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Fehler bei der Blutentnahme, oder: Dann gibt es aber einen Pflichtverteidiger

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Und dann noch eine „Pflichtverteidigungsentscheidung“, die mir der Kollege Scheffler aus Bad Kreuznach geschickt hat. Er war durch einen Hinweis des Kollegen Eickelberg bei FB auf den LG Hannover, Beschl. v. 23.01.2017 – 70 Qs 6/17 – daran erinnert worden, dass bei ihm schon länger der LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 11.11.2014 – 2 Qs 130/14 – „schlummerte“, mit dem dem Beschuldigten ebenfalls wegen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage aufgrund eines im Raum stehenden Beweisverwertungsverbotes ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist. Dabei geht es um die „alt bekannte“ Problematik der Blutentnahme ohne Beachtung des sich aus § 81 Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalts:

„Die Mitwirkung eines Verteidigers ist im vorliegenden Fall gemäß § 140 Abs. 2 StPO geboten, weil von einer schwierigen Sach- und Rechtslage auszugehen ist.

Es steht zum einen die Verwertbarkeit der Analyse der entgegen § 81a Abs. 2 StPO ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe im Streit (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 06.02.2009 — 2 Qs 12/09; Burmann/Heß/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage, 2014, § 24a StVG Rn. 4).

Eine Einwilligung gemäß § 81a Abs. 1 StPO ist nur dann wirksam, wenn der Beschuldigte über die Bedeutung und die Gefährlichkeit sowie über sein Weigerungsrecht aufgeklärt wurde und wenn die Einwilligung auf freiem Entschluss beruht, insbesondere ohne erhebliche Alkoholbeeinflussung erklärt wurde (Karlsruher Kommentar, 7. Auflager, 2013, § 81a Rn. 2). Die Grenze, bei der eine deutliche Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit angenommen wird, liegt bei 2,0 Promille Blutalkohol (OLG Hamm Beschluss vom 02.11.2010 — III-3RVs 93/10). Aus diesem Grund ist die Wirksamkeit der Einwilligung fraglich und damit die Verwertbarkeit der Analyse der entnommenen Blutprobe zu prüfen.

Zum anderen sind Ermittlungen hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Angeklagten veranlasst. Blutalkoholkonzentrationen ab 2,0 Promille deuten auf eine erhebliche Verminderung der Steuerungs-fähigkeit hin, sodass § 21 StGB stets zu prüfen ist (vgl. Tröndle-Fischer, StGB 60. Auflage, § 20 Rn. 21). Bei der hier vorliegenden Blutalkoholkonzentration von 2,06 Promille muss die Schuldfähigkeit zumindest überprüft werden.

Gesamtschauend erweisen sich die mit der Alkoholisierung des Angeklagten verbundenen Rechtsfragen damit als so schwierig, dass sie die Notwendigkeit der Verteidigung begründen.“

Auch der Beschluss ist m.E. zutreffend.

Einheit der Rechtsordnung, oder: Was interessiert uns ein Obiter dictum des BVerfG?

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Nur ganz kurz dann heute noch ein Hinweis auf  den VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.08.2016 – 7 L 1793/16. Das VG hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass ein eventuelles Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der jeweiligen Verfahrensordnungen nicht zur Unverwertbarkeit im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren führt. Das hatte bereits das OVG Münster vor einiger Zeit noch einmal betont (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 26.11.2015 – 16 E 648/15 und dazu: OVG Münster zickt, oder: Rüffel für das BVerfG aus Münster) und damit dem BVerfG im BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12 (dazu: Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken“, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…“) eine Absage erteilt. Das hatte erhebliche Zweifel an einer „flächendeckenden Aushebelung“ des Richtervorbehalts bei Blutentnahmen geäußert. Anders das VG:

