch – wahrscheinlich im Rucksack des Angeklagten N. , den er während der Tatausführung trug, – bei sich hatte (UA S. 73). Es lasse sich jedoch im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei nachweisen, dass der Angeklagte S. überhaupt eine Gelegenheit gehabt habe, den Baseballschläger einzusetzen.

Für das Beisichführen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ist indes nicht maßgeblich, ob der Täter in der konkreten Tatsituation eine Gelegenheit zum Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hat oder sich dies nach seinem Tatplan vorstellt. Erforderlich und genügend ist vielmehr, dass er das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt des Tatherganges derart bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1959 – 5 StR 377/59, BGHSt 13, 259, 260). In subjektiver Hinsicht ist notwendig, dass der Täter den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit bei sich führt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2002 – 5 StR 117/02, NStZ-RR 2003, 12). Dass beides der Fall war, liegt nach den Feststellungen nahe.

cc) Allerdings ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf deren Grundlage es die Zuordnung des Baseballschlägers zum Angeklagten S. vornimmt, rechtsfehlerhaft. Es stützt sich maßgeblich auf DNA-Spuren des Angeklagten an dem Schläger, ohne den Darlegungsanforderungen zum DNA-Gutachten durch eine biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage zu genügen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 189 mwN).“

Bei Karstadt Parfum geklaut, oder: Vollendung oder nur Versuch?

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Author Santeri Wiinamäki

Und als zweite Entscheidung bringe ich dann heute den KG, Beschl. v. 22.10.2018 – (2) 161 Ss 59/18 (12/18) – mit einem „Dauerbrennerthema“, nämlich der Frage nach der Vollendung eines Diebstahls im Selbstbedienungsgeschäft. Dazu das KG:

„Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts hielt sich der Angeklagte am 30. Juli 2016 in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses Karstadt  auf. Er entnahm den Auslagen vier Packungen mit Parfüm zum Gesamtverkaufspreis von 438,96 Euro (1 x Jean Paul G EDT 200 ml; Aqua di Gio 180 ml; Bvlgari EDT 100 ml; Spice Bomb EDT 90 ml) und hielt die vier Packungen vor seinem Körper mit Armen und Händen. Mit den Packungen vor seinem Körper bewegte er sich langsam durch das Erdgeschoss, wobei er sich immer wieder umschaute und auch an einer Auslage stehen blieb. Er hatte Kopfhörer im Ohr und telefonierte. Eine Kasse steuerte er nicht an, sondern bewegte sich allmählich zum Ausgang, wobei er die Packungen weiterhin vor seinem Körper trug. Beim Verlassen des Geschäfts ertönte eine Warensicherungsanlage und der Angeklagte wurde von zwei Sicherheitsmitarbeitern festgehalten und ohne Widerstand ins Büro geführt. Der Angeklagte handelte, um das Parfüm ohne Bezahlung für sich zu behalten. Während der gesamten Zeit trug er eine Umhängetasche über der Schulter, deren Taschenfach sich in Hüfthöhe befand. Im Hauptfach war ein Pfefferspray sowie ein 11 cm langer Maulschlüssel, der an einem Ende spitz angeschliffen war. Diese Gegenstände führte der Angeklagte zur Selbstverteidigung bei sich.

1. In dieser Handlung hat das Amtsgericht zu Unrecht einen vollendeten Diebstahl mit Waffen gesehen. Die Wegnahme im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB ist erst dann vollendet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie unbehindert durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann. Im Selbstbedienungsladen liegt eine vollendete Wegnahme durch den Täter, der die Kassenzone noch nicht passiert hat, insbesondere vor, wenn der Täter Sachen geringen Umfangs einsteckt oder sie sonst verbirgt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 2 StR 145/13 –). Das war hier aber noch nicht geschehen, denn der Angeklagte trug die Flaschen mit dem Parfüm sichtbar vor seinem Körper, als er das Kaufhaus nach den getroffenen Feststellungen mit dem Parfüm verlassen wollte. Allein das „offene“ Wegtragen vor dem Körper begründete innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers noch keine Gewahrsamsenklave. Hiernach war die Wegnahme der Waren versucht aber noch nicht vollendet.

