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Inbegriffsrüge, oder: Begründung ist doch schwerer, oder?

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Urheber Harald Bischoff

Ich habe hier ja auch schon häufiger zur ausreichenden Begründung der Inbegriffsrüge Stellung genommen, und zwar:

Dabe geht es ja um das Problem, dass im Urteil Erkenntnisse vewrwendet werden, die nicht „Inbegriff der Hauptverhandlung“ (§ 261 StPO) waren. Meist wird gerügt, dass im Urteil eine in der Hauptverhandlung nicht verlesene Urkunde verwertet werden soll.

Jetzt hat das OLG Hamm auch noch einmal zu der Frage Stellung genommen. Der Betroffene hatte mit dieser Inbegriffsrüge geltend gemacht, dass in den Urteilsgründen auf die Dateneinblendung innerhalb eines Messfotos Bezug genommen werde, obgleich die Dateneinblendung auf dem Messfoto nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei. Die Datenleiste/Messwerteinblendung sei weder verlesen, noch sonst wie, z. B. im Wege des Vorhalts oder anderweitig in die Hauptverhandlung eingeführt worden.

Zu dne Anforderungen an die Begründung verweist das OLG im OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2017 – 4 RBs 152/17 – darauf, dass nach der h.M. in diesen Fällen für eine ordnungsgemäße Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei, erforderlich ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., 2017, § 261 Rn. 38 m. w. N.). Dazu war der Vortrag des Betroffenen  beim OLG Hamm dann aber widersprüchlich und damit nicht ausreichend für eine ordnungsgemäße Begründung.

Begründung der Verfahrensrüge – offenbar für manche Verteidiger doch (zu) schwer? Selbst Klassiker.

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Dass es nicht einfach ist, eine Verfahrensrüge den Vorgaben des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend – bzw. dem entsprechend, was die obergerichtliche Rechtsprechung aus der Vorschrift gemacht hat, – zu begründen, ist klar. Aber ich frage mich immer wieder, wenn ich die Rechtsprechung des BGH sehe, ob eigentlich so viele Verfahrensrügen schon an den formellen Vorgaben scheitern müssen oder ob die Hürde nicht doch hätte übersprungen werden können/müssen. Das gilt vor allem dann, wenn es um im Grunde Klassiker aus dem Bereich geht, was man m.E. immer daran erkennt, dass zu den vom BGH vermissten Ausführungen obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt, die der BGH dann „locker“ zitiert. So auch im BGH, Beschl. v. 08.01.2013, 1 StR 602/12. Dort war in einem Vergewaltigungsverfahren die Verletzung der gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht wegen des Unterbleibens der Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Glaubhaftigkeit der Aussage der geschädigten Zeugin gerügt worden. Diese Rüge scheitert bereits im formellen Bereich an zwei Punkten, und zwar:

„Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift – entgegen der Erwiderung der Revision vom 27. Dezember 2012 – zutreffend aufgezeigt hat, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die gesetzlich nicht geregelte Untersuchung von Zeugen auf ihre Glaubwürdigkeit einer Einwilligung der Betroffenen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1989 – 4 StR 201/89, BGHSt 36, 217, 219; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 1 StR 284/04; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 1 StR 498/04, NJW 2005, 1519; Senge in KK-StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 9 mwN). Das Vorliegen einer entsprechenden Zustimmung der zu begutachtenden Person muss von der Revision dargetan werden (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 1 StR 284/04). Daran fehlt es vorliegend.Die Revision teilt, worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, zudem nicht sämtliche von der Verteidigung während des Strafverfahrens gestellten Anträge auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens und die daraufhin ergangenen Entscheidungen der Strafkammer mit. Dessen hätte es aber vorliegend bedurft, um den gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu entsprechen. Danach müssen die notwendigen Angaben zum Verfahrensgeschehen so umfassend sein, dass dem Revisionsgericht im Sinne einer vorweggenommenen Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten die Beurteilung ermöglicht wird, festzustellen, ob der behauptete Verfahrensverstoß vorliegt (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 25. März 1998 – 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 344 Rn. 21 mwN). Um dem zu entsprechen, muss bei einer auf die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO gestützten Rüge regelmäßig angegeben werden, welche Umstände das Tatgericht zu weiterer Aufklärung hätten drängen müssen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 11. September 2003 – 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690, 691; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 52 mwN). Damit das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, zu überprüfen, ob sich der Tatrichter zu der begehrten Aufklärung hätte gedrängt sehen müssen, bedarf es grundsätzlich auch der Mitteilung des Inhalts darauf gerichteter Beweisanträge und der Entscheidungen des Tatgerichts über diese Anträge. Denn gerade aus dem Inhalt der gerichtlichen Entscheidungen ergeben sich Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob die Amtsaufklärungspflicht eine weitergehende Beweiserhebung erforderte oder nicht. Angesichts dessen hätte die Revision die in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft ausgeführte (erneute) Stellung eines Beweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens im Termin zur Hauptverhandlung vom 19. Juni 2012 und den Inhalt des Ablehnungsbeschlusses der Strafkammer vom selben Tage mitteilen müssen.“

Insbesondere auf den zweiten Punkte hätte man m.E. kommen müssen. Das ist letztlich revisionsrechtliches Grundwissen.

Nun ja, die Lücken haben dann aber im Ergebnis keine Folgen gehabt. Denn, selbst wenn die Revision ausreichend begründet gewesen wäre, hätte sie keinen Erfolg gehabt. Der BGH hat die Einholung des (zusätzlichen) aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens über geschädigte als nicht erforderlich angesehen. Die Jugendkammer haben die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage aufgrund eigener Sachkunde beurteilen können und habe und hat daher nicht gegen die Amtsaufklärungspflicht verstoßen.