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„Detektiv-Entscheidung“ des BGH, oder: Wie prüfe ich die Frage: Ist mein Ehegatte treu?

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Die Frage: Ist meine Ehegatte treu?, kann in manchen Lebens-/Rechtslagen von entscheidender Bedeutung sein. Sie führt allerdings zu der Anschlussfrage: Wie stelle ich das beweissicher für Zivil- und/oder Familienverfahren usw. fest?. Da bietet sich auf den ersten Blick natürlich der Gang zum privaten Detektivbüro an. Und an der Stelle spielt dann die „Detektiv-Entscheidung“ des BGH im BGH, Urt. v. 04.06.2013 – 1 StR 32/13- ein Rolle, auf die ich dann hier doch auch hinweisen will, nachdem dazu inzwischen der Volltext vor – immerhin 38 Seiten, die man hier allerdings kaum darstellen kann, vorliegt. Das muss schon jeder selber lesen, was der BGH zur Begründung seiner Auffassung zur generellen Strafbarkeit der Überwachung Privater durch Private ausführt. Die Leitsätze der für BGHSt-bestimmten Entscheidung geben auf den ersten Blick nicht so viel her, da es sich um sog. „Zu-Leitsätze“ handelt, die immer ein wenig schwammig sind. Sie lauten (nur):

1. Zum Vorliegen nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten bei der Erstellung von sog. Bewegungsprofilen bei Überwachung von Zielpersonen durch Anbringung von GPS-Empfängern an den von diesen genutzten Kraftfahrzeugen durch eine Detektei.
2. Zu den Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Befugnis zum Erstellen von Bewegungsprofilen mittels GPS-Empfängern in engen Ausnahmefällen.

Warum der BGH nicht mit:

„Datenerhebungen und Datenverarbeitungen aus nicht allgemein zugänglichen Quellen im Rahmen privater Beweiserhebungen und Ermittlungen sind nur in engen Ausnahmefällen nicht strafbar.“

formuliert hat, erschließt sich mir nicht. Denn das ist wohl das Fazit, das man aus der Entscheidung ziehen kann.

Zur Erinnerung der Sachverhalt (vgl. auch die PM des BGH zur Entscheidung): Verurteilt worden war vom LG der Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen. Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich. Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten. Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik, indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen.

Das LG hat die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen §§ 44 i.V.m. 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG verurteilt. Nach Auffassung des LG waren die Angeklagten nicht i.S. von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hatte es nicht vorgenommen.

Der BGH ist davon ausgegangen, dass die heimliche Überwachung der „Zielpersonen“ mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar sei eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch könne lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen sei.  Ob solche Ausnahmen in einigen Fällen vorlagen, konnte der BGh nicht abschließend überprüfen, da das LG, das von einem anderen rechtlichen Maßstab ausgegangen war, hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Dies führte zu einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines Teils der angeklagten Fälle.

M.E. hat der BGh verhältnismäßig hohe Hürden aufgestellt: Es muss muss ein berechtigtes Interesse des Detektives bzw. seines Auftraggebers gerade an einem  Bewegungsprofil zur Durchsetzung berechtigter Interessen bestehen. Dies gilt nur dann, wenn das Bewegungsprofil im konkreten Einzelfall zur Durchsetzung des Beweisführungsinteresses benötigt wird. Dabei reicht ein schlichtes Beweisführungsinteresse des Auftraggebers nicht aus. Vielmehr muss nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch von BGHZ letztlich ein Beweisnotstand im Sinne einer notwehrähnlichen Situation für die beweisbelastete Person im Zivilprozess bestehen, die die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts aus schwerwiegenden Gründen mangels anderer in Betracht kommender Beweismittel im Interesse einer wirksamen Rechtspflege erforderlich macht. Hierzu stellt der BGH u. a. auf die Rechtsprechung zur Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität des anonymen Anrufers oder auf Fälle des auf andere Weise nicht anwendbaren Eingriffs auf die berufliche Existenz und sodann weiter auf die entsprechende familienrechtliche Rechtsprechung zu heimlichen Vaterschaftstests und die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz ab.

Insgesamt nimmt der BGH auf dieser Grundlage an, dass das Beweisführungsinteresse die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Zielperson zulässig machen kann,

  • wenn ein konkreter Verdacht gegen diesen besteht,
  • die detektivische Tätigkeit zur Klärung der Beweisfrage erforderlich ist und
  • andere, mildere Maßnahmen nicht als genügend erscheinen.

Dabei müssen die Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers umso höher sein, je mehr die Art und Weise der Datenerhebung die Privatsphäre des Observierten beeinträchtigt. Dies liegt u. a. dann vor, wenn mit der Anbringung eines GPS-Empfängers ein Eindringen in befriedetes Besitztum der Zielperson verbunden ist oder wenn Observationsmittel an Fahrzeugen angebracht werden, die für den Detektiv bzw. dessen Auftraggeber fremd sind.

Der BGH kommt auf der Grundlage z.B. zu dem Ergebnis, dass es  generell nicht gerechtfertigt ist, die Aufklärung zu betreiben über die Treue des eigenen Ehegatten, des Lebensgefährten und der Schwiegertochter, ohne dass bereits gerichtliche Verfahren bestanden hätten. Nach den Vorgaben des BGH kann aber in den Fällen der wirtschaftlichen Motivationslage unter Umständen eine Verwertbarkeit nach den vorgenannten Grundsätzen gegeben sein.

Wie gesagt: Komplizierte Entscheidung, daher am besten selber lesen 🙂 (vgl. aber auch hier: GPS-Überwachung im Strafrecht, Verfassungsrecht, Zivilrecht;