Dabei führte der Angeklagte auch Waffen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bei sich.

a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tatmittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB 65. Aufl., § 244 Rn. 4) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 308) handelt. Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH aaO), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 2012, 571).

Aus den zu der Tat getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des versuchten Diebstahls des Parfüms „bei sich geführt hat“. Für dieses Merkmal genügt, wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (vgl. BGH StraFo 2017, 378). Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet.

b) Auch bei dem spitz angeschliffenen Maulschlüssel handelt es sich – ähnlich wie bei einem Multifunktionswerkzeug (vgl. KG, Beschluss vom 31. Mai 2012 – [4] 121 Ss 91/12 [124/12]) – um einen gefährlichen Gegenstand. Denn er ist geeignet, Personen nicht unerhebliche Verletzungen zuzufügen. Die vorgenommene Manipulation hat das Amtsgericht ausreichend festgestellt. Einer Verwendungsabsicht bedarf es auch hier nicht…………..“

Ergebnis: Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

Seitenschneider beim Diebstahl, oder: Diebstahl mit Waffen?

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© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um das OLG Nürnberg, Urt. v. 15.10.2018 – 1 OLG 8 Ss 183/18 -, das mir der Kollege Franz aus Nürnberg übersandt hat. Es behandelt und entscheidet die Frage,ob ein von einem Angeklagten bei einem Diebstahl mitgeführter Seitenschneider als Waffe angesehen werden kann und der Angeklagte deshalb wegen Diebstahls mit Waffen zu verurteilen ist/war. Das LG hatte das abgelehnt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Am 11.11.2017 gegen 14.30 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma TK MAXX, pp. ein Paar Turnschuhe sowie eine Damenuhr im Gesamtwert von 54,98 E, um die Waren ohne zu bezahlen für sich zu behalten. Mittels eines mitgeführten Seitenschneiders entfernte der Angeklagte die Warensicherung von den Turnschuhen. Der Seitenschneider ist 73 Gramm schwer und hat eine Gesamtlänge von ca. 11,5 cm, wovon 8,5 cm auf die leicht gebogenen mit Gummigriffen überzogenen Griffe entfallen. Das eigentliche Schneidwerkzeug hat eine Klingenlänge von 14 mm. Aufgrund einer zwischen den Zangenschenkeln angebrachten Feder befinden sich diese Klingen stets im teilweise geöffneten Zustand (Spannweite ca. 1 cm). Werden die Zangenschenkel auseinander gedrückt, ergibt sich eine maximale Spannweite von 2 cm, zum Schließen der Klingen müssen die Zangenschenkel zusammen gedrückt werden. Im geöffneten Zustand sind die Klingen an der vorderen Spitze nicht abgerundet, wird der Seitenschneider in der Hand gehalten und dabei die Klingen geschlossen, bilden sie eine abgerundete Spitze.“

Das OLG sagt mit dem LG: Reicht nicht:

„Dem Angeklagten kann ein Diebstahl mit Waffen nicht zur Last gelegt werden.

1. Ein Diebstahl mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. la StGB setzt voraus, dass der Angeklagte ein gefährliches Werkzeug bei sich führt. Darunter versteht die h.M. ein Werkzeug, das generell geeignet ist, erhebliche Verletzungen des Opfers herbeizuführen, wobei die Gefährlichkeit ab-strakt-objektiv – also unabhängig von einer konkreten Verwendungsabsicht des Täters – zu bestimmen ist (BGHSt 52, 257; vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. § 244 Rn. 15 und Rn. 22).

