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OWi I: Fahreridentifizierung anhand eines Lichtbildes, oder: Bezugnahme auf CD nicht zulässig

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Heute dann ein Tag mit OWi-Entscheidungen. Allerdings – darauf hatte ich neulich schon hingewiesen: So richtige „Knaller-Entscheidungen“ gibt es derzeit nicht. Im OWi-Bereich ist es verhältnismäßig ruhig.

Hier als erstes dann der OLG Hamm, Beschl. v. 17.06.2021 – 4 RBs 141/21. Der bringt aber auch nichts Neues, sondern bestätigt nur noch einmal, was ständige Rechtsprechung ist:  Es kann nicht gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf ein bei den Akten befindliches elektronisches Speichermedium Bezug genommen werden:.

„Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG). Zu einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts bestand kein Anlass.

Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weist einen auf die Sachrüge hin beachtlichen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf. Die Urteilsgründe müssen so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf ein in der Akte befindliches Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist. Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüberhinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich (OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.02.2020 – (1 B) 53 Ss-OWi 8/20 (11/20) -juris m.w.N.). Eine Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ist allerdings auf ein (bei den Akten befindliches) elektronisches Speichermedium nicht angängig, sondern allenfalls auf Ausdrucke von Bildern, die sich auf diesem befinden (vgl. nur BGH NJW 2012, 244; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.07.2017 – 3 Ss OWi 836/17 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 04.02.2019 – III-4 RBs 17/19 -juris).

Es kann dahinstehen, ob das Amtsgericht hier mit der bloßen Erwähnung von Blattzahlen bzgl. zweier Messfotos und der Erwähnung des „auf CD befindlichen Lichtbildes“ überhaupt eine Bezugnahme in dem o.g. Sinne vorgenommen hat (vgl. insoweit nur: OLG Hamm, Beschl. v. 23.03.2017 – III-4 RVs 30/17 -juris m.w.N.). Jedenfalls bzgl. des „auf CD befindlichen Messfotos“ – von dem unklar bleibt, ob es mit einem der erwähnten Bilder auf Bl. 13 und 61 d.A. identisch ist -, auf welches das Amtsgericht seine Überzeugungsbildung „insbesondere“ stützt, liegt nach ständiger Rechtsprechung (s.o.) keine zulässige Bezugnahme vor. Da das Amtsgericht das Lichtbild selbst als bloß „von mittlerer Qualität“ bezeichnet, hätte es daher dann näherer Ausführungen zu seinem Inhalt, insbesondere auch zur Schärfe, Beleuchtungsverhältnissen u. ä. bedurft, um eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen.“

OWi III: Bezugnahme auf Messfoto, oder: „… Datenfeld mit fünf Spalten und jeweils drei bzw. zwei Zeilen“

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Und zum Tagesschluss dann nochmals eine Entscheidung zur Bezugnahme (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Aber nicht in Zusammenhang mit der Fahreridentifizierung, sondern im Hinblick auf eine Bezugnahme auf das Datenfeld auf dem Messfoto. Insoweit ist ja nicht ganz unstreitig, ob darauf verwiesen werden kann.

Das OLG Hamm nimmt dazu im OLG Hamm, Beschl. v. 09.03.2021 – 4 RBs 44/21 – wie folgt Stellung:

„Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen sie ein einmonatiges Fahrverbot – unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist – festgesetzt. Gegen das Urteil wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt Verfahrensrügen und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Paderborn zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Paderborn (§§ 79 Abs. 3, 6 OWiG, 354 Abs. 2 StPO).