„Zum anderen wäre ein Beweisverwertungsverbot, auf das sich der Antragsteller im Antragsverfahren beruft, selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Blutentnahme nicht rechtmäßig angeordnet worden wäre. Ein eventuelles Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führt aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der jeweiligen Verfahrensordnungen nicht zur Unverwertbarkeit im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. An diesen Grundsätzen hält die Kammer in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht NRW ? OVG NRW ? auch unter Berücksichtigung der Bedenken fest, die das Bundesverfassungsgericht gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwerten,

BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ? 1 BvR 1837/12 ? juris.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u.a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsgeboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2015 ? 16 E 648/15 ? und früher: Beschluss vom 20. März 2014 ? 16 B 264/14 ?, juris m.w.N.“

Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte, oder: Zuständigkeits-Ping-Pong bei der Blutentnahme

entnommen wikimedia.org Author PJ, User:Piko

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Die Kollegin Rueber hat in ihrem Blog – oder besser „hatte“ mal – die Rubrik bzw. eine lose Serie: „Wir überprüfen Stichwörter..“. Nun, ich meine, in die Rubrik passt ganz gut der OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.06.2016 – 2 Ss (OWi) 152/16 -, über den ich jetzt berichten will. Der Beschluss hängt schon ein wenig länger in meinem Blogordner. Aber ich musste warten, bis der Kollege Gratz ihn gebracht hatte, da er mich auf den Beschluss hingewiesen hat, er also den Vortritt hatte :-). Nachdem der Beschluss beim Kollegen in der vergangenen Woche gelaufen ist (vgl. hier), kann ich ihn nun auch bringen.

Der Beschluss behandelt noch einmal den Richtervorbehalt bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO), eine Problematik, um die es in der letzten Zeit still(er) geworden ist, die aber doch immer mal wieder aus der Veresnkung auftaucht. So auch im OLG Oldenburg, Beschl. mit einer sicherlich nicht alltäglichen Sachverhaltsgestaltung. Nämlich:

Der Betroffene hatte am 18.2.2015 um 15.05 Uhr nach Konsum von Cannabis öffentliche Straßen befahren. Er wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle von der Polizei kontrolliert. In einen Drogenvortest hat der Betroffene eingewilligt. Nachdem dieser Test positiv war, sollte ihm auf der Dienststelle der Polizei eine Blutprobe entnommen werden. Der Betroffene willigte nicht ein, weshalb er über den Richtervorbehalt aufgeklärt wurde. Im Anschluss daran versuchte der Polizeibeamte, einen richterlichen Beschluss über die Blutprobenentnahme zu erlangen. Zu diesem Zweck rief er zunächst beim bereitschaftsdiensthabenden Richter am AG Meppen an. Dort wurde er unter Bezugnahme auf ein Urteil des LG Osnabrück, wonach das AG Osnabrück für die Anordnung der Blutprobenentnahme zuständig sei, an das AG Osnabrück verwiesen. Der dort bereitschaftsdiensthabende Richter teilte dem Polizeibeamten, dass er sich selbst nicht für zuständig halte, sondern dass vielmehr das AG Meppen zuständig sei und er sich daher mit der Sache nicht befassen werde. Nachdem seit der ersten Kontrolle nun bereits ca. eine Stunde verstrichen war, ordnete der Polizeibeamte unter Berufung auf Gefahr in Verzug die Blutentnahme selbst an, welche um 16.01 Uhr entnommen wurde. Diese ergab einen THC-Wert von 1,6 ng/ml. Der Betroffene ist vom AG wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg. Dieses hat den Betroffenen frei gesprochen:

Die dem Betroffenen entnommene Blutprobe und das daraus resultierende Gutachten waren nicht verwertbar.

Die durch den Polizeibeamten pp. angeordnete Blutentnahme war wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81 a StPO rechtswidrig. Dieser Verfahrensverstoß führt vorliegend auch zu einem Beweisverwertungsverbot, also zur Unverwertbarkeit des Ergebnisses der Blutuntersuchung.