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in seinem Beschluss vom 11.12.2017 (Az.: 16 KLs 412 Js 64048/17) die Eigenschaft eines 13 cm langen und ca. 180 Gramm schweren Seitenschneiders mit einer Spannweite von maximal 2 cm und ca. 1,7 cm langen Schneidkanten als gefährliches Werkzeug verneint Es führt zur Begründung an:

„Dass dieser Seitenschneider dadurch objektiv geeignet wäre erhebliche Verletzungen eines Menschen herbeizuführen, kann nicht festgestellt werden. Eine solche Eignung des Seiten-schneiders bei einem Einsatz als Schlagwerkzeug, etwa durch Beeinträchtigung auch innerer Organe durch die Einwirkung stumpfer Gewalt, kann schon aufgrund seiner Größe und seines Gewichts sowie seiner Unhandlichkeit ausgeschlossen werden. Auch ist er bei Verwendung als Schneidwerkzeug aufgrund der kleinen, stumpfen Schneidkanten hierzu nicht geeignet. Ebenso wenig kann objektiv eine entsprechende Eignung des Seitenschneiders als Stichwerkzeug angenommen werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zangenenden durchaus spitz sind, allerdings nur soweit sich die Zange in geöffnetem Zustand befindet. In diesem Zustand erscheint jedoch aufgrund der lockeren Verbindung der beiden Zangenschenkel und dem damit verbundenen Schlingern ein Zustechen nur schwer möglich.“

2.Die Strafkammer hat sich diesen überzeugenden Ausführungen angeschlossen und ebenfalls die Eigenschaft des Seitenschneiders als gefährliches Werkzeug verneint.

Auch der Senat schließt sich dieser Beurteilung an; unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten ist sie nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat die objektive Gefährlichkeit des Seitenschneiders unter allen relevanten Gesichtspunkten beleuchtet. Sie hatte sowohl die konkrete Beschaffenheit des Seitenschneiders (Gesamtgröße und Gesamtgewicht, Länge und Beschaffenheit der Schneidkanten und maximale Spannweite der Zangenschenkel) als auch dessen unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten als Schlag-, Schneid- und Stichwerkzeug im Blick. Die Strafkammer hat nachvollziehbar dargelegt, dass in keiner Alternative erhebliche Verletzungen herbeigeführt werden können.

Die Argumente der Staatsanwaltschaft führen zu keiner anderen Beurteilung. Taschenmesser mit einer feststehenden Klinge oder Schraubenzieher verfügen nämlich über eine über eine Schneidkante von lediglich 14 mm weit hinausgehende Stichlänge und liegen immer so gut in der Hand, dass der Täter mit ihnen sofort gezielt und mit Wucht auf sein Opfer einstechen kann, während beim Seitenschneider die Zangenschenkel zugleich vollständig geöffnet werden müssten – was unhandlich und zudem durch die maximale Spannweite der Zangenschenkel von nur 2 cm ohnehin stark eingeschränkt ist -, damit die Schneidkanten überhaupt wirkungsvoll zum Einsatz kommen können. Angesichts der konkreten Beschaffenheit des Seitenschneiders mit einer Gesamtgröße von lediglich 11,5 cm und mit einem Gesamtgewicht von gerade einmal 73 Gramm liegt es schließlich fern, von einer „robusten Ausführung“ bzw. von einer „Beschaffenheit aus schwerem Metall“ zu sprechen, mit der bei Schlägen auf den Kopf oder auf Knochen erhebliche Verletzungen herbeigeführt werden könnten.“

Das Pfefferspray beim Diebstahl, oder: Diebstahl mit Waffen?

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Im BGH, Urt. v. 20.09.2017 – 1 StR 112/17 – hat der BGH in einem Verfahren u.a. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Diebstahls noch einmal zur Frage der „Waffenfähigkeit“ von Pfefferspray Stellung genommen. Der  Angeklagte hatte das Pfefferspray in einer Dose mitgeführt. Der BGH führt aus:

„Der Schuldspruch hält im Fall B.II.2. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht den Angeklagten nicht lediglich wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB, sondern wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB verurteilen müssen.

a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tat-mittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 244 Rn. 4; Mitsch, JR 2009, 297, 299) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB], wohl auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377 Rn. 4) handelt. Für die Eigenschaft als „Waffe“ im strafrechtlichen Sinne (zum Begriff grundlegend BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 203 ff.) könnte sprechen, dass mit Pfefferspray gefüllte Dosen als trag-bare Gegenstände gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG (i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.2.2.) sogar als Waffen im waffenrechtlichen Sinn in Betracht kommen (MünchKommStGB/Heinrich, 2. Aufl., Band 8, WaffG § 1 Rn. 117; Gade/Stoppa, Waffengesetz, Anlage 1 Rn. 105 f.; siehe auch Mitsch aaO). Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (zum Maßstab BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 5 StR 286/12, NStZ 2012, 571 f. mwN; grundle-gend Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 57, 257, 269 Rn. 32).