Die getroffenen Feststellungen zur gefahrenen bzw. gemessenen Geschwindigkeit sind (womöglich infolge von Schreibversehen oder Rechenfehlers) widersprüchlich und tragen die Verurteilung wegen des der Betroffenen vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoßes daher nicht. In den Feststellungen (II. der Urteilsgründe) heißt es, dass das Fahrzeug der Betroffenen „mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h“ gemessen worden sei. Nach Abzug des Sicherheitsabschlags von 3 km/h ergebe sich eine „vorwerfbare Geschwindigkeit von 83 km/h und somit eine Überschreitung von 32 km/h“. Wäre das von der Betroffenen geführte Fahrzeug tatsächlich mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h gemessen worden, so wäre nach Abzug des Sicherheitsabschlages von 3 km/h eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von nur 79 km/h zu Grunde zu legen. Mit dem vom Amtsgericht zu Grunde gelegten Wert von 82 km/h tatsächlicher gefahrener Geschwindigkeit korrespondiert zwar die Angabe in der Beweiswürdigung, dass sich aus dem „gefertigten Messfoto nebst Datenfeld (Bl. 7 der Akte)“ eine Geschwindigkeit von 85 km/h habe ablesen lassen. Der Senat kann aber letztlich mit dem ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen (maßgeblich für die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin ist allein der Inhalt des Urteils) nicht feststellen, welche der Angaben bzw. ob überhaupt eine von ihnen zutrifft. Der Senat kann im Rahmen der Überprüfung auf die Sachrüge hin auch nicht auf das Datenfeld des Messfotos zurückgreifen. Soweit in der Beweiswürdigung ein Klammerzusatz „Blatt 7 der Akte“ als Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Datenfeld des Messfotos verstanden werden könnte, ist ein solcher Verweis grundsätzlich unzulässig. Eine Bezugnahme ist nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nur auf Abbildungen möglich. Bei dem Datenfeld auf dem Messfoto handelt es sich aber um eine Urkunde (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2016, 121 m.w.N.; Krenberger jurisPR-VerkR 8/2016 Anm. 5). Soweit in einer Entscheidung des KG Berlin (NStZ-RR 2016, 27, 28) vertreten wird, ein Verweis sei – obwohl es sich bei dem Datenfeld um eine Urkunde handele – dann ausnahmsweise zulässig, wenn dessen gedanklicher Inhalt sich ausnahmsweise auf einen Blick erfassen lasse, kann der Senat dem nicht folgen. Letztendlich kann das aber dahinstehen, da sich der gedankliche Inhalt hier – bei eine Datenfeld mit fünf Spalten und jeweils drei bzw. zwei Zeilen – auch nicht auf einen Blick erfassen lässt. Hinzu kommt, dass der Klammerzusatz „Blatt 7 der Akte“ auch schon keine wirksame Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO darstellt. Eine solche Bezugnahme muss eindeutig und zweifelsfrei sei. Im Einzelfall kann auch ein bloßer Klammerzusatz mit der Fundstelle genügen (BGH NStZ-RR 2016, 178). Im vorliegenden Fall ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass der genannte Klammerzusatz tatsächlich eine Bezugnahme darstellen soll. Das Amtsgericht hat an einer Vielzahl von Stellen solche Klammerzusätze mit Fundstellenangaben vorgenommen, welche schon nach der Mitteilung im angefochtenen Urteil eindeutig keine Abbildungen (sondern Urkunden) enthalten (Schulungsnachweis des Messbeamten, Messprotokoll, Eichschein). Es kann daher nicht eindeutig davon ausgegangen werden, dass hier tatsächlich Bezugnahmen i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO vorgenommen werden sollten oder sonstige – letztlich im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren überflüssige – Fundstellennachweise.

Angesichts dessen kommt der Senat nicht umhin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Da Gründe, warum nicht der Richter des ersten Rechtszuges erneut entscheiden sollte, nicht ersichtlich sind (vgl. KK-Hadamitzky, OWiG, 5. Aufl., § 79 Rdn. 161), bedurfte es der Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts nicht.“

„kommt der Senat nicht umhin“ – auch mal wieder eine Formulierung, bei der man merkt, dass dem OLG die eigene Entscheidung nicht gefällt.

Revision III: Keine Bezugnahmen und Verweisungen, oder: Anfängerfehler

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Und die dritte Entscheidung kommt dann aus Berlin. Es ist der KG, Beschl. v. 05.12.2018 – 3 Ws (B) 287/18.

Seine Aussage ist so selbstverständlich, dass dafür nun wirklich der Leitsatz reicht:

Verfahrensrügen müssen ohne Bezugnahmen und Verweisungen begründet werden. Unbehelflich ist demnach nicht nur die Bezugnahme auf Akten, das Sitzungsprotokoll und andere Schriftstücke, sondern namentlich auch auf Anlagen zur Rechtsbeschwerdeschrift.

Das sollte/muss man als Verteidiger wissen. Achtet man darauf nicht, ist es eindeutig ein Anfängerfehler.

Mal wieder BVerfG zur Klageerzwingung, oder: Mal wieder zu hohe Anforderungen

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Heute dann mal „Verschiedenes“ 🙂 .

Ich eröffne mit dem BVerfG, Beschl. v. 02.07.2018 – 2 BvR 1550/17, in dem das BVerfG noch einmal/mal wieder zu den Anforderungen an einen (zulässigen) Klageerzwingungsantrag (§ 172 StPO) Stellung nimmt. Die Hürden sind an der Stelle in der Rechtsprechung der OLG sehr hoch gelegt, das BVerfG hat schon häufiger beanstandet, dass sie zu hoch sind.

Im entschiedenen Fall ging es um ein Klageerzwingungsverfahren, das den Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung gegen behandelnde Ärzte wegen des Verdachts einer fehlerhaft durchgeführten Chemotherapie eines Mammakarzinoms zum Gegenstand hatte. Das OLG Rostock hatte den Klageerzwingungsantrag als unzulässig verworfen,“ weil dieser nicht den formalen Erfordernissen des § 172 Abs. 3 StPO entsprochen habe. Die Antragsschrift enthalte keine aus sich heraus verständliche, konkrete und substantiierte Sachdarstellung, die es dem Senat ermögliche, das mit dem Antrag verfolgte Begehren ohne Beiziehung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten und anderer Schriftstücke zu überprüfen. So werde allein zum Beweis für den verfahrensgegenständlichen Krankheitsverlauf und die angeblich fehlerhafte ärztliche Behandlung auf 16 Anlagen mit insgesamt 136 Blatt Bezug genommen, deren inhaltliche Kenntnisnahme durch den Senat notwendig sei, um sich ein eigenes Bild von der Krankheit, deren Verlauf und den Behandlungsmaßnahmen zu machen. Daran schlössen sich Ausführungen zum äußeren Ablauf der staatsanwaltlichen Ermittlungen an und eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der durchgeführten Obduktion mit anschließender toxikologischer und histologischer Zusatzuntersuchung sowie mit diversen eingeholten ärztlichen und juristischen Stellungnahmen und Gutachten, die in der Antragsschrift teilweise nur insoweit zusammenfassend wiedergegeben würden, als sie die Sichtweise des Antragstellers stützten, wohingegen möglicherweise entgegenstehende Ausführungen nur verkürzt wiedergegeben würden. Der Senat müsste deshalb zur eigenen Beurteilung der Sache weitere 196 Seiten durchsehen. Bereits derart umfangreiche Bezugnahmen auf Unterlagen, die der Antragsschrift lediglich als Anlagen beigefügt seien, obwohl es auf deren genauen und vollständigen Wortlaut ankäme, seien unzulässig. Zudem seien die im Antrag genannten Anlagen erst einen Tag nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingegangen. Dem fristgemäß per Fax eingegangenen Klageerzwingungsantrag seien sie nicht beigefügt gewesen.“

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Begründung: Zwar verletzt der Beschluss des OLG Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Nicht angenommen worden ist jedoch, weil die Tat möglicherweise verjährt ist. Zum Klageerwzingungsantrag führt das BVerfG unter Hinweis auf seine stäündige Rechtsprechung aus, dass die Darlegungsanforderungen an einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht überspannt werden dürfen. Das sei hier aber der Fall:

„b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 – 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 – 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 – 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 – 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 – VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 – 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 – 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das – anderenfalls notwendige – vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben – gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift – einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.“

Liest sich alles gut/schön. Nur: Es wird wahrscheinlich nicht die letzte Entscheidung des BVerfG zu § 172 StPO sein. Denn die OLG rücken – wenn überhaupt – nur widerwillig – von ihren strengen Vorgaben ab.

Verfahrensrüge II: Bezugnahme geht nicht, oder: Schön alles vortragen….

Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, kommt dann auch vom OLG Hamm. Es ist der OLG Hamm, Beschl. v. 06.03.2018 – 3 RBs 38/18. Ergangen in einem Verfahren wegen einer Geschindigkeitsüberschreitung am „Bielefelder Berg“. Es geht mal wieder um die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs – dazu dann nachher noch mehr. In dem hier vorgestellten Beschluss hat das OLG die Rechtsbeschwerde u.a. deshalb als unzulässig angesehen, weil der Verteidiger zu viel Bezug genommen bzw. verwiesen hatte.

b) Im Übrigen muss die Rechtsbeschwerdebegründung aus sich heraus so verständlich sein, dass der Senat ohne weiteres daran anknüpfen kann. Es reicht insoweit nicht aus, auf frühere Eingaben oder beigefügte Urkunden zu verweisen. Für den Rechtsbeschwerdevortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind vielmehr durch wörtliche Zitate bzw. eingefügte Abschriften oder Ablichtungen zum Bestandteil der Rechtsbeschwerdebegründung zu machen und, soweit erforderlich, im Einzelnen zu bezeichnen. Allerdings reicht es nicht aus, umfangreiche Schriftstücke wörtlich mitzuteilen, ohne genau anzugeben, welche Verfahrensvorgänge den behaupteten Mangel ergeben sollen. So können auch umfangreiche Materialien nicht einfach dadurch eingeführt werden, dass der Beschwerdeführer sie als Anlagen beifügt, weil es nicht Sache des Rechtsbeschwerdegerichts sein kann, mit Hilfe von Schriftstü cken, auf die nicht formgerecht Bezug genommen worden ist, den Rechtsbeschwerdevortrag „an passender Stelle“ zu ergänzen (vgl. KK-Gericke/StPO, 7. Auflage, § 344, Rdnr. 39 m.w.N.). Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, sondern die der Verteidigung bzw. des Rechtsmittelführers, aus einem Aktenkonvolut die möglicherweise passenden Verfahrenstatsachen dem gerügten Verfahrensfehler zuzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 — 2 StR 42/10 —, juris). Nichts anderes gilt, wenn — wie hier — nahezu der gesamte Akteninhalt inkl. des Senatsbeschlusses vom 15. August 2017 in Kopie jeweils vollständig in das Rechtsbeschwerdevorbringen eingefügt werden, ohne die für das Rügevorbringen relevanten Passagen konkret zu bezeichnen (vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. März 2012-2 BvR 1382/09 -juris, Rdnr. 5).“

Also, ob man will oder nicht: Man muss sich dann als Verteidiger leider die Mühe mache, aus welchen Stellen der vorgelegten Urkunden der Verfahrensfehler tut. Das OLG möchte das schön aufbereitet haben. Selbst sieht man die Akten bzw. Anlagen daraufhin nicht durch.