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Aussagekonstanz bei nur einmaliger Aussage?

Gern wird ja bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Aussage mit der Aussagekonstanz argumentiert. Der BGH hat jetzt darauf hingewiesen, dass die Aussagekonstanz bei nur einmaliger Aussage gegenüber der Polizei keine allein tragfähige Grundlage für eine Verurteilung ist. In der Sache ging es um eine Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Urteilsgründe enthielten keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Geschädigten und das Urteil war im Wesentlichen mit der Aussagekonstanz begründet.

Der BGH sagt: Handelt es sich insoweit um eine detailarme Aussage, die zudem ausschließlich im Rahmen einer einzigen polizeilichen Vernehmung gemacht worden ist, ist eine solche Konstanz insbesondere bei widerstreitenden Angaben des Angeklagten und der Angabe, die Geschädigte habe die Anschuldigungen nur deswegen publik gemacht, um den Angeklagten zu ängstigen, nicht als hinreichende Verurteilungsgrundlage anzusehen.

(zu lesen im Beschl. v. 10.11.2010 – 2 StR 403/10).

Vergewaltigung – Aussage gegen Aussage – Beweiswürdigung – die BGH-Entscheidung kann die Strafkammer im Verfahren Kachelmann schon mal lesen…

Beweiswürdigungsfragen spielen gerade in Vergewaltigungsverfahren eine große Rolle; was man nicht zuletzt am Verfahren Kachelmann sieht. Häufig haben wir es hier ja mit der schwierigen Aussage-gegen-Aussage-Problematik zu tun.

Darauf weist der BGH immer wieder hin und fordert immer wieder das Eingehen auf die „besonderen Anforderungen“. So auch im Beschl. v. 06.07.2010 – 5 StR 194/10:

„Die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Sie wird den besonderen Anforderungen nicht gerecht, die in der gegebenen Konstellation „Aussage gegen Aussage“ zu stellen sind (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.; 256, 257) und die es gebieten, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen kön-nen, in seine Überlegung einzubeziehen und eine umfassende Gesamtwür-digung aller Indizien vorzunehmen hat (vgl. BGH StV 2009, 176, 177 m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2009 – 5 StR 84/09 – und vom 27. April 2010 – 5 StR 127/10).“

Wie es gemacht werden soll und was zu beachten ist, kann man dann im Beschluss vom 06.07.2010 nachlesen.

Im Verfahren Kachelmann wird sich die Kammer mit der Aussage-gegen-Aussage-Problematik sicherlich/hoffentlich eingehend auseinandersetzen (müssen).

Allerdings, aber nur nebenbei: Frau Schwarzer sieht die Fragen offenbar anders, wie man am Sonntagabend bei Anne Will in der ARD sehen/hören konnte (vgl. auch hier).

„…Ich weise dich darauf hin, dass du hier als Beschuldigter vor der Polizei keine Angaben machen brauchst…“

… so lautete u.a. eine Beschuldigtenbelehrung, über deren Ordnungsgemäßheit jetzt der BGH in seinem Urteil v. 29.04.2010 – 3 StR 63/10 zu entscheiden hatte.

Das LG hatte die Belehrung als nicht i.S. der §§ 163a, 136 StPO ordnungsgemäß angesehen, weil diese Belehrung den Schluss nahe lege, dass der Beschuldigte zwar vor der Polizei keine Angaben machen müsse, vor einer anderen Stelle, wie der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht aber doch. Die Strafkammer vermochte daher nicht auszuschließen, dass der Entschluss des Beschuldigten, bei der Polizei Angaben zu machen, von der Erwägung beeinflusst gewesen sei, dass er letztlich eben doch Angaben machen müsse.

Der BGH hat das – in der Sache wohl zutreffend – anders gesehen, weil die Auslegung der von dem Polizeibeamten verwendeten Belehrungsformel ergebe, dass Unklarheiten darüber, dass es dem Angeklagten freistand, in der anschließenden polizeilichen Vernehmung Angaben zu machen oder dies zu unterlassen, nicht auftreten konnten. Der Wortlaut sei insoweit eindeutig. Für die Annahme des LG, wegen der – über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden – Wendung „hier als Beschuldigter vor der Polizei“ sei die Möglichkeit nicht auszuschließen, der Angeklagte habe dies dahin missverstehen können, in einer späteren Vernehmung durch einen Staatsanwalt oder Richter doch zur Aussage verpflichtet zu sein und aus diesem Grund bereits bei der Polizei Angaben gemacht, bestanden nach Ansicht des BGH auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

Trotzdem: Immer aufgepasst, wenn von der Formulierung des Gesetzes bei Belehrungen abgesehen wird.

Neues zur geplanten Aussagepflicht von Zeugen bei der Polizei – Bundesregierung nimmt Stellung

Nach dem Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat – Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens, über das auch hier schon berichtet worden ist – sollen Zeugen demnächst – nach einer Ergänzung des § 163a StPO um einen Abs. 5 – verpflichtet sein, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (vgl. dazu den Gesetzesentwurf in der BT-Drucksache 17/2166).

U.A. dazu hat die Bundesregierung jetzt Stellung genommen:

Sie weist zu dieser Erscheinungspflicht von Zeugen vor der Polizei auf einige Bedenken hin. So sei zweifelhaft, ob die vom Bundesrat vorgesehene Voraussetzung für ein Erscheinen und Aussagepflicht eines Zeugen auslösende Ladung die Sachleitungsbefugnis und -pflicht der Staatsanwaltschaft hinreichend wahre. Immerhin etwas. Mal sehen, was daraus wird. Interessant natürlich die Begründung im Gesetzesentwurf für diese Änderung.

Ansonsten stimmt die Bundesregierung den geplanten Änderungen zu:

Das ist einmal die Möglichkeit, dass auch das Revisionsgericht das Verfahren noch gegen Auflagen nach § 153a StPO einstellen kann.

Schließlich soll eine derzeitige Doppelzuständigkeit in den Fällen entfallen, wenn von der Strafvollstreckungskammer zugleich über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringungen im einem psychiatrischen Krankenhaus beziehungsweise in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist; derzeit kommt es hier zu einer parallelen Befassung der mit drei Berufsrichtern besetzen großen Strafvollstreckungskammer und der mit einen Einzelrichter besetzten kleinen Strafvollstreckungskammer.

Beweiswürdigung ist nicht unbedingt immer gelungen – hier kann man lesen, wie der BGH es sieht

Beweiswürdigungen sind bei den Tatrichtern nicht unbedingt beliebt. Das merkt man machen Ausführungen auch an, und zwar häufig vor allem, wenn es um die sog. Aussage-gegen-Aussage-Problematik geht, die in Vergewaltigungs- und Missbrauchsfällen eine erhebliche Rolle spielt.

Dazu jetzt der BGH in einer lesenswerten Entscheidung im Beschl. v. 27.04.2010 – 5 StR 127/10, in der er die Beweiswürdigung einer Strafkammer bei Aussage gegen Aussage im Einzelnen „auseinandernimmt“.