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StPO I: „die Schilderungen … sind nicht erlebnisbasiert, oder: Das ist das Beweisziel, nicht die Behauptung

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Und in die (kurze) Restwoche geht es heute mit StPO-Entscheidungen.

Die erste Entscheidung kommt vom BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 02.08.2023 – 5 StR 137/23 – noch einmal zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Beweisantrages Stellung genommen. Nichts Dolles, aber zur Erinnerung an die Voraussetzungen „ganz nett“:

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Der Verfahrensrüge des Angeklagten, ein in der Hauptverhandlung gestellter Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens sei im Urteil zu Unrecht nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO abgelehnt worden, bleibt schon deshalb der Erfolg versagt, weil das zugrundeliegende Beweisersuchen nicht die Voraussetzungen eines Beweisantrages nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO erfüllt. Dieses teilt lediglich das Beweisziel („dass die Schilderungen … nicht erlebnisbasiert sind“) mit und enthält weder eine konkrete Tatsachenbehauptung noch die für die begehrte weitere Begutachtung erforderlichen zureichenden Anknüpfungstatsachen. Zudem zeigt das Beweisanliegen keine konkreten methodischen Mängel des Erstgutachtens auf (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 166), sondern erschöpft sich in dem wiederholt pauschal angeführten Vorbringen, das Gutachten sei „ungenügend“.

OWi II: Beweisbehauptung, ein anderer war Fahrer, oder: Achtung bei der Formulierung

Die zweite Entscheidung des Tages behandelt auch eine verfahrensrechtliche Problematik aus dem Owi-Verfahren, die allerdings auch in einem Strafverfahren von Bedeutung sein kann. Der BayObLG, Beschl. v. 28.05.2019 – 201 ObOWi 758/19 – nimmt nämlich (noch einmal) zu der Beweisbehauptung in einem (Beweis)Antrag Stellung, ein anderer – als der Betroffene – habe das Fahrzeug geführt.

Dazu hat das BayObLG wie folgt ausgeführt:

„Außerhalb der durch das Rechtsmittel veranlassten Sachprüfung bemerkt der Senat ergänzend:

Soweit die Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. insoweit die Versagung rechtlichen Gehörs beanstandet wird, ist die Rüge unbeschadet ihrer am Maßstab der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu messenden zulässigen Erhebung unbegründet. Denn auch mit dem positiv formulierten Beweisbegehren auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei dem Fahrer zur Tatzeit um eine andere Person als den Betroffenen […] handelt“, wird allenfalls das von der Beweiserhebung erhoffte Beweisziel ‚unter Beweis‘ gestellt. Dies genügt regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung. Zwar ergibt sich aus dem Beweisbegehren die Minimalbehauptung, dass mit der Beweiserhebung unter Beweis gestellt werden soll, dass nicht der Betroffene, sondern eben „eine andere Person“ zur Tatzeit verantwortlicher Führer des Tatfahrzeugs gewesen ist. Diesen Schluss hätte und hat indes gerade nicht der beantragte (anthropologische) Sachverständige, sondern allein das Gericht auf der Grundlage der erhobenen Beweise zu ziehen. Es fehlen aber insoweit jegliche Angaben entweder dazu, welche bestimmte (‚verwechselungsgeeignete‘) Person anstelle des Betroffenen das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat bzw. auf dem Beweisfoto abgebildet ist oder aber wenigstens dazu, welche bestimmten morphologischen oder sonstigen Merkmale des Erscheinungsbilds, die eine Identität des Betroffenen mit der auf dem Messfoto abgebildeten Person ausschließen, durch das beantragte Gutachten ermittelt werden sollen (vgl. neben BGH, Beschl. v. 24.01.2017 – 2 StR 509/16 = NStZ 2017, 300 = StV 2017, 787 u.a. auch OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2009 – 3 Ss OWi 689/09 und 17.02.2009 – 4 Ss OWi 86/09 [jeweils bei juris] sowie OLG Bamberg, Beschluss v. 17.03.2017 – 3 Ss OWi 264/17 = StraFo 2017, 156 = OLGSt StPO § 244 Nr 25, jeweils m.w.N.).“

Wie man an den zitierten Entscheidungen sieht. Ein alter Hut, der aber die Praxis immer wieder beschäftigt. Also Augen auf bei diesen Beweisbehuaptungen. Dann kann/sollte nichts schief gehen.

Beweisziel – Beweistatsache – das sollte man bei einem Beweisantrag auseinander halten

Der OLG Naumburg, Beschl. v. 27.02.2012 – 2 Ss 28/12 –  beschäftigt sich mit den Anforderungen an einen Beweisantrag. Der Angeklagte/Verteidger hatte beantragt, einen Polizeibeamten und einen Justizvollzugsbeamten dazu zu hören, „dass der Zeuge und Nebenkläger S. sowie der Zeuge W. im Verlauf des Verfahrens bestimmte, in den Anträgen im Einzelnen bezeichnete Aussagen zum Tatgeschehen gemacht hatten, wobei nach den Beweisbehauptungen die Aussagen von W und S stark voneinander abwichen und auch in sich selbst inkonstant waren.“ Das LG hatte den Antrag als Beweisermittlungsantrag angesehen mit der Begründung, er beschreibe bloß das Beweisziel.Dazu das OLG Naumburg:

„Der Vortrag, die Zeugen hätten sich im Laufe des Verfahrens zum Tatgeschehen in einer bestimmten Weise geäußert, beschreibt kein bloßes Beweisziel (BGH NStZ-RR 2005, S. 177). Entgegen der Auffassung des Landgerichts bedarf es bei einem Beweisantrag nicht der Angabe eines Beweiszieles, der Begriff des Beweiszieles ist im Beweisantragsrecht nur insoweit von Bedeutung, als die für den Beweisantrag unabdingbare bestimmte Tatsachenbehauptung nicht durch die Angabe des Beweiszieles ersetzt werden kann (BGH a.a.O.).

Behandelt das Gericht zu Unrecht Beweisanträge als bloße Beweisermittlungsanträge, führt dieser Rechtsfehler in der Regel zur Aufhebung des Urteils (BGH a.a.O., BGH StV 2007, 563 f., Hamm, Die Revision in Strafsachen, 7. Aufl., Rdn. 619).“