b) Aus den zu den Taten und dem Nachtatgeschehen getroffenen Fest-stellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des Diebstahls am Laptop bei sich geführt hat. Für dieses Merkmal genügt – wie bei der weitgehend inhaltsgleichen Qualifikation aus § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (BGH, Urteil vom 14. Januar 1997 – 1 StR 580/96, BGHSt 42, 368, 371; Fischer aaO § 244 Rn. 27), wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nen-nenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (näher BGH, Urteil vom 12. Ja-nuar 2017 – 1 StR 394/16, StraFo 2017, 378 Rn. 7 mwN [zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG]). Ausweislich des festgestellten tatsächlichen Geschehens zu Tat B.II.1. hatte der Angeklagte das Pfefferspray zeitlich kurz vor dem Diebstahl in Richtung des Zeugen P. eingesetzt. Die Dose mit dem Pfefferspray warf er erst weg, nachdem er mit dem an sich genommenen Laptop aus dem Fenster des vom Zeugen bewohnten Zimmers gesprungen war (UA S. 14). Das belegt die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Qualifikation gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB.“

Und: Heute am Nikolaustag ist Conchin angesagt 🙂

Da „springt mir der Draht aus der Mütze“, oder: Arbeitsverweigerung

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der Kollege Helling aus Waldshut-Tiengen hat mir gestern den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04.08.2016 – 2 (4) Ss 356/16 – AK 124/16 – übersandt. Dem Kollegen ging es um die Ausführungen des OLG zur Beweiswürdigung, einem, wie er meinte, meiner „Lieblingsthemen“. Nachdem ich den Beschluss dann gelesen hatte, ist mir aber der sprichwörtliche „Draht aus der Mütze“ gesprungen. Und ich denke, ich bin damit (hoffentlich) nicht allein.

Zur Sache: Das AG verurteilt am 12.08.2015 den Angeklagten M. – unter Freispruch im Übrigen – wegen Diebstahls mit Waffen, Hehlerei und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten Sch. wegen Diebstahls, Diebstahls mit Waffen und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Dagegen werden unbestimmte Rechtsmittel eingelegt, die nach Urteilszustellung als Revision bezeichnet werden. Und das OLG hebt mit Pauken und Trompeten auf. In Kurzform:

  • Soweit der Angeklagte M. wegen Hehlerei verurteilt wurde, fehlt es – so das OLG – an den Prozessvoraussetzungen der Erhebung einer Klage (§ 151 StPO) sowie eines korrespondierenden Eröffnungsbeschlusses gemäß § 203 StPO. Mit der Anklageschrift der StA war dem Angeklagten M. insoweit zur Last gelegt, zwischen dem 02.01.2015 und dem 05.01.2015 aus einem Pkw ein Navigationsgerät nebst Kabel sowie Bargeld entwendet zu haben. Zur Verurteilung gelangte er, weil er im Januar 2015 von einem nicht näher bekannten litauischen Staatsangehörigen ein Navigationsgerät nebst Kabel erworben habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass dieses Navigationsgerät durch eine rechtswidrige Wegnahme in den Gewahrsam des Litauers gekommen sei. Das OLG sagt: Unterschiedliche Taten. Die Verurteilung wegen Hehlerei durfte daher nicht allein aufgrund eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO erfolgen, sondern hätte der Erhebung einer Nachtragsanklage sowie eines gerichtlichen Einbeziehungsbeschlusses gemäß § 266 Abs. 1 StPO bedurft.
  • Soweit beide Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt wurden, tragen die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils dies nicht hinreichend. Das AG hat nur festgestellt, dass beide Angeklagten bei der Tat Messer „mit sich führten“ und damit hat es der Sache nach lediglich das Tatbestandsmerkmal des „Beisichführens“ gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB wiederholt. ).
  • Zudem fehlt es an jeglichen Ausführungen des Amtsgerichts zur inneren Tatseite, hinsichtlich derer ein Bewusstsein der Angeklagten, die Messer bei sich zu haben, festzustellen gewesen wäre, um zu einer Verurteilung zu gelangen.
  • Auch wäre es – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Bemessung der Schuldschwere im Rahmen der Strafzumessung – erforderlich gewesen, nähere Feststellungen zur Größe und Beschaffenheit der Messer zu treffen.
  • Auch die Beweiswürdigung durch das AG ist rechtsfehlerbehaftet. Sie weist durchgreifende Lücken auf. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, dass die Feststellungen zu allen zur Verurteilung gelangten Straftaten auf den Einlassungen der Angeklagten und den Angaben der vernommenen Zeugen beruhten. Welche Zeugen insoweit gehört wurden und welche Angaben diese gemacht haben, ist dem angefochtenen Urteil jedoch nicht zu entnehmen.
  • Unzureichend ist zudem die bloße pauschale Angabe, die Angeklagten hätten die zur Verurteilung gelangten Taten gestanden. insoweit wäre das Amtsgericht gehalten gewesen, zumindest knapp anzugeben, dass und aufgrund welcher Umstände (ggf. weiterer Beweismittel) es die Geständnisse der Angeklagten als glaubhaft angesehen hat.

Und das ist noch nicht alles. Das OLG legt in der „Segelanweisung“ noch nach:

  • Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob das (Revisions-) Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert wurde, nachdem die StA Waldshut-Tiengen nach Zustellung der Revisionsbegründungen am 27.10.2015 die Akten entgegen § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO erst nach Ablauf von mehr als drei Monaten am 30.01.2016 mit einer Revisionsgegenerklärung an das AG Waldshut-Tiengen zurückreichte und das AG entgegen § 347 Abs. 2 StPO sogar mehr als vier weitere Monate verstreichen ließ, bevor es am 02.06.2016 die Akten an die StA zum Zwecke der Vorlage beim Senat übersandte.
  • Die Zulässigkeit und Begründetheit der gleichfalls erhobenen Verfahrensrügen hat das OLG offen gelassen, aber: „Daher bedarf insbesondere die Frage, wie sich die Unzulänglichkeiten des Hauptverhandlungsprotokolls — bis hin zur Unverständlichkeit in Teilbereichen — auf dessen Beweiskraft gemäß § 274 StPO auswirken, keiner Beantwortung“.
  • Und schließlich – ich will es verkürzen: Das OLG weist zudem darauf hin, dass eine mit Beschluss vom 18.06.2015 ausgesprochene Übernahme eines (Strafbefehls-)Verfahrens durch das Schöffengericht und die Verbindung zu dort bereits anhängigen Verfahren unwirksam gewesen sein dürfte.

Der Kollege Helling meinte in seiner Übersendungsmail: „Bei mir hat das durchaus für Erheiterung gesorgt, auch wenn ich es schade finde, dass über die zahlreichen Verfahrensrügen nicht entschieden wurde. Da wäre auch noch sehr viel Musik dringewesen.“ Das Letztere glaube ich ihm gern, allerdings meine ich, dass der Beschluss des OLG kaum für „Erheiterung“ sorgt, jedenfalls bei mir nicht. Sondern: Wenn man ihn liest und damit erfährt, was sich das AG Waldshut-Tiengen in der Ausgangsentscheidung/im Verfahren alles „geleistet“ hat, kann man m.E. nur noch weinen und sich die Frage stellen: Wofür bekommt der Amtsrichter da eigentlich seine monatlichen Bezüge? Wenn man das liest, kann man nur den Eindruck haben: Ein Fall von Arbeitsverweigerung. Ok, es ist ein amtsgerichtliches Urteil, aber: Hat nicht auch der Angeklagte beim AG einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Begründung? Und der Dienstherr sicherlich auch. Und es ist ja nicht nur das Urteil, das „aufhorchen“ lässt. Vom Verfahrensrecht scheint der Vorsitzende des Schöffengerichts auch keine Ahnung zu haben. Traurig.