Zwar hat nicht jeder Verstoß gegen eine Beweiserhebungsvorschrift ein Verwertungsverbot zur Folge. Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und des Gewichtes des Verstoßes und der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei bedeutet ein Beweiserhebungsverbot die Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind, die nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 44. Bd., 243, 249). Ein Beweisverwertungsverbot wird von der Rechtsprechung bei willkürlicher Vornahme einer Maßnahme ohne richterliche Anordnung und damit bewusstem Ignorieren des Richtervorbehalts oder gleichwertiger gröblicher Missachtung angenommen  (vgl. BGHSt 51, Bd., 285 ff.).

So ist es hier, wobei es die Gerichte selbst sind, die den Richtervorbehalt wirkungslos gemacht haben.

Nachdem der Polizeibeamte die Richter, die für die Entscheidung in Frage kamen (Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde und Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft) erreicht hatte, endete seine aus § 81 a Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 OWiG abgeleitete Eilkompetenz. Sie lebte auch nach der Weigerung der angerufenen Richter, sich mit der Sache zu befassen, nicht wieder auf.

Für das Ende der Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden gilt Folgendes:

Haben die Ermittlungspersonen – nach Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme von Gefahr in Verzug verneint und eine richterliche Durchsuchungsanordnung beantragt, endet mit der Befassung des Gerichts und der dadurch eröffneten Möglichkeit präventiven Grundrechtsschutzes durch den Richter die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem das Gericht mit dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung befasst wird. Dies ist der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Richter den Antrag tatsächlich unterbreitet hat, so dass dieser in eine erste Sachprüfung eintreten kann.

Auch soweit während des durch den Richter in Anspruch genommenen Entscheidungszeitraums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlustes eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt (BVerfG NJW 2015, 2787 ff).

Die Eilkompetenz lebt auch nicht wieder auf, wenn der mit der Sache befasste Richter eine Entscheidung nicht trifft. Der Annahme einer Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden im Fall des „mutwillig“ nicht entscheidenden Richters steht nämlich der Umstand entgegen, dass der Richter nicht befugt ist, durch den Verzicht auf eine Sachentscheidung über die Gewährung präventiven Grundrechtsschutzes zu disponieren. Er ist, wie alle Gerichte und Behörden, an das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege und das Gebot effek-tiver Strafverfolgung (Art. 20 Abs. III Grundgesetz) gebunden.

Ab dem Zeitpunkt seiner Befassung trägt grundsätzlich allein der Richter die Verantwortung für die Anordnung der Durchsuchung, so dass ihm auch die Abwägung und Entscheidung obliegt, ob und inwieweit durch den von ihm zu verantwortenden Prüfungsvorgang der Ermittlungserfolg gegebenenfalls gefährdet wird (BVerfG a.a.O.)

Zwar betrifft der vorliegende Fall nicht den verfassungsrechtlich, sondern lediglich den in § 81 a Abs. 2 StPO einfachrechtlich angeordneten Richtervorbehalt. Darüber hinaus ist es im vorliegenden Fall so, dass die angerufenen Richter noch nicht in eine Sachprüfung eingetreten waren, sondern schon ihre Zuständigkeit verneint hatten.

Das ändert aber in der Sache nichts:

Ein Richter, der nicht bereit ist, ohne Vorlage der Ermittlungsakte zu entscheiden, verweigert eine zeitnahe Entscheidung ebenso wie derjenige, der sich auf seine fehlende Zuständigkeit beruft. Da zweifellos entweder der Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde oder der Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft zuständig war, ist das Tätigwerden zumindest durch einen der beiden „mutwillig“ verweigert worden. Insofern besteht kein Unterschied zu den Sachverhalten, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lagen.

Zwar ist der präventive Richtervorbehalt bei einer Verneinung der Zuständigkeit ebenso wenig wirksam, wie bei einem nicht erreichbaren Richter (vgl. hierzu: BVerfG 2 BvR 1596/10 u. 2 BvR 2346/10, juris), dennoch können diese Fälle nicht gleichgesetzt werden: Durch die Erreichbarkeit beider Richter war die weitere Entscheidung über die Anordnung der Blutentnahme in die Verantwortung der Gerichte übergegangen und damit den Ermittlungsbehörden entzogen. Wenn die Gerichte der ihnen zu-kommenden Verantwortung nicht gerecht werden, darf das nicht dazu führen, dass der Richtervorbehalt sanktionslos missachtet werden dürfte.

