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Der Beistand im selbständigen Einziehungsverfahren, oder: Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren?

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Heute stelle ich am RVG-Tag eine AG-und eine LG-Entscheidung vor, beide mit recht interessanten Aussagen. Zunächst der AG Bremen, Beschl. v. 04.03.2021 – 87 Ds 310 Js 53638/14 (29/18).

Der Beschluss hat leider – als KFB – keinen Sachverhalt. Den kann man nur erahnen. Ich habe mir den Sachverhalt aber anhand eines in der Sacher ergangenen Beschlusses, der bei juris eingestellt ist, besorgt. Sachverhalt ist danach etwa wie folgt:

Mit Beschluss vom 19.6.2014 ordnete das AG Bremen im Ermittlungsverfahren 310 Js 24210/14 wegen des Verdachts des schweren Bandendiebstahls die Durchsuchung der Wohnung des dortigen Beschuldigten T.T. D., des Sohnes der Betroffenen zu 1. und 2., in der M. 42 in Bremen an. Im Haus M. 42 wohnten zu diesem Zeitpunkt neben T.T. D. und weiteren Familienangehörigen auch dessen Eltern, die Betroffenen zu 1. und 2. Bei der am 9.9.2014 durchgeführten Durchsuchung wurden neben einer Schusswaffe und weiteren Geldbeträgen, die nicht weiter verfahrensrelevant sind, auch 35.000,– EUR in einem früheren Kinderzimmer unter einer Matratze gefunden und sichergestellt; außerdem wurden in der Wohnung diverse originalverpackte Waren, u.a. größere Mengen an Zigarren, Nassrasierern, Brillen, Kaffee, Kleidungsstücken und Whisky, sichergestellt.

Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin unmittelbar nach der Durchsuchung gegen den Betroffenen zu 1., teilweise auch gegen die Betroffene zu 2., Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz (310 Js 53638/14), wegen Betruges gegenüber Sozialleistungsträgern (310 Js 53648/14) und wegen gewerbsmäßiger Hehlerei (310 Js 53668/14) ein, wobei die beiden letzteren Verfahren später als Sonderakten zu 310 Js 53638/14 verbunden wurden. Mit Schreiben des Verteidigers des Betroffenen zu 1. vom 24.10.2016 wurde erstmals vorgetragen, der Geldbetrag von 35.000,– EUR gehöre dem Betroffenen zu 3., dem Neffen der Betroffenen zu 1. und 2. Dieser habe das Geld aus seinen Einkünften angespart und zum Schutz vor Diebstahl im Haus seiner Verwandten verwahrt.

Nach weiterem Schriftverkehr leitete die Staatsanwaltschaft erst am 12.07.2017 ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen die Betroffenen zu 1. bis 3. wegen Verdachts der Geldwäsche ein (310 Js 44968/17), das sofort als Sonderakte 3 zu 310 Js 53638/14 verbunden wurde; zugleich wurde insoweit die Gewährung rechtlichen Gehörs angeordnet. Mit weiterer Verfügung vom 24.08.2017 veranlasste die Staatsanwaltschaft die Umbuchung des sichergestellten Betrages von 35.000,– EUR aus 310 Js 53638/14 zu 310 Js 310 Js 44968/17. Bereits mit Verfügung vom 31.8.2017 (Bl. 168 Bd. I d.A.) stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren insgesamt und gegen alle Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, darunter auch wegen des Verdachts der Geldwäsche, wobei sie ausführte, eine Vortat könne insoweit nicht konkretisiert werden.

Mit Antrag vom 8.2.2018 beantragte die Staatsanwaltschaft gemäß § 76 a Abs. 4 StGB gegenüber den drei Betroffenen die selbständige Einziehung des sichergestellten Betrages von 35.000,– EUR, da die Betroffenen der Geldwäsche verdächtig seien. Mit weiterem Antrag vom 16.1.2019 beantragte die Staatsanwaltschaft zudem gegen die Betroffenen zu 1. und 2. die Einziehung diverser weiterer im Haus M. 42 beschlagnahmter Gegenstände. Nachdem zwischenzeitlich das LG Bremen mit Beschluss vom 12.3.2019 die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen T.T. D. wegen schweren Bandendiebstahls mangels hinreichenden Tatverdachts rechtskräftig abgelehnt hatte, ließ das AG Bremen mit Beschluss vom 2.5.2019 die Anträge der Staatsanwaltschaft auf selbständige Einziehung gemäß § 435 Abs. 3 i.V.m. § 203 StPO zu. Die mündliche Verhandlung vom 25.11.2019 wurde nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf sich aus der Entscheidung des BGH vom 18.9.2019 (1 StR 320/18) ergebende Rechtsfragen ausgesetzt.

Mit Schreiben ihrer Verteidiger verzichteten die Betroffenen auf die Herausgabe sämtlicher im Antrag der Staatsanwaltschaft vom 16.1.2019 bezeichneten Gegenstände. Die Staatsanwaltschaft stimmte daraufhin einem Absehen von der Einziehung gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO bzgl. der im Antrag vom 16.1.2019 bezeichneten Gegenstände zu. Das AG hat im Beschluss vom 25.3.2020 von der Einziehung insoweit abgesehen und den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 8.2.2018 auf Einziehung des sichergestellten Geldbetrages von 35.000,– EUR zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen sind der Staatskasse auferlegt worden.

Der Verteidiger des Betroffenen zu 3) hat gegenüber der Staatskasse für seine Tätigkeit im Verfahren der selbständigen Einziehung seine Wahlanwaltgebühren geltend gemacht. Er hat eine Grundgebühr Nr. 4100 VV, eine Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG, eine Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG geltend gemacht. Festgesetzt worden sind die eine Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG.

Das AG hat festgesetzt:

„Die Rahmengebühren sind gemäß § 14 RVG nicht unbillig erhöht und damit für die Kostenfestsetzung verbindlich. Die Grundgebühr, die Vorverfahrensgebühr sowie eine Postpauschale sind hingegen nicht erstattungsfähig, weil im Rahmen des hier gegenständlichen selbständigen Einziehungsverfahrens rechtsanwaltliche Tätigkeiten, die das Entstehen der Gebühren rechtfertigen könnten, nicht gegeben sind. So darf sich die Tätigkeit, die im Rahmen des seinerzeit eingestellten Ermittlungsverfahrens ausgeübt worden ist, hier gebührenrechtlich nicht auswirken. Weitere darüber hinaus erfolgten Tätigkeiten, die zum Entstehen der Gebühren führen, insbesondere eine erstmalige Einarbeitung, liegen nicht (mehr) vor.

Die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr sind jedoch neben der Gebühr für das selbständige Einziehungsverfahren erstattungsfähig, weil diese nebeneinander entstehen können und hier auch entstanden sind. Es wird sich insoweit des Vortrags des Verteidigers angeschlossen.

Auch die Kopierkosten werden als erstattungsfähig angesehen, weil der Inhalt des bisherigen Verfahrens auch bei nicht vorheriger Beteiligung für das Einziehungsverfahren relevant und damit die Anfertigung von Kopien insoweit erforderlich gewesen sein dürfte.“

Terminsgebühr im Auslieferungsverfahren, oder: Die gibt es nicht…..

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Und als zweite Entscheidung dann gleich noch eine falsche Entscheidung. Es handelt sich um den OLG Hamburg, Beschl. v. 16.02.2021 – Ausl 35/20. An dem Aktenzeichen sieht man: Ergangen ist der Beschluss nach einem Auslieferungsverfahren. Und es geht mal wieder um die Frage des Entstehens der Terminsgebühr, wenn der Beistand des Verfolgten an einem Termin beim AG nach den §§ 21 ff. IRG teilgenommen hat.

Das OLG Hamburg macht es ebenso verkehrt wie der Rest der OLG und meint:

„In Auslieferungsverfahren löst die Teilnahme des Rechtsbeistands an Terminen zur Vernehmung des Verfolgten vor dem Amtsgericht nach den §§ 21, 22 oder 28 IRG auch nach Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2128) keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG aus.“

Zur Neuregelung führt es aus:

„bb) Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2128) gibt keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Dieses Gesetz diente der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen im Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls. Zentraler Aspekt war die Stärkung des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand, indem zur Gewährleistung von dessen Effektivität Beschuldigen und gesuchten Personen die Unterstützung eines – jedenfalls vorläufig – durch die Mitgliedsstaaten finanzierten Rechtsbeistands zur Verfügung gestellt wird (BT-Drs. 19/13829 S. 1). Kostenrechtliche Aspekte der Rechtsbeistandschaft waren hingegen nicht Regelungsgegenstand.

(1) Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung zahlreiche Änderungen u.a. in der StPO, der BRAO, dem IRG, dem OWiG und auch dem RVG vorgenommen. Die Gesetzesänderung des RVG hat die anwaltliche Vergütung selbst indes nicht berührt. Durch die Erweiterung des § 59a RVG um den neuen Absatz 1

„Für den durch die Staatsanwaltschaft bestellten Rechtsanwalt gelten die Vorschriften über den gerichtlich bestellten Rechtsanwalt entsprechend. Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden, tritt an die Stelle des Gerichts des ersten Rechtszugs das Gericht, das für die gerichtliche Bestätigung der Bestellung zuständig ist.“

wurde vor dem Hintergrund, dass die Bestimmungen des Abschnitts 8 des RVG „Beigeordneter oder bestellter Rechtsanwalt, Beratungshilfe“ auf eine gerichtliche Bestellung abstellen, nur dem Umstand Rechnung getragen, dass nun auch der Staatsanwaltschaft eine Eilzuständigkeit für die Beiordnung zusteht (§ 142 Abs. 4 StPO). Zudem war die Zuständigkeit für Anträge zu regeln, wenn das Verfahren nicht gerichtlich anhängig wird (vgl. BT-Drs. 19/13829, S. 63-64).

Trotz der Neuregelung des § 59a Abs. 1 RVG hat der Reformgesetzgeber die Formulierung des Gebührentatbestandes für die Terminsgebühr in Auslieferungssachen unverändert gelassen. Die in der Literatur (Volpert in Burhoff, a.a.O.; Oehmichen, a.a.O.) nach der bisherigen Rechtslage thematisierte und für geboten gehaltene gesetzliche Klarstellung, dass Nr. 6012 VV-RVG auch Termine nach § 21, 22, 28 IRG erfasst, ist weder im Rahmen des 2. KostRMoG vom 23. Juli 2013 (BGBl. I, S. 2586) noch nunmehr im Rahmen der Umsetzung der „PKH-Richtlinie“ (Richtlinie 2016/1919) erfolgt. Insbesondere wurde keine Nr. 4102 Nr. 1 VV-RVG entsprechende Regelung für die Teilnahme an „richterlichen Vernehmungen“ in Nr. 6102 VV-RVG aufgenommen. Der Gesetzgeber wollte trotz der nunmehr statuierten notwendigen Rechtsbeistandschaft bei einer Festnahme der verfolgten Person (§ 40 Abs. 2 IRG) offensichtlich keine entsprechende kostenrechtliche Regelung in Nr. 6102 VV-RVG – ein generelles Anfallen einer Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen außerhalb von Verhandlungsterminen – schaffen. Die Nrn. 6101 und 6102 VV-RVG wurden in Kenntnis der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Anwendungsbereich der Nr. 6102 VV-RVG, vielmehr unverändert belassen.“

Na ja, die OLG wollen nicht – warum auch immer.

 

Strafvollstreckung, oder: Anwesenheitsrecht eines Beistands bei der Anhörung im Disziplinarverfahren

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Author Denis Barthel

Die 24. KW. eröffne ich mit einer Entscheidung aus dem Strafvollzug, und zwar mit dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.03.2018 – 2 Ws 47/18. Der nimmt Stellung zum Anwesenheitsrecht eines anwaltlichen Beistands bei der Anhörung in einem (strafvollstreckungsrechtlichen) Disziplinarverfahren. Gegen den Untergebrachten ist von der JVA Straubing, Einrichtung für Sicherungsverwahrung am 22.11.2017 nach vorheriger Anhörung, die entgegen dem Wunsch des Untergebrachten ohne seinen Rechtsanwalt durchgeführt wurde, wegen unerlaubten Besitzes eines scharfen Tafelmessers gemäß Art. 78 Abs. 3 Nr. 2 BaySvVollzG eine Disziplinarmaßnahme (Freizeitbeschränkung) verhängt worden.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der u.a. damit begründet worden ist, dass die Disziplinarmaßnahme wegen eines Verfahrensfehlers sei. Dem Antragsteller sei zu Unrecht die Anwesenheit seines Verteidigers im Anhörungstermin verweigert worden. Die StVK sieht die – stattgefundene – vorherige Konsultation eines Verteidigers als ausreichend an nund bezieht sich dazu auf Rechtsprechung des OLG Bamberg (NStZ-RR 2015, 93). Anders hatt vorher das OLG Nürnberg entschieden (StV 2012, 169). Dessen Auffassung überzeugte die StVK nicht.

Die Antwort hat es dann aus Nürnberg gegeben:

„2. Die Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufigen Erfolg, weil dem Disziplinarverfahren ein erheblicher Verfahrensfehler zugrunde liegt, dies zur – vorläufigen – Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme führt und dies von der Strafvollstreckungskammer zu Unrecht verneint wurde.

Die Rechtsbeschwerde führt daher zur Teilaufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Aufhebung der am 22.11.2017 verhängten Disziplinarmaßnahme sowie zur Zurückverweisung der Sache an die Justizvollzugsanstalt Straubing – Einrichtung für Sicherungsverwahrung – zur erneuten Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum insoweit durchzuführenden Verfahren.

3. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung vom 06.07.2011 fest. Der Begründung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 09.10.2014 (NStZ-RR 2015, 93) folgt der Senat nicht. Das Oberlandesgericht Bamberg argumentiert insoweit, dass es unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes und damit auch des Rechtsstaatsprinzips als unbedenklich angesehen wird, dass ein Verteidiger an der ersten, polizeilichen Vernehmung eines Beschuldigten nicht teilnehmen darf. Nur bei einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung ergebe sich für das Ermittlungsverfahren aus den §§ 168c Abs. 1, 163a Abs. 3 Satz 2 StPO die Berechtigung des Verteidigers zur Teilnahme. Nichts anderes könne daher für einen Untersuchungsgefangenen in einem Disziplinarverfahren gelten. Das Oberlandesgericht Bamberg berücksichtigt insoweit allerdings nicht, dass der polizeilichen Vernehmung keine direkte Entscheidung über eine Sanktion folgt, der Anhörung im Disziplinarverfahren aber schon. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat – zunächst – auch keine aufschiebende Wirkung (§ 114 Abs. 1 StVollzG). Die Sanktion, das heißt die verhängte Disziplinarmaßnahme, wird in der Regel auch sofort vollzogen. Wegen dieser erheblichen Folgen eines Disziplinarverfahren ist, soweit die Vertretung durch einen Anwalt im Anhörungsverfahren ohne erhebliche Verzögerung möglich wäre, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 06.07.2011 bereits dargelegt hat, die Ermöglichung der Teilnahme eines Verteidigers bei der Anhörung eines Untergebrachten in einem Disziplinarverfahren verfassungsrechtlich geboten.“

 

Eine Tür, die sich öffnet, darf man nicht selbst wieder zuschlagen….

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Die Frage der Zulässigkeit der nachträglichen Beiordnung/Bestellung eines Rechtsanwalts nach Rechtskraft zum Beistand/Pflichtverteidiger ist ein Problem, über das in Praxis heftig gestritten wird. Die wohl überwiegende Meinung der Obergerichte sieht das als unzulässig an und lehnt entsprechende Anträge immer wieder ab bzw. weist Beschwerde zurück, die sich gegen entsprechende negative landgerichtliche Entscheidungen richten. Argument an der Stelle dann immer: Es gehe um eine ordnungsgemäße Verteidigung/Vertretung. Die müsse/könne aber nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr gewährleistet werden. Die Beiordnung/Bestellung erfolge nicht im Kosteninteresse des Rechtsanwalts/Nebenklägers/Beschuldigten. So weit – ob so gut, ist eine andere Frage. Jedenfalls muss man die Rechtsprechung im Auge haben.

Und man muss auch im Auge haben, dass von dieser (strengen) Rechtsprechung Ausnahmen gemacht werden. Auf jeden Fall von den LG – dazu gibt es eine große Zahl von Entscheidungen, die z.T. in meinem Handbuch für das Strafrechtliche Ermittlungsverfahren, angeführt sind. Aber z.T. auch von den OLG. Zuletzt jetzt gerade vom OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 04.08.2015 – 2 Ws 111/15. Das hat sich zwar grundsätzlich auch der übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen, führt aber aus:

„Soweit eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit einer rückwirkenden Beiordnung eines anwaltlichen Beistandes oder der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach der Rechtsprechung dann in Betracht kommt, wenn der Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (vgl. BVerfGE v. 11.10.1996, 2 BvR 1777/95; BGH aaO; OLG Köln Beschl. v. 01.10.1999, 2 Ws 528/99; KK-Senge aaO), …“

So weit, so gut. Und das stimmt hoffnungsfroh, dass sich die Tür zur nachträglichen Beiordnung hier (ein wenig) öffnet. Nur: Der Rechtsanwalt muss auch etas dafür tun, dass die Tür weit aufgeht und darf nicht selbst dafür sorgen, dass sie sich wieder schließt. Und das hat sie sich in dem vom OLG Celle entschiedenen Fall. Denn das OLG führt weiter aus:

„……führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung der Zulässigkeit der Beschwerde. Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Antrag der Nebenklägerin vom 16.03.2015 ist durch Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 21.05.2015 beschieden worden. Diese Bescheidung war auch rechtzeitig, sie erging mehr als 5 Wochen vor der für den 29.06.2015 anberaumten Hauptverhandlung. Hätte die Nebenklägerin nicht erst mit Schriftsatz vom 15.06.2015 Beschwerde eingelegt, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Beschwerdeentscheidung noch vor der anstehenden Hauptverhandlung ergangen.“

Also: Man muss agieren, um dem Einwand der Ununzulässigkeit zu entgehen. Ggf.muss man erinnern, wenn man merkt oder es den Anschein hat, dass das „Bewilligungsgericht“ bewusst untätig bleibt – soll es ja auch geben.

Kleines Trostpflaster (?) im OLG Celle-Beschluss:

„Ergänzend bemerkt der Senat, dass der Beschwerde – auch im Falle ihrer Zulässigkeit – aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses in der Sache der Erfolg versagt geblieben wäre.“

„für Rechtsanwalt…“ unterzeichnet – Schriftform gewahrt? Ja, aber!

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Es hat sich mal wieder der 2. Strafsenat des BGH 🙂 zu Wort gemeldet, und zwar dem BGH, Urt. v. 13.08.2014 – 2 StR 573/13, das zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist. Der 2. Strafsenat nimmt in der Entscheidung zu einer Frage Stellung, die in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung nicht ganz eindeutig geklärt ist. Nämlich die Frage, wie im Hinblick auf die Schriftform bei einem Rechtsmittel/Rechtsbehelf umzugehen ist, wenn der unterzeichnende Rechtsanwalt mit einem Zusatz unterzeichnet. Also z.B. mit „für Rechtsanwalt….“ oder „i.V….“. Es stellt sich dann immer die Frage: Ist das Rechtsmittel/der Rechtsbehelf wirksam eingelegt/begründet oder nicht. Die OLG sehen das verhältnismäßig streng. Der BGH sieht es m.E. weiter – ich will nicht sagen „lockerer“ 🙂 – und meint für die Revisionsbegründung des Nebenklägerbeistandes:

„Unterzeichnet ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt die von dem eigentlich mandatierten Rechtsanwalt verfasste Revisionsbegründungsschrift mit dem Zu-satz „für Rechtsanwalt …“, so rechtfertigt allein dieser Umstand keinen Zweifel da-ran, dass er sich den Inhalt der Schrift zu eigen gemacht und dafür auf Grund eigener Prüfung die Verantwortung übernommen hat (§ 390 Abs. 2 StPO).“

Ich wäre aber trotz dieser „lockeren“ Auffassung des 2. Strafsenats vorsichtig und würde alles an Zusätzen unterlassen, aus dem man Zweifel an der Verantwortungsübernahme herleiten könnte.

Für mich ist die Entscheidung noch aus einem weiteren Grund von Bedeutung: Der BGH hat nämlich auch zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob ein  vom Nebenkläger bevollmächtigter und danach beigeordneter Rechtsanwalt für bestimmende Revisionsschriftsätze Untervollmacht erteilen kann. Die bejaht er. In dem Zusammenhang macht er dann auch Ausführungen zum Pflichtverteidiger und weist – noch einmal – darauf hin, dass der keine Untervollmacht erteilen, sich also nicht vertreten lassen kann. Das hat m.E. gebührenrechtliche Auswirkungen, wenn es um den sog. „Terminsvertreter“ geht. Denn bei dessen Abrechnung argumentieren die OLG häufig damit, dass der „nur“ Vertreter“ sei  und deshalb Grund- und Verfahrensgebühr nicht noch einmal entstehen können, sie seien schon in der Person des Vertretenen entstanden. Ist m.E. falsch, weil es eben einen Vertreter des Pflichtverteidigers nicht gibt. Das habe ich schon immer gesagt. Und das wird durch den BGH bestätigt. Also: Man kann mit der o.a. Entscheidung auch gebührenrechtlich argumentieren.