Aber auch der Umstand, dass hier nur der einfachrechtliche Richtervorbehalt verletzt worden ist, spricht nicht gegen ein Beweisverwertungsgebot.

Es ist nämlich nicht so, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. StPO im nachfolgenden Strafverfahren keine verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen kann. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die maßgeblichen strafrechtlichen Vorschriften unter Beachtung des Fairnessgrundsatzes und in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot (Art 3 Abs. 1 GG), ausgelegt und angewandt worden sind (BVerfG 2 BvR 2346/10, juris).

Vor diesem Hintergrund kommt auch nicht deshalb kein Beweiserhebungsverbot in Betracht, weil der Zuständigkeitsstreit zwischen den Amtsgerichten erstmals aufgeflammt wäre und die Verweigerung richterlichen Tätigwerdens nicht systematisch erfolgte, sondern „nur“ bis zu einer Entscheidung des den Amtsgerichten übergeordneten Landgerichtes. Wie sich nämlich aus den Feststellungen des angefochtene Urteils ergibt, hat das Landgericht in der Vergangenheit eine Entscheidung über die Zuständigkeit für derartige Fälle getroffen, ohne dass damit der negative Kompetenzkonflikt beigelegt worden wäre. Damit kommen die Gerichte der ihnen übertragenen Verantwortung in objektiv nicht nachvollziehbarer Art und Weise nicht nach.

Die Schwere des Verstoßes ergibt sich hier also nicht daraus, dass ein Polizeibeamter im Einzelfall die Voraussetzung des Richtervorbehalts verkannt oder nicht geprüft hat, sondern daraus, dass dessen Voraussetzungen aufgrund eines „Fehlers im System“ ungeprüft geblieben sind (OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2009, 3 Ss 31/09, juris).

Auch wenn hier – anders als bei der Entscheidung des OLG Hamm- möglicherweise keine langjährige Praxis vorliegt, liegt der Fehler im System darin, dass sich zwei Gerichte nicht über ihre Zuständigkeit einigen, was die Ermittlungsbehörden dem Dilemma aussetzt, die in der Sache gebotene Ermittlungsmaßnahmen  nicht ergreifen zu können. Die Lösung kann allerdings auch nicht darin bestehen, dass durch die Verweigerung der Gerichte  eine im Gesetz so nicht vorgesehene Eilzuständigkeit geschaffen wird. In einer Anmerkung von Dencker zur oben genannten Entscheidung des OLG Hamm (DAR 2009, 257, 263) heißt es:

„pp. Objektive Willkür dagegen liegt jedenfalls dann vor, wenn das zur Gesetzesanwendung berufene „System“ falsch eingestellt ist, also in einer Weise, die ein vom Gesetz abweichendes Vorgehen als den Normalfall vorprogrammiert“.

Der gesetzliche Normalfall ist aber die Entscheidung über die Anordnung einer Blutentnahme durch den Richter und nicht durch die Ermittlungsbehörden. So wäre es aber hier, wenn man -weil zwei Gerichte sich nicht einigen können- eine im Gesetz nicht vorgesehene Zuständigkeit zulassen würde.

M.E. passt das. Zum Schluss gibt es dann vom OLG noch eine kleine Entschuldigung (?) in Richtung Polizei:

„Der Senat verkennt nicht, dass diese Konsequenz für die Polizei frustrierend und demotivierend ist, sieht sich aber mit seinen Möglichkeiten nicht in der Lage, an dieser unhaltbaren Situation etwas zu ändern. Denkbar erscheint u.a., dass die zuständige Behörde im Wiederholungsfall versuchen könnte, nach Ablehnung der Anordnung durch das Amtsgericht, eine sofortige Entscheidung der zuständigen Beschwerdekammer zu erreichen.“

Da ist dann nur die Frage: Welche Beschwerdekammer ist zuständig 🙂 ?

„Richtervorbehaltsgötterdämmerung“, oder: Finger weg vom Richtervorbehalt bei der Blutentnahme!!!!

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Bei Beck-aktuell stoße ich gerade auf eine Nachricht, der offenbar eine PM o.Ä. aus dem BMJV zugrunde liegt. Es geht um die Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO), vor einiger Zeit der verfahrensrechtliche Dauerbrenner im Verkehrs(straf)recht. Dazu gibt es ja auch seit einiger Zeit schon Bestrebungen, diesen Richtervorbehalt abzuschaffen. Es gibt/gab eine Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen aus dem Jahr 2010, die seitdem vor sich hindümpelt („Richtervorbehaltsdämmerung“ aus Niedersachsen; dazu die BR-Drucksache 615/10). Es hat dann  auch die Expertenkommission zur „Effektivierung des Strafverfahrens“ für eine Abschaffung plädiert (Kommt jetzt eine große StPO-Reform zur „Effektivierung unseres Strafverfahrens?); wenn ein Gesetz schon so heißt, kann es nichts Gutes geben. Und auch der 54. VGT hat sich jetzt gerade ja erst für eine Änderung ausgesprochen (54. VGT – die Ergebnisse, oder: Zumindest die Richtung stimmt (teilweise)) .

Nun scheint es schnell zu gehen, wenn man der Meldung trauen kann. Da heißt es:

„Wenn Autofahrer von der Polizei zur Blutprobe gebeten werden, muss dafür voraussichtlich von 2017 an kein Richter mehr eingeschaltet werden. Das Bundesjustizministerium will erreichen, dass für diese Maßnahme künftig eine Anordnung der Staatsanwaltschaft genügt. Das Vorhaben könne im günstigen Fall zum Jahresende oder Anfang 2017 Gesetz werden, sagte die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Stefanie Hubig, am 04.02.2016 bei einer Fachtagung in Speyer.
Auch Betroffene könnten profitieren

Der Plan gehört zu den im Herbst 2015 präsentierten Reformvorschlägen einer Expertenkommission, die vom Ministerium eingesetzt worden war. Das Ziel: Strafverfahren effektiver gestalten. Derzeit muss die Polizei laut Gesetz wegen einer Blutprobe bei der Staatsanwaltschaft anrufen, die sich dann an den Richter wendet, wie Hubig erläuterte. Der wolle dann mitunter die schriftlichen Unterlagen zu dem Fall sehen. Künftig soll die Anordnung der Staatsanwaltschaft ausreichen. Für den Betroffenen sei das eine gewisse Erleichterung, weil das Verfahren schneller ablaufe, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD). Nachts einen Richter zu erreichen könne unter Umständen schon 30 Minuten dauern. „Das ist für den Betroffenen ja auch Wartezeit.““

Wenn man das liest, kann man nur den Kopf schütteln. Da soll offenbar kurz vor Ende der Legislaturperiode schnell noch eine Gesetzesänderung durchgepeischt werden, die schon seit mehr als fünf Jahren herumliegt, wahrscheinlich in einem „Omnisbusgesetz“, damit man es als Bürger/Betroffener nicht merkt. Und man pickt sich offenbar aus den Vorschlägen der Expertenkommission mal erst das ein oder andere heraus – aus Bayern wird Zuspruch kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Änderungen, die Kommission vorgeschlagen hat, jetzt in einem „Hau-Ruck-Verfahren“ mal eben durchgeführt werden sollen.

Die Begründung: In meinen Augen mehr als abenteurlich, um nicht zu sagen: „leicht bescheuert“. Ich habe zweimal hingeschaut: „Auch Betroffene könnten profitieren“ – und mich gefragt: Wie denn das? Und dann kommt als Begründung, dass es für den Betroffenen ggf. weniger Wartezeit bedeutet. Auf die Idee/Begründung kann man m.E. nur kommen, wenn man in einem Ministerium sitzt bzw. dem vorsteht. Das ist in meinen Augen genauso blöd, wie die Begründung aus Niedersachsen, dass man durch die Abschaffung des Richtervorbehalts in § 81a Abs. 2 StPo den Richtervorbehalt stärke. Man soll doch ehrlich sein und sagen, worum es geht. Nämlich um die Nachtruhe der Justiz und Kostenersparnis, indem man Eildienste möglichst spart.

In der Sache ist mir nicht ganz klar, was man eigentlich will. Der 54. VGT spricht in seinen Empfehlungen von den „Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“, die o.a. Meldung – wie auch die Expertenkommission – von der „Anordnung der Staatsanwaltschaft„. Das könnte etwas ganz anderes sein. Nämlich einmal würde die Anordnung auch von Polizeibeamten reichen, im anderen Fall müsste es dann ein Staatsanwalt sein. Wo da die Ersparnis/der Nutzen liegt, weiß ich nicht. Aber vielleicht kennen ja auch Minister und Staatssekretärinnen nur den Unterschied nicht so genau.

Im Übrigen meine ich: Wehret den Anfängen. Es ist immer schlecht, wenn man mit solchen Änderungen anfängt, denn schnell fummelt man dann auch an anderen Stellen rum. Und: Will man den Richtervorbehalt ganz abschaffen oder nur im Verkehrsstrafrecht, wie es Niedersachsen vorgeschlagen hatte? Also auch in Kapitalsachen? Dann viel Spaß, wenn es um die Verwertung von Blutennahmen in Verfahren geht, die als Verkehrsstrafsache angefangen haben und ggf. als Kapitalsache enden. Aber vielleicht hofft man da ja auch BGH und BVerfG, die es über Abwägungslehre und hypothetischen Kausalverlauf schon richten werden.

Fazit: Finger weg!!!!

So lange es den „Richtervorbehalt“ gibt, muss man sich dran halten

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Die mit der Missachtung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme bei Trunkenheits- und/oder Drogenfahrten (§§ 315c, 316 StGB; 24a StVG) zusammenhängenden Fragen haben vor einiger Zeit die Rechtsprechung und auch die Blogs intensiv beschäftigt. Der „Rechtsprechungsmarathon“ ist inzwischen abgeflaut. Ein OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2015 – 2 Ws 201/15  – zeigt aber, dass es auch heute noch für den Verteidiger Sinn machen kann, sich mit den Fragen des § 81a Abs. 2 StPO zu befassen. In dem Beschluss hat das OLG die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den AG Zeitz, Beschl. v. 03.08.2015 – 13 OWi 723 Js 204201/15 – verworfen und das AG Zeitz bestätigt. Das AG hatte den Betroffenen vom Vorwurf der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG freigesprochen. Es hatte für das Untersuchungsergebnis einer dort durchgeführten Blutprobenentnahme wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81 a Abs.2 StPO ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Die Blutprobe war an einem Sonntag um 16.30 Uhr entnommen worden, obwohl zu der Zeit, was den Polizeibeamten bekannt war, ein richterlicher Eildienst eingerichtet war. Der Polizeibeamte hatte – so weit er sich überhaupt nocht erinnern konnte – nur den „Diensthabenden“ benachrichtigt, sich dann aber nicht mehr weiter um die Sache gekümmert und die Blutprobe veranlasst. Dazu das OLG:

„Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehalt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Zeuge pp. nicht, wie erforderlich, schriftlich Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat. All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet.“

Treffend auch, wenn das OLG meint:

„Zuzustimmen ist der Generalstaatsanwaltschaft zwar, dass eine Blutentnahme einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und es sinnvoll wäre, den Richtervorbehalt insoweit abzuschaffen. Solange der Gesetzgeber ihn indes vